Einleitung seiner Chronik im Original
Eine großartige Quelle für die Oberstdorfer Heimatgeschichte stellt die im Jahr 1834 begonnene „Math-Chronika” dar.
Joseph Ignaz Math, geb. im Jahr 1764, entstammte einem uralten Oberstdorfer Geschlecht, welches man zur besseren Unterscheidung der vielen Math-Sippen mit Hausnamen „Klöüsar” nannte. Er war von Beruf Feilenhauer und Landwirt sowie Vorsteher und Marktdiener in Oberstdorf. Seine Heimat war das Haus Nr. 218 in der damaligen Ballesgasse (heute Fischerstraße Nr. 8). 1789 heiratete er Creszentia Thannheimer und ging, nach deren Tod im Jahr 1835, im selben Jahr eine zweite Ehe mit Catharina Berktold ein.
Im Jahr 1834 begann er eine Chronik zu verfassen. Aus alten Urkunden, Aufzeichnungen und selbst Erlebtem sowie verschiedenen denkwürdigen Ereignissen früherer Jahrhunderte hat er im Laufe der Zeit ein umfangreiches Büchlein geschaffen. Nach seinem Tod 1846 hat vermutlich seine Tochter Rosalia diese Chronik weitergeführt.
Rosalia Math heiratete 1821 den Kohlenbrenner Anton Käufler von Jauchen Nr. 8. Zwei Söhne, Joseph Ignaz und Peter Käufler, gingen aus dieser Ehe hervor. Mit nur 34 Jahren starb Ehemann Anton im Jahr 1828. Schon im selben Jahr heiratete Rosalia ihren zweiten Mann, Johannes Huber von Ringang und Oberstdorf. Dieser wurde, wegen des Namens seiner Mutter Agnes Huber, geb. Brutscher, auch „Neaslars Hannes” genannt.
Nach dem Tod von Johannes Huber erhielt Joseph Ignaz Käufler das Haus Schrofengasse Nr. 32 und übernahm auch den Hausnamen „Neaslar” seines Stiefvaters. Peter Käufler bekam den Auszug in Ringang und wurde Stammvater der großen Sippe der „Petrer” im Stillachtal.
Zur Einleitung seiner Chronik wandte sich J. I. Math mit einer;
„Anred an den ginstigen Leser
Ich hab mir vorgenommen von Jahrhundert her aus alten Abschriften mit einfeltigen Ausdriecken abzuschreiben und solang ich lebe fortzusetzen was sich habe in underschiedlichen Sachen zugelegen nemlich in Kriegssachen, Viehseuchen mit Krankheiten der Menschen, Gebreuchlichkeiten in den Kirchen und anderstwo, Feiersbrunsten und ander Sachen mehr, ich hoff der ginstige Leser wolle mir nicht ibel aufnehmen wenn es schon mit einfeltigen Worten geschrieben steht denn ich habe beschrieben wie ich es empfangen hab und ich meine es wierd nicht unrecht sein wer nach meinem Tod diese Chronik bekommt wenn er es wie ich fortsetzen tät denn mancher würde eine Freude haben über schon lang vergangene Sachen sich zu erkundigen..
Abgeschrieben im Jahr 1834
Joseph Ignatius Math in Oberstdorf”
Allerdings sind die Berichte über Ereignisse und Begebenheiten chronologisch als auch thematisch nicht genau geordnet und so manche Eintragung über wundersame oder monströse Ereignisse war eher der damaligen „Sensationslust” geschuldet. Deshalb habe ich die für Oberstdorfs Geschichte bedeutsamen Eintragungen in verschiedenen Bereichen herausgenommen, um sie hier und in weiteren Folgen näher zu beleuchten und darzustellen.
Den Anfang macht die alte Wasserversorgung in unserem Dorf, die bis in die Zeit um 1920 mittels Rechts- und Nebenbrunnen erfolgte.
Die Rechtsbrunnen, alle am Dorfbach gelegen, wurden gespeist mit dem Wasser aus den Schattenbergquellen. Daran angeschlossen mittels Deichelleitungssystems waren die Nebenbrunnen. Bei Schäden an diesem System mussten die Rechtsbrunnen vorrangig instand gesetzt werden (siehe auch Bildband „Alt-Oberstdorf”, 1980, S. 7 - 9).
Mit Datum 20. 10. 1669 vermeldet die Chronik, dass im Unteren Markt kleine Kinder ein „enges [kleines] Feuerle” gemacht haben und es sind dabei 20 Häuser „verbrunnen”. Diese Häuser standen in der heutigen Küferstraße und der Buindgasse, mit Ausläufern in die Windgasse und die Bienengasse. Das Bildstöckle in der Küferstraße erinnert an diesen Großbrand.
