Vom „Jahrhundert-Hochwasser” und solchen, die so bezeichnet wurden

von Eugen Thomma am 01.12.2010

Über Jahrhunderte waren unsere Vorfahren den bei Unwetter tobenden Wildbächen und Flüssen nahezu schutzlos ausgeliefert. Die Wildbach- und Flussverbauung der letzten rund 100 Jahre hat schon viel an Schaden verhütet, doch musste man nach jedem Schadensereignis immer wieder neue Lehren ziehen. Von meiner Großmutter hörte ich oft den alten Spruch: „Durch Schaden wird man klug.” Nun, es hat sehr vieler Schadensfälle durch Überschwemmungen bedurft, um so klug zu werden, dass man die in Zwangsjacken scheinbar gebändigten Bäche und Flüsse wieder aufweitete und Stauräume für Hochwässer schaffte bzw. schafft.

Der Bauer Friedrich Keller aus Schöllang hat im 18. Jahrhunder alles, was ihm nennenswert erschien, aufgeschrieben. In seiner Familie wurden diese Aufzeichnungen weitergeführt, uns sind diese heute als die „Schöllanger Chronik” bekannt. Da schreibt Keller z. B. zu einem Hochwasser:

„Merkwürdige Ereigniße im Jahr 1762
[...] 1762 den 8 u 9ten July hat es ein entsetzlich große Wassergüß gehabt u hat in dieser Gegend große Schaaden gethan, das Wasser ist an vielen Orten ausgebrochen viel Grund u Boden u Holz mit sich fortgenommen u überschwembt der Boden an vielen Orten ausgebrochen und Riesen gemacht auch hat das Wasser viel Wuhrer [Anm.: Uferverbauungen in Holz-/Steinkonstruktion] zerrissen Bruggen und Steeg weggerissen u fortgenommen u an den Straßen und Weeg viel verderbt u ruiniert. Es können sich alte Leute nicht erinnern das es so geschehen ist.

Diese Wassergüß hat auch an anderen Orten einen grausamen Schaaden verursacht, jndem es an einigen Orten gar viel Feld überschwembt Häußer weggenommen viel Menschen u Vieh in das Wasser kommen u erdrunken, Kinder in der Wiegen mehrere Stunden fortgetragen, eins auf dem Rhein hat man lebendig bekommen, eins auf dem Lech zu Füßen [Füssen] lebendig bekommen wurden u. eines auf der Iller ist zu Kempten oder darunter Tod bekommen worden, alle drey in der Wiegen.”

Ganz so schutzlos wie die Zeitgenossen des Friedrich Keller stehen wir heute den Naturgewalten nicht mehr gegenüber und trotzdem kommt es immer noch zu Katastrophen. Schnell ist man aber mit dem Wort „Jahrhundert- Hochwasser” bei der Hand. Doch sollte man mit dieser Einschätzung vorsichtig sein, zumindest sollte man das Ende des jeweiligen Jahrhunderts abwarten. Das hat uns die Überschwemmung von 1999 wieder deutlich gelehrt.

Aber wollen wir einmal zurückblicken in jene Tage dieses Jahres.

Nach dem strengen Winter von 1998/99, mit den gewaltigen Schneemassen in den Alpen, ließ sich schon erahnen, dass die Schneeschmelze in den Bergen hohe Wasserstände mit sich bringen werde. Die wolkenbruchartigen Regenfälle während der „Eisheiligen” (12. – 14. Mai) dagegen ließen sich nicht vorausahnen. Bäche und Flüsse schwollen an und traten über die Ufer. In den Niederungen standen Wiesen und Weiden unter Wasser und die Feuerwehren pumpten im oberen Allgäu die Fluten aus mehr als 100 Kellern. In den tiefer liegenden Häusern und Geschäften stand das Wasser auch im Erdgeschoß. Man sprach vom „Jahrhundert Hochwasser” und war glücklich, als der Regen nachließ und die Pegelstände sanken.

