Kleine Oberstdorfer Trachtengeschichte von 1700 - 1986 (Teil 1)

von Marie Luise Althaus am 01.12.1986

Die Hinneigung zum Besonderen, Originellen
ist jeder Tracht eigen. Die wechselnden Formen
der großen Mode gehen an der Tracht nicht
vorüber, aber - das ist das wesentliche,
sie werden durch die Tracht gefärbt.

v. d. Leyen u. Spamer, München 1918

Die Altoberstdorfer oder Historische Tracht, wie sie heute wieder getragen wird, entspricht in den Grundzügen der hiesigen Kleidermode des Zeitraums von ca. 1700 - 1840. Im Gegensatz zur Gebirgstracht, die bayerischen Ursprungs und ein Kind der Jahrhundertwende ist, handelt es sich bei der Historischen Oberstdorfer Tracht, wie der Name sagt, um die heimische Tracht. Sie wurde im oberen Illertal getragen und deshalb auch als „Oberpfarrtracht” bezeichnet.

Zu den „oberen Pfarreien” gehörten in älterer Zeit auch die Ortschaften im benachbarten Kleinen Walsertal. So waren die Bewohner von Mittelberg und Hirschegg Pfarrkinder von St. Verena in Fischen, bis sie 1391 eine eigene Pfarrkirche in Mittelberg bauten. Die Riezler dagegen gehörten bis zum Jahre 1508 zur Pfarrei Oberstdorf. Nicht nur die frühe Pfarrzugehörigkeit und die daraus entstandenen Beziehungen zur Bevölkerung des oberen Illertales, sondern auch die Handelsverbindungen, die bis ins Quellgebiet des Lechs reichten, erklären die Tatsache, daß gewisse Ähnlichkeiten in der Kleidung vorhanden sind.

Der beste Beweis dafür sind für den heutigen Betrachter die vielen Votivbilder in den Oberallgäuer Kirchen und Kapellen, und zwar deshalb, weil sie von ortsansässigen Malern angefertigt wurden. Eine große Anzahl dieser Bilder befindet sich heute noch in der Frauenkapelle in Fischen. Neben den älteren Votivbildern der Fischinger Malerfamilie Herz und Josef Bach (Oberstdorf) aus der Zeit von 1684 - 1801, befinden sich hier auch Bilder von Joh. Caspar Geißler, 1796 - 1876, aus Oberthalhofen, Franz Speiser (Bolstering) 1819 - 1880, Xaver Mayr (Fischen) um 1850 und Johann Ess (Schöllang) um 1850.

Von den zahlreichen Votivbildern der Lorettokapelle in Oberstdorf, die einen Querschnitt bis in die Zeiten des Schwedenkrieges (Franz Ludwig Baumann: Geschichte des Allgäus. Bd. III. S. 646) darstellten, existieren nur noch wenige. Nach Aussagen der Kunstmalerin Anna Jäger (Geagl’s Anna) aus Oberstdorf war um 1930 noch eine Reihe von Votivtafeln vorhanden, welche auf dem Dachboden der Kapelle aufbewahrt wurden. Eine davon bekam sie vom damaligen Benefiziaten Merk geschenkt. Sie befand sich in ihrem Nachlaß und wird Johann Herz, Fischen, zugeschrieben. Sie ist mit der Jahreszahl 1720 versehen.

Die Oberpfarrtracht konnte verhältnismäßig lange ihre Eigenart erhalten, da die Quelltäler der Iller fast völlig von der Außenwelt abgeschieden waren.

So kam das Dekret des bayerischen Königs Max II. vom 22. April 1858 gerade noch zur rechten Zeit. Es enthielt den Auftrag an alle Physikatsbezirke Bayerns (Amtsbereich eines Physikus, eines Bezirksarztes), das Aussehen der noch vorhandenen Volkstrachten, die damals schon von der städtischen Mode verdrängt wurden, aufzuschreiben. Dies wurde von den zuständigen Gerichtsärzten besorgt. Wie ausführlich die einzelnen Fragen beantwortet wurden, war allerdings abhängig vom Interesse und der Gewissenhaftigkeit derselben.

Aber wir hatten Glück! Der Gerichtsarzt unseres Bezirkes hat einen umfangreichen Aufsatz hinterlassen, der dem bekannten Historiker und Schriftsteller Felix Dahn (1834 -1912) als Grundlage für seine Ausführungen diente. Er ist niedergelegt im 2. Band der Landes - und Volkskunde des Königreichs Bayern, einem vielbändigem Sammelwerk von Dahn, Lentner und Fentsch, das 1863 unter dem Titel „Bavaria” herausgegeben wurde. Dieses Werk gilt neben den Aufzeichnungen von Pfarrer Stützle 1848, Dr. Karrer 1847 und Joseph Buck 1856 als die umfassendste gedruckte Quelle (was die bayerischen Trachten anbelangt) überhaupt. Es kann in der Handschriftenabteilung der Bayerischen Staatsbibliothek in München eingesehen werden.

Um dem Leser die ganze Vielfalt und Schönheit unserer damaligen Kleidung näherzubringen, geben wir hier den Auszug aus der „Bavaria” ungekürzt wieder.

