Oberstdorf vor 50 Jahren

von Eugen Thomma am 01.06.1999

1948

Januar

  • Beim Standesamt Oberstdorf wurden 1947 folgende Personenstandsvorgänge registriert: 251 Geburten, davon 126 männlichen und 125 weiblichen Geschlechts. Die Ehe schlossen 95 Paare. Dabei waren auch Angehörige der amerikanischen Besatzungsarmee. Es wurden 174 Sterbefälle beurkundet, davon waren 77 weibliche und 97 männliche Personen. Unter letzteren sind noch 32 Kriegersterbefälle, davon wiederum sind die meisten Männer in Gefangenenlagern umgekommen.
  • Das Neujahrsspringen auf der Garmischer Olympiaschanze entscheidet der Seriensieger, „Springerkönig” Sepp Weiler, mit Weiten von 81 und 86 Metern, was neuen Schanzenrekord bedeutet, für sich.
  • Ingenieur Josef Dünßer tritt am 1. 1. die Nachfolge von Reinhold Maile, der in den Ruhestand geht, als Leiter des Oberstdorfer Elektrizitätswerkes an.
  • Der Gemeinderat von Tiefenbach setzt gegen einen jungen Burschen eine Strafe von 100,- Reichsmark fest, weil dieser sieben Christbäume widerrechtlich geschlagen hat.

Februar

  • Die Olympischen Winterspiele in St. Moritz in der Schweiz finden ohne deutsche Beteiligung statt, weil unsere Athleten nach dem verlorenen Krieg noch der „Bannstrahl” des IOC trifft. Das gleiche gilt für die im Juli in London stattfindenden Sommerspiele.
  • Viel Spaß haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Nebelhorn-Abfahrtslaufes, als sie maskiert und teils „leicht beschwingt” die Strecke meistern.

März

  • Wegen Raum- und Lehrkräftemangels findet an der Oberrealschule der Unterricht in zwei Schichten (7.45 bis 12.00 Uhr und 12.00 bis 17.00 Uhr) statt.
  • Der amerikanische Jugendclub GYA gibt für deutsche Kinder im Gasthof »Hirsch« eine Weihnachtsbescherung. Für einen erheblichen Teil der Kosten muß hinterher die Gemeinde aufkommen.

April

  • Die Freiwillige Feuerwehr wählt den 27jährigen Otto Stenger zum Kommandanten, einem Amt, dem der spätere Ehrenkommandant und Ehrenbürger dann 32 Jahre lang vorsteht.

Mai

  • Die Kurverwaltung veröffentlicht am 5. 5. die neuen Gebührensätze für die Nutzung des Tennisplatzes an der Fuggerstraße: Stundenkarte 2,- RM, Wochenkarte 10,- RM, Monatskarte 40,- RM; Schüler zahlen immer nur die Hälfte. Der Tennislehrer ist pro Stunde mit einer Reichsmark zu entlohnen.

Juni

  • Am Sonntag, dem 20. 6., sind alle Bewohner der drei westlichen Besatzungszonen Besitzer des „Kopfgeldes” von 40,- Deutsche Mark (DM). Mit der Währungsreform beginnt der Aufschwung, der eine schlimme Notzeit, die von Schwarzmarkt, Hamstern, Warenhortung und anderen unliebsamen Dingen geprägt war, langsam verschwinden läßt.
  • Die Alpe Warmatsgund geht einen Tag nach der Währungsreform (!) von der Treuhand, die das ehemalige NS-Vermögen verwaltet, in den Besitz des Freistaates Bayern über.

Juli

  • Die Umstellung der Wohngebäude am Plattenbichl von Gleich- auf Wechselstrom soll auf Kosten des Besatzungsamtes erfolgen, weil alle Häuser von den Amerikanern beschlagnahmt sind.
  • Laut Beschluß des Tiefenbacher Gemeinderates darf die Motorspritze der Feuerwehr nicht an Private ausgeliehen werden. Anders die Handdruckspritze, die darf gegen eine Leihgebühr von 1,- DM pro Stunde zum Pumpen von sauberem Wasser (jedoch nicht Schlamm oder Jauche) an Bürger überlassen werden.
  • Oberstdorfs Pfarrherr, Geistl. Rat Josef Rupp, begeht sein 40. Priesterjubiläum.
50 Jahre Heft 34

Kurkonzert 1948 im alten Musikpavillon im Kurpark.
v.l.: Dirigent Josef Walter, Sepp Mang, Fidel Huber, Franz Noichl, Albert Tauscher (verdeckt), Ernst Rueß.

August

  • Mit jeweils 21 Mann gibt die Musikkapelle Oberstdorf während der Sommersaison im Kurpark insgesamt acht Konzerte. Mehrere auswärtige Aushilfskräfte sind dabei notwendig, weil der Krieg große Lücken in die Reihen der Musiker gerissen hat.
  • Planungen und Vorarbeiten für das Hölltobelkraftwerk sind in vollem Gange. Am »Ried« lagern bereits die Stahl-Druckrohre, die von der Gemeinde mit Rundholz „bezahlt” wurden.
  • Auf dem abgeholzten Waldgrundstück an der Trettach, heute Hermann-von-Barth-Straße, entsteht das erste Haus der Siedlergenossenschaft.