Der Wettergott meinte es gut mit den Oberallgäuern und ließ am Sonntag sogar die Sonne scheinen, als einige Feuerwehren im Landkreis jubilierend die 125. Wiederkehr ihres Gründungsjahres feierten. Die honorigen Festredner dankten den Floriansjüngern für ihre allzeitige Bereitschaft und speziell für den unermüdlichen Einsatz bei der Bewältigung des „Jahrhundert-Hochwassers” der vergangenen Woche. Weder die Redner noch die Gelobten konnten ahnen, dass eine neue, größere Flutwelle und damit das „dicke Ende” unmittelbar vor der Tür stand. Viele der von den braunen Wogen geschädigten Anwohner waren dabei, Wasser, Schmutz und unbrauchbar gewordene Teppichböden aus dem Haus zu schaffen und vernichtetes Mobilar in die Wertstoffhöfe zu bringen, da drohte schon neue Gefahr.

Gerade eine Woche nach der Überschwemmung brach eine wahre Sintflut über das Oberallgäu herein. Wenn die Meldungen über die Niederschlagsmengen stimmen, so gingen am Freitag und Samstag 75 bzw. 80 mm Regen in unserem Gebiet nieder. Umgerechnet prasselte also auf eine Fläche von rund sechs Quadratmetern ein Kubikmeter Wasser nieder. Die völlig aufgeweichten und mit Wasser gesättigten Böden konnten von dem nun nicht mehr so „kostbaren Nass“ nichts mehr aufnehmen. Wahre Sturzbäche schossen über die Wiesenhänge zu Tal. Ein Temperaturanstieg bewirkte, dass es bis in die Gipfelregionen regnete, was den Schnee auch in den höchsten Lagen schmelzen ließ. Die Situation entlang der Bäche und Flüsse wurde mehr als kritisch. Vollgelaufene Keller, überflutete Straßen und Eisenbahnstrecken waren die Folge. Wiesen und Gärten wuchsen zu einer Seenlandschaft zusammen. Ein neues „Jahrhundert-Hochwasser” war geboren. Ein Hochwasser, das in unserem Landkreis wohl fast alle Gemeinden betroffen hat. Lokale Hochwasser, die eine Gemeinde oder auch nur einen Ortsteil davon heimgesucht haben, können für den betroffenen Bereich die Katastrophe des Jahrhunderts gewesen sein. So schreibt Thaddäus Zobel in seiner Chronik:

„Anno 1831 den 9. August ist durch ein großes Regenwetter das Stillachwasser ob der Renkfahrt ausgebrochen. Es lief 3 Tage durch die Scheiben bis nach Loretto und durch die Ösch wieder herunter. Den 28. August hat es in Kornau einen Wolkenbruch gehabt. Er riß die Brücke, die Wur [Anm.: Verbauung], den Boden, den Brunnen neben der Hausnummer 6 weg [...].

Anno 1837 ist das Stillachwasser wieder ausgebrochen und hat den selben Lauf gemacht wie vor 6 Jahren.”
Ob nun die Überschwemmungen und Vermurungen von Bad Oberdorf bis Rubi zu Anfang des 20. Jahrhunderts, ob die Wildbachschäden von Thalhofen, Thalkirchdorf oder Bihlerdorf zur Mitte des Jahrhunderts beispielhaft sind, für die betroffenen Orte war es das „Jahrhundert-Hochwasser”.

Oberstdorf wurde 1851 in Mitleidenschaft gezogen, als, zur allgemeinen Überflutung der Wiesen und Äcker, der einmündende Faltenbach noch solche Wassermassen brachte, dass diese quer durch das Bett der Trettach schossen und auf der Gegenseite (nördlich des heutigen E-Werkes) die Hartmannsche Hammerschmiede mit sich rissen.

