Oberstdorfs nördliche Ortseinfahrt mit der noch vom Allee- bäumen und Buschwerk eingefassten Reichsstraße 19 (heute B19).
Die „Federation Internationale des Clubs Motorcyclistes” hatte die Durchführung der „17. Internationale Sechstagefahrt”, die vom 9. bis 14. September 1935 stattfinden sollte, dem Deutschen Automobil-Club (ADAC) übertragen. Diese motorsportliche Veranstaltung war offen für Motorräder mit und ohne Beiwagen sowie Dreiradwagen und umfasste eine Zuverlässigkeitsprüfung über sechs Tagesetappen. Sie sollte mit einer Schnelligkeitsprüfung auf einem Rundkurs von etwa einer Stunde Dauer, deren Ergebnis kein Ausscheiden irgendeines Konkurrenten zur Folge haben kann, abschließen. Die Gesamtstrecke der Prüfungen wird etwa 2.500 Kilometer betragen. Oberstdorf sollte der Standort der Fahrer und hauptsächlicher Startort der einzelnen Prüfungen sein; soweit also die Vorausinformation.
Im Rahmen der Vorbereitung der Veranstaltung trafen sich am Mittwoch, den 17. Juli 1935, Vertreter des ADAC mit den Ortsgewaltigen von Oberstdorf, um sich über die sportliche Durchführung und die Quartierfrage zu beraten. Dabei kamen auch die Regularien der Fahrt zur Sprache.
Ein internationales Renngericht überwacht folgende vier Wettbewerbe:
Wettbewerb um die „Internationale Trophäe” für Nationalteams zu je drei Fahrern, davon zwei auf Solomaschinen und einer auf Beiwagenkrad oder Dreiradwagen mit Mitfahrern („Schmiermaxe”). Die drei Fahrzeuge müssen Erzeugnisse des durch das Nationalteam vertretenen Landes sein, oder als Produkte einer dort beheimateten Fabrik in den Handel gekommen sein; auf jeden Fall müssen Rahmen und Motor diesen Bedingungen entsprechen. Die drei Fahrer müssen ebenfalls Angehörige des durch sie vertretenen Landes sein. Jedes Land kann nur eine Mannschaft zu diesem Bewerb entsenden. Die „Internationale Trophäe” wird demjenigen Nationalverband zugesprochen, dessen Mannschaft die kleinste Strafpunktezahl aus den Regelmäßigkeitsprüfungen der sechs Tagesetappen auf der Straße und der abschließenden Schnelligkeitsprüfung erhalten hat. Dieser Preis wurde 1913 von der „British Cycle und Motorcycle Manufakturers and Traders Union, Limited” gestiftet und wurde 1933 und 1934 von Deutschland gewonnen.
Wettbewerb um die „Internationale Silbervase” für Nationalteams zu je drei Fahrern auf Motorrädern beliebiger Kategorie und beliebigen Herstellungslandes. Die drei Fahrer der Mannschaften müssen Angehörige des durch sie vertretenen Landes sein. Jede Nation darf nicht mehr als drei Mannschaften zu diesem Bewerbe melden. Dieser Preis wurde 1933 und 1934 von England gewonnen.
Wettbewerb um die „Große Goldmedaille der FICM” für Mannschaften zu je drei Fahrern der gleichen Marke, jedoch beliebiger Kategorie, gemeldet von Fabriken oder mit deren Genehmigung von Vertretern. Jeder der Fahrer muss die nachstehend erwähnte Goldmedaille erhalten haben. Die Zahl der Nennungen für diesen Bewerb ist unbegrenzt.
Wettbewerb um die „Goldmedaille”, „Silbermedaille”, „Bronzemedaille” der FICM für alle gemeldeten Fahrer. Die „Goldmedaille” erhalten alle strafpunktfreien Fahrer, die „Silbermedaille” alle Fahrer bis zum Höchstmaß von 10 Strafpunkten, die „Bronzemedaille” die Fahrer mit nicht über 50 Strafpunkten.
Außer den oben genannten vier Wettbewerben wird noch ein Wettbewerb um den Preis des Führers des deutschen Kraftfahrsportes ausgeschrieben. Für diesen Wettbewerb kann jeder der FICM angeschlossenen Nationalverbände zwei Clubmannschaften zu je drei Fahrern nennen.
Die Schnelligkeitsprüfung findet am 14. September auf dem Straßendreieck östlich von Füssen statt. Die Preisverkündigung wird in Oberstdorf abgehalten.