In den folgenden Jahren enstand eine relativ große Bautätigkeit. Während und auch nach den ersten Neubauten stellt man fest, dass der alte Dorfbachverlauf nicht mehr mittig durch den Unteren Markt floss. Auch die Wassermenge und noch vielmehr die Wasserqualität der uralten Quellen im Dickach im Faltenbach reichten nicht mehr aus für eine ordentliche Versorgung von Oberstdorf.
1679 vermerkt die Chronik, dass man den Dorfbach nun mitten durch das Dorf verlegt hat – „item forget man den Dorfbach mitten durch das Dorf hinab” („forget” = abfließen, „forkeln” = durchstechen).
Man versuchte also, den Dorfbach in eine zentrale Lage zu den Häusern zu legen. Wir können uns heute nicht mehr vorstellen, wie schwierig es damals war, an sauberes Wasser für den täglichen Bedarf für Mensch und Tier zu kommen. Aber schon bei der Verlegung des Dorfbaches 1679 planten unsere Vorfahren eine Neuanlage der kompletten Wasserversorgung für das ganze Dorf, von den neu zu fassenden Quellen im Dickach bis zu unterst im Markt, „In den Höfen” genannt. Mit über 300 Großdeichel hat man 1680 eine Strecke von 1.050 Metern im fließenden Dorfbach verlegt. Eine Deichel maß 3,50 m in der Länge und hatte einen Bohrdurchmesser von 4 Zoll (= 10 cm). Ein Gefälle von fast 50 Metern sorgte für den nötigen Wasserdruck. Eine Verlegung der neuen Deichel im Dorfbachwasser – wie schon die alten – war nicht nur technisch einfacher zu bauen, sondern verhinderte auch die Erdfäulnis. Außerdem konnten schadhafte Stellen leicht erkannt und auch ausgebessert werden.
Früher wie heute waren bzw. sind solche große Vorhaben auch ein finanzielles Problem. Auch hier waren die alten Oberstdorfer erfindungsreich. Nach der Dorfbachneufassung bot die Gemeinde in den Jahren 1681 und 1682 zahlungswilligen Bürgern sogenannte Nebenbrunnen an. Diese privaten Brunnen wurden, gegen Bezahlung von acht Gulden, auf „ewig” verkauft. Acht Gulden kostete damals ein Viertelsaat Feld (= 425 qm) oder eine „gute” Kuh, was dem Jahresertrag eines durchschnittlichen Bauern entsprach. Die Kosten für die notwendigen Teilrohre und Neber von der Hauptleitung zum Haus mussten ebenfalls bezahlt werden.
Vorteilhaft waren diese Nebenbrunnen in erster Linie für die von den Rechtsbrunnen weit entfernten Höfe. Trotz dieser Kosten mussten diese „Nebenbrünnler” sich auch noch an den Unterhaltskosten für die Gassen- oder Rechtsbrunnen jeder Gasse beteiligen. Interessant ist aber, dass sich Oberstdorf nun in Breite und Länge weiter entwickelte. So war die Mohrengasse (dieser Name stammte von dem Familiennamen Mörlin, heute Schrofengasse) zu dieser Zeit nicht durchgehend besiedelt und lag am Ortsrand. Dasselbe gilt für die Organistengasse (Lorettostraße) und die Schustergasse sowie die Hintere Gasse (Nebelhornstraße). Im Unteren Markt sind es die Mauthergasse (Zollstraße), die Vordere Gasse (Weststraße) und in Richtung der alten Schlechtengasse (untere Weststraße).
Oft teilten sich die Nachbarn einen Nebenbrunnen, um Kosten zu sparen. Die Zimmermeister garantierten einen einwandfreien Zustand ihres Bauwerkes für zehn Jahre. Nach nur zwei Jahren stand die gesamte Finanzierung.
Weitere Eintragungen in der Math-Chronik:
„Anno 1680 Abschrift eines Briefs von den Brunnen ab dem Schattenberg wie jene Brunnen in Markt geführet hat, früher hat man ihn zu innerst im Oybele aus dem Faldenbach gefasst, wie ich von den Alten gehöret hab.”
„Anno 1680 den 16. August hat Herr Gerichtsammann, Hauptmann und das ganze ehrsame Gericht allhier zu Oberstdorf mit dem Kaspar Ess, Miller, und Martin Hueber und Baldus Schedler alle drei Zimmerleuth und Führung eines Brunnen aus dem Dickach herab zu führen dergestalten und also erstlich sollen die Zimmermaister auf ihre Kosten fertigen, mit einem vierzölligen Bohrer gebohrte Deichel bis auf Rechbergen, und sollen sie ernannte Maister, sowohl die Bixen als Deichel auf ihre Kosten ausrichten und bezahlen und sollen auch solche Brunnen zehn Jahre lang wehrhaft erhalten.
