Der Wilde-Mändles-Tanz in Oberstdorf - Historische Herkunft und Darstellungsformen

von Anton Köcheler am 01.10.2009

Ein überaus eigenartiges Schauspiel ist schon von alters her in Oberstdorf heimisch, der „Wilde-Mändles-Tanz”. Er wird seit Menschengedenken in größeren und kleineren Zeitabständen aufgeführt.

In diesem Bericht möchte ich mich mit der entsprechenden Literatur beschäftigen und nicht nur auf den Tanz eingehen, sondern die Zusammenhänge und die Formen der Darstellung des Tanzes näher betrachten. Da mit dem Tanz viele Sagen und Legenden verbunden sind, will ich ein Dichterwort voranstellen und zwar das des bekannten Franzosen Dacque, der festgestellt hat: „Sagen sind vom Zeitrost umsponnene Wahrheiten.”

Wilde Mändles - Sonderheft

Ornament mit den Wilden Männern.
Kupferstich, um 1480

Der Ursprung der Wilde Mändle

Wenn auch viele Beschreibungen die Wilde Mändle oder Wildleute in eine Fabel oder Märchenwelt verweisen wollen, was ja oft auch sehr naheliegt, so kommt man nach eingehender Durchsicht dieser Texte zu einer ganz anderen Meinung.

Der weitaus größte Teil dieser Sagen und Aufzeichnungen über die Wilde Mändle berichtet, daß diese gar nicht so „wild” waren, lediglich sehr scheu, und überall wird erwähnt, daß sie sehr hilfreiche und friedliche Bewohner der Bergschluchten und -wälder waren.

Die Überlieferungen aus den verschiedensten Gebieten in ihrer Übereinstimmung zwingen uns fast zu der Annahme, daß wir es hier mit leibhaftigen Menschen zu tun haben, die sich noch ihres Daseins auf Erden erfreuten, als die alten Deutschen schon längst aus dem Dunkel ihrer Vergangenheit herausgetreten waren und in den Lauf der Geschichte eingegriffen haben.

Diese „Wildleute” waren keine bloßen Sagengestalten, sondern es hat sie wirklich gegeben, sie sind nichts anderes als die Überbleibsel derjenigen Allgäuer Urbevölkerung, die vor mehr als eineinhalbtausend Jahren, als die Alemannen kamen, in die entlegensten Talwinkel geflohen sind und sich dort noch einige Generationen gehalten haben.

Es ist derselbe Fall wie bei den Erzählungen über die Venedigermändle. Auch das waren keine Zwerge, sondern leibhaftige Italiener, Romanen, die in den Allgäuer Bergen herumkletterten, um nach Kristallen und Edelmetallen zu suchen. Da beide, die Venedigermändle und die Urbevölkerung von kleinerem Wuchs waren, hatte man diese in der Verniedlichung als „Mändle” oder „Männle” bezeichnet. Bekanntlich waren ja die Germanen von wesentlich größerem Wuchs, was zu dieser Bezeichnung führte.

Blättert man zurück zu unseren alamannischen Vorfahren, so lernten diese um 700 n. Chr. diese „Wilde Mändle” kennen, Leute von Fleisch und Blut, kaum Sinnbilder von Vorgängen aus einer Märchenwelt. Es waren auch keine vorsintflutlichen Riesen oder Zwerge; denn es sind in unserem Gebiet kaum Riesen- oder Zwergen- sagen bekannt. Die hatte die illyrisch-keltische und romanische Periode 500 v. Chr. bis 500 n. Chr. so ziemlich weggeräumt.

Wilde Mändles - Sonderheft

Wilde Männer in einem Gehege.
Ausschnitt aus einem Bildteppich mit der Darstellung eines „Meerwunders”, Tournai, um 1515.

Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum

Nun wissen wir, daß nach Christi Geburt die Donau immer mehr von germanischen Stämmen überquert wurde, die schließlich auch über die Alpen nach Italien vordrangen und 476 n. Chr. dem Römerreich den Garaus machten. Es ist uns auch bekannt, daß gerade die Alemannen zwischen 200 und 500 n. Chr. die Gegend zwischen Rhein und Iller und bis an den Lech in Besitz nahmen. Die Gegend hin zum oberen Allgäu nahmen sie mehr als friedliche Landsucher. Hier fanden sie noch ansehnliche Romanennester, die die Völkerwanderung überstanden hatten. Doch diesen blonden Riesen aus dem Norden und Westen gingen fürchterliche Gerüchte voraus:

Man wußte, daß diese alles totschlügen, was ihnen in den Weg käme und so kriegten es auch die zunächst Dagebliebenen mit der Angst zu tun und flohen nach Süden, wenn auch nicht über die Berge, so doch in die Berge in allernächster Nähe.

Als nach weiteren 200 Jahren die Alamannen von Sueben aus den Gebieten in Mittelschwaben verdrängt wurden, waren sie gezwungen, weiter südlich eine neue Heimat zu suchen. Inzwischen waren sie friedlich und seßhaft geworden. Auf der Suche nach neuem Siedlungsraum stießen sie auf die Reste jener kelto-romanischen Urbevölkerung, die hier ein karges, elendes Leben fristete. Es waren Goldwäscher und Kräutersammler, Heilkundige und Geißhirten, die sich gegenüber den helläugigen und größeren Neuankömmlingen sehr scheu benahmen. Dies waren die Urallgäuer, ein Völkergemisch aus Nachkommen von Illyrern, Kelten (Rhätern) und Römern. Das romanische Element war dabei vorherrschend gewesen; denn die Römer waren doch fast 500 Jahre lang im Lande gewesen und das geht nicht spurlos vorbei.

Wilde Mändles - Sonderheft

Das Spiel vom Tod des wilden Mannes (Detail).
Holzschnitt von Pieter Brueghel d. Ä. (gest. 1569).

Amsterdam, Rijksprentenkabinet

Den kleineren Menschen, die sich bis in die höchsten Bergregionen verkrochen, gab man dann den Namen „Wilde Mändle”. Scheu und geheimnisvoll waren diese Wesen, die da und dort auftauchten, um dann sofort wieder, ohne Spuren zu hinterlassen, verschwanden. So hatten die Landsucher im Alpgau diese Bewohner kennengelernt. Hier übten diese Mändle auch ihre alten Bräuche und Tänze, die ihnen überliefert waren. Sie mußten diese wohl übernommen haben von ihren Vorfahren; denn es gab sicherlich wenig Märchen- oder Runenkundige, die ihnen etwas Neues eingaben oder gar Extratänze einübten. Plötzliches Auftauchen und Verschwinden hinter Tannen oder Fels, das vorsichtige Auskundschaften, das Gebärdenspiel usw. erinnern uns doch direkt an den heutigen Tanz.

Nicht nur Germanen (Alamannen) werden uns im heutigen Tanzspiel vorgeführt, wie es meist angenommen wird, sondern Bräuche und Tänze der Ureinwohner des Landes. Betrachtet man die Sache näher, so erkennt man den eigenartigen Gang dieser Leute im Tanz wieder. Man muß sich vorstellen, daß es in den Bergen wohlgepflegte Wege früher nicht gab; so blieb ihnen doch nichts anders übrig als der Sprung oder Hupf von Stein zu Stein, von Wurzel zum Felsbrocken und wieder zur Wurzel. Machen wir es nicht heute noch genau so, wenn wir durch wegloses Berggelände gehen?

Wilde Mändles - Sonderheft

Nach Dr. Dr. Alfred Weitnauer, Kempten, 1964

Hier sehen wir eindeutig die Grundzüge des Wilde-Mändles- Tanzes, als Nachahmung der Bewegungen, des sprunghaften Gehens, übertragen in einer zweitausendjährigen Kultur. So ergibt sich wohl, daß es unsere Ahnen waren, die im harten Daseinsringen die wenigen Feierstunden des Jahres damit füllten, daß sie durch diesen Tanz das Andenken an jene Wildleute aufrechterhielten, die sie bei der Landnahme vorfanden, die „Wilde Mändle”.

Mändle, Leute, die ihnen gar oft auch uneigennützige Ratgeber und Helfer waren im dauernden Kampf mit den Gewalten der Bergwelt, wurden sie doch in fast allen Sagen und Berichten als hilfreich und freundlich beschrieben. So sind diese Wildleute oft in die Dienste der neuen Bewohner getreten, waren fleißig und redlich und haben sogar des öfteren sich mit diesen verheiratet und vermischt. Fast alle Sagen und Erzählungen berichten von guten Dingen, und es sind im engsten Bereich nur wenige bekannt, in denen man den Wilde Mändle nachgestellt hat. In einem Bericht lesen wir, daß im Ostrachtal ein paar rauhe Holzknechte mit List so ein Wilde Mändle eingefangen haben und es dann tot machten. In einem anderen heißt es, daß im Birg (Birgsau) ein Hirte eine Gruppe von 12 Wilde Mändle an ein Feuer gelockt habe zum Aufwärmen und diese daselbst dann jämmerlich verbrannt seien.

Das Verschwinden (der Untergang) der Wilde Mändle

Ein zeitlicher Ablauf oder eine Begrenzung, wann die Wildleute verschwunden sind, kann nicht gegeben werden, doch man könnte einen Bericht aus dem Walsertal hernehmen, das ja bekanntlich erst um 1300 besiedelt wurde. Es muß dort also noch 200 - 300 Jahre später Wilde Mändle gegeben haben, wenn der Bericht, wonach die wilden Pärle das Walser Tanzhaus besucht haben, einen geschichtlichen Kern hat. Möglich wäre es sicherlich.

Die Wildleute hatten also ihr Volkstum noch durch ein halbes Jahrtausend gerettet oder gehalten, trotz der seßhaft gewordenen Neubevölkerung. Sie waren aber damals bereits am Aussterben; denn viele Geschichten erzählen davon, daß oftmals ein wildes Männlein oder Fräulein, das bei einem Bauern im Dienst stand oder gar verheiratet war, plötzlich davonlief und nie mehr wiederkam, da es eine Nachricht erhalten hätte, daß „Stuzzemutz”, „Sale Wenzl” oder „Maringga” gestorben sei und sie sofort heimkommen müßten. So steht doch hinter dieser anscheinend ganz nebensächlichen Bemerkung nichts anderes als das große Trauerspiel vom Erlöschen eines sterbenden Volkes.