Von den lokalen Wasser-Unglücksfällen war sicherlich 1873 die Immenstädter „Steigbach-Katastrophe” das Schlimmste, sie kostete sogar 11 Menschenleben.

Hochwasser - Heft 57

Mit furchtbarer Gewalt schoss der Steigbach in das friedliche „Städtle”.

Als im August 1970 die meisten Zuflüsse der Iller und diese selbst über die Ufer traten, war das auch ein „Jahrhundert-Hochwasser”. Wir hatten dabei in Oberstdorf mit den Fluten der Stillach zu kämpfen, als sie die westlichen Fluren des vorderen „Eeschs” überspülte, Keller volllaufen ließ und zuvor im Stillachtal Straßenstücke fortgerissen hat.

In den dreißiger Jahren – ich war noch ein kleiner Bub – hieß es auch einmal „Land unter”.

Hochwasser - Heft 57

Ein ganzes Stück der Birgsauer Straße hat die Stillach im August 1970 weggerissen, ...

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m Westen von Oberstdorf tritt die Stillach über den Damm ...

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... und überflutet die angrenzenden Felder.

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Wo hier ruhig die Stillach fließt, lag wenige Tage zuvor der Parkplatz an der Skiflugschanze. Das Hochwasser 1999 hat ihn und eine Waldparzelle weggerissen.

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Ebenso wütete die Stillach beim Hochwasser 2005.

Aber wieder zurück in die neuere Zeit. Gerade sechs Jahre waren ins Land gegangen, seit die große Flut zu Pfingsten 1999 das Allgäu und dabei besonders das Oberallgäu in arge Bedrängnis gebracht hatte, als sich die himmlischen Schleusen im August 2005 wiederum weit öffneten. Ein Millionenschaden enstand schon allein in der Gemeinde Oberstdorf. Besonders hart getroffen wurde dabei der Ortsteil Weidach, wo die Breitach aus ihrem Bett gestiegen war. Zerstörte Straßen und weggerissene Brücken waren auch das Werk von Trettach und Stillach. Es war wiederum ein neues „Jahrhundert- Hochwasser”. Darüber ist bereits ausführlich im Heft 48 (Juni 2006) berichtet worden.

Ob es nun die Betroffenen (was ich am wenigsten glaube), Sensationstouristen oder Medien waren, die jeweils den Begriff „Jahrhundert-Hochwasser” geprägt haben, weiß ich nicht. Aber ich weiß sehr wohl, dass die ganzen Überschwemmungen, auch die im Mai 1999 und August 2005, nicht die tatsächlichen „Jahrhundert-Hochwasser” waren.

Das wirkliche „Jahrhundert-Hochwasser” hat im Juni 1910, also jetzt gerade vor 100 Jahren stattgefunden. Die Ausuferungen der Wassermassen und die Flurschäden waren damals, zumindest im oberen Illertal, viel größer. Die größere Anzahl von Bewohnern, die damit verbundene dichtere Bebauung und die Technisierung sind es, die heute höhere Schadenssummen mit sich bringen.

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Das „Jahrhundert-Hochwasser” von 1910 riss Brücken und Verbauungen mit sich. Im Bild das Stauwehr der Weberei an der Trettach (heute Wehr des EWO an der Hermann-von-Barth-Straße).

Natürlich wurden 1910 noch keine Supermärkte, Kaufhäuser, Bahnunterführungen oder Ölheizungen überschwemmt; das gab es damals noch nicht, ebenso die Ampelanlagen. Strom-, Telefon- und Fernsehkabel konnten noch nicht absaufen, weil solche auch noch nicht vorhanden waren. Bei den Hochwassern heutzutage sind in fast jedem Haushalt elektrische Hausgeräte oder Elektronik zu Schaden gekommen, ganz zu schweigen vom Schaden durch ausgelaufenes Heizöl.

