Oberstdorf vor 50 Jahren

1957

Januar

• Das Jahr 1957 beginnt für die Wintersportler nicht gut, Regen und Tauwetter beherrschen die ersten Tage.

• Beim Standesamt Oberstdorf sind für das vergangene Jahr 1956 - 164 Geburten, 87 Eheschließungen und 81 Sterbefälle verzeichnet. Die Gästestatistik weist für den gleichen Zeitraum 86.374 Gäste mit 871.357 Übernachtungen aus – und das bei 4.154 Gästebetten.

• Tiefenbachs Altbürgermeister Josef Huber verstirbt im 73. Lebensjahr.

• Die Freiwillige Feuerwehr Rubi/Reichenbach wird 75 Jahre alt.

• Eine Gruppe von Pressevertretern aus dem Stuttgarter Raum besucht den Kurort.

• Der wohl allen Berufsschülern und -schülerinnen der 30er, 40er und 50er Jahre bestens bekannte Berufsschuldirektor Leo Fickler verstirbt in Immenstadt.

• Die Schwäbischen Meisterschaften im Eisstockschießen werden hier ausgetragen.

• Bei einer Bauernversammlung bringt es ein Redner auf den Punkt: „Das Bergbauernproblem ist in Bonn kaum bekannt!”

• Beim Internationalen Trachtentreffen in Agrigento auf Sizilien, an dem der Gebirgstrachen- und Heimatschutzverein Oberstdorf teilnimmt, wird Marianne Hofmann zur „Miß Frühling” gekürt.

• Adi Dünßer erringt den Allgäuer Meistertitel in der alpinen Kombination.

Februar

• Die Tagung der schwäbischen VdK-Geschäftsführer findet in Oberstdorf statt.

• Frants Hvass, Botschafter des Königreiches Dänemark in der Bundesrepublik, verbringt seinen Urlaub hier.

• Die Frankfurter Wanderoper gastiert mit Verdis „Rigoletto” und das Schwäbische Landesschauspiel mit Schillers „Turandot” auf den Brettern der Filmbühne.

• Max Bolkart wird erneut Deutscher Meister im Skisprunglauf.

März

• Ein Freudentag für die Gemeinde! Die seit 1924 bestehende, zuerst private und dann gemeindliche Oberrealschule wird am 1. März vom Staat übernommen.

• Der Landesverband Bayern des Deutschen Jugendherbergswerkes stellt für die Herberge Kornau mit Anderl Heckmair erstmals einen eigenen Skilehrer ein.

• Bayerns Landwirtschaftsminister Dr. Josef Baumgartner hält sich kurzzeitig in Oberstdorf auf.

• Mit der romantischen Komödie „Der Regenmacher” von Richard Nash gastiert das Schwäbische Landesschauspiel in der Filmbühne.

April

• Die Sparkassenfiliale am Bahnhofplatz in Oberstdorf erfährt eine Erweiterung.

• Anderl Heckmair wird neuer Vorsitzender der AV-Sektion Oberstdorf, die jetzt über 500 Mitglieder zählt.

• Der Bezirksfischerverein von Schwaben hält seine Jahreshauptversammlung in Oberstdorf ab. Auch die Geschäftsführung des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) samt Suchdienstreferenten tagt hier.

• Die Oberstdorferin Katharina Herberg spielt in Berlin und auf Tournee durch Deutschland die Rolle der „Anne Frank”.

• Am Nebelhorn werden die Prüfungen für staatliche Skilehrer abgehalten.

Mai

• „Seit 25 Jahren nicht mehr vorgekommen”, steht in der Presse über der Nachricht, daß Anfang Mai 28 cm Neuschnee gefallen sind.

• Oberlehrer Otto Hengge und Frau Aloisia, geb. Gerblinger, feiern Diamantene Hochzeit.

• „Brunnenrecht ist nicht gleich Wasserrecht!” – über dieses Thema gibt es heiße Diskussionen im Marktgemeinderat.

• Anläßlich der Tagung des Allgäu-Schwäbischen Fremdenverkehrsverbandes wird Regierungspräsident a. D. Martini als Vorsitzender verabschiedet und Regierungspräsident Dr. Fellner als Nachfolger in sein Amt eingeführt.

• Das einstige Kinderheim »Hohes Licht« wird vom Bayerischen Mütterdienst übernommen und dient nun unter gleichem Namen als Müttergenesungsheim.

• Die Freiwillige Feuerwehr Tiefenbach feiert ihren 60. Geburtstag.

• Am Nebelhorn läuft ein Fortbildungslehrgang für die Ausbilder der Bergwacht.