September

  • Im Sommer 1948 hat die Bergwachtbereitschaft Oberstdorf vier tödlich abgestürzte Kletterer zu bergen.
  • Mit seiner Schäferhündin „Chlotta vom Rubihorn” erringt Rudolf Beer bei der Rassehundeausstellung in München den 1. Preis.
  • War der Sommer 1947 von großer, langanhaltender Hitze geprägt, so ist der Sommer 1948 das Gegenteil. Wochenlang regnet es, und auf den Hochalpen vergehen keine 14 Tage, an denen das Vieh nicht mindestens einmal im Schnee steht.
  • Nach den Plänen des Ingenieurs Weigmann baut Otto Obholzer am Nebelhorn einen Sessellift von der »Mulde« zum »Koblat«.
  • Die Siemens-Schuckert-Werke prüfen im Auftrag des Marktes ein Kraftwerkprojekt im Warmatsgundtal.

Oktober

  • Ein Architektenwettbewerb soll die beste Lösung aufzeigen, wie aus der Wandelhalle im Kurpark ein Kursaal entstehen könnte. Versenkbare Fenster sollen den Blick ins Gebirge freigeben (beim späteren Kurhaus hätte man darauf auch achten können!).
  • Der Marktgemeinderat beschließt, daß der Beginn der Sperrzeit in Gaststätten von bisher 23.00 Uhr auf künftig 01.00 Uhr hinausgeschoben wird.
  • Beim ersten Gallusmarkt nach dem Kriege sind auf der Hauptstraße und dem Marktplatz 50 Stände aufgebaut. Ein Viermeterplatz kostet 3,- DM. Verschiedene Waren, die es bisher nicht gab - z.B. Gummibänder - können erworben werden. Drei Oberstdorfer Firmen bieten frisches Obst ohne Bezugsmarken an; die Sensation sind Eßkastanien.
  • Brechend voll ist am letzten Oktobersonntag die Turnhalle, als dort die beliebten „Edelweiß-Schrammeln” zum Tanz aufspielen. Mit großem Beifall bedacht werden die Jodler von Hindelang, Immenstadt und Oberstdorf, die in den Pausen auftreten.

November

  • Im Verlauf der Bahnlinie Sonthofen - Oberstdorf werden die Illerbrücke in Fischen und die Breitachbrücke in Oberstdorf verstärkt, daß schwere D-Zug- Lokomotiven von Immenstadt bis Oberstdorf durchfahren können.
  • Einer Pressenotiz in der Tageszeitung »Der Allgäuer« vom 18. 11. ist zu entnehmen, daß ab sofort „Olympiatrainer Studienassistent Müller” in Oberstdorf die Skigymnastik leitet.
  • Ein Sonderzug fährt von Immenstadt in das oberste Dorf, als in der dortigen Turnhalle Prof. Hans Knappertsbusch die Bamberger Symphoniker dirigiert. Die Veranstaltung ist längst ausverkauft. Allein aus Sonthofen kommen 300 Musikliebhaber und aus dem Kleinwalsertal über 60.
  • Der Oberstdorfer Kunstmaler Rudolf Scheller gestaltet in der katholischen Pfarrkirche die Flügel des rechten Seitenaltars neu.

Dezember

  • Der Gemeinderat von Schöllang legt in der Sitzung vom 9. 12. die Getränkesteuer auf 5 % fest.
  • Der Marktgemeinderat bittet alte Rot-Kreuz-Mitglieder und weitere interessierte Personen am 17. 12. in den »Adler« zur Wiedergründung der Freiwilligen Sanitätskolonne.
  • Täglich zwischen 14.00 und 17.00 Uhr nimmt die Nebelhornbahn Vorbestellungen auf Fahrkarten für den nächsten Tag an.
  • Die Theatergruppe Schöllang führt im Saal des Gasthof »Rank« mit großem Erfolg das Bühnenstück „Almarausch und Edelweiß” auf und gastiert mit diesem Stück auch am 20.12. im Sonnensaal in Hindelang.
  • In einer Wiederholung bringt die Städtische Bühne Ulm am 30.12. in der Turnhalle „Des Teufels General” von Carl Zuckmayer zur Aufführung.
  • Sepp Weiler beklagt sich in einem Interview über den immer größer werdenden Druck, der auf ihm lastet: „Die meisten Leute erwarten bei jedem Start einen Sieg von mir.”

Quellen: »Der Allgäuer«, Jahrgang 1948; Gemeindearchiv Oberstdorf; eigene Aufzeichnungen.

Kontakt

Verschönerungsverein Oberstdorf e.V.
1. Vorsitzender
Peter Titzler
Brunnackerweg 5
87561 Oberstdorf
DEUTSCHLAND
Tel. +49 8322 6759

Der Verein

Unser gemeinnütziger Verein unterstützt und fördert den Erhalt und Pflege von Landschaft, Umwelt, Geschichte, Mundart und Brauchtum in Oberstdorf. Mehr

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Seit Februar 1982 werden die Hefte der Reihe "Unser Oberstdorf" zweimal im Jahr vom Verschönerungsverein Oberstdorf herausgegeben und brachten seit dem ersten Erscheinen einen wirklichen Schub für die Heimatforschung. Mehr

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