Die grobe Streckenführung ist wie folgt festgelegt:
Oberstdorf hatte nun Zeit bis September, um für die Quartiere der Motorsportler, Offiziellen und Presseleute besorgt zu sein sowie sich um Flächen und Räume eines Fahrerlagers zu kümmern.
Im Monat August laufen die Vorbereitungen für die größte sportliche Veranstaltung im Markt Oberstdorf auf Hochtouren. Im Schulhof werden das „Gärtchen” und Teile des Rasens abgetragen und auf der dann aufgekiesten Fläche das große Festzelt des Gebirgstrachten- und Heimatschutzvereins aufgestellt. Darin sollen die rund 260 Fahrzeuge der beteiligten Fahrer untergestellt werden. Die Reichspost hat fünf Standleitungen mit einer Reihe von Nebenanschlüssen ins Schulhaus verlegt, wo die rund 40 Pressevertreter aus aller Welt ihre Büros haben werden. Die Turner freuen sich, denn ihr lang gehegter Wunsch nach Duschräumen geht in Erfüllung. Neben der Turnhalle werden in dem, mit einem Zwischengang verbundenen Keller des Schulhauses Duschen für die Teilnehmer der „Sechstagefahrt” eingerichtet.
Ende August sind die Meldungen der Mannschaften eingegangen. Neben dem Veranstalterland Deutschland sind Fahrer aus folgenden Ländern gemeldet: Belgien, England, Frankreich, Holland, Irland, Italien, Polen, Schweden, Schweiz, Tschechoslowakei und Ungarn. Dazu ist in der Tagespresse zu lesen: „In Anbetracht einer österreichischen Verfügung über die Teilnahme deren Sportverbände an deutschen Veranstaltungen können von dort her keine Nennungen erfolgen, was umso bedauerlicher ist, als gerade dieses Land mit guten Fabrikaten und Mannschaften in Konkurrenz treten könnte.” Ursprünglich hatten bereits 12 österreichische Fahrer gemeldet, mussten aber auf Grund höherer Weisung ihre Nennung zurückziehen.
Interessant waren auch die verschiedenen Marken der Maschinen. Da meldeten Ardie, Ariel, BMW, Auto-Union-DKW, Herkules, NSU, Puch, Triumph (deutsch), Victoria und Zündapp von deutscher Seite. Besonders vermerkt wurde bei den Italienern MV-Agusta, Moto-Guzzi und Gilera. Wobei Gilera jun. – der im Vorjahr ein spektakuläres Rennen gefahren war – persönlich wieder die 600-ccm-Maschine mit Seitenwagen fahren wird. Die Engländer meldeten BSA, Norton, Red Panther, Rudge und Sunbeam. Die Franzosen starten auf Motobecane, die Belgier auf FN und die Tschechen auf Jawa. Holland ist mit den Marken Ariel, Eysink, New Imperial, Royal Enfield und Velocette gemeldet.
Die Presse weist auf die im Rahmen der Rundfahrten eingestreuten Sonderprüfungen mit Sollzeiten eigens hin:
„1. Tag: Bergprüfung Immenstadt, 7 Kilometer; 2. Tag: Flachprüfung Autobahn, 25 Kilometer und Hochleistungsprüfung, 35 Kilometer; 3. Tag: Bergprüfung Missen, 2,4 Kilometer, und Schauinsland, 12 Kilometer; 4. Tag: Bergprüfung Schönau, 10,5 Kilometer und Bergprüfung Kinbach, 4,2 Kilometer; 5. Tag: Bergprüfung Oberjoch, 7 Kilometer; 6. Tag: Bergprüfung Kranzegg, 2,2 Kilometer. Es empfiehlt sich, diesen interessanten und wichtigen Brennpunkten des Rennens besonderes Augenmerk zu richten ...“ Samstag und Sonntag, 7. und 8. September, dienen der Kommission die 267 Maschinen im Zelt im Schulhof zu überprüfen und die Einzelteile zu kennzeichnen. Das Zelt ist rund um die Uhr bewacht und niemand, außer der Kommission, darf es betreten.
Endlich am Sonntag, ab 18.00 Uhr, eröffnet der „Korpsführer” Adolf Hühnlein, assistiert vom Ehrenpräsidenten, Sr. kgl. Hoheit Herzog von Coburg, im Kurpark offiziell die Veranstaltung. Bedingt dadurch, dass gleichzeitig mit der „Sechstagefahrt” in Oberstdorf in Nürnberg der „Reichsparteitag” abgehalten wird, kommt weniger Prominenz nach Oberstdorf. Selbst der Korpsführer, der ranghöchste Mann des staatlichen Motorsports NSKK (Nationalsozialistisches Kraftfahrer-Korps), muss nach seiner Pflichtübung im „obersten Dorf” schleunigst nach Nürnberg zu seinem großen Meister.
