Geschichtliche Dokumente in luftiger Höhe (Teil 1)

von Eugen Thomma am 01.12.1990

Gut 65 Meter über dem Oberstdorfer Marktplatz liegen seit rund 125 Jahren Aufzeichnungen über Geschehnisse im „obersten Dorf’.

Schon vor Jahrhunderten war es üblich, in Grundsteinen Zeitdokumente einzumauern, um späteren Generationen Kunde über das Werden und das Umfeld des
 Bauwerkes zu geben. Auch Kirchturmkuppeln, genauer gesagt Turm-Knöpfe, dienten der Aufbewahrung geschichtlicher Aufzeichnungen.

Was im Turmknopf der Pfarrkirche Johann Baptist alles vor 1865 aufbewahrt worden ist, wird - über Andeutungen hinaus - wohl immer ein Geheimnis bleiben. 
Die Flammenglut vom 6. Mai 1865 hat nichts davon übriggelassen. Nach dem
 Brand wurde 1865/66 das ausgebrannte Gotteshaus und der bis auf die Außenmauern ebenfalls zerstörte Turm wieder aufgebaut. Auf „allerunterthänigste” Bitte
 der Gemeinde Oberstdorf übernahm der Staat die subsidäre (unterstützende) Bau
pflicht. An Versicherungsleistungen waren für den Kirchenbau samt Ausstattung 
8.655 Gulden (fl) - 3.530 fl für das Kirchenschiff, 1.275 fl für den Turm und 
3.850 fl für »Zuhörungen« (Ausstattung) - zu erwarten.

Teil 1 Geschichtliche Dokumente - Heft 17

Oberstdorfer Pfarrkirche
und Pfarrhof,
von Osten gesehen,
vor 1865

Die beiden aus Hindelang stammenden Zimmermeister Josef Blanz und Maurermeister Johann Kaufmann führten an Schiff und Turm die Arbeiten aus. In den
 Gemeindewaldungen am Ried, im Gschlief und in der Zimmeroy wurde das Bauholz geschlagen. Die beiden Unternehmer hatten eine Kaution von 3.800 fl beim
 kgl. Rentamt in Immenstadt (heute Finanzamt) zu hinterlegen. Sie erhielten die Summe erst zurück, als der Auftrag vollendet, von der Bauaufsicht abgenommen 
und für in Ordung befunden wurde. Am 24. September 1866 ist der Turmknopf 
aufgesetzt und am 28. September letztendlich das Kreuz darauf angebracht worden.

Nun hatte also Oberstdorfs Kirchturm wieder ein Dach, ein Kreuz und - einen
 Turmknopf.

In den feuervergoldeten Kupfer-Knopf haben Bauführer Bleschort,
 Vinzenz Meßmer, Fidel Mayr und Pfarrer Köberle folgende ihnen interessant 
erscheinende Niederschriften eingebracht.

Urkunde

Die Pfarrkirche in Oberstdorf ist nach dem Brande wieder aufgebaut worden 
im Jahre 1866/67.

Unter der kgl. Kreisbehörde Schwaben und Neuburg. Freiherr von Stengel, kgl. Kreisbaubeamter in Augsburg fertigte das Projekt für die Kirche und führte 
die Oberleitung bei dem Baue.

Der kgl. Baubeamte Ritter von Horsting, Vorstand der kgl. Baubehörde I in
 Kempten, führte auch die Bauleitung und Josef Bleschort von München gebürtig, 
war als kgl. Bauführer für die Leitung des Baues aufgestellt, durch die Baubehörde.

Maurermeister Kaufmann und Zimmermeister Blanz von Hindelang haben den
 Kirchenbau im Akkord ausgeführt unter obiger Bauleitung.

Gegeben:
Oberstdorf, den 28 ten September 1866.
Die Bauführung des Kirchenbaues 
Bleschort, Bauführer.

Die Unterzeichneten haben im Jahre 1865/66 das Pfarrhof- und Schulgebäude
 zu Oberstdorf als Unternehmer hergestellt und diese Zeilen bei Aufsetzung des
 Knopfes u. Kreuzes an diesem Thurme beigelegt.