• Nach dem Muster der Oberstdorfer Sesselbahn fährt bei der Internationalen Bauaustellung in Berlin eine Sesselbahn, die vom Oberstdorfer ABIG-Werk erstellt wurde (System Roll, Eisenwerke Bern).

Juni

• Das 1897 von Max Kappeler erbaute Oytalhaus brennt. Der reine Holzbau gibt dem Feuer reiche Nahrung.

• Die Grundeigner des südlichsten Tales Deutschlands schließen sich in einer Interessengemeinschaft zusammen und gründen den „Alpwegeverband Rappenalptal”. Vom Eschbach bis zum Haldenwanger Hof führt heute das Asphaltband.

• Der Touristenverein „Die Naturfreunde” hält am vereinseigenen Kanzelwandhaus ein Jugendlager ab.

• Ein Dauerbrenner im Gemeinderat ist und bleibt die künftige Verwendung des von der Gemeinde angekauften »Parkhotel Luitpold«. Abriß? – Umbau? – Erweiterungsbau? – Übergangsnutzung? – das sind die hauptsächlichen Fragen.

• Am Ausstieg des „Schwarzen Riß” in der Westwand der Trettachspitze stürzt der Voransteigende einer Zweierseilschaft ca. 20 m ins Seil und verletzt sich schwer. Der Wirt des Waltenbergerhauses, Bergführer Kaspar Schwarz, zieht bei der Bergung alle Register seines alpinen Könnens.

Juli

• Unter einer anhaltenden Hitzewelle bis 33 Grad im Schatten dürstet die Natur. „Die Seen bringen keine Abkühlung mehr”, so lautet eine der Überschriften in der Presse.

• Der Benefiziat von St. Loretto, Georg Zehter, hauptamtlich als Studienrat für Religionslehre an der Oberrealschule tätig, feiert sein 25jähriges Priesterjubiläum. Unter der Leitung von Siegfried Kuen führt der Chor die Theresienmesse von Joseph Haydn auf.

• Glück im Unglück hatte die 8. Mädchenklasse der Volksschule Oberstdorf, als beim Schulausflug nahe Weingarten ein schleudernder Lkw-Anhänger den Bus der Länge nach aufschlitzt. Die Insassen kamen mit dem Schrecken davon.

• Das „Wiener Kinderballett” gibt ein Gastspiel in Oberstdorfs Filmbühne.

• Die Unwetter nach der vorangegangenen Hitze lassen die Bäche und Flüsse gefährlich anschwellen. Der Fußgängersteg zwischen Rubi und Langenwang stürzt ein.

August

• Oberstudiendirektor Eduard Beßler übergibt 23 Jungen und 4 Mädchen das Zeugnis nach bestandenem Abitur an der Oberrealschule Oberstdorf, der damals einzigen weiterführenden Schule im Landkreis Sonthofen.

• Beim Bezirksmusikfest in Isny beteiligt sich die Musikkapelle Oberstdorf erstmals an einem Wertungsspiel und erreicht in der Oberstufe auf Anhieb die Höchstpunkttzahl.

• Unwetter richten in den Hochtälern erheblichen Schaden an, hauptsächlich sind es Vermurungen.

• Erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg wird in Oberstdorf wieder ein Senioren-Tennisturnier gespielt.

• Das Sozialwirtschaftswerk (SWW) des Landkreises Sonthofen feiert sein zehnjähriges Bestehen. Es hat bisher 1.241 Wohnungen erstellt und auch in Oberstdorf geholfen, die größte Wohnungsnot zu lindern.

• Ludwig Schedler, Bergführer und Skilehrer aus Oberstdorf, wird Leiter der »Prof. Enzensperger-Jugendherberge« am Walchensee.

September

• Nach einem dem Marktgemeinderat vorliegenden Kostenvoranschlag wird sich der Anschluß der Birgsau an das gemeindliche Stromnetz inkl. Leitungen, Trafo usw. auf 183.000 DM belaufen.

• Bei der Wahl zum 3. Deutschen Bundestag am 15. September waren im Landkreis Sonthofen 40.517 Personen wahlberechtigt und 35.383 Stimmen wurden abgegeben, das entspricht 87 % (davon träumen Politiker heute). Erstmals war Briefwahl möglich.

• Mit einem großen Fest feiert die „Königl. privilegierte Schützengesellschaft Oberstdorf” ihr 400jähriges Bestehen. Hunderte von Schützen nehmen an den Wettkämpfen teil. Ludwig Lehrer aus Burgberg erringt mit 97 von 100 möglichen Ringen den von Wilderich Graf von Spee gestifteten Preis, einen geschnitzten Hirsch von Wilhelm Math.

