Das Werden des Freibergsees

von Anton Berktold am 01.02.1982

Die Entstehung des Freibergsees ist von Geologen wie folgt beschrieben worden:

Der berühmte Geologe W. v. Gümbel hält 1861 den Freibergsee für ein wahres Muster eines Glazialsees, jedoch führt er seine Entstehung nicht auf Auskolkung durch Gletschereis zurück, sondern nimmt an, daß vor dem Flyschriegel sich das Eis stark gestaut habe und die Gletscherwasser nach Art der Gletschermühlen das Seebecken geschaffen haben.

Die Entstehung des Freibergsees deutet der Geologieprofessor J. Blaas (Innsbruck) in seinem Führer durch die Tiroler und Vorarlberger Alpen 1902 durch Glazialerosion an. Tatsächlich finden sich am Westufer auch Moränenreste, doch sind die Wände des Sees viel zu steil, daß sie von einer Bewegung des Gletschereises gebildet sein könnten.

Der Geologe Harald Pontoppidan aus Hamburg schreibt 1909: Inmitten des Flysches, in einem Riegel, der die Stillach zwingt, nach Osten einen Bogen zu beschreiben, liegt der Freibergsee wie in einer großen Schüssel, deren Ränder nach innen wie nach außen mit verhältnismäßig großer Steilheit abfallen. Die Umwallung von 3 Seiten ist durchschnittlich 30 m höher als der Seespiegel, die Ufer fallen mit gleichmäßiger Steilheit ab, nur an einer Stelle westlich des Badhauses an der Ostseite des Sees wurde in einer Tiefe von 2 m ein Abbruch von 2 m ausgelotet.

Wahrscheinlich ist es nur ein Abbruch im Flysch, denn dieses Gestein neigt sehr zu Verrutschungen. Durch die Mitte des Sees in nordsüdlicher Richtung zieht sich eine flache Bank. Der östliche Teil ist bis 24 m, der westliche bis 20,5 m tief, am Rande wird er allmählich durch den Schlamm, der vom Berge hinein geschwemmt wird, verflacht. Ein oberirdischer Abfluß fehlt vollkommen, der einzige oberirdische beständige Zufluß ist ein kleiner Wasserlauf an der Südwestseite.

Im Heft Nummer 20 der Geographischen Gesellschaft München „Seen des Illergebietes 1913“ ist zu lesen: Charakteristisch ist die Lage des Freibergsees in einem vollkommen aus Flysch des helvetischen Fazies bestehenden Felsenkessel mit einer seichten Stelle in der Mitte 2,70 m tief. Vom Nordufer über diese seichte Mittelstelle läßt sich ein geschlossener Felsrücken bis zur Insel am Südufer feststellen (Adolf Reissinger).

Im „Allgäuer Anzeigeblatt“ Nummer 130 vom 5. Juni 1943 erschien ein Bericht von Charlotte Stirius (Oberstdorf) über die Beobachtungen und Messungen am Freibergsee in den Jahren 1920 bis 1926 und 1939, welche von Dr. Lotz durchgeführt wurden, unter dem Titel:

Der Freibergsee im Lichte eiszeitlicher Forschung

Einer der interessantesten Seen des Oberen Allgäus ist der Freibergsee. Mit ihm haben sich schon seit langem nicht nur die Naturfreunde beschäftigt und ihn beobachtet, sondern auch die Forschung hat sich wiederholt seiner angenommen. Für den Naturfreund bieten sich in mancherlei Hinsicht an und in diesem rund 1000 Meter hochgelegenen Bergsee interessante Naturvorgänge, vor allem was seinen Wasserspiegel betrifft, seine Bodenbeschaffenheit, seinen Planktonreichtum und damit die Lebensbedingungen, die er Fischen bietet, und nicht zuletzt seine geologische Entstehungsgeschichte.