Eine nette Geste der Oberstdorfer Kurverwaltung ist, dass bei der Eröffnung den vier teilnehmenen Damen Stössert (Zündapp), Thouret (DKW), Foley (Zündapp) und Cottle (BSA, England) ein Blumenstrauß überreicht wird.
Pünktlich ab 5.01 Uhr sollen täglich je drei Fahrzeuge im Zwei-Minuten- Abstand vom Fahrerlager an der Volkschule starten. Die Fahrtroute führt über die Ludwigstraße – Prinzenstraße – Marktplatz – Weststraße – Fischerstraße – Zollstraße – Sonthofener Straße. Die letzten Fahrzeuge werden um 7.55 Uhr in das Rennen eingreifen. Zwischen 15.30 Uhr und 19.00 Uhr werden die Teilnehmer auf der gleichen Route zurückerwartet.
Pünktlich ab 5.01 Uhr sollen täglich je drei Fahrzeuge im Zwei-Minuten- Abstand vom Fahrerlager an der Volkschule starten. Die Fahrtroute führt über die Ludwigstraße – Prinzenstraße – Marktplatz – Weststraße – Fischerstraße – Zollstraße – Sonthofener Straße. Die letzten Fahrzeuge werden um 7.55 Uhr in das Rennen eingreifen. Zwischen 15.30 Uhr und 19.00 Uhr werden die Teilnehmer auf der gleichen Route zurückerwartet.
Am Montag, eine Viertelstunde vor dem Start, können die Fahrer die Maschinen auftanken und noch einige Handgriffe erledigen, dürfen den Motor aber nicht starten. Dann schieben die Teilnehmer ihre Maschinen hinaus auf die Ludwigstraße. Ein Böllerschuss gibt das Startsignal. Ab 5.01 Uhr donnern die Motoren der ersten Startgruppe – oder sie donnern nicht und müssen schweißtreibend von den Fahrern angeschoben werden. Im Abstand von zwei Minuten verlässt je ein Team von drei Fahrern auf den großteils schweren Maschinen den noch schlafenden Marktflecken.
Am ersten Tag geht es auf der damals noch unausgebauten und staubigen Reichsstraße 19 (heute B 19) nach Langenwang – Niederdorf – Oberdorf – Obermühlegg – Untermühlegg – Dietrichs – Muderbolz – Schweineberg – Sigishofen – Westerhofen – Bihlerdorf – Seyfriedsberg – Gunzesried – Ettensberg – Mummen-Immenstadt (dort Bergprüfung). Auf dem Rückweg müssen die Teilnehmer Burgberg – Sonthofen – Sigishofen – Untermühlegg – Riedle – Bolsterlang – Ober- und Niederdorf – Langenwang – Oberstdorf durchfahren. Es waren dies alles ungeteerte Straßen, ja Wege und zum Teil Hohlgassen, die einem Bachbett gleichkamen. Fahrern und Maschinen wird dabei Höchstes abverlangt. Die gesamte „Sechstagesfahrt” wird auf nicht abgesperrten Straßen verlaufen.
„Im gesamten Alpengebiet des Allgäus und des Schwarzwaldes, wo in hunderten von Ortschaften in den Früh- und Abendstunden Viehtriebe unterwegs sind, mussten Vereinbarungen getroffen werden, diese Viehtriebszeiten zu verlegen”, ist im Vorbericht zu lesen. Bei Kenntnis der damaligen Straßen- und Wegeverhältnisse kann man die Routen im oberen Illertal nur als abenteuerlich, ja teils als halsbrecherisch bezeichnen. Die Routen an den andern fünf Tagen waren keineswegs besser. Aus meiner eigenen „Motorradzeit” vor rund 65 Jahren kenne ich diese „Straßen” noch im Originalzustand. Auch die kurzen Strecken auf der alten Reichsstraße 19 (heute B 19) waren alles andere als kraftfahrzeuggerechte Fahrbahnen. Mensch und Material wurden bis an den Rand des Möglichen beansprucht.