Wilde Mändles - Sonderheft

Hernach sind die Wilde Mändle ausgeblieben, und man wußte lange nicht warum. Unsere Vorfahren konnten sich das völlige Verschwinden dieser wilden Leute nicht erklären. Es gab sie einfach nicht mehr, sie waren eben ausgestorben. Um so mehr rankte sich eine Geschichte oder Erzählung an die andere, um die Erinnerung an die gutmütigen und hilfsbereiten und dann so plötzlich verlorenen Mitbewohner hochzuhalten. Aus diesen Sagen und Berichten schöpfen wir heute noch unser Wissen; denn das ist uns allein noch übrig geblieben von einem Volke, das Jahrhunderte unsere Berge und Täler bewohnte.

Daß sie keine Phantasiegebilde waren, keine Fruchtbarkeitssymbole oder Vegetationsdämonen, das brauchen wir wohl nicht eigens zu beweisen. Sie waren auch keine Waldgeister, Schratten oder Spukgestalten gewesen, auch wenn man sich in der Pfronter Gegend das Verschwinden der Wildleute, die dort vordem „in der Enge” gehaust hatten, nachträglich damit erklären wollte. Papst Pius VI. habe sie „verbetet”, als er anno 1782 durch das Pfronter Tal reiste, heißt es. Wir wissen, daß dies nicht stimmen kann, weil die gutmütigen Mändle weder böse Geister noch unerlöste arme Seelen gewesen sind. Hier wurde später vieles durcheinander gebracht.

Dazu möchte ich noch einen Vermerk im sog. Jahrhundertbuch des Oberstdorfer Chronisten Franz-Alois Schratt wiedergeben. Da ist zu lesen: „1899, am 23. Juli, Eröffnung des Heilbronnerweges von der Mädelegabel zum Hohen-Licht, wobei die A.S.V. Sektionen Kempten und Heilbronn beteiligt waren. Am Wildemändle (inzwischen abgebrochene Bergspitze) begegneten dieselben einem lebenden Wilde Mändle, welches an die Alpenfreunde eine Anrede hielt. ” Was steckte hinter dieser Begebenheit? Malermeister Max Dreher hatte sich in ein Wilde-Mändles-Häs gekleidet und die Bergfreunde mit einer erhabenen Rede überrascht. Er wies die Alpenvereinsfreunde an, die Berge zu schonen, die Natur zu erhalten, keinen Massenrummel zu veranstalten, und er schloß mit den Worten: „Unsere herrliche Natur, die Heimat der Wilde Mändle, sollte auch noch unseren Enkeln erhalten bleiben.” Bemerkenswert erscheint, daß diese Mahnung bereits im Jahr 1899 ausgesprochen wurde.

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Zweikampf wilder Männer. Detail von der Seitenwand eines Minnekästchens, mittelrheinisch, um 1420.
Buchsbaumholz, Hochrelief.

Berlin Kunstgewerbemuseum

Wilde Mändles - Sonderheft

Kniender wilder Mann.
Gelbguß, 16. Jahrhundert.

Hamburg, Museum für Kunst und Gewerbe

Der Hintergrund des Wilde-Mändles-Tanzes

Doch sehen wir uns in den Wilde-Mändles-Berichten etwas um. So schreibt Prof. Arno Steinert aus Frankfurt in seinen Erkenntnissen zum Wilde-Mändles-Tanz folgendes: „Volkstänze, die nachweislich seit Geschlechterfolgen an bestimmten Orten an sich stets gleichbleibenden Figuren zu einer einfachen Singweise getanzt werden, sind Träger alten völkischen Kulturgutes. Die Jugend tanzt sie heute noch wie vor vielen hundert Jahren, Schritt für Schritt, Sprung um Sprung, genau bemessen, um das von den Urvätern übernommene Wissen und Können weiterzutragen. Form und Ton sind auf diese Weise erhalten geblieben. Wenn man die Arbeiten Wilhelm Teuts (Externsteine) und die Forschungen von Prof. Wirth, mit seinem großen Werk ,Die hl. Urschrift der Menscheit’, und meine Funde und Forschung dazu nimmt, dann ergibt dieses Wissen den Schlüssel zum Ursprung des Sinnes, des Wilde- Männle-Tanzes, der auf mich wie eine Offenbarung aus ältester deutscher Vergangenheit und durch seine ursprünglich erhaltene kultische Überlieferung als heiliges Vermächtnis der Ahnen tief ergreifend wirkt.”

Wenn die Formulierung auch etwas zu erhaben klingen mag für unsere Begriffe, so hat der Kulturforscher Arno Steinert es fertig gebracht, daß der, wie er betonte, älteste Kulttanz im deutschsprachigen Raum bereits im Jahre 1934 in den Denkmalschutz aufgenommen wurde und somit von niemandem mehr nachgeahmt werden durfte. Dazu muß gesagt werden, daß das während der „Blut-und-Boden-Politik” des sog. Dritten Reiches geschah, unter der Schirmherrschaft des damaligen Reichsbauernführers Walter Darre. In dieser Zeit, im Jahre 1938, schrieb ein Petrus Hubertus Steigerwald: „Der groteske, rhythmisch beschwingte Huldigungstanz unter der vermummenden Maske, der verwandelnden Verkleidung ist so alt wie die Menschheit. Das Urvolk fühlte sich von Dämonen, bösen Geistern, die Wälder und Schluchten bewohnten, bedroht. Der Ur-Mensch verkroch sich ängstlich und eingeschüchtert in seiner Höhle, in seiner Behausung, dennoch schreckte ihn auch dort noch der gezackte Blitzstrahl aus seiner Zuflucht. In dieser Not erfand der primitive Instinkt des frühen Menschen die schreckhafte, Feind, Nachtgeist und Dämon bezwingende Maskenwafle. Nun war der Maskenträger den Geistern überlegen, war er gerüstet, gewappnet, und damit fiel die oft beklemmende Angst von der einsamen, zaghaften Kreatur.” Gegenspieler dieser Dämonen und Nachtgeister waren die Wichte, die Schelmen, die Heinzen, die guten und hilfreichen, dem Menschen wohlgesinnten Berggeister, zu denen man auch die einst in den Oberstdorfer Bergen hausenden „Wilde Mändle” zählen dürfte.

Zu den einzelnen Erklärungen der Vorzeitforscher gehört als Abrundung auch ein Bericht eines Theologen. Benefiziat Strohmeyer von Oberstdorf hatte 1897 eine Darstellung im „Postboten” veröffentlicht, die vielfach zitiert und verwendet und als eine hervorragende Publikation über die Wilde Mändle gewürdigt wurde. Er schreibt u. a.: „Wir müssen nach einem psychologisch haltbaren Hintergrund suchen, der sich auch traditionell begründen läßt. Für einen der weiß, daß die Gestalten des germanischen Sagenkreises, wenn auch vielfach verdunkelt, noch im Bewußtsein der Alpenbewohner fortleben, kann es keinen Augenblick zweifelhaft sein, daß auf diesem weiten Felde auch die Quelle unseres Wilde-Mändle-Tanzes zu finden ist. Und in der Tat, wer erinnert sich nicht jener liturgischen Chortänze vor dem Gotte Thor (Donar)? Besteht nicht zwischen diesem und dem sog. Wildemännlestanz eine frappante Ähnlichkeit?

Ich will nicht reden von der Ähnlichkeit in unwesentlichen Punkten, z. B. daß das Wilde Mändle ähnlich dargestellt wird wie der Donnergott Thor: als Greis mit großem Barte und einer Krone mit Strahlenspitzen auf dem Haupte. Hier wie dort bemerken wir dieselbe aufsteigende Bewegung, dieselbe gradatio ad majus, d. h. dasselbe Vorschreiten vom höchst Primitiven und Einfachen bis zu einem gewissen Höhepunkt. Dieser Höhepunkt besteht offenbar in dem Huldigungstanz um den im Bild dargestellten Gott. Auch schon der ganze Charakter der Spielenden, ihre Ruhe, ihr männlicher Emst, ihre Getragenheit läßt auf ursprünglich liturgischen Zweck schließen. Ein besonderes Gewicht wollen wir darauf nicht legen, daß nur Männer beim Tanze beteiligt sind, obwohl sich auch dieser Umstand für unsere Ansicht verwerten ließe.

Es dürfte darum nicht mit Unrecht im Wildemännlestanz ein heidnisches Erbstück vermutet werden, die Nachahmung oder Fortführung jener uralten Tänze und Spiele vor dem deutschen Jupiter, dem Gotte Thor. Nun mag manches Ursprüngliche sich verwischt oder modifiziert haben unter dem Einfluß lokaler Eigentümlichkeiten. Ich denke mir ebenjener germanische Stamm wollte mit dem Besten und Vorzüglichsten vor dem Donnergotte erscheinen, was auf seinem eigentümlichen Grund und Boden gewachsen ist oder was seine eigenartige Geisteskraft hervorzubringen im Stande war. Aber wesentliche Änderungen oder wesentliche Abweichungen vom Original können wir nicht entdecken.”

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Wilder Mann in Distelranken. Kupferstich, um 1480.

Berlin, Stiftung Preußischer Kulturbesitz

Dies ergibt die subjektive Meinung: Der Wilde-Mändles-Tanz erscheint als Nachahmung bestimmter liturgischer Gebräuche vor dem Gotte Thor, nur lokal eigenartig modifiziert.

Auch ein Dr. Schäffler stellte fest, daß den Wilde Mändle Züge des nordischen Gottes Thor anhaften.