Freibergsee - Heft 1

Die Öffentlichkeit beschäftigte in den letzten 10 Jahren vor allem sein ständig wechselnder Wasserstand, eine Erscheinung, die nach Aussagen von Uferanrainem und sonstigen Beobachtern in früheren Jahrzehnten nicht festgestellt worden ist. Die Ursachen dieses oft schroffen, aus dem Naturgeschehen manchmal ganz unerklärlichen Wechsels hat man noch nicht ergründen können, auch nicht durch die Forschung. Man nimmt an, daß dies in Beziehung steht zu einem starken, etwa im Jahre 1926 bei Namlos in Tirol vorgegangenen Erdbeben, das auch in unserem Gebiet sehr gespürt wurde. Jedenfalls trat von dieser Zeit ab der starke Wechsel im Wasserstand ein, der sich auch in regnerischen Sommern zeigte.

Wie stark wechselnd er auch jetzt noch ist, das konnte man in den letzten Wochen an Hand des Pegels am Strandcafe beobachten. Ging im heurigen, verhältnismäßig schneearmen und mäßig kalten Winter der See ungewöhnlich früh auf - schon Anfang März gegen Anfang bis 25. April in vorangegangenen Jahren - so war sein Wasserstand trotz der erheblich geringeren Wintemiederschläge auffallend hoch. Durch das warme Frühjahr sank der Wasserspiegel ziemlich stark, um während der Tage der Eisheiligen die reichlich Niederschläge gebracht hatten, wieder stark zu steigen, so daß nach den Eisheiligen um den 19. Mai der Pegel fast überspült war, was außerordentlich selten ist. Drei Wochen später hatte sich der Wasserspiegel fast um 1/2 Meter gesenkt. Insgesamt aber ist der Wasserstand im Vergleich zu dem der dreißiger Jahre höher, obwohl in jenen Jahren Winter und Frühjahr mehr Niederschläge brachten als im Winter und Frühjahr 1943.

Das zweite Rätsel ist in seinen Wasserzu- und -abflußverhältnissen zu suchen. Der sichtbare Zufluß ist sehr gering, der Abfluß ist noch immer unbekannt. Vermutungen von Dr. Helmut Lotz, der nahezu 3 Jahre den See zwischen 1920 und 1926 beobachtet, fischereibiologische Untersuchungen vorgenommen, und Professor Kraus, der geologische Kartierungsarbeiten vom See gemacht hat, gehen dahin, daß ein periodischer Abfluß etwa in Form einer von Zeit zu Zeit geschlossenen Gesteinsspalte im nördlichen Bergrücken da sein muß. Interessant am See ist weiter seine Lage. Er liegt in 980 m Höhe in einem vollkommen aus Flysch der helvetischen Fazies bestehenden Felsenkessel, der sich in seinem äußeren Aufbau außerordentlich von allen Alpenseen des Allgäus unterscheidet und ihn tatsächlich zu einem Charakteristikum gestaltet.

Nun wurde der Freibergsee im Winter 1939 abermals einer genauen Untersuchung hinsichtlich der Frage nach dem Ausmaß der glazialen Erosion und der postglazialen See-Entwicklung in Verbindung mit der Waldgeschichte durch Adolf Reissinger - München unterzogen. Die Ergebnisse dieser Untersuchung legte der Forscher in einer Abhandlung nieder, die 1941 in Heft 50 der Abhandlungen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften dargestellt sind. Im Gegensatz zu früheren Arbeiten anderer Forscher wurden diesmal Lotungen im Winter von der Eisdecke aus gemacht, wodurch diese Arbeiten sehr exakt ausgeführt werden konnten.

Im Freibergsee sind entsprechend den Lotungen drei Tiefenpartien vorhanden. Die seichteste Stelle des Sees ist nach Dr. Lotz mit 2,70 m in dessen Mitte, im Gegensatz zu anderen Seen, die in der Mitte meist tiefste Stelle aufweisen. Die tiefste Stelle ist am Ostufer mit 24,20 m, im Westen wurde eine Tiefe von 20,50 m gemessen. Auf der Tiefe von 24,20 m im Osten lagert allein eine Schlammtiefe von 11,4 m. Diese Feststellungen wurden von Reissinger mittels eines von ihm konstruierten Unterwasserbohrgerätes gemacht.