Oberstdorf, den 28. September 1866.
Vinzenz Meßmer, Maurermeister

Fr. Fid.Mayr, Zimmermeister
beide aus Immenstadt

Im Namen der allerheiligsten Dreifaltigkeit, des Vaters, des Sohnes und des
 heiligen Geistes.

Gruß und Segen Allen,

die diese Zeilen je lesen sollten.

Im Jahre eintausend, acht hundert und fünf und sechzig in der christlichen Zeitrechnung, am fünften Mai, nach Mitternacht, brach im Markte Oberstdorf Feuer 
aus. Da die meisten Häuser aus Holz gebaut waren, brannten bis Morgens fünf
 Uhr ein hundert sechs und vierzig Häuser nieder. Darunter die sehr schöne
 Pfarrkirche, dem heiligen Johannes dem Täufer dediciert, der Pfarrhof, das
 Schulhaus, das Rathaus, überhaupt alle beßeren Gebäude, die Haupthäuser des
 Marktes. Die ganze schöne Mitte des Marktes brannte nieder. Stehen blieben 
nur noch der untere und obere Flügel des Marktes, die Wohnungen meißtens
 armer Menschen. Da war überaus großes Elend, schreckliches Jammern.

Doch Gott und gute Menschen halfen wieder. Die königliche Regierung von
 Bayern hatte die Baulast von Kirche und Pfarrhof, und sie baute wirklich aus 
Staatskosten ein herrliches Gotteshaus, einen recht schönen Pfarrhof. Die Kreisregierung spendete zur Erbauung des Schulhauses ebenfalls zehn tausend Gul
den. Zur Erbauung der Privatwohnungen, nemlich der Bürgerhäuser, kamen 
aus gleichen Gauen, soweit das Unglück bekannt wurde, reichliche Almosen.
 Alle guten Menschen des Allgäus, von ganz Schwaben kamen mit Spenden
 oder schickten sie. Es wurden bei achtzig tausend Gulden Almosen an die Abge
brannten vertheilt; außerdem sehr viel Getreide, Eßwaren, Kleider und Hausgeräthschaften aller Art.

Die unglücklichen Menschen richteten sich wieder auf, rührten sich nach Kräf
ten, bauten aller Orten und nach einem und einem halben Jahre, auf den Win
ter von ein tausend acht hundert und sechs und sechzig auf sieben und sechzig
 erhob sich der Markt Oberstdorf neuverjüngt, mit meißtens schönen Gebäuden aus seinem Schute empor. Es standen im Monat September dieses Jahres
 von Neubauten: Der Kirchturm - das Mauerwerk hatte dem Feuer widerstanden -, die Mauern der Kirche, die Bedachung kam erst im Oktober hinauf,
der Pfarrhof stand fix und fertig, ebenso das Schulhaus, ebenso ein hundert
 und zwei Bürgerhäuser. Alle Gebäude waren schöner als vor dem Brande, dafür
 hatten die Leute hierfür auch viele Schulden machen müßen, und sind für die
nächsten Jahre ziemlich verarmt trotz aller Hilfe von Außen.

Es sei noch bemerkt: in diesem Jahre war Oberstdorf wegen seiner Naturschönheit vielfach von Reisenden besucht, die die Berge der Umgegend bestiegen 
und sich oft wochenlange in Oberstdorf einquartierten. Selbst ein Prinz des 
königlichen Hauses, Prinz Luitpold von Bayern hatte hier ein Jagdhaus; es lag
 südlich von der Kirche, circa sechshundert Schritte.

Und nun liebe Leser! nachdem ich dieses geschrieben, und für Euch zum Lesen 
aufzubewahren gesucht habe, macht sich der Baumeister mit seinen Arbeitern 
daran, auf die Spitze des Thurmes den vergoldeten Knopf mit schwarzem Kreuze 
und vergoldetem Hahn zu befestigen. Wir hielten mitten in unsem Nöthen dennoch ein kleines Fest, als wir für uns und Euch Alle wiederum das Kreuz
auf unsrer Thurmesspitze prangen sahen. Ach! wir hörten ein und ein halbes
 Jahr keine Uhr schlagen, keine Glocke läuten, und sehnen uns mit wahrer Kinder
 Begierde nach dem ersten christlichen Zeichen an unserm Gotteshause, nach
dem Kreuze auf unserer Thurmspitze. Wir haben, nachdem das Kreuz befestigt worden, auf dem Gottesacker, der auf der Süd-, Ost- und Westseite der
 Kirche war, auf den Knien fünf Vaterunser und den christlichen Glauben gebethet, für uns und Euch, daß das Zeichen des Kreuzes doch nie aus unsrer Mitte
 genommen werde, das Christentum bei uns lebendig bleiben möge.