Prof. Werner Grundmann meint in seiner Abhandlung über die Wilde Mändle u. a.: „ln vielen Auslegungen des Wilde-Männle-Tanzes wird seit der Jahrhundertwende die Auffassung vertreten, daß es sich hier um einen uralten germanischen Kulttanz handelt. Doch warum dann der Name? Warum die merkwürdige ungermanische Bekleidung? Woher das Götterbild, wenn die Südgermanen, zu denen die Alemannen gehören, keine Götterbilder hatten? Wenn der dargestellte Gott Donar- Thor sein soll, wie angenommen wird, warum spielt dann nicht sein Symbol, der Hammer, eine Rolle, sondern statt dessen Keulen und hölzerne Becher? Sollte etwa doch Herkules gemeint sein, der als ,Hercules domesticus’ als vom Haus Unheil abwehrender Gott, mit Silvanus zusammen in ganz Italien besonders auf dem Lande verehrt wurde? Könnten bei der Übermittlung dieses Kultes die rätischen Römer mitgewirkt haben oder gab es auch einen germanischen Herkuleskult?

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Junger wilder Mann in Jagdausrüstung mit einem wilden Mädchen.
 Ausschnitt aus Schweizer Bildteppich, 15. Jahrhundert.

Basel, Privatbesitz

Zu allen Berichten, Sagen, Vermutungen muß man feststellen, daß der Wilde- Mändles-Tanz in keiner Weise allein auf Oberstdorfer Boden gewachsen ist. Das Verdienst der Oberstdorfer wird es sicher sein, den Wilde-Mändles-Tanz in der ältesten bekannten Form erhalten zu haben. Mag dies dem Schutze der Gebirgstäler, der sicheren Überlieferung oder auch dem guten Willen der Bewohner zu verdanken sein, gerade weil sich hier ein Schnittpunkt verschiedener Stämme aufzeigt, die zusammen eine spezielle Sorte von Anhängern berglerischer Kultbräuche waren. Die Vermischung der Urbevölkerung Illyrer, Kelten, Ladiner, Rätoromanen, Romanen und Alamannen und auch das spätere Hinzukommen der kultgläubigen Walsereinwanderer mag sicher zur Erhaltung des Tanzes beigetragen haben; denn wer in die Fremde geht, hängt mehr am gelernten Kulturgut als der, der im Lande bleibt.

Wie dem auch sei, es wird sich nie ganz sicher abklären lassen. Doch Sagen und Überlieferungen hat es in allen Alpengegenden gegeben. Darüber wurden ganze Bücher geschrieben, vor allem in den österreichischen Bundesländern. Wir wissen heute mit Bestimmtheit, daß es Wilde Mändle in allen deutschsprachigen Gebieten gegeben hat, jedoch verschiedene Aufführungen im Tanz oder Spiel, so verschieden wie Mundarten und Sprachen sind. In Tirol z. B. wurden die Wilden Mändle Fenggen oder wildes Volk und Wildleute genannt.

Der Wilde-Mändles-Tanz und wesensverwandte Bräuche wurden in den Karpaten, im Kaukasus, den Pyrenäen, den Kordilleren oder dem Ural genauso gepflegt wie in Oberstdorf. Wir wissen auch, daß es bis in die jüngste Zeit Wilde-Mändles-Spiele in den Pyrenäen gegeben hat. Wilde-Mändles-Tänze oder -Spiele sind uns von Südtirol ebenso bekannt wie aus dem Prätigau oder den ladinischen Gebieten.

Bei vielen dieser Wilde-Mann-Spielen gehen die Themen schon weit auseinander oder wurden im Laufe der Jahre stark verändert.

Grundsätzlich lassen sich bei diesen verschiedenen Spielen auch im Kern zwei verschiedene Naturen erkennen: beim einen Tanz das blühende, grünende und aufstrebende Leben, beim anderen die wilde, kraftvolle Natur oder Wildnis der Wälder und Berge. Bei dem einen ist es ein Huldigungstanz und bei den anderen Spielen werden die Wildleute im Frühling im Walde oder Gebirge gesucht und gefunden, dann im Triumphzug ins Dorf gebracht und zusammen gefeiert, sogar mit den Bürgern verheiratet, um die vielen guten Eigenschaften und Kenntnisse der Wildleute ins allgemeine Leben mit hereinzubringen. Für diese Art zeugt das Wildmannspiel von Marling bei Meran, das von dem Tiroler Schriftsteller Ignaz Zingerle so schön beschrieben wurde.

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Kampf eines Ritters mit wildem Mann.

Federzeichnung von Hans Burgkmair, um 1503.

Ehemals Sammlung Robert v. Hirsch

Unter Kaiser Josef II. (1765 - 90) wurde das Wildmannspiel, das im ganzen Burggrafenamt und im Vinschgau blühte, verboten. Später sei es nochmals aufgeführt worden, wird berichtet, aber unter der bayerischen Regierung hörte es ganz auf. Das letzte Wildmannspiel in Burgeis im Vinschgau wurde 1829 aufgeführt, soll aber ein völlig mißlungener Wiederbelebungsversuch gewesen sein. Seitdem ist es still geworden um die Wilde Mändle in Südtirol.

Wildmannspiele kennen wir, wenn auch in anderer Art, aus dem Erzgebirge, dem Thüringer Bergland und dem Harz. Dort wurden die Wilde Mändle gesucht, gejagt und nach ergötzlichem Spiel getötet. Dieser Volksbrauch über die tödliche Jagd im Erzgebirge wird Anfang des 17. Jahrhunderts von Pastor Christian Lehmann ausführlich beschrieben. Er setzte sich fort bis gegen Mitte des 19. Jahrhunderts.

Bildliche Darstellung der Wilde Mändle

„Die Kultur hatte die Wildleute für die Gesellschaft schon bald ergriffen, so blieb in den Städten und im Flachland die überwiegend rauhe Natur des elbischen Wald-und Gebirgsvolkes der Vorstellungskraft erhalten.” Wie die Bauern im 15. und 16. Jahrhundert den Städtern als große Tölpel galten und in den Fasnachtsspielen demgemäß herhalten mußten, so geschah es auch dem Wilde Mändle, der Symbolfigur des frühen oder heidnischen Volksglaubens. In der erzählenden Dichtung des 13. Jahrhunderts wurden die Wildleute, Männlein oder Weiblein, zu den feinen höfischen Rittern und deren Frauen in kontrastierende Berührung gebracht. Kämpfe zwischen Rittern und wilden Männern müssen beliebter SpielstofTgewesen sein, wie in den volkstümlichen Epen des Dietrichkreises. König Dietrich und seine Gesellen hatten mit Riesen und Zwergen gefährliche Abenteuer zu bestehen.

Im Jahre 1515 fand während der Zwölfnächte zu Greenwich vor König Heinrich VIII. eine Schaustellung statt: Aus einer Walddekoration sprangen acht „wyldemen” heraus, alle in grünes Moos gehüllt und fochten mit häßlichen Waffen (with uggly weapons) gegen acht Ritter, Mann gegen Mann. Nach langem Kampf trieben die Ritter die wilden Männer aus der Halle heraus (Thom. Halls Chronicle, London 1809, S. 580). Die Freude, die man selbst an den Fürstenhöfen an diesen wilden Männern hatte, beweist diese Aufführung im Jahre 1515 in England.

In der Pariser Nationalbibliothek befindet sich eine von Lois de Bruges verfaßte Chronik (Manuskript 2646). Darin ist im 4. Band eine Bild von Wilden Mändle auf einem Hofball. Der Direktor der Handschriftenabteilung der Nationalbibliothek schreibt dazu, daß der Tanz der Wilde Mändle zu Beginn des Jahres 1393 in Paris im Hotel Saint-Paul, anläßlich der dritten Heirat einer Hofdame der Königin, stattgefunden habe. Bei solchen Hochzeiten wurde einem alten Brauch entsprechend eine „Charivari” - französisch; heißt soviel wie scheppernde, klappernde oder schlagende Musik; Spektakel - eine Katzenmusik aufgeführt, anscheinend auch von Wilde Mändle. Bei dem Fest, das König Karl V. gab, verkleideten sich auch der König und vier Kavaliere als „homes sauvagnes”. Sie waren in eng anliegenden Kleidern eingenäht, dies mit Flachssträhnen von Kopf bis Fuß. Eine Anzahl von Tänzern hatte sich ebenfalls als Wilde kostümiert und zu diesem Zweck Tierhaare mit Pech auf den Leib geklebt. Der Herzog von Orleans kam mit einer Fackel einem der Kavaliere zu nahe und alle verbrannten. Nur durch die Geistesgegenwart der Baronin von Berry, die sofort einen Mantel um den König warf, wurde dieser gerettet.

Wie bereits erwähnt, sind merkwürdigerweise die Wilde-Mändles-Tänze im Mittelalter in die höfische Gesellschaft eingedrungen, haben aber hier meist nur die Form von Lustbarkeiten angenommen.

Der Codex latinus 17177 in der Münchner Staatsbibliothek zeigt den Tanz zweier wilder Männer, genau in der Oberstdorfer Gewandung, mit einer wilden Frau (15. Jahrhundert) auf koloriertem Holzschnitt.

Im Rathaus zu Regensburg hängt ein Wandteppich aus demselben Jahrhundert, der Szenen aus dem Leben der Wilde Mändle darstellt.

Auf der Wartburg befindet sich ebenfalls ein großer Wandteppich aus dem 13. Jahrhundert; er zeigt viele Wilde Mändle bei der Verteidigung ihrer Burg gegen feindliche Wilde Mändle.

Wilde Mändles - Sonderheft

Ball der Wilden, 1393.

Aus der Chronik von Froissart.

Wilde Mändles - Sonderheft

Brennende Wilde Mändle beim Hochzeitsball, 1393.

Im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg ist ein Bildteppich von 1515 (von Tournau); er stellt Wilde Mändle in einem Gehege dar. Ein anderer im selben Museum zeigt einen Ritter beim Raub einer wilden Frau aus der Mitte eines rauhbehaarten Volkes.
Im Amsterdamer Rijksprenterkabinet ist ein Holzschnitt von Pieter Brueghel d. Ä. zu sehen, der sehr plastisch den Tod eines Wilden Mannes deutlich werden läßt.

In der Hamburger Kunsthalle können wir auf einem Kupferstich ein Turnier zweier Wilde Mändle zu Pferde erkennen.
Ein Bildteppich (Ende des 15. Jahrhunderts), der sich in Basel in Privatbesitz befindet, zeigt einen jungen wilden Mann mit wildem Mädchen.