Hinsichtlich des Entstehens des Freibergsees schreibt Reissinger, daß dieser See durch lokalen Einbruch, also tektonischen Ursprungs nicht entstanden sein kann. Er ist ein Erosionsgebilde, das vollständig in Flysch eingesenkt ist, zu welcher Formation auch die ganze nähere Umgebung gehört. Auffallend ist der tiefe, fast runde Kessel des Freibergsees, den die Erosion, in die Tiefe arbeitend, vielleicht strudelartig oder wirbelartig geschaffen hat. Der präglaziale Talboden über dem See mag einst, wie Reissinger weiter schreibt, 60 Meter höher als der Boden des heute vorhandenen Kessels gelegen sein.

Einer genauen Untersuchung wurde die Zusammensetzung des Schlammes unterzogen.

An den beiden Schlammbohrungsstellen lagerte zuoberst eine mulmige, schwarze oder fast schwarze Masse ziemlich weichen Schlammes 3 1/4 m tief. Dann folgte Seeschlamm von stahlgrauer Farbe 1,5 m tief, unter diesem kam eine 2 m hohe, zumeist feine hellere graue Schlammschicht, hierauf der Felsgrund. Die näheren Untersuchungen der Schlammschichten förderte sehr Interessantes zu Tage. So haben sich Blütenstaubkörner der Waldbäume inj edem Abschnitt der Postglazialzeit dem Wasser des Sees beigemengt und wurden am Grunde abgesetzt. Vor allem ist aus dieser Untersuchung die Waldgeschichte unseres Gebietes abzulesen. Die Pollenanalyse (Analyse der Blütenstaubkörner) ergab, daß bei den Proben aus 6,5 m Tiefe die Föhre mit 69 %, die Birke mit 9 %, die Weide mit 22 % vertreten war. Bei 4,5 m Tiefe war der Anteil der Föhrenpollen 80 %. Die Vermehrung der Waldkieferpollen zwischen 4,5 und 5 m Tiefe läßt darauf schließen, daß eine wesentliche Klimaänderung eingetreten war, nämlich der Beginn der kontinentalen Epoche mit ihren heißen Sommem und kalten Wintern. In diesem Klima wächst vornehmlich die Waldkiefer. Ihre Hauptmasse traf jedoch erst später ein, zwischen 4 und 4,5 m.

Darauf folgten in gewissen Abständen die anderen dieses Klima kennzeichnenden Baumarten, wie Hasel, Eichenmischwald mit Linde und Ulme und zuletzt die Fichte. Sie wanderte als letztes Glied der kontinentalen Epoche und blieb bis in unsere Gegenwart. Bei 2,5 m Tiefe des Schlammes beginnt die Tanne Anteil zu nehmen im Pollenbild. Ihr reichliches Auftreten zeigt an, daß das Klima ein wesentlich anderes geworden war, denn sie hat ein starkes Feuchtigkeitsbedürfnis. Bei 2 m Tiefe fangen die Buchenpollen an, diese Baumart erfordert ebenfalls viel Feuchtigkeit, besonders viele Niederschläge im Sommer. Sie bestätigt die durch die Tanne schon angezeigte Klimaänderung, eine Annäherung des Landklimas an das Seeklima. Nach der Buche ist dann die noch mehr dem ozeanischen Klima angepaßte Eibe eingewandert, deren Pollen sich jedoch nicht erhalten und daher nicht im Schlamm gefunden wurden.

Nach alten Überlieferungen war vor etwa 2000 bis 700 Jahren die Eibe der Baum unserer Bergwälder. Daß die Eibe in unseren Wäldern heute nur mehr vereinzelt vorkommt und jeder Baum unter Naturschutz steht, ist darauf zurückzuführen, daß sein sehr hartes Holz in der Ritterzeit zu Armbrusten verarbeitet wurde, unsere Vorfahren aber versäumten, diesen Baum, der sehr langsam wächst und ein Alter bis zu 2000 Jahren erreichen kann, wieder nachzupflanzen. Dadurch wurde er fast ausgerottet.

Aus all diesen Untersuchungen ergibt sich ein höchst interessantes Naturgeschichtsbild vom Freibergsee, den man in Kenntnis der Naturvorgänge mit ganz anderen Augen betrachtet, als wenn man nur seine Naturschönheit auf sich wirken läßt. Unsere Heimat ist daher jedem Forscher, der die Geschehnisse unserer Bergnatur zu lüften vermag, dankbar für alle Forschungsarbeit.

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