Wir sind jetzt wohl arm, haben aber, gottlob! den christlichen Glauben, bekommen für uns und Euch eine schöne Kirche und der liebe Gott wird uns gewiß 
aus allen unsern zeitlichen Nöthen helfen. Wir haben das Unsrige treu und red
lich gethan, daß das Haus des Herrn aufgebaut werde, wir haben keine Opfer
 gescheut, obgleich selbst arm, das Haus des Heim geziemend auszuschmücken,
 wir haben dem nächsten Geschlechte und noch vielen kommenden Geschlechtern ein Denkmal des lebendigen Glaubens hinterlaßen; machet Ihr es ebenso!

Aus Staatsmitteln war die Kirche erbaut, und wir opferten und sammelten, bis
 die Kirche würdig für den Herrn geschmückt ward. Sollte Gotte Euch in ähnliche Prüfung kommen laßen, thuet desgleichen.

Wenn ihr dieses gelesen, sind wahrscheinlich Jahrhunderte vergangen, von uns 
ist in dieser Welt kein Stäubchen mehr zu finden, wir ruhen längst neben der
 Kirche, auf die es uns so gefreut. Wißet aber, wir haben in harter, herber Zeit
 gelebt; als der Bau von Oberstdorf und namentlich der Kirche begonnen, war
 auch Kriegszeit, ein Bruderkrieg in Deutschland. Preußen erhob sich, verdrängte Oesterreich aus Deutschland, und wie es scheint, wird es nach und nach alle
 deutsche Kleinstaaten und zuletzt auch Bayern, den größten darunter verschlingen. Nun, wir deutsche Unterthanen können nichts daran verhindern, und getrosten uns, der liebe Gott wird die Sache so richten, daß wir’s gewieß ertragen 
können. Vieleicht daß Deutschland einig wird, und Ihr wenn Ihr dieses leset,
 in einem großen, einigen Deutschland lebet. Wir haben in einem zerrißenen
 Vaterland gelebt.

Und nun lebt wohl! tausend herzliche Grüße und Gottessegen über Euch Alle,
 von mir Pfarrer Joseph Aloys Köberle, geboren in dem 2 Stunden unten, dem
 Norden zu gelegenen Altstädten, und von meinen Pfarrkindern Allen + + +

Bethet für uns, wie wir es heute für die Erhaltung des Glaubens auch für Euch
 gethan. Im Himmel werden wir uns ansammeln und gegenseitig finden.

Joseph Aloys Köberle, Pfarrer von Oberstdorf im Namen seiner Pfarrkinder.

Im Jahre des Heiles eintausend achthundert und Sechsundsechzig, am 28 ten
September dem Tage Sancti Wenceslaus.

Es saß auf Petri Stuhl Pius nonus.
In Bayern regierte König Ludwig II.

Den Plan der Kirche entwarf Baron Stengel, Bau-Direktor im
 Kreise Schwaben und Neuburg. Den Bau ausgeführt haben die beiden Bau
meister Johann Baptist Kaufmann und Joseph Blanz, beide von Hindelang.

Geistliche waren in Oberstdorf dazumal:

1. ein Pfarrer, Joseph Aloys Köberle, geboren zu Altstädten
2. ein Kaplan, Sigmund Egenberger, geboren zu Remshart bei
 Untergünzburg.
3. ein Benefiziat, wohnhaft bei der Wallfahrtskirche zu Sankt
 Loretto, Joseph Geiger von Immelstetten bei Krummbach.

Wie es scheint, hatten die Oberstdorfer nicht lange Freude an ihrem neuen Kirch
turm. Bereits 1872 und wiederum 1877 waren an der Turmspitze Reparaturen n
otwendig. Darüber kann der uns als »Motor« des Oberstdorfer Fremdenverkehrs bestens bekannte Josef Anton Vogler berichten. Seine 1877 in den Turm gelangte 
Niederschrift lautet:

P. P.

Wegen unrichtiger Construktion des Hahn's auf der Kreuzspitze des Turmes
 wurde das Kreuz durch den Wind im Jahre 1872 abgebrochen und dieses Jahr
 derart gebogen, daß dasselbe samt dem Knopf und Stiefel wiederholt unter der 
Leitung des hiesigen Zimmermeisters Leo Huber, von den beiden Brüdern Wendelin und Anton Vogler, Zimmergesellen abgehoben werden mußte.