Eines darf aber auch nicht vergessen werden: In einer Reihe von Fällen ist es so, dass zu Bauland geworden war, was vor 100 Jahren noch als Überschwemmungsgebiet bekannt war und nach jedem stärkeren Gewitter oder während der Schneeschmelze überflutet wurde. In dieser Zeit war man noch weitgehend schutzlos und baute deshalb nicht zu nahe an die Flussläufe heran. Heute wähnte man sich geborgen und in Sicherheit hinter den Eindämmungen der Flüsse.

Die Messungen oder Schätzungen des Wasserdurchflusses von Tausenden Kubikmetern je Sekunde ergaben für die Iller bei Kempten größere Werte beim Hochwasser 2005 als bei der Katastrophe von 1910. Würde man aber die Wassermengen in den einstmals riesigen Ausuferungen im Oberallgäu, die einen schnelleren Abfluss verhinderten, hinzuzählen, wäre einwandfrei 1910 das Spitzenjahr. Dauerregen und Schneeschmelze in den Bergen führten schließlich am 15. Juni zur Katastrophe, zum tatsächlichen „Jahrhundert Hochwasser” von 1910. Es hat in der Gemeinde Oberstdorf sämtliche Brücken und Stege, die über Trettach, Stillach und Breitach führten, weggerissen.

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Bis zu den Lorettokapellen drangen die braunen Wassermassen der Stillach vor.

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Auch 1910 schon „Sensationstourismus”?

Einen Sonntagsspaziergang waren die überschwemmten Felder bei Langenwang schon wert.

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Die von der Iller verwüsteten Wiesen in Langenwang.

Als einzige Flussübergänge blieben die hochgelegene Haseltopfbrücke nahe Dietersberg und der Eisenbahn-Stillachdurchlass im hinteren „Eesch” erhalten. Aber Faltenbach, Oybach, Dietersbach, Traufbach, Haldenwangerbach sowie Schlappolder- und Söllerbach im Oberstdorfer Bereich ließen keine Brücke und keinen Steg stehen. Ganze Waldparzellen waren von den Fluten mitgespült worden und verstärkten die Wucht des Wassers, als dieses auf Brücken und Uferverbauungen stieß. Von der Straße nach Birgsau fehlten, nach dem Rückgang der Fluten, mehr als 900 Meter. Je 160 Meter waren verschwunden von den Straßen nach Spielmannsau und ins Oytal.

Der Bahndamm nördlich von Oberstdorf war unterspült und musste zum Teil völlig neu angelegt werden.
Die Iller stand ihren Quellflüssen wenig nach. Unweit nördlich des Zusammenflusses von Trettach, Stillach und Breitach, also kurz nach dem Illerursprung, durchbrach der Allgäuer Hauptfluss den neuerbauten Schutzdamm auf einer Länge von mehr als 150 Metern. Ungehindert schossen die Wassermassen über Langenwangs Fluren und die Eisenbahntrasse bis in den Ort hinein (die Langenwanger kannten die Gefahr und bauten ihre Häuser seit altersher ohne Keller). An Telegraphenmasten, Weidezäunen und Hauseinfriedungen staute sich das Treibholz, ja ganze Bäume samt Geäst. Die an den Heinzen aufgehängte Heuernte ganzer Felder verschwand in den Fluten und half dadurch den Durchlass an der nächsten Brücke zu verstopfen.

Die Wasser der Iller und des Rotfischbaches vereinigten sich und bildeten von der Distriktsstraße zwischen Langenwang und Fischen (heute Mühlenstraße) bis hin zum Bett der Iller einen großen See. Die tiefer liegenden Häuser Fischens, insbesondere im Bereich „Auf der Insel”, standen mitten in den Fluten. Bis zum Dorfanger hin reichte die Wasserwüste. Die Mechanische Weberei hatte enorme Schäden zu verzeichnen.