In der Kunst übernahmen gegen Ende des 15. Jahrhunderts die Wilde Mändle die Funktion eines Wappenhalters. Albrecht Dürer (1471 - 1528) und auch Martin Schongauer haben dazu viele Motive geschaffen. Graphische Blätter und Kupferstiche zierten die vornehmsten Häuser mit diesen Wilde-Mändle-Motiven, aus denen trotz des dekorativen Zwecks die ursprüngliche und mystische Vergangenheit deutlich spürbar wird. Der bekannteste Dürerstich befindet sich im Dresdner Kupferstichkabinett, ein anderer, früher sehr bekannter Stich, ein Wappenhalter mit Ranken, ist beim Kommuneaufstand 1871 in den Tuilerien verbrannt.

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Der italische Gott Silvanus in der Gestalt des spätgotischen Wilden Mannes.
 Druck von Johann Grüninger, Straßburg, 28. August 1502.

Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum

Im Mittelalter wurden die Wilde Mändle auch vielfach als Schildhalter dargestellt, was den Wunsch ausgedrückt haben soll, daß das Geschlecht, dessen Wappen sie hüten, nie erlöschen möge.

Auf spätmittelalterlichen Darstellungen von Liebespaaren sind die Wilde Mändle fast unzertrennliche Begleiter. Häufig finden sie sich auch auf Brautkästen, Truhen und in vielen Stickereien.

Aus dem Harz ist bekannt, daß dort die Tabakspfeifen mit dem Kopf eines Wilden Mannes geschnitzt wurden und auch weit verbreitet waren.

Ein sehr schönes Ornamentblatt mit wilden Männern zeigt ein Kupferstich um 1480 (ornament sheet with the Wild Men Engraving), abgebildet in der Zeitschrift Kunst und Heim” (Sept. 1967, Heft 12, München).

In einem Lesebuch für Gymnasien (5. Schuljahr) ist eine Wider Mann abgebildet (15. Jahrhundert); Emst Klett, Stuttgart.

Die Wilde Mändle, die wir im 16. Jahrhundert überall auf Glasfenstern, auf Münzen und im 18. Jahrhundert auf geschliffenen Gläsern und auf Wrtshausschildern bewundern, haben allesamt Züge von gutmütigen Gesellen an sich, und man spürt darin die heidnisch-kultische Herkunft beliebter Vorfahren, die man in keiner Weise den falschen Dämonen oder Waldschratten zuordnen vermag.

Man muß eigentlich gar nicht so weit Weggehen, um Wilde-Mändle-Motive zu finden; denn das Zunftwappen der Immenstädter Zinngießer von 1793 zeigt zwei Wilde Mändle als Wappenhalter.

Diese Aufzählung könnte noch lange fortgesetzt werden, wollte man alle Zeugnisse aufführen, die allein auf der Internationalen Gartenbauausstellung 1963 in Hamburg im Museum für Kunst und Gewerbe zusammengetragen wurden. Hunderte von Gegenständen wurden gezeigt mit Motiven um den Wilden Mann und die Wilde Frau: Bildteppiche, Minnekästchen, Goldschmiedearbeiten, Kleinbronzen, Skulpturen, Buchillustrationen, Graphiken, Glasmalereien, Ofenplatten und Münzen.

Anlaß zu dieser Sammlung auf der IGA 63 in Hamburg war, daß in einer früheren Periode der Wide Mann als Dämon dargestellt wurde, der den antiken Gott des Gartens verkörperte, mit dem Namen Silvanus, der aber nach den Vorstellungen des Volkes eher dem italischen Gott des Todes, Orcus, glich.

Die Namen Silvanus und Orcus bezeichnen, von den mythologischen Wurzeln her, die doppelte Natur des Widen Mannes. Silvanus war der wohltätige italische Gott der Wälder, Felder und Gärten und Orcus der italische Gott der Unterwelt und des Todes. So wurden schon in der Frühzeit Dinge und Zusammenhänge verwechselt.

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Aufzug zum Turnier.

Die Abbildung zeigt Kaiser Rudolf II. als Kind und den Hofriesen Giovanni Bona beim sog. Wiener Turnier 1560

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Turnier zweier Wilder Männer zu Pferde.
Kupferstich, 15. Jahrhundert.

Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett

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Darstellung aus dem Leben und Treiben wilder Leute.
Wandteppich aus dem Elsaß, etwa 1390 - 1410.

Museum der Stadt Regensburg

Verschiedenartiges Auftreten der Wilde Mändle

In der Sage wurde der Wilde Mann zeitweise als Sturmdämon dargestellt, der sich mit der Wilden Frau auch an der Wilden Jagd beteiligte.

Aus dem 9. und 10. Jahrhundert gibt es die Kunde, daß ein verkleidetes Paar unter der „monströsen Vorgabe”, Maia und Orcus zu sein, einen Tanz aufführte, der die spanische Kirche, weil sie sich dem ärgsten Dämonenglauben gegenüber fand, ein Jahr Buße über solche Tänzer verhängen ließ.

In der Mythologie werden die Wildfrauen oft mit den Namen Maia und Lamia in Verbindung gebracht. Maia war eine römische Gottheit der Erde und der Fruchtbarkeit, Lamia dagegen ein weibliches Schreckgespenst, ähnlich den Waldschratten. Diese Zuordnung zu den Göttern oder Dämonen scheint meist aus Flachländern erwachsen zu sein, in welchen man keine direkten Beziehungen zu den Wildleuten hatte und alles Fremde und Unheimliche zu Angstmachern nutzte, eben zu Dämonen und Geistern abstempelte. Später trennte man sich von diesen Vorstellungen, da der Bezug zu Heiligen und Göttern zu den Wilde Mändle aus heidnischer Zeit in der christlichen Welt keinen Platz mehr fand.

Die dämonischen Vorstellungen lassen sich zur Not auch als psychologische und soziologische Erscheinungen abklären. Wer heute vor Problemen, Kummer, Überlast des Daseins zeitweilig den Verstand verliert, einen Nervenzusammenbruch erleidet, wird in ein Sanatorium eingeliefert. Im Mittelalter schied einen solchen Menschen die Gesellschaft härter aus: Er wurde in die Wildnis verstoßen und lebte als „Wilder Mann” mit den Tieren des Waldes. Dies war das Los manch edlen Ritters (Lancelot, Yvain Tristan, Renaud de Montaubou). Eine Reihe von Heiligen, die lange in der Einöde lebten (Maria-Magdalena, Maria-Aegyptica, Onophrius) wurden von Geiler von Kaysersberg (15./16. Jahrhundert) als „solitarii gleichfalls den „Wilden Leuten” zugerechnet.

Wilde Mändles - Sonderheft

Gefesselter, melancholischer Jüngling folgt einem Wilden Mann (Wächter der Minneburg) in das „Gefängnis der Liebe ” - Holzschnitt in Diego de San Pedro, Carcel de Amor.

Druck von Juan Rosembach, Barcelona, 1493

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Wilde Leute beim Mahle.
 Wandteppich aus dem Elsaß, 15. Jahrhundert.

Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum

Das Gegenteil zu den ausgestoßenen, umgetriebenen, gequälten wilden Leuten der obengenannten Art bieten die auf vielen spätgotischen Teppichen dargestellten wilden Leute im Märchenwald. Diese Menschen im Zottelkleid wohnen im paradiesischen Waldklima, in Laubhütten im friedlichen Familienkreis, betreiben die Jagd zum Zeitvertreib, ergötzen sich am Mahle, erstürmen zur Abwechslung eine Minneburg, reißen den Holunderbaum um und erklären der bürgerlichen Welt in Spruchbändern ihre Verachtung.

Der wohl älteste schriftliche Hinweis auf die Wilde Mändle dürfte in der 640 n. Chr. verfaßten Vita des 615 verstorbenen Abtes Columban festgehalten sein. Darin wird ein heidnisches Opferfest der Alamannen aus dem Bodenseegebiet beschrieben. Dabei sind die Männer um einen mächtigen Kessel mit 875 Liter Bier herumgetanzt, mit Holzbechern und Bekleidung, wie wir sie heute noch beim Oberstdorfer Tanzspiel finden. Auch der Tanz wurde in der Form beschrieben, wie wir ihn bei uns kennen. Auf die Frage des Allgäuer Missionars, was sie hier machten, erhielt er die Antwort, daß sie ihrem Gott „Vodano” (Wotan) opfern würden. Die Ähnlichkeit, wie in unserer bekannten Huldigungsszene, mit dem Bildnis des Gottes auf den Holztafeln, ist unverkennbar. Dies zeigt uns doch die Herkunft aus keltisch-heidnischer und später alamannischer Besiedlungszeit

Wilde Mändles - Sonderheft

Wilde Leute beim Angriff auf eine Minneburg. Wandteppich aus dem Elsaß, 15. Jahrhundert.

Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum

Eine Statue eines Wilde Mändle steht nicht nur in Oberstdorf am Bahnhofsplatz, auch im Erzgebirge gibt es eine solche Figur. Mir liegt ein Zeitungsausschnitt vom 7. August 1926 vor, darin wird eine Statue des „Wilden-Mannes”, wenn auch nicht mit dem gleichen „Häs” wie bei uns, gezeigt. Der Artikel hat die Überschrift: Der Wilde Mann von Geyer (Geyer ist ein kleiner Ort im Erzgebirge bei Zwörnitz, ca. 25 km südlich von Chemnitz). Im Bericht heißt es wörtlich: „Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung stellten Erzgebirgs- und Schnitzverein am Sonntag den ,Wilden-Mann’ in Dienst. Er wurde an der gleichen Stelle aufgestellt, an der schon sein Vorgänger 13 Jahre lang stand, auf der Waldflur, Wilder Mann’. Der aufgestellte Wilde-Mann ist 2,70 Meter groß und 5 Zentner schwer und wurde von 13 Schnitzern in etwa 3000 Arbeitsstunden aus Erle geschaffen, 5 kg Farbe waren notwendig, um ihm ein schönes Aussehen zu geben. 25.000 Grammophonnadeln wurden dem ,Wilden-Mann’ eingeschlagen, um liebende Pärchen an der Ausübung unangebrachter Schnitzkunst zu hindern. Möge der Wilde Mann seinem Revier ein treuer Wächter sein!”