Durch Beschluß der Gemeinde-Verwaltung wurde der Hahn nicht mehr auf
 der Turmspitze, sondern auf dem Kirchdache befestigt, an welcher Stelle auch
 schon vor dem Brande 1865 ebenfalls der Hahn als Windanzeiger angebracht
 war.

Es ist eine kurze Spanne Zeit, seitdem wir nach dem verheerenden Brande 1865
 wieder theils zufrieden, theils wegen Partheikämpfen beunruhigt unsere neuerbauten Wohnungen bezogen, bis heute an dem Tag, wo wiederum zum dritten male die Kirchturmspitze befestigt wird; doch haben wir in diesen kurzen
12 Jahren soviel durchlebt, als zuvor nie ein Menschenalter das Glück hatte.

Es wurde aus dem zerrissenen, in allen Welttheilen verachteten Deutschland,
 durch die Kriege 1866, den siegreichen Krieg gegen Frankreich 1870/71 ein 
einiges Deutschland geschmiedet, durch welches wir überall zu Ansehen und 
Macht gelangen unter unserem Kaiser Wilhelm I. von Preußen.

Oberstdorf, den 1. August 1877.
J.A. Vogler, Kaufmann, Hs.-Nr. 150
 geboren 1839.

Josef Anton Vogler war Inhaber des Anwesens Nr. 150 am Marktplatz (heute Kur
verwaltung).

Wir sehen bereits aus den Niederschriften des Pfarrers Köberle und den wenigen
 Zeilen Voglers erhebliche Widersprüche im politischen Denken. Während der
 Geistliche seiner Angst, auch Bayern könnte mit den anderen deutschen Staaten
 der Einverleibungspolitik Preußens erliegen, Ausdruck gab, spiegeln Voglers Zeilen
 Stolz und Patriotismus wider. Allerdings schrieb Vogler rund zehn Jahre später.

Teil 1 Geschichtliche Dokumente - Heft 17

Die Kirche von Süden,
vom Lindenacker aus gesehen.

Der Wetterhahn sitzt noch
auf der Kreuzspitze,
vor 1877

Andere, viel härtere Töne schlägt Voglers Nachbar, der Kaufmann Ludwig
 Gschwender, an. Gschwender war Mitglied der Gemeindeverwaltung (heute 
Gemeinderat) und bekleidete die Ämter des Standesbeamten und des Bevollmächtigten. Er war also der Stellvertreter von Bürgermeister Franz Paul Brack.

Teil 1 Geschichtliche Dokumente - Heft 17

Der "Bevollmächtigte"
Ludwig Gschwender,
um 1880

Kleine Erinnerung

  • Zur Aufbewahrung in dem am 1. August 1877 zum dritten male aufgesetzten Kirchenthurmknopfe in Oberstdorf.
  • 1869 Wahl auf 6 Jahre einer ultramontanen, rußigen Gemeindeverwaltung,
 die die historische mehr als 150 Jahre alte schöne, seid. Gemeindefahne verloren.
  • 1870 ca. 70 Söhne Oberstdorfs in Frankreich, die tapfer und treu fochten
 & Mehrere decoriert wurden; auch Mehrere gefallen & verwundet.
  • 69 Stätte Kämpfe der Freiheitsliebenden, gegen, durch jesuitische Ver
schmitztheit irre Geführte, Dumme und Boshafte Freunde / Schwarze /
 Franzosenfreunde, durch Wort & Schrift; endliche Niederlage der
 Ulterer
  • 1871 Einiges Deutsches Reich /: lebe hoch und hehr! :/
    Pflanzung bei der Urlaub, der Kaiserlinde, auf dem Lindenacker, der
 Friedenslinde & Weihe der Vetranenfahne.
  • 1872 Wahlen, heftige Parteikämpfe. Niederlage der Rappen, bei allen folgenden Land & Reichstagswahlen.
  • 1875 Wahl einer liberalen Gemeindeverwaltung
  • 1877 Kampf der Liberalen Oberstdorfs gegen Errichtung eines Klosters
 durch den Jesuitenpfarrer Köberle, unter dem Armenhaus mit barm
herzigen Schwestern.
  • Unheimliche Ruhe vor weiteren Stürmen
  • Ludwig Gschwender, Kaufmann, 39 Jahre alt. Gut Deutsch

