Die Hinneigung zum Besonderen, Originellen
ist jeder Tracht eigen. Die wechselnden Formen
der großen Mode gehen an der Tracht nicht
vorüber, aber - das ist das wesentliche,
sie werden durch die Tracht gefärbt.
v. d. Leyen u. Spamer, München 1918
Die Altoberstdorfer oder Historische Tracht, wie sie heute wieder getragen wird, entspricht in den Grundzügen der hiesigen Kleidermode des Zeitraums von ca. 1700 - 1840. Im Gegensatz zur Gebirgstracht, die bayerischen Ursprungs und ein Kind der Jahrhundertwende ist, handelt es sich bei der Historischen Oberstdorfer Tracht, wie der Name sagt, um die heimische Tracht. Sie wurde im oberen Illertal getragen und deshalb auch als „Oberpfarrtracht” bezeichnet.
Zu den „oberen Pfarreien” gehörten in älterer Zeit auch die Ortschaften im benachbarten Kleinen Walsertal. So waren die Bewohner von Mittelberg und Hirschegg Pfarrkinder von St. Verena in Fischen, bis sie 1391 eine eigene Pfarrkirche in Mittelberg bauten. Die Riezler dagegen gehörten bis zum Jahre 1508 zur Pfarrei Oberstdorf. Nicht nur die frühe Pfarrzugehörigkeit und die daraus entstandenen Beziehungen zur Bevölkerung des oberen Illertales, sondern auch die Handelsverbindungen, die bis ins Quellgebiet des Lechs reichten, erklären die Tatsache, daß gewisse Ähnlichkeiten in der Kleidung vorhanden sind.
Der beste Beweis dafür sind für den heutigen Betrachter die vielen Votivbilder in den Oberallgäuer Kirchen und Kapellen, und zwar deshalb, weil sie von ortsansässigen Malern angefertigt wurden. Eine große Anzahl dieser Bilder befindet sich heute noch in der Frauenkapelle in Fischen. Neben den älteren Votivbildern der Fischinger Malerfamilie Herz und Josef Bach (Oberstdorf) aus der Zeit von 1684 - 1801, befinden sich hier auch Bilder von Joh. Caspar Geißler, 1796 - 1876, aus Oberthalhofen, Franz Speiser (Bolstering) 1819 - 1880, Xaver Mayr (Fischen) um 1850 und Johann Ess (Schöllang) um 1850.
Von den zahlreichen Votivbildern der Lorettokapelle in Oberstdorf, die einen Querschnitt bis in die Zeiten des Schwedenkrieges (Franz Ludwig Baumann: Geschichte des Allgäus. Bd. III. S. 646) darstellten, existieren nur noch wenige. Nach Aussagen der Kunstmalerin Anna Jäger (Geagl’s Anna) aus Oberstdorf war um 1930 noch eine Reihe von Votivtafeln vorhanden, welche auf dem Dachboden der Kapelle aufbewahrt wurden. Eine davon bekam sie vom damaligen Benefiziaten Merk geschenkt. Sie befand sich in ihrem Nachlaß und wird Johann Herz, Fischen, zugeschrieben. Sie ist mit der Jahreszahl 1720 versehen.
Die Oberpfarrtracht konnte verhältnismäßig lange ihre Eigenart erhalten, da die Quelltäler der Iller fast völlig von der Außenwelt abgeschieden waren.