Im Oberinntal wurde viele Jahre hindurch das Vermählungsfest des Wilden Mannes mit der Wilden Frau, das sogenannte Blochziehen gefeier.

Wilde Mändles - Sonderheft

Streckkatzenziehen und alte Kraftspiele der Wilde Mändle.
Schnitzfeld im Huldigungssaal des Rathauses zu Goslar.

Wilde Mändles - Sonderheft

Streckkatzenziehen im Allgäu.
Zeichnung von R. Mahn, aus „Die Allgäuer Alpen” von Max Förderreuther,.

Verlag Kösel und Pustet, München

Interessant erscheint mir die Schnitzerei aus dem Rathaus zu Goslar, sieht man die Wilde Mändle doch beim Streckkatzenziehen (Strohkatzenziehen) - ein belustigendes Spiel, wie man es früher in Oberstdorf bei jedem Anlaß gemacht hat. Es zeigt sich auch in den Spielen eine direkte Verbindung zu unseren Gepflogenheiten.

In einem Bericht von Gottfried Schwab (1880) befindet sich der Hinweis: „Noch Goethe hat im 18. Jahrhundert zu Weimar Szenen mit wilden Leuten gesehen.”

Gegen Ausgang des Mittelalters war allmählich die Welt daran gewöhnt, Wilden Leuten in Theateraufführungen, an Festen, in der Fasnacht und vor allem bei Fasnachtsumzügen zu begegnen, so daß eine zweite, jüngere Erscheinungsform der Wilden Leute in der bildenden Kunst festzustellen ist. Sie tragen, ohne behaart zu sein, entweder ein eng anliegendes, mit Zotteln benähtes Gewand oder nur einen Laubkranz um die Lenden und um den Kopf oder auch einen Blütenkranz mit Früchten im Haar. Neben den herkömmlichen Waffen, Keule und Schild, trugen sie hierbei schon Pfeil und Bogen oder gar schon Säbel.

Aus Nürnberg sind uns ganze Akten voll solcher Hinweise bekannt. Deutlich zeigt uns dies eine Verordnung aus dem 15. Jahrhundert (Baader, Nürnberger Polizeiverordnung 1461, S. 92 f.) und ist für 1521 und 1522 weiter so bezeugt. Im Jahre 1539, beim letzten Schembartlaufen, führte Albert Scheurl einen Zug wohlgezierter Wilde Mändle und Fräulein. Es kamen dieselben immer mehr in die Fasnachtsspiele hinein. Da der Text nichts charakteristisch Weidmännisches enthält, erkennt man doch auch hier die Beliebtheit der äußerlichen Mummerei in Wildmänner und Wildweiber daraus.

Reiser berichtet von Urkunden, die er dem Bibliothekar Dr. Hampe vom Germanischen Museum in Nürnberg verdanke. Hier einige Auszüge: „Tercia post Lucie 1478 Item den Wilden Mendlein der fleischhacker ist vergönnt, in der fasnacht lauffen zu lassen nach forme der figur in einem Rat geantwurt und als gewöhnlich ist” (1478 XIII, 10 b). Oder: „Tercia post Pauli conversionis 1479 Item den fleischhackern ze sagen daß sie ire Wildemendlein in den Schemparten bestellen wie von alder herkommen ist ec.” (14791,17 a). Oder: „Tercia post Erhardi 1496 Item wiewol am Sampstag hievor den fleischhackern ist abgeleindt, am gaylenmontag in den Mendlein zu lauffen, hat sich doch uff hewt das hantwerck sovil beschwerden vor eynem wolbesametten Rat, mit 39 personen beseczt, beclagt, das ine im Rat den geyle montag im willden Mendlein zulauffen nachgeben hat denselben gantzen tag, doch also das sie am demselben montag noch auch nachfolgenden faßnachttag so sie tantzen, kein hell (Hölle) prennen noch gantz nit werffen und den Aschermitwochs sollen sie von aller faßnachtlichen fröhlichkeit gantz feyern” (1496 I, 9 a).

Daß dies nur auf Nürnberg zutreffe, das widerlegt Reiser in einem gesonderten Satz: „Wie mir nämlich mein Freund Herr Reichsarchivassessor Dr. Hans Petz in München versicherte, war in Nürnberg und sonst in verschiedenen fränkischen Städten im 14. und 15. Jahrhundert die Aufführung eines ,Wildemännlestanzes’ in dem vermummte Männer auftraten, während des Faschings eine häufige und verbreitete Gepflogenheit. Die Ratsprotokolle verschiedener Städte erwähnen seiner während dieser Zeit vielfach, indem sie die Erlaubnis zur Aufführung, sowie allerlei Bedingungen und polizeiliche Vorschriften hierüber registrierten.”

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Wilde Mäner bei der Kobwrat-Hochzeit, 1580, Wien.

Kunsthistorisches Museum Wien

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Wilde Männer auf Pferden

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Wilder Mann als Wappenhalter in einer Ranke.
Federzeichnung von Albrecht Dürer (1471 - 1528), verbrannt in den Tuilerien 1871

Diese Verlagerung des Wilde-Mändles-Tanzes oder -Brauches ging aus der höfischen Szene hinaus ins Volk zum Fasnachtslaufen. Wie wir jetzt wissen, geschah das in vielen Orten und Städten, vor allem auch in München.

Die Metzgerzunft hatte sich des Wilde-Mändles-Tanzes oder -Laufens angenommen und diesen als ihren Brauch verwendet. Hier ist uns besonders der Nürnberger und Münchner Metzgersprung überliefert, eine wiederum hüpfende und sprunghaft sich ausnehmende Fortbewegung. Der letzte bekannte Metzgersprung fand 1905 in München statt, dann hat sich diese Gepflogenheit verloren.

Die sprunghafte Fortbewegung sieht man heute in vielen Fasnachtsumzügen, bei den Scheller- und Rollerlaufen, beim Imster Schemenlaufen, ja vielfach in der alamannischen Fasnacht.

Gerade im Schweizer Raum sind uns einige ähnliche Fasnachtsbräuche bekannt. Doch ginge diese Nachforschung zu weit. Erwähnen möchte ich aber noch eine Begebenheit aus Stans im Kanton Unterwalden; hier wurde früher bei der Älplerkilwi (Kirchweih) ein Wildmännli mit seinem Wibli im Festzuge aufgeführt, welche meist einen großen, schweren Käse mit sich schleppten.

In Frankreich wurde vor 1793 in Beziers, im Languedoc, ein künstliches Kamel durch die Straßen geführt. Ihm folgte ein Wagen mit einer Laube, dahinter schritten eine Anzahl Wilder Männer, die in Blumen und grünes Reisig gehüllt waren.

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Wappenhaltender Wilder Mann. Martin Schongauer, um 1480/85.

Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett

Ähnliche Figuren wie die Wilde Mändle sind die Thüringer „Laubmännchen”, die am 1. Mai vom Kopf bis Fuß in frisches Reisig gekleidet und in einem Laubgestell untergebracht wurden. Sie trugen die Lebensrute in der Hand und teilten damit Streiche aus.

In dieselbe Reihe gehört auch der „Wasservogel”, der an der Donau zu Hause war. Er wurde eingehüllt in grünendes Buchen- oder Birkenreisig, Schilf oder Röhricht. Bezeichnend ist, daß in Sauerlach bei München beim Umzug des „Wasservogels” eine Bauernhochzeit nachgeahmt wurde. In der Holledau trug der „Wasservogel” ein Gewand aus Birkenreisig und Heidekraut, vordem Gesicht eine Rindenlarve. In diese ähnliche Gattung gehört auch der „Pfingstlümmel”, der in Laub und Reisig gehüllt war.

Interessant ist dabei, daß bei allen diesen Beschreibungen die sprunghafte Fortbewegung gegeben ist: der Narrensprung, wie er auch genannt wird.

Doch wieder zu den Fasnachtsumzügen! Man braucht hier gar nicht weit zu gehen. Solche Umzüge gab es in früheren Jahren auch bei uns und in allernächster Nachbarschaft.

Handgezeichnete Blätter (Kopien) von Fasnachtsumzügen aus dem Lechtal liegen mir vor, die Teilnehmer namentlich aufgefuhrt, aus Elbigenalp, Untergieblen, Köglen, Griesau und Grünau, von dem bekannten Graphiker Änton Falger aus Elbigenalp angefertigt. Sie zeigen die Fasnachtsumzüge von 1811,1829,1849 und 1869, wobei eine ganze Schar von Wilde Mändle im Festzug mitläuft. Diese Aufzeichnungen decken sich mit den wenigen Beschreibungen der Fasnachtsumzüge in Oberstdorf, Sonthofen, Immenstadt und Kempten. Bekannt ist, daß das heute wieder so beliebte Eggaspiel von Sonthofen (mit der Hexenvertreibung) ein Überbleibsel solcher Fasnachtsumzüge ist.

Seit vielen Jahren ist in den meisten Orten dieses Fasnachtslaufen ganz verschwunden, bis auf wenige Ausnahmen: Imst in Tirol, mit Einzel-Wilden beim Schemenlaufen. Das heute noch interessanteste Wilde-Mändles-Treiben dürfte ohne Zweifel das Schleicherlaufen von Telfs in Tirol sein. Der früher vornehmlich am „Unsinnigen Donnerstag” geübte Brauch wurde um 1890 herum auf einen Sonntag in der Fasnacht verlegt und findet alle fünf Jahre statt. An diesem Schleicherlaufen nehmen rund 80 Wilde Mändle teil, in denselben Gewandungen wie die Wilde Mändle von Oberstdorf, lediglich zusätzlich mit einer mehr oder weniger wüsten Holzlarve. Der Name „Schleicherlaufen” stammt von dem typischen lautlosen, ja feierlichen Gang dieser Gestalten.

Neben dem Wilden Mann von Telfs hat auch der Wilde Mann von Basel im Karneval seinen Platz erhalten können. Eine Ähnlichkeit der Wilde Mändle mit den Appenzeller Moosklausen oder Butzenmändle oder gar der Bischofshofener Moosmändle ist unverkennbar. Auch die (wie schon erwähnt) sprunghafte Fortbewegung ist bei allen fast gleich.