Text auf der Rückseite:

  • Wenn vielleicht in 100 Jahren gelesen & unsere Knochen längst verfault, so
 denkt noch an uns Kämpfer & haltet fest an Vaterland & Freiheit!
  • /: Hütet Euch vor dem falschen Priesterstande!! :/

Ob hier nun rein ideologische Gesichtspunkte sprachen oder auch private Antipathien mitspielten, wissen wir nicht. Den Zeilen Gschwenders folgend, waren 
aber die Bandagen im politischen Gefecht zumindest so hart gewickelt wie heute.
 Nur das ganze politische Denken hat sich im Laufe der Zeit verlagert. Ein damals 
als »Revoluzzer« oder als roter Liberaler bezeichneter Parteigänger wäre mit seinen Forderungen und Ideen heute „äußerst rechts” angesiedelt. Aber, wir wollen 
ja nicht Politik analysieren, sondern über Aufzeichnungen im Turmknopf reden.

Teil 1 Geschichtliche Dokumente - Heft 17

Der von Weißputzermeister
Otto Bücher eingerüstete
Kirchturm 1927

Es dauerte ein halbes Jahrhundert, bis die vergoldete Kugel auf der Turmspitze 
im Rahmen einer Renovierung 1927 wieder geöffnet wurde.

Die Arbeiten am Turm waren insbesondere deshalb notwendig geworden, weil 
durch Schußlöcher Regen und Schmelzwasser in den Turmknopf und von dort 
weiter in den Turmhelm eingedrungen waren und Schäden in der Bausubstanz verursacht hatten. Die Schußkanäle wiesen die Richtung, so daß der oder die Schüt
zen im Obergeschoß der Brauerei Sonne ihren Standplatz hatten. Ob es - wie 
behauptet wurde - die Söhne des damaligen Brauereibesitzers waren? Jedenfalls 
erhielt der Kirchturm ein neues Dach. Die schadhafte Schiefereindeckung von 1866 
wurde durch ein Kupferdach ersetzt, der Turmknopf abgedichtet und in seinem
 Innern neue Schriftstücke hinterlegt.

Bürgermeister Magnus Haas brachte einige seiner Gemeindesorgen zu Papier und
 fügte eine Liste der Verantwortlichen in der Gemeinde bei.

Marktgemeinderat Oberstdorf im Allgäu

Höhenluftkurort und Wintersportplatz
Oberstdorf, den 11 Oktober 1927
Fernsprechnummer 52

Die Erneuerung der Kirchturmbedachung veranlasst uns zu den Vorgefundenen Schriftstücken einige Zeilen beizulegen.

Die Neubedachung des Kirchturmes wird auf Kosten der Marktgemeinde 
Oberstdorf ausgeführt. Die Neubedachung erfolgt aus Kupfer u. belaufen sich
 die Kosten hiefür auf ca 20 000 Goldmark.

Vor der Neubedachung des Kirchturmes war der Gemeinderat Oberstdorf vor 
eine ebenso wichtige Aufgabe und zwar vor die Neubeschaffung von Kirchenglocken gestellt. Während dem unheilvollen Weltkrieg 1914/18 - vom 1.
August 1914 bis 9. November 1918 - war das einige Deutschland von Feinden umzüngelt und auf die eigene Aufbringung des Bedarfes an Kriegsgeräten
angewiesen. Als Munitions- u. Erzvorräte des Reiches sehr erschöpft waren,
 wurde zur weiteren Wehrhaftmachung unserer Frontsoldaten zu der Beschlagnahme und Ablieferung unserer Kirchenglocken geschritten.