Der sonst so ruhig dahinfließende Grundbach riss, verstärkt durch das Illerwasser, die Straßenbrücke und die Eisenbahnbrücke neben dem Gasthof Krone mit. An der Eisenbahnbrücke über die Iller, nördlich von Fischen, wurden die Fundamente der Stützpfeiler unterspült, sodass diese in den Fluss stürzten. Gerade 22 Jahre sind die 1888 erbauten Werke der Ingenieurkunst alt geworden. Wie in Oberstdorf der vordere und der hintere „Eesch”, so waren auch die Fluren von Langenwang und Fischen mit Geröll und Treibholz übersät. Die Ernte war vernichtet und die Böden zum Teil auf Jahre in ihrem landwirtschaftlichen Wert geschmälert. Auch die illerabwärts liegenden Orte mussten Verluste an Brücken, Uferverbauungen und Fluren hinnehmen. In Sonthofen reichte das Wasser der Iller bis zum heutigen Krankenhaus hin. Selbst der damals noch im Ortskern liegende Kopfbahnhof (bis Sommer 1949, heute: Straße „Am alten Bahnhof”) war überschwemmt. Blaichach und Immenstadt meldeten ebenfalls „Land unter”.

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Die Straßen- und Eisenbahnbrücken nahe dem Bahnhof Fischen riss 1910 der sonst so ruhig fließende Grundbach mit.

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Der überschwemmte Kopfbahnhof in Sonthofen.

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Münchner Eisenbahnpioniere haben in wenigen Tagen diese Behelfsbrücke über die Iller bei Fischen erbaut.

Eine besondere Gefahrenquelle im Zuge des Illerverlaufes bestand und besteht darin, dass der Fluss nicht im Tiefstpunkt des Tales fließt. Das vom Wasser mitgeführte Geschiebe hat den Flusslauf in Jahrhunderten immer mehr aufgebaut. Bei den Nivellierungsarbeiten im Rahmen der Illerkorrektur hat schon 1896 das „Kgl. bayer. Straßen- und Flußbauamt” festgestellt, dass in Fischen beispielsweise der Bahnhof fünf Meter tiefer liegt als der mittlere Wasserstand der Iller. Was ein Dammbruch in diesem Bereich bei den Wassermassen, die die Iller bei Hochwasser führt, bedeuten würde, kann sich jeder an fünf Fingern abzählen.

Die Gemeinden waren im Juni 1910 allein nicht in der Lage, die Schäden an Verkehrswegen auf die Schnelle zu beseitigen. Auch die Lokalbahn-AG, die Eignerin der Eisenbahnlinie von Sonthofen nach Oberstdorf, befand sich in dieser Situation. Der Staat schickte deshalb Soldaten zur Soforthilfe. Ein Münchner Eisenbahnpionier-Bataillon wurde zur Behebung der größten Schäden in den Raum Fischen – Oberstdorf abkommandiert. Und, was äußerst wichtig war, er schickte die Soldaten schnell. Schon am 18. Juni waren die Pioniere im Einsatz. Der Eisenbahndamm und die Uferverbauungen wurden von diesem Militärverband erneuert. Nicht nur dass dafür gesorgt wurde, dass die Bewohner der Hochtäler wieder einen Fahrweg nach Oberstdorf hatten, sie behoben auch die größten Schäden im Stillach-, Trettach- und Oytal, sodass die „Tälerer” nicht mehr abgeschnitten waren.

An Stelle der zerstörten Brücken und weggespülten Straßenstücke setzten die Soldaten Behelfs-Bauwerke ein. Rund 37.000 Arbeitsstunden leistete die Truppe hier. Der Eisenbahn-Brückenschlag über die Iller bei Fischen kostete samt notwendigem Material 1.481,– Mark. (Hier kann ich mir einen kleinen Seitenhieb auf heutige Verhältnisse nicht verkneifen: Im Juni 1910 war wenige Tage nach dem Hochwasser ein Pionierbataillon in der Unglücksregion im Einsatz und bereits zur Sommersaison rollte die Eisenbahn wieder. Ganz anders 2005; von August bis in den Dezember hinein ruhte der Bahnverkehr. Eine Bauverzögerung ergab sich u. a. wegen der Diskussion, ob die Bauarbeiten EU-weit ausgeschrieben werden müssen. Erst am 11. Dezember wurde, nach einem fast viermonatigen Ersatz-Busverkehr, der fahrplanmäßige Zugverkehr wieder aufgenommen. In der Neuzeit ist eben doch nicht alles besser!)