In einer Berichterstattung finden wir den Satz: „Der Wilde-Männles-Tanz war in den früheren Jahren durch den Einfluß der Kirche zum Fasnachtsspiel gekommen und erst nach der Pestzeit 1648/50 wieder in einen ernsthaften Tanz zurück gekommen, wurde aber auch durch den Einfluß der Kirche sehr oft verboten, da man bei diesem Spiel zu oft die Pfarrer verspottete.”

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Masken in Elbigenalp am 24. Februar 1868.

Zeichnung von Anton Falger

Eine andere Beschreibung bringt den Wilde-Mändles-Tanz direkt mit der Pestzeit in Verbindung: Da sollen einige beherzte Oberstdorfer während der Pestzeit, die ja auch in Oberstdorf furchtbar gewütet hat, in einer Vermummung aus Tannenbärten (Wilde-Mändles-Häs) der Pest eine Nase gedreht haben, indem sie durch die fast leeren Gassen tanzten. Als nach einigen Tagen alle vollzählig den Tanz wiederholen konnten, da wich aus der Bevölkerung die Angst vor der Pest, welche ja ganze Hauswesen ausgelöscht hatte (1635). In der Folge wurde der Tanz zu einem Volksfest, das lange Zeit alle Jahre festlich begangen wurde. „Eine Nase gedreht”, so schreibt zwar ein Erzähler doch klingt dies doch etwas vermessen, wenn man weiß, wie hilflos die damalige Bevölkerung dieser unheimlichen Seuche gegenüberstand.

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Zunftwappen der Immenstädter Zinngießer aus dem Jahre 1793

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Wilder Mann und Heckenmänner in Goslar

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Der "Wilde Mann" aus dem Erzgebirge

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Wilde Mändle in Oberstdorf am Bahnhofsplatz.

Bronzeguß von Maximilian Rueß

Die bisher bekannten Aufführungen des Tanzes

Zeit und Ursprung des Tanzes lassen sich nicht auf bestimmte Jahre festlegen. Wir stützen uns in vielen Dingen auf Überlieferungen, wie auch der Tanz sich in der alten Art überliefert hat. Daß der Tanz in die heidnische Zeit zurückreicht, zeigen uns die gleichbleibenden Szenen. Daß er in fünfjährigem Rhythmus aufzuführen sei oder gar auf ein Gelübde hin in diesem Turnus gemacht werden müsse, steht nirgends geschrieben. Diese Behauptung brachte einmal jemand zu Papier, und sie ging dann wie ein roter Faden durch viele Berichte. Das Gegenteil wäre leichter zu beweisen, denn erst ab 1928 wurde in etwa ein solcher Fünfjahresturnus eingehalten - mit Ausnahmen. Aber auch dazu gibt es im Protokollbuch des Trachtenvereins keinen Hinweis auf einen solchen Beschluß. Aus der Pestzeit kann der Turnus auch kaum stammen, da er damals alle Jahre als Freudenfest gefeiert wurde.

Um dies zu untermauern, möchte ich eine Zusammenstellung der bisher bekannten Aufführungen machen, die auch schriftlich belegt sind. Solche Berichte kennen wir von 1859, außerdem eine Beschreibung von Gottfried Schwab im „Sammler” von 1873 (Nr. 68). Die meisten ausführlichen Beschreibungen stammen aus dem Jahre 1897, aus einem Jahr, in dem gleich mehrere gute Berichte überliefert sind.

Gottfried Schwab wird hier wiederholt zitiert, der Bericht von dem Oberstdorfer Benefiziaten Strohmeyer ist einer der besten, neben dem Bericht von Karl Weinhold, der diesen aber bereits schon 1880 geschrieben hatte. Auch der bekannte Oberstdorfer Sagen- und Brauchtumsforscher Dr. Karl Reiser nahm sich in einer ausführlichen und sachlichen Darstellung der Oberstdorfer Wilde Mändle an.

Der für uns in Frage kommende älteste schriftliche Hinweis über den Wilde-Mändles-Tanz kommt aus der Chronik von Ignaz Math, worin es heißt: „26. 8. 1793 hat man die Komedy von den 12 wilden Mann vor Bischof Clemens Wenzeslaus aufgeführt.”

Die Schöllanger Chronik weicht im Datum drei Tage davon ab; es dürfte also nur ein kleiner Schreibfehler sein. Es heißt dort: „1793 am 29. August kam der Fürst von Dillingen, auch Bischof von Augsburg und Churfürst zu Trier, Clemens Wenzeslaus, nach Oberstdorf. Man hat ihm eine große Ehre erwiesen und die Comedie von den 12 wilden Mannen und den Todentanz vorgestellt.”

Eine andere Schreibart besagt, daß die Oberstdorfer auch in Trier „die Comedy der 12 wilden Mann” gespielt hätten; doch darüber ist kein echter Hinweis zu finden.

Als nächster Eintrag in denselben Chroniken und im Jahrhundertbuch von Franz- Alois Schratt sind nochmals Auftritte für den Bischof von Augsburg festgehalten. Der letztere besagt: „1811 - in diesem Jahr ließ der Kurfürst von Trier und Bischof von Augsburg Clemens Wenzeslaus in Oberdorf bei Hindelang an der Ostrach durch Bewohner von Oberstdorf den sog. Wilde-Mändles-Tanz aufführen. 13 mit Tannenbart vermummte Männer. .Weiter heißt es dort: „Beim letzten Besuch des Kurfürsten C. W. in Oberstdorf kam der Wilde-Mändles-Tanz mit dem von Jos. Ant. Bach verfaßten Freudenlied zur Aufführung, dann in Hindelang und Markt- Oberdorf. Der Fürstbischof besuchte Oberstdorf wegen des Tanzes und Clemens Wenzeslaus fand so großen Gefallen, daß er ihn vor seinem Schlosse in Oberdorf bei Biessenhofen aufführen ließ.

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1908 - Keulentanz Gschlief

Später besuchte C. W. in Begleitung Ihrer kgl. Hoh. Prinzessin Kunigunde und der Herzogin Amalie-Auguste von Zweibrücken Oberstdorf, wo abermals der Tanz zur Aufführung kam.”

Benefiziat Strohmeyer schreibt: „In den Jahren 1818 oder 1820 sollen solche Produktionen auch in Lindau, Konstanz und in der Schweiz seitens der Oberstdorfer stattgefunden haben.”

Dann kam eine längere Pause, von der wir nicht wissen, ob und wie oft der Wilde- Mändles-Tanz aufgeführt wurde.

1852 In diesem Jahr wurde der WMT vor Pfarrhaus und Kirche aufgeführt (F. A. Schratt).
1853 WMT aufgeführt in Anwesenheit des Prinzen Luitpold von Bayern.
1855 WMT nochmals aufgeführt zu Ehren des Prinzen Luitpold.
1856 Vor dem Prinzen Luitpold wird am 20. September der Faunentanz aufgeführt. Franz Xaver Bach verrechnet im Nachgang 5 fl 24 kr für verschiedene Arbeiten, u. a. für „Schreiben von vierzehn Exemplaren des Faunentanzes”. Thaddä Tauscher legt als „Unternehmer” des Tanzes eine Rechnung über 49 fl 59 kr vor.
1859 wurde der Wilde-Mändles-Tanz als Maskenzug in der Fasnacht gebracht, wie es an vielen anderen Orten ebenfalls üblich war. Dazu schreibt ein Chronist einige Jahre später, daß der Fasnachts-Maskenzug sich nicht halten konnte, da der Tanz zu „ernsthaftig” sei, zum anderen sich überall als Mummenschanz weiterer Beliebtheit erfreue. Dazu schreibt der Chronist wörtlich: „Nicht so in Oberstdorf. Zwar wollte man auch den Oberstdorfern in der Zeit der sogenannten Aufklärung weismachen, daß der Wilde-Mändles-Tanz bestenfalls im Rahmen eines Fasnachtsumzuges sich sehen lassen dürfte und diese Auffassung dürfte auch in den Köpfen einiger - gebildeter - Oberstdorfer Eingang gefunden haben. Denn aus einem Bericht des Jahres 1859 hören wir, daß der Wilde-Mändles-Tanz zu öffentlicher Lustbarkeit in der Fasnacht aufgeführt wurde, wie es heißt, als eine Art Ballett in der naturwüchsigsten Weise. Allerdings, ob Kulttanz oder Faschingsrummel, die Oberstdorfer hielten zäh und mit bekannter Oberstdorfer Gschtärgrindigkeit an den gewohnten Formen des Tanzes fest.”
1870 findet der WMT unterm Galgenbichl im Oybele statt.
1871 wird der WMT zu Ehren des Prinzregenten Luitpold und zum Besten der Verwundeten aufgeführt.
1872 WMT vor dem Sommergarten in Oberstdorf.
1873 Im Juli wird der WMT wiederum aufgeführt.
Dann fehlen die besagten 18 Jahre, wo er nicht aufgeführt wurde.
1891 Am 24. August wird der WMT im Oytal aufgeführt.

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1908 - Aufstellung der Tafeln

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1911 - Trinkszene Gschlief

1892 Am 30. Juli und am 3. August wird der WMT aufgeführt.
1893 WMT im Oybele aufgeführt.
1897 WMT wird im Oybele aufgeführt. In diesem Jahr kommen gleich etliche gute Berichte über den Tanz. Benefiziat Strohmeyer schreibt, daß er in diesem Jahr auch im Oytal abgehalten wurde. Also in manchem Sommer an zwei verschiedenen Orten.
1901 übernahm der Trachtenverein die Obhut über den WMT und machte im selben Jahr am 21. Juli, 11. August und 18. August im Oytal und an der Hofmannsruh den WMT (Artur Neißer).
1903 WMT am 19. Juli und 23. August im Oytal aufgeführt.
1906 WMT im äußeren Gschlief. Dazu ein Auszug aus dem Protokollbuch des Trachtenvereins: „Die Notenblätter und das Musikstück des Wilde-Mändles-Tanz wurden am 2. Dezember 1906 vom Trachtenverein der Musikkapelle Oberstdorf für 50,- Mark abgekauft, verbleiben aber zu treuen Händen bei der Blaskapelle.”
1908 WMT am 26. Juli, 9. August und 23. August im Gschlief.
1911 WMT im Gschlief am 9. Juli; alle anderen Termine sind wegen Regen ausgefallen.