Die Oberstdorfer Kirche hatte vor dem Kriege 1914/18 ein Glockengeläute 
bestehend aus 4 Glocken. Drei dieser Glocken mussten am 18. Juni 1917 den
 Weg in die Erzschmelze antreten. Die grösste Glocke blieb in Oberstdorf 
zurück. Die Marktgemeinde Oberstdorf war also nach dem Kriege vor die Wie
derbeschaffung von Kirchenglocken gestellt. Am 21. März 1922 wurde die 1. Glocke mit einem Gewichte von 1500 Kg. um den Betrag von 135 000 Mk. 
bei der Glockengiesserei Gg. Wohlfarth in Lauingen bestellt. Die Lieferung 
und Anbringung dieser Glocke fand am 12. Dezember 1922 statt. Lichtbild
 über den Glockenaufzug liegt bei.

Als die vorgen. Glocke zur Ablieferung kam, hatten sich durch die Geldentwertung diese Kosten bereits auf 267 252 Mk. erhöht. Um das Glockengeläute der hies. Kathol. Pfarrkirche zu vervollständigen hat der Gemeinderat Oberstdorf unterm 17. März 1924 mit der Glockengiesserei Gebdr. Radler G.m.b.H. 
vorm. Gg. Wolfart in Lauingen einen Vertrag über die Lieferung von 3 neuen Kirchenglocken abgeschlossen.

Die Lieferung und Weihe dieser 3 Glocken ist am 27. Juni 1924 vollzogen 
worden. Die Kirchengemeinde Oberstdorf ist nunmehr wieder im Vollbesitz
 ihres Glockengeläutes.

Während nun die Arbeiten für die Neubedachung des Kirchturmes vor sich
 gehen, wird gleichzeitig an der Neuanlage eines Friedhofes mit Leichenhaus 
nördlich der hies. Baumwoll-Spinn u. Weberei gearbeitet. Die Auflassung des
 derzeitigen Friedhofes vor der Kirche wird voraussichtlich im Frühjahr 1928 
stattfinden.

Die Erwerbung des gemeindl. Elektrizitätswerkes durch die Marktgemeinde
 Oberstdorf von den Gebrüder Johann und Ludwig Besler erfolgte im Jahre 1919.

Die Bahnhofsverhältnisse waren bisher sehr primitive und soll im kommenden Jahre eine Erweiterung desselben auf dem bisherigen Platze stattfinden. 
Ein Güterbahnhof soll nördlich des jetzigen Bahnhofsgeländes angelegt werden.

Die gestern, den 10. Oktober 1927 im Kupferblechstiefel der Kugel Vorgefundenen Schriftstücke legen wir gegenwärtiger Urkunde bei.

Teil 1 Geschichtliche Dokumente - Heft 17

Verzeichnis der Bürgermeister und Gemeinderäte, deren Amtsdauer und Wahl
periode vom 1. Janr. 1925 bis 31. Dezember 1929 läuft:

1. Bürgermeister Magnus Haas, Kaufmann in Oberstdorf.
2. Bürgermeister Ludwig Hochfeichter, Landwirt in Oberstdorf.

Oberstdorfer Gemeinderäte:

Brand Heinrich, Gamausgeber
Fischer Georg, Kaufmann
Gehring Hans, Landwirt
Huber Thomas, Kaufmann
Neidhardt Thomas, Bäckermeister
Renn Josef, Landwirt
Walter Karl, Bauführer
Rief Eduard, Hotelbesitzer

Schallhammer Hermann, Kurdirektor

Schratt Joachim, Schuhmachermeister
Schraudolf Josef, Landwirt

Thannheimer Josef Anton, Lagerverwalter

Titscher Albert, Landwirt

Wagner Josef, Pensionsbesitzer

Verzeichnis der Angestellten und Beamten beim Gemeinderat Rathaus-Oberstdorf:

1. Geschäftsführender Marktsekretär: Inspektor Georg Bisle.
2. Gemeindekassier: Otto Kerle,
3. Verwaltg. Sekretär Karl Krauss,
4. Verwaltg. Sekretär Michael Randelzofer,
5. Polizei- Ober-Wachtmeister Fritz Schonath,
6. Polizei- Ober-Wachtmeister Hans Math,
7. Hilfs-Schutzmann Alois Fischer.