• Ausgeglichen in Einnahmen und Ausgaben beschließt der Marktgemeinderat einen Haushalt von 2.943.549 DM.

• Begeistert sind die Besucher des Konzertes, das die 14jährige Pianistin Gitti Pirner aus Sonthofen in der Filmbühne gibt.

Oktober

• Mit einem „Turmfest” feiert die evangelische Kirchengemeinde den Abschluß der Bauarbeiten am neugestalteten Kirchturm und zugleich die Weihe der vier neuen Glocken. Die Glocken sind im Klang auf das Geläute der katholischen Pfarrkirche abgestimmt.

• Bischof Dr. Josef Freundorfer weiht den neuen Kindergarten an der Ludwigstraße ein. Anschließend folgt der Oberhirte einer Einladung auf das Nebelhorn.

• Mit Ferngläsern verfolgen viele Menschen die Bahnen des sowjetischen Satelliten, des „Sputnik”, mit der Hündin Laika an Bord.

• Auch mit bloßem Auge ist der künstliche Himmelskörper zu bestaunen.

• Nach nur zwei Monaten Bauzeit kann der Hebauf für das neue Oytalhaus gefeiert werden.

• Der Immenstädter Schriftsteller Hans Breinlinger verfaßte das Stück „Konzert an der Memel”, das in Immenstadt und Oberstdorf erstaufgeführt wird.

• Vom 1. Januar bis Ende Oktober haben 184.163 Fahrzeuge die Walserschanze passiert.

November

• Nach dem Grunderwerb und der gärtnerischen Anlage wird die Erweiterung des Waldfriedhofes eingeweiht.

• Eine Kopie der „Kaiserjäger-Madonna”, geschaffen vom Oberstdorfer Kunstmaler Martin Kees, ziert in Hirschegg das Haus Nr. 204.

• Beim Feuerwehr-Leistungswettkampf geht der Wanderpreis, ein geschnitzter Hl. Florian, an die Feuerwehr Immenstadt.

• Bäckermeister Thomas Neidhart, viele Jahre Erster bzw. Zweiter Bürgermeister und stellvertretender Landrat, erhält vom Markt Oberstdorf die Ehrenbürgerwürde.

• Beim Architektenwettbewerb zum Neubau der Oberrealschule wurde kein 1. Preis ausgelobt. Je einen mit 3.000 DM dotierten 2. Preis erhielten Dipl.-Ing. Wolfgang Molitor aus Sonthofen und E. Müller aus Friedrichshafen.

Dezember

• Frost bis –15 Grad und fast kein Schnee, so beginnt der Monat Dezember.

• Am 2. Adventsonntag toben orkanartige Stürme und peitschen den Regen.

• Dauerbrenner im Marktgemeinderat ist die katastrophale Wohnungsnot.

• Die Statistik der Kurverwaltung weist für das Sommerhalbjahr 772.425 Gästeübernachtungen aus.

• Auf eine 50jährige segensreiche Arbeit in Schule, Kindergarten und Nähstube können die Dillinger Franziskanerinnen in Oberstdorf zurückblicken.

• Erst mit 16 Jahren durfte man am Weihnachtsfeiertag ins Kino gehen, denn es lief der Film „Skandal in Ischl” mit O. W. Fischer, bei dem es einige Kußszenen gab.

• Zum Präparieren der Schattenbergschanze mußten über 1.000 cbm Schnee „besorgt” werden. Nikolai Kamenskij aus der UdSSR ist der Sieger des Tournee-Springens vor rund 10.000 Zuschauern. Bei der abendlichen Siegerehrung im »Hirsch« wählte er aus dem „Gabentempel” eine Armbanduhr aus.

• Am letzten Tag des Jahres feiert die Volksschauspielerin Centa Späth ihren 75. Geburtstag. Zusammen mit ihrem Mann Georg hatte die Jubilarin 1918 im damaligen »Trettachhotel« (später Nebelhornbahnhotel) ein Volkstheater gegründet und verkörperte durch Jahrzehnte Dutzende von Rollen auf des- sen Bühne.

• Auf einer Seite der Silvesterausgabe des »Allgäuer Anzeigeblattes« sind von 40 Oberstdorfer Geschäftsinhabern Grußanzeigen aufgeführt. Gerade 16 Betriebe von damals gibt es heute noch.

Quellen: »Allgäuer Anzeigeblatt«, Jahrgang 1957; eigene Aufzeichnungen.