Von unseren Ihren den Maistern zu bezahlen versprochen worden 250 fl, davon 1/3 baar, 1/3 wenn die Brunnen wieder gehen und 1/3 auf St. Georgi Tag [23. April] nächst kommenden 1681ten Jahres und dann was sie durch das Dorf herab mit Deichel ferner legen oder Bohren arbeiten, solle man jeden des Tags 24 Kreuzer zu Lohn geben, dabei ist ihnen noch angedingt, dass die Klebseilten in Ihrem Geding machen sollen desgleichen auch die Theilrehrle neben den Deichelbixen ebenmässig auf Ihre Kosten fertigen.
Hingegen ist Ihnen den Maistern zugelassen, die alten Deichel im Dorfbach und hinüber gegen den Faldenbach hinein zu ihren Nutzen zu gebrauchen.
Hat also die Brunnen gekostet wie folgt:
erstlich bis Rechbergen wie vor | 250 fl |
von da ab bis zu unterst im Markt wie folgt, 300 grosse Deichel vom Stück Bohrlohn 6 Kreuzer | 30 fl |
92 gemeine kleine Deichel, vom Stück 4 Kr | 6 fl 54 Kr |
36 Tagwerk des Tags 24 Kr | 14 fl 24 Kr |
mehr 471/2 Tagwerk a 20 Kr | 15 fl 43 1/2 Kr |
dem Brunnenmaister Wartgeld | 4 fl |
summa ao | 336 fl 51 1/2 Kr |
mehr für Klammern | 1 fl 37 Kr |
für Neber | 6 fl |
für Brunnenrehrle | 22 fl 15 Kr |
summa summarium | 366 fl 42 1/2 Kr |
Hingegen hat man anno 1681 und 1682 an verkauften Nebenbrunnen eingenommen 365 fl 40 Kr für jeden Brunnen hat man zahlen miessen per 8 fl ein Brunnenrehrle kosten per 30 Kreuzer.”
[Anmerkung: Es verblieben also der Gemeinde zu zahlen 1 Gulden weniger 2 Kreuzer!]
„Verzeichnis der Nebenbrunnen haben gekauft ao 1681 und 1682:
1 Johannes Linhart, Grichtsammann | 8 fl |
2 Martin Schwegerlin, Hauptmann 2 Brunnen | 16 fl |
1 Hans Weber und Mathias Riezler | 8 fl |
1 Conrat Hueber u. Georg Berchtold | 8 fl |
1 Michael Titscher | 8 fl |
1 Hans Blatner | 8 fl |
1 Michael Hindelang | 8 fl |
1 Conrad Jeger und Jerg Hueber | 8 fl |
1 Hans Brutscher, Barbierer | 8 fl |
1 Conrad Jeger, Würth | 8 fl |
1 Johann Jeger | 8 fl |
1 Martin Hueber, Brunnenmeister Rest von 1 fl 20 x ist ihm zum Trinkgeld nachgelassen worden | 6 fl 40 x |
1 Thomas Schraudolf | 8fl |
1 Galle Bach | 8fl |
1 Hans Schraudolf | 8fl |
1 Hans Vogler und Matheus Kappeler | 8fl |
1 Hans Seelos | 8fl |
1 Hans Bach | 8fl |
1 Hans Jerg Brutscher | 8fl |
1 Moritz Math u. Atanasy Weber | 8 fl |
Dem Herrn Pfarrer Dyonisi Lang ist verehrt worden bei seinem Aufzug 15 fl. Dem Joachim Vogler ist ein Brunnen verehrt worden mit der Bedingung, dass er der Bruderschaft das Haus 15 Jahr ohne Entgelt lassen muss, ist ca. 1720 ausgegangen und wird dieser Brunnen von der Wittib erhalten, da sie das Haus um den Zins gedungen hat.”
[Anmerkung: Das Haus trug später die Nr. 96, heute Oststraße 4. Es handelte sich um die „Altar-Christi-Bruderschaft”. Joachim Vogler war der Bruder von Abt Hermann Vogler.]
„Folgende Brunnen sind nachträglich gekauft worden und müssen bei Wassermangel zurückstehen:
Hans Hueber, Gerber | 1 Br. 8 fl |
Matheis Üblher u. Georg Thannheimers Kinder | 1 Br. 8 fl |
Michael Weissebach | 1 Br. 8 fl |
Hans Wöber, Kaspars Sohn | 1 Br. 8 fl |
Georg Hindelang | 1 Br. 8 fl |
Mathis Mayr | 1 Br. 8 fl |
Baltus Schedler | 1 Br. 8 fl |
am 12. 11. 1713 kaufen:
Hans Hindelang und Melcher Tauscher, Bader, je einen Brunnen = 16 fl mit der Klausel, dass das hierfür angelegte Geld wieder zurück bezahlt wird, wenn sie nicht solang Wasser bekommen wie die anderen Brunnen.”