Die Schwierigkeiten auf den Strecken brachten eine ganze Reihe von Ausfällen mit sich. Schon bei den Trainingsfahrten vor der Veranstaltung ist ein Engländer im Ostrachtal schwer verunglückt. Nur ganz wenige Fahrer kamen ohne Sturz über die Runden. Bei der Bergprüfung am Zaumberg gab es einige Stürze und es hagelte 85 Strafpunkte. Die Fahrer konnten, soweit es die Zeiten zwischen den einzelnen Kontrollpunkten zuließen, auch Reparaturen an den Maschinen vornehmen. Dass Geschwindigkeit aber keine Hexerei war, bewies z. B. der DKW-Fahrer Fähler kurz vor dem Kontrollpunkt Dürren, als er in 6 Minuten und 15 Sekunden einen Schlauch auswechselte, nachdem er einen „Plattfuß” gefahren hatte. Das ganze geschah noch ohne Kompressor, nur mit einer geliehenen Handpumpe und innerhalb der strafpunktfreien Zeit.
Am zweiten Tag, der Oberbayern-Etappe, traten nur noch 215 Maschinen das Rennen an. Als erster durchfuhr nach 190 Fahrkilometern Julius von Krohn mit seiner 800-ccm-Zündapp-Seitenwagenmaschine den Kontrollpunkt Kloster Schäftlarn. Bei den Hochleistungsprüfungen und auf der Autobahn lichtete sich nach einer Reihe von Stürzen das Teilnehmerfeld.
Der dritte Tag, der Schwarzwaldtag, sollte das schwierigste Stück der ganzen Fahrt sein. Da erwischte es z. B. auch den BMW-Fahrer Kraus des deutschen Nationalteams. Bei der Abfahrt am Schauinsland, kurz vor dem Ziel, überschlug er sich mit seiner Seitenwagenmaschine. Trotz Zerrungen, Quetschungen und einer angebrochen Rippe, zog er seinen ohnmächtigen „Schmiermaxe” Müller unter der Maschine hervor, setzte ihn in den Beiwagen und erreichte strafpunktfrei das Ziel am Titisee. Die Nacht wurde zur ärztlichen Versorgung (Müller hatte eine Gehirnerschütterung, Schürfungen und Quetschungen davongetragen) genutzt und morgens wieder gestartet. So wurde verhindert, dass die Mannschaft „platzte”, was für jeden folgenden Tag 100 Strafpunke bedeutet hätte.
„Deutsche Nationalmannschaft allein noch strafpunktfrei – Nur noch 76 Fahrer ohne Strafpunkte – weitere 22 ausgeschieden”, das waren die Schlagzeilen am 12. September. Die Rückfahrt ins Allgäu am vierten Tag verlangte den Teilnehmern wieder alles ab. Stelzer vom deutschen Nationalteam hatte eine Karambolage mit dem Dreiradwagen des Engländers Laird, der eine Reifenpanne hatte. Laird und seine Beifahrerin schafften es aber bis Oberstdorf und mussten fast eine Stunde reparieren, ehe sie „Einstallen” konnten. Von Fahrern, Presseleuten und anderen wurde ein Teil der Schwarzwaldstrecken als zu schwierig und gefährlich bezeichnet. Ein Mitglied der Silbervasen-Mannschaft sagte einem Reporter: „Etwas schlechteres als den Schwarzwald kann uns das Allgäu nicht bieten!” Mit Ende des vierten Tages sind genau 100 Teilnehmer ausgeschieden; nur mehr 65 Fahrer sind strafpunktfrei.
In Hindelang schlägt die Kirchturmuhr gerade fünf Uhr, als die Presseleute an der Kanzel der Jochstraße ihren Autos entsteigen. Der
fünfte Tag der „Sechstagefahrt” führte durchs Ostrachtal. Fast eine Stunde müssen die Presseleute warten, bis wiederum Julius von Krohn mit seinem 800-ccm-Zündapp-Gespann als Erster die Bergwertung durchfahren hatte. Es war schon ein gewaltiger Unterschied von v. Kohns 800er-Maschine zum schwächsten Glied der „Kette”, dem 98-cm-Sachs-Hilfsmotor-Wanderer-Fahrrad, dessen Fahrer mit beachtlicher Geschwindigkeit die Bergstraße meisterte. Auch die beiden Damen Thouret auf DKW und Cottle auf BSA zogen die bewundernden Blicke der Zuschauer auf sich.
Der Berichterstatter des „Oberstdorfer Gemeindeund Fremdenblatt” gerät ins Schwärmen: „Ein Genuss war es zu sehen, mit welch fein ausgeklügelter Kurventechnik unsere Nationalen Stelzer und Henne sowie deren Stallgefährte Seltsam und der Engländer Norris auf Red Panther sich zur Kanzel hinaufschwangen. Es sah wie ein Walzerwiegen nach Grete Wiesenthal aus.”