Keine Aufführungen während des Ersten Weltkrieges.

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Auszug aus dem Protokollbuch des Trachtenvereins (1901)

1922 Auszug aus dem Protokollbuch: „WMT im Gschlief. Am 23. 7. waren es ca. 4 - 5.000 Zuschauer und nach dem 1. Tanzbild kam ein mehrstündiger Wolkenbruch, die Zuschauer sind während des Tanzes tropfnaß abgewandert, Kasse leer.” Die anderen Aufführungen am 8. August, 20. August und 27. August hat es total verregnet.
1925 WMT im Oybele am 21. Juli und 12. August; andere Termine verregnet.
1928 WMT am 8. Juli (2.500 Besucher), am 22. Juli und 12. August im Oybele.
1929 WMT am 8. Juli; andere ausgefallen, im Regen ertrunken.
1932 beschloß die Vereinsvorstandschaft des Trachtenvereins, daß man wegen der verregneten Sommer ein Zelt für die WMT-Aufführungen anschaffen wolle, was dann auch verwirklicht wurde.
1933 WMT 25. Juni, 9. Juli, 27. Juli und 6. August alle im neuen Zelt und am 3. September Aufführung zur Zeitfinanzierung. Alle Veranstaltungen waren unter der Schirmherrschaft von Staatsminister Esser, Schirmherr der Trachtenverbände im Deutschen Reich. Zelt im Oybele.
1934 WMT beim Reichsbauerntag in Goslar und Berlin vom 11. - 18. November.

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Auszug aus dem Protokollbuch des Trachtenvereins (1906)

1935 Auffübrungsschutz des WMT über Augsburg erlangt. „Gaukulturwart” Zwiesler und „Gauleiter” Wahl waren dafür zuständig. Wilde-Mändles-Bilder mußten an den Herder-Verlag geschickt werden, dort wurden dann die Schutzbestimmungen herausgegeben mit dem Aufdruck: „Alleiniges Aufführungsrecht hat der Gebirgstrachten- und Heimatschutzverein Oberstdorf.” Leider ist heute keine solche Plakette in unserem Besitz. Schriftführer und Kassier sind gefallen, die Unterlagen sind nicht mehr aufzufinden.
1938 WMT im Festzelt, südlich vom Gasthaus Adler, aufgeführt. Im „Oberländer Erzähler” war in Nr. 9, 8. Jahrgang, zu lesen: „In diesem Sommer wird, diesmal mit Unterstützung des Reichspropaganda-Amtes, wieder der Wilde- Mändle-Tanz in Oberstdorf durch den Geb.Tra. Verein zur Aufführung gebracht.”

Während des Krieges (1939 - 45) und der Jahre unmittelbar nach dem Krieg fanden keine Aufführungen statt.

1950 12 WMT-Aufführungen im Zelt im Oybele.
1951 WMT-Aufführung beim Detlesverein in Hindelang.
1952 WMT-Aufführung als Gegenbesuch in Traunstein.
1955 und 1960 waren die WMT im Zelt im Oybele und dann ab dem Jahre 1965 kam der immer wieder zitierte Fünfjahresturnus zur Geltung, der aber nie in einem Beschluß festgehalten wurde, so daß alle Aufführungen 1965, 1970, 1975 und 1980 in der Oybele-Festhalle stattfanden. So auch in diesem Jahr 1985.

Schwierigkeiten bei der Fortführung der Tradition

Der so viel genannte Turnus kann in früheren Jahren nicht bestanden haben. Da zwischen 1820 und 1825 keine Hinweise darauf deuten, daß getanzt wurde, scheint mir der Bericht des Karl Weinhold von 1897 wohl am treffendsten: „Als ich 1880 einige Zeit mich in Oberstdorf aufhielt, erzählte mir die Hauswirtin von dem Wilde- Mändles-Tanz. Derselbe werde jetzt nicht mehr aufgeführt, sie könne mir aber wohl eine Aufzeichnung beschaffen. Und siehe da, sie brachte mir zwei handschriftliche Spielrollen, die miteinander aus derselben Vorlage geflossen waren und nur kleine Varianten zeigten.”

Ähnliches bezeugen doch auch die 1856 dem Prinzregenten in Rechnung gestellten „Schreiben von 14 Exemplaren des Faunentanzes”. Erst als der Trachtenverein die Sache übernahm, hat sich eine geregelte Überlieferung nachweisen lassen.

Daß bei den jeweiligen Aufführungen absichtlich wesentliche Umgestaltungen oder Neuerungen, die den Charakter des Ganzen verändert hätten, vorgenommen wurden, ist unwahrscheinlich und läßt sich auch nicht beweisen.

Der in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts öfters verwendete Name „Faunentanz” scheint aus übertriebener Gelehrsamkeit heraus entstanden zu sein und ist sicherlich aus der griechischen Mythologie entlehnt worden.

Immerhin kann man feststellen und es soll nicht verschwiegen werden, daß für die getreue Erhaltung der alten Tradition des Spiels etwa in Form sorgfältiger und wohlverwahrter Aufzeichnungen oder durch geeignete Organisation gar nie Vorsorge getroffen wurde und daß man die jeweilige Überlieferung des Spiels bis 1901 stets dem glücklichen Zufall überließ.

Bei einer erfolgten Aufführung hat man scheinbar nie daran gedacht, für spätere Aufführungen vorzusorgen und wenigsten die jedesmal benötigten Tafeln und ähnliche Gegenstände zu verwahren. Wenn dann nach oft jahrzehntelangen Unterbrechungen das Tanzspiel wieder geprobt werden sollte, war man in arger Verlegenheit, und man war meist auf schwankende Erinnerungen ehemaliger Tänzer angewiesen. Noch schlimmer war es bei allen Utensilien, die dann gar nicht mehr oder nur noch unvollständig vorhanden waren. Dadurch konnten sich mancherlei Verschiebungen in der Auffassung des Ganzen einschleichen, manches mochte auch der Vergessenheit verfallen sein und manches, was bereits abgebröckelt war, wurde nur noch mangelhaft nach Erinnerung ergänzt. Eine der Figuren soll überhaupt verloren gegangen sein, meint Reiser. Er schreibt: „So zeigte sich in den Jahren 1890/91 betreffs des Tanzes, der seit dem Jahre 1873, also volle 18 Jahre lang nicht mehr aufgeführt worden war, daß ich Erhebungen über das Ganze pflegen wollte, daß ich bei tagelangen Bemühungen überall nur auf höchst abgeblaßte und verschwommene Erinnerungen stieß und in Detailsachen fast niemand mehr bestimmten Bescheid wußte.

Diese auffallenden negativen Erfolge aller Bemühungen veranlaßten dann einige einsichtsvolle Bürger, eine Neuaufführung des Spiels anzuregen und durchzusetzen, wobei es sich herausstellte, daß die Tradition desselben nur mehr an einem ganz dünnen Faden hing, so daß die Erneuerung des Spiels nur mehr mit knapper Not gelang.”

Weiter berichtet Reiser 1897, daß die damals benutzten Tafeln von den Aufführungen von 1891 stammten und diese damals ohne ältere Anhaltspunkte ganz nach freier Phantasie gemalt wurden.

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2000 - Keulentanz Dienersberg

Eine Szene, die lange Jahre fehlte, beschreibt Karl Weinhold in seinem Bericht „Der Wilde-Mändles-Tanz oder das Fest der Berggeister”, den er 1897 veröffentlichte. Weinhold hatte den Wilde-Mändles-Tanz 1891 und 1892 im Oytal gesehen, wo er unweit des heutigen Gasthauses, auf etwas ansteigendem, waldumsäumtem Wiesengelände aufgeführt wurde. Der Wald und die ringsum sich steil erhebenden Berggipfel boten für den Charakter des Spiels eine unvergleichliche Szenerie.

So berichtet Weinhold: „Man hört drei Hornrufe des Berggeistes, den ersten aus weiter Ferne, den zweiten als näher gerückt, beide vom Echo begleitet, den dritten auf der Bühne. Der Berggeist nimmt mitten auf der Bühne, ungefähr drei Schritte vor dem Hintergrunde, seine Stellung. Er bleibt unbeweglich, seine Augen bald nach rechts, bald nach links richtend. Die Wilde Mändle kommen schnellen Schrittes von beiden Seiten aus dem Hintergrunde, so daß jedes Zeit hat, dem Berggeist seine Ehrfurcht durch Verbeugen mit gekreuzten Armen zu bezeigen. Jedes begibt sich dann rasch auf seinen Platz, der so gewählt ist, daß alle zusammen eine schöne Gruppe bilden.

Der Berggeist hebt seinen Tannestock etwas in die Höhe zum Zeichen daß er reden will und hält dann folgende Ansprache: ,Bewohner dieser Urgebirge, Wälder und Täler, sonst bekannt als gutgesinnte Berggeister oder Wilde Mändle! Heute ist der Jahrestag, an dem eure Urväter diese Gebirge, Täler und Wälder, vor dem denn hunderten von Jahren, zum Hort ihres Aufenthaltes (als Wohnsitz für immer) auserwählten. Es wurde am nämlichen Tage der Einzug begonnen und am selben Abende ein Fest veranstaltet, das aus Musik, Tanz und einem frohen Mahle bestand. Das Fest wurde von jener Zeit bis zum heutigen Tage, alljährlich von euren Väter gefeiert. Es ist nun auch heute euch gegönnt, dieses Fest nach den Sitten und Gebräuchen eurer Väter und Urväter zu feiern.

Die Wilde Mändle legen die Hände kreuzweise über die Brust und nehmen eine gebückte Stellung ein und sprechen im Chor: Großer erhabener (Be)Herrscher über Tal, Berg und Wald und deren Bewohner! Führer und Leiter unserer Vater und Urväter! Du hast stets Sorge getragen, daß Friede, Liebe und Eintracht unter ihnen bestanden hat. Womit es auch uns gelinge durch deinen Beistand unseren Vätern gleich zu werden! Um dies bitten wir und unser Geschlecht wird dir dankbar sein für ewige (immere) Zeiten.’