Teil 1 Geschichtliche Dokumente - Heft 17

Pfarrer Isidor Kohl verfaßte einen kurzen Situationsbericht über die Renovierung.
 Besonderes Interesse an evtl. Urkunden im Turm scheint der Pfarrherr nicht gehabt 
zu haben, sonst hätte er sicher am 10. Oktober 1927 - wie auch andere Bürger
 - gewußt, daß Aufzeichnungen gefunden worden waren. Sein Nachsatz vom 11.
Oktober hätte sich dann erübrigt.

Teil 1 Geschichtliche Dokumente - Heft 17

Pfarrer Isidor Kohl
bei der letzten Beerdigung
im alten Friedhof 1929

Urkunde

Im Jahre des Heiles 1927 - in den Monaten September und Oktober wurde
 der Pfarrkirchenturm gründlich restauriert und zwar auf Kosten der politischen 
Gemeinde Oberstdorf.

Damals wurde insbesondere das sehr schadhafte Schieferdach durch eine Kupferbedachung ersetzt. Die Kosten der Turmrestaurierung werden sich auf circa 20.000.00 (mit Worten Zwanzigtausend) Reichsmark belaufen, bis alles fertig
 sein wird. Die Maurerarbeiten wurden von dem Baugeschäft Götzger & Sohn,
 die Spenglerarbeiten von den Spenglermeistern Mayr u. Rees, die Malerar
beiten (Zifferblätter) von Malermeister Dünßer, die Zimmererarbeiten von Zimmermeister Steiner - sämtliche in Oberstdorf - ausgeführt.

Erster Bürgermeister der Marktgemeinde Oberstdorf war damals: Magnus Haas, Pfarrer:
 Isidor Kohl. Ministerpräsident des Freistaates Bayern war Dr. Held, Präsident der deutschen Republik der achtzigjährige Paul von Hindenburg, der große 
Feldmarschall des deutschen Heeres im großen Weltkriege 1914/18.

Die letztvorausgegangene Turmrestaurierung fand statt im Jahre des Heiles 1868
 - nach dem großen Brande in Oberstdorf vom Jahre 1865, welchem leider
 auch die frühere sehr schöne Pfarrkirche (ohne Turm) zum Opfer gefallen ist.

Irgendwelche Urkunden und Schriftstücke u.s.w. wurden bei der diesmaligen
 Turmrestaurierung im Turmknopfe nicht vorgefunden.

Möge der hochragende Turm das stolze Wahrzeichen Oberstdorfs bleiben für 
alle Zeiten! Möge vom stattlichen Gotteshause reichster Segen ausströmen auf 
die weitausgedehnte Pfarrei und alle Pfarrangehörigen bis hinaus auf die fernsten Geschlechter!

Mit den Turmrestaurierungsarbeiten wurde auch die Anlage eines neuen Waldfriedhofes nach den Plänen des Münchener Professors Geheimrat Dr. Gräßl
in in Angriff genommen.

Oberstdorf, den 10. Oktober 1927.
Isidor Kohl

Pfarrer

Bestätigung

Im Nachgange zu meiner Urkunde von gestern bestätige ich, daß nun doch
 ältere Dokumente aus der Zeit bald nach dem großen Brande vom Jahre 1865
 gefunden worden sind, zwar nicht im Turmknopfe, sondern unterhalb im sogenannten Stiefel. Die Schriftstücke sind auch neuerdings wieder hinterlegt worden 
und zwar im Turmknopfe.

Gott segne für alle Zeiten die Pfarrei Oberstdorf und alle ihre Bewohner!


Oberstdorf, den 11. Oktober 1927
Isidor Kohl Pfarrer


Hilfsgeistliche sind derzeit Benefiziat Ludwig Merk und Kaplan Franz Burger.

Fortsetzung folgt

Kontakt

Verschönerungsverein Oberstdorf e.V.
1. Vorsitzender
Peter Titzler
Brunnackerweg 5
87561 Oberstdorf
DEUTSCHLAND
Tel. +49 8322 6759

Der Verein

Unser gemeinnütziger Verein unterstützt und fördert den Erhalt und Pflege von Landschaft, Umwelt, Geschichte, Mundart und Brauchtum in Oberstdorf. Mehr

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Seit Februar 1982 werden die Hefte der Reihe "Unser Oberstdorf" zweimal im Jahr vom Verschönerungsverein Oberstdorf herausgegeben und brachten seit dem ersten Erscheinen einen wirklichen Schub für die Heimatforschung. Mehr

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