In seiner Einführung über die Volkstracht schreibt Felix Dahn um 1860:

Teil 1 Trachtengeschichte - Heft 10
Teil 1 Trachtengeschichte - Heft 10
Teil 1 Trachtengeschichte - Heft 10

Zu den vorbeschriebenen Trachtenstücken von Felix Dahn wäre noch hinzuzufügen, daß bei der Männertracht sowohl der Wettermantel als auch der Brustfleck oder Brüstling hohes Alter besitzen. Ersterer kam im ganzen Alpengebiet in verschiedenen Farben vor. Der Brustfleck scheint in Schwaben oder Franken zu Hause zu sein oder sich dort am längsten erhalten zu haben. Er ist gegenüber der Weste die ältere Bauerntracht, da er schon seit dem 16. Jahrhundert anzutreflen ist. Die Art, wie der Brüstling in Franken und Schwaben getragen wurde - Verschluß nicht vorn, sondern seitlich unter dem Arm - scheint auf ein lokales Trachtenstück zu deuten. Der Brustfleck kam in Altbaiern fast nicht vor.

Interessant ist auch, daß die Otterfellkappe von den älteren Oberstdorferinnen noch bis in die sechziger Jahre des vorigen Jahrunderts getragen wurde. Um 1830 wurde sie im Walsertal eingeführt, wo sie auch heute noch Bestandteil der Frauentracht ist.

Über die weitere Entwicklung in der Oberstdorfer Trachtengeschichte berichten wir im Teil II.

Teil 1 Trachtengeschichte - Heft 10

Oberstdorf - Ursprung der Iller.

Lithographie im Oberstdorfer Heimatmuseum -
von Nikolaus Drexel, Immenstadt, 1795 - 1851.

Dieses Bild ist eine der deutlichsten
Darstellungen der „Oberpfarrtracht”. Man beachte bei der sitzenden Person mit Krug die Kopfbedeckung,
das „ Visier oder Schläpple”,
über welchem bei der Festtracht ebenfalls der Hut getragen wurde. Der Mann trägt Kniebundhose und Leibgurt. Der Schöllanger Chronist bemerkt dazu, daß 1740 die beschlagenen Bauchbänder und die Lederhosenträger aufkamen, die aufs schönste ausgenäht waren.

Teil 1 Trachtengeschichte - Heft 10

Tumbabild - Burgkirche Schöllang.
Von L. Caspar Weiss, Rettenberg,
1. Viertel 19. Jhdt.

Dieses Bild war noch bis 1965 bei Begräbnissen in Gebrauch. Es zeigt einen Mann in Flügelrock und Scharlachweste, um den Hals das „Flörle” über dem kragenlosen Hemd; vgl. Dahn.

Ein ähnliches Tumbabild befindet
sich in Obermaiselstein.

Teil 1 Trachtengeschichte - Heft 10

Votivbild 1720 in Loretto (Privatbesitz)
Von Johann Herz, Fischen, 1684 - 1744.

Hier haben wir es mit einem der ältesten Bilder zu tun. Es zeigt eine Frau in Trauer mit ihrem Kind vor dem Gnadenbild der Lorettokapelle in Oberstdorf. Sie trägt die Pelzhaube über dem Visier; unter dem Schälkle wird das rote Mieder sichtbar.

Auf vielen anderen Bildern in Fischen sind die von F. Dahn beschriebenen roten Ärmelaufschläge am Schälkle sowie die lichtblauen Leinenschürzen dargestellt. Auf dem Original ist sogar der rote „Stoß” am reich gefältelten Rock zu sehen.

Teil 1 Trachtengeschichte - Heft 10

Votivbild in Loretto (Oberstdorf) - Privatbesitz.

Exvoto 1827 - Maler unbekannt.

Der Stifter stammt wahrscheinlich von Gerstruben.

Es zeigt eine Frau in Trauer - typisch die Pelzkappe unter dem „Schattenhut” - und einen Mann im blauen Flügelrock.

Teil 1 Trachtengeschichte - Heft 10

Votivbild von 1821 - Frauenkapelle Fischen.

Von Joh. Caspar Geißler, 1796 - 1876, Maler und Bauer in Oberthalhofen.

Hier ist eine Familie abgebildet. Das Schälkle wird, wie es um 1778 aufkam, in Weinrot dargestellt. Beim Mann sehen wir den braunen Flügelrock, der von der Fischinger Tracht übernommen wurde. Sehr gut sichtbar sind die Enden der rückwärts geknoteten Halstücher bei der Frauentracht. Hier begegnen uns auch die „roten” Hosenträger, die heute noch in Oberstdorf und im Walsertal gebräuchlich sind.

Teil 1 Trachtengeschichte - Heft 10

Oberstdorfer Tracht 1832.

Aquarell von Claudius Schraudolph. Original im Allgäuer Heimatmuseum, Kempten.

Das Bild zeigt die Schwester des Künstlers. Der gefältelte Rock ist deutlich zu sehen. Man beachte im Ausschnitt den gemusterten Goller, der auch bei Felix Dahn beschrieben wird. - Goller und Gollerkette waren übrigens auch Bestandteile der Walsertracht (bis etwa 1840).

Fortsetzung folgt

Für die Zusammenarbeit bei der Abfassung des gesamten Beitrags danke ich Frau Frieda Math, Frau Anni Bolkart und Herrn Meinhard Kling.

Kontakt

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1. Vorsitzender
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Brunnackerweg 5
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