Der Waldgeist (König) nimmt nun sein Horn, macht einen Stoß, zum Zeichen, daß das Fest beginnen soll, geht in den Hintergrund und verschwindet durch die Öffnung. Die Wilde Mändle machen pantomimische Zeichen der Freude und verschwinden in ihren Kulissen. Hierauf beginnt die Musik einen kurzen Eingang des Tanzes zu spielen, währenddessen wird der Berggeist auf dem hinteren Felsklotz oder Wurzelstock sichtbar, er nähert sich seinem Thron und nimmt den Sitz ein. Ein kurzer Hornstoß und der Tanz beginnt.”

Dazu schreibt auch Reiser: „Dieser aus älterer Zeit mehrfach belegte Hornruf soll bei den neueren Aufführungen unberechtigter Weise weggelassen worden sein.”

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1996 - Festwagen in Fischen

Hieraus sieht man doch, daß sich im Laufe der Zeit manches am Tanz verändert hat. Diesen Hornruf führte man dann wieder nach der Jahrhundertwende ein; letztmalig im Jahre 1950 mit dem Berggeist auf dem Thron mit dem Bockhorn, dargestellt vom Tanzmeister Petre Leo (Schratt Leo - vielleicht nur zum Fotografieren).

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2000 - Altar Dienersberg

Die Musik des Tanzes

Der Tanz selbst erfordert große Kraft und Gewandtheit und wird ausschließlich von Männern dargestellt. Hier mittun zu dürfen, ist eine Ehre, und es kommen im allgemeinen nur Angehörige alteingesessener Oberstdorfer Geschlechter dazu.

In alter Zeit wurde der Tanz mit Holzpfeifen, Bockhörnern und Trommeln begleitet und, wie schon erwähnt, hat dann im Jahre 1811 der Oberstdorfer Schullehrer Bach die eigenartige Musik erstmals auf Papier gebracht und auch ein Freudenlied dazu gemacht. Etliche Jahre später, als die Blechmusikkapellen gegründet wurden, haben diese den Tanz musikalisch umrahmt. Die gesamten Aufführungen vollziehen sich unter den Klängen einer altertümlichen Musik, mit einer altererbten, höchst einfachen Melodie, die in ihrem ersten Andantesatz sehr ausgeprägte Rhythmen, vorzugsweise für die Sprungbewegungen, aufweist, während der zweite, der Allegrosatz, für die rascher aufeinanderfolgenden Bewegungen eingerichtet erscheint.

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Bemerkenswert ist hierzu, daß 1891 die Originalnoten nach der langen Pause von 18 Jahren nicht greifbar waren und diejenigen, die später Hofrat Reh in seinem Besitz hatte, nicht bekannt waren. Es ist auch nirgends vermerkt, woher Hofrat Reh die Originalnoten und Rollen von 1811 bekommen hat, genausowenig, wo sie heute hingekommen sind.

Als dann nur Teile der Noten für die neuerlich geplanten Aufführungen aufzutreiben waren, wurde der Kempter Musikdirektor Hornberger beauftragt, den Wilde-Mändles-Tanz nach vorhandenen Bruchstücken wieder zu vervollständigen.

Karl Weinhold schreibt dazu, daß er zu den Aufführungen 1891 zwei Rollen erhalten habe und daß die Notenauszüge mit dem Text des Liedes aus dem Druck von X. Glötzle und E. Hamann aus Immenstadt seien. Aus einem Zeitungsbericht von 1908 geht hervor, daß die Musikbegleitung des Wilde-Mändles-Tanzes eine Umarbeitung durch den Kempter Musikmeister Lanzhammer erfahren hat

Wilde Mändles - Sonderheft
Wilde Mändles - Sonderheft

Der langsame Teil wird bei den verschiedenen Touren 2, 3, ja fünfmal wiederholt, der schnelle Teil stets nur einmal gespielt.

1) Dieser 5 Takter ist jedenfalls falsch überliefert, vom 4.Takt an muss es wie folgt heissen, dann ist er auch symmetrisch mit dem nächstfolgenden 12 Takter:

Wilde Mändles - Sonderheft

Dieselbe Melodie mit ganz kleinen Abweichungen gibt es heute noch in Irland und Wales; sie wird ebenfalls für einen aus heidnischer Zeit stammenden keltischen Kulttanz verwendet, für „The green Men”, eine in Gewand und Tanzrhythmus fast gleiche Tanzgruppe wie unsere Wilde Mändle. Das Zweite Deutsche Fernsehen hat in einem Sonntagskonzert am 26. September 1982 eine Dreiviertelstunde darüber berichtet. Mir liegt auch die Melodie dieser Aufführungen vor, dazu gehören Texte in Walisisch und Deutsch. Hier zeigt sich vom Ursprung her eine besonders enge Verwandtschaft zum keltischen Gebrauch.

Das Gewand der Tänzer

Das „Häs” der Wilde Mändle ist heute ein auf Drillich oder auch auf Arbeitsoverall aufgenähter Tannenbart, eine Moosflechte, die in 1200 bis 1800 Meter Höhenlage in unseren Bergen gedeiht, meist an Tannen und Fichten, vereinzelt auch an Harthölzern wie Bergbuche oder Bergahorn. Bedeckt wird damit der ganze Mann mit Ausnahme der Augenpartie und der Hände, die ja zu verschiedenen Szenen griffbereit sein müssen. Auf dem Kopf trägt man dazu einen Kranz aus Stecholder (Stechpalme), ähnlich dem Strahlenkranz. Um die Hüfte windet sich ein aus frischem Tannengrün geflochtener Daasgürtel (Tannenreisig).

Daß dieses Gewand zu den Aufführungen bei den Wilde Mändle aus grauer Vorzeit überliefert ist, dürfte ohne Zweifel sein. Es wird auch nicht rein zufällig so gewählt worden sein, sondern es ist allein der genauen Pflanzenkunde und dem Wissen um Haus- und Heilmittel zuzuschreiben. Der Tannenbart zählt zu den wintergrünen Gewächsen und man weiß, daß vor der Christianisierung, also in heidnischer Vorzeit, allen diesen immergrünen Gewächsen geheimnisvolle Kräfte zugeschrieben wurden, nur wissen wir davon zu wenig, von der Symbolik des Tannenbartes, ja es kommt uns Heutigen kaum noch ins Bewußtsein. Grün war immer die Farbe des keimenden Lebens, der Gesundheit, der jugendlichen Kraft. In der Mythologie galt das pflanzliche Wintergrün ursprünglich als Lebensquell, der Fruchtbarkeit, Wachstum und Gesundheit in Haus und Hof, in Scheune und Stall sicherstellen sollte.

Leider geht heute der Tannenbart aus erklärlichen Gründen in vielen Berggegenden stark zurück. Konnte man früher in Rohrmoos, Schlappolt, Bierenwang, Rappenalp oder Bieberalp von einer Hoftanne den gesamten Bart für ein Wilde-Mändles-Häs „brocken” (pflücken), so findet man bei uns nur noch wenig Tannenbart als kurze Büschel, und es wäre einfach zu umständlich und zu langwierig, sich tagelang im tiefen Schnee zu „verzetteln”. So fahren unsere Mitwirkenden heute bis ins Ötztal, rüber nach Kühtai; dort gibt es im Ochsengarten und Marlstein reichlich Tannenbart. Es sind dies die gleichen Stellen, an denen die „Wilden” von Telfs, 80 an der Zahl, ihren Tannenbart holen und zufällig auch in demselben Fünfjahresturnus wie bei den unseren.

Wenn man dies liest, erinnert man sich gerne an die Tannenbärte der Vorkriegszeit: Bärte mit einem halben Meter und mehr waren selbstverständlich, doch diese Zeit ist heute leider vorbei. Meines Erachtens verdanken wir dies auch dem sauren Regen, einer Luft- und Bodenvergiftung, die uns noch mehr zu schaffen machen wird, als „nur” dem Tannenbart.

Der Stecholder (Stechpalme) hat ähnlich wie der Tannenbart eine geheimnisvolle, magische Kraft, er steht in der Symbolik dem bekannteren Mistelzweig nicht nach. An erhöhter Stelle angebracht, z. B. als Kranz auf dem Kopfe, soll er vor Blitz und Unwetter Schutz bieten können. In früheren Jahren wurden die Stecholderzweige in den Schopf und den Stall gehängt, diese sollten die „Schratten” und bösen Hausgeister abhalten, damit sie dem Vieh keinen Schaden zufügen konnten.

Der Stecholder ist als kultivierte Pflanze überall anzutreffen, doch der wilde Stecholder wächst verschiedentlich in den Bergen bis auf 1700 Meter hinauf. Wenn ein Fremder einen Oberstdorfer oder Bergler fragt, wo denn so ein Stecholder wächst, so wird er kaum einen Hinweis erhalten; denn der (Alt-)Einheimische weiß, daß diese Gewächse vor jedem Zugriff zu schützen sind. Zu viele der grünen bis rötlichen Boschen wurden schon ausgegraben und es verschwinden immer mehr. Der unter Naturschutz stehende Stecholder hat stark gerbsäurehaltige Blätter; diese wurden früher für die Lagerstatt verwendet, sie halfen gegen Fieber, Rheuma und Bronchitis. Die moderne Medizin verwendet die jungen Blätter für dieselben Arzneien und zusätzlich auch als Mittel gegen Arthritis.

Der Gurt der Wilde Mändle aus jungen Tannenzweigen hat ebenfalls seine überlieferten Werte gehabt. Er sollte Schutz bieten vor Dämonen und Geistern, sobald er um den Leib geschlungen ward. Aber er trug auch zur allgemeinen Gesundheit bei.

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Kopfkranz mit Stecholder - Tannenbart

Man wußte in frühester Zeit um die Heilkraft der jungen Daasäste mit dem frischen „Bros” (Triebe). So wurde der Gürtel immer neben der Schlafstatt aufgehängt, daß die