Mit „Walzerwiegen” hatte die Fahrt auf der Schotterpiste zwischen Unterjoch und Wertach aber nichts zu tun. Rund 400 Mann Arbeitsdienst arbeiteten zu der Zeit an der Straßenbaustelle.
Mit fortdauernder Veranstaltung werden die Stürze und Ausfälle immer häufiger. Nur noch vier Fabrik-Mannschaften (DKW D-Team, BMW A-Team, Puch und Royal Enfield) sind strafpunktfrei. Am sechsten Tag, dem Tag der Geschwindigkeitsprüfungen, gab es schon bald nach dem Start einen Sturz. Nahe der Felsenge des Hirschsprungs (zwischen Tiefenbach und Obermaiselstein) wurde der „Schmiermaxe” eines englischen Beiwagengespannes in der Kurve aus dem Fahrzeug geschleudert. Im Oberstdorfer Krankenhaus stellte man eine ausgekugelte Schulter und weitere leichtere Blessuren fest. Man kann fast sagen, über „Stock und Stein” ging es ins Ostallgäu, wo im Bereich Füssen die Geschwindigkeitsprüfungen durchgeführt wurden.
„Kein Mensch hat auch nur im Entferntesten daran gedacht, dass der deutschen Mannschaft in der letzten Etappe der Sechstagefahrt noch das Missgeschick von 25 Strafpunkten zustoßen würde. Bis Bad Oy war alles gut gegangen. Dort lauerte für Stelzer in Gestalt einer aus einem Hause quer über die Straße laufenden Katze das Verhängnis. Stelzer wollte aus einem 80-Kilometer-Tempo dem Tier ausweichen, um es nicht totzufahren, musste bremsen, überschlug sich Hals über Kopf in eine Wiese und die Maschine machte gleichfalls einen Kopfstand, wobei der Ventilknopf zerbrach.” Der Fahrer blieb unverletzt, doch verlor er durch die Reparatur Zeit. Die deutsche Nationalmannschaft wurde zwar mit 25 Strafpunkten belegt, aber das Team konnte komplett zur Zeitprüfung antreten. Mit Hinweis auf den Unfall mit der Katze und etwas Galgenhumor spöttelten einige schon: „Katze entscheidet die Sechstagefahrt!” oder „Sechstagefahrt für die Katz!”.
Start und Ziel des 8.750 Meter langen Rundkurses, der neun bzw. zehnmal durchfahren werden musste, lagen beim Hotel „Schwansee”. In Gruppen, je nach Art und Stärke der Maschinen aufgeteilt, ging der Start vor sich. Um die Strecke kennenzulernen, drehte jede Gruppe hinter einem Vorausfahrzeug eine Proberunde. Dann wurde es ernst; die Seitenwagengespanne machten den Anfang. Bei diesen Maschinen ist die Kurventechnik ganz besonders spektakulär, wenn z. B. der Beifahrer sich mit dem ganzen Körper aus dem Seitenwagen hinauslehnt. Bei so einer halsbrecherischen Aktion verliert die Nr. 7, der Engländer Waycott, seinen Beiwagen.
Dieser Klasse folgen die schweren Maschinen, dann die der leichteren Klassen und ganz zum Schluss starten die Lieblinge der Zuschauer, die Nationalmannschaften. Mit dem Handicap von 25 Strafpunkten lagen die Deutschen hinter der starken tschechischen Mannschaft mit ihren Jawas. Es sieht schon fast nach einem Sieg der Tschechen aus, da erleidet Vitvar einen Maschinenschaden und der Sieg der Deutschen stand fest.
„Deutschland siegt auf der ganzen Linie – Es gewinnt die internationale Trophäe, die Silbervase – den Preis des Korpsführers des Deutschen Kraftfahrsports – und die Große Goldmedaille der Fabrikmannschaften”, das sind die Überschriften der Tageszeitung vom 16. September 1935. Ernst Jakob Henne, Wiggerl Kraus, J. Müller und Josef Stelzer sind die Helden der Nation. Auch die Silbervasen-Mannschaft mit Arthur Geiss, Ewald Kluge und Walfried Winkler werden überschwenglich gefeiert. Mit der Siegerehrung im Kurpark ging das bis dahin größte sportliche Ereignis in Oberstdorf zu Ende.