Nicht wenige Bauern mussten 1910 Hypotheken aufnehmen, um mit Hilfskräften die schleunige Wiederherstellung der Bewirtschaftung ihrer Äcker und Wiesen betreiben zu können. So wirkte der Hochwasserschaden in vielen Familien noch Jahre und Jahrzehnte nach. Dieses tatsächliche „Jahrhundert- Hochwasser” war auch der Anlass, die schon seit Jahren betriebene Wildbachverbauung und die Flussregulierung im Allgäu zu intensivieren. Durch die Verbauung ist, wenn sie auch gelegentlich ins Kreuzfeuer der Meinungen gerät, im Oberallgäu viel Unheil verhütet worden.

Hochwasser - Heft 57

Der Neubau der Mühlenbrücke und des Stauwehrs 1910/11, von Norden gesehen.

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Der Mühlenbrücke-Bau mit Blickrichtung Faltenbach.

Links das „Rietzler-Haus” und in Bildmitte die Pension „Waldeck”.

Aus den Hochwassern von 1999 und 2005 hat man Lehren gezogen und mit viel Einsatz an Arbeit und Geld große Schutzmaßnahmen an der Iller und den Zuflüssen erstellt. Sie haben beim nächsten „Jahrhundert-Wasser” ihre Feuerprobe zu bestehen – oder sollte man hier Wasserprobe sagen?

Ja, die „Jahrhundert-Hochwasser”; ich bin jetzt noch nicht ganz 80 Jahre alt und habe aber wohl schon ein Dutzend „Jahrhundert-Hochwasser” erlebt. Vielleicht sollte man mit diesem Begriff etwas sparsamer sein.

Wenn man sich mit diesem Thema befasst, sollte man eines nicht vergessen, egal ob es nun das „Jahrhundert-Hochwasser” war oder nicht: einen Dank zu sagen an die Hilfskräfte, die, meist ehrenamtlich, tage- und nächtelang bis zur Erschöpfung sich eingesetzt und einen noch viel größeren Schaden verhindert haben. Vielleicht wurden auch da und dort nicht nur Sachwerte, sondern auch Menschenleben gerettet.

Gerade 100 Jahre sind seit dem großen Wasser von 1910 vergangen. Diese Katastrophe hat die zwingende Notwendigkeit von Schutzbauten aufgezeigt und die bereits begonnene Wildbachverbauung beschleunigt. Neben dem Schutzeffekt der Baumaßnahmen fanden auch viele Männer aus ärmeren Bevölkerungsschichten einen sicheren Arbeitsplatz beim Flussbauamt.

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Wildbachverbauung in Rohrmoos 1912.

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Wildbachverbauung in Rohrmoos 1912.

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Wildbachverbauung in Tiefenbach ca. 1912.

Links auf der Mauer stehend Flussbau-Vorarbeiter Bierbichler.

Im Oberstdorfer Heimatmuseum hat das Wasserwirtschaftsamt Kempten, in Zusammenarbeit mit dem Museum, eine interessante Sonderschau über die Wildbachverbauung der letzten 100 Jahre aufgestellt. Aussagekräftige Bilder und alte Gerätschaften geben einen informativen Einblick in die Entwicklung der Wildbachverbauung und auch einen Einblick in das harte Tagewerk der Flussbauamt-Arbeiter in den Bergschluchten und Flussläufen. Mit einer Reihe von Kurzfilmen auf einem Großmonitor kommt besonderes Leben in die außergewöhnliche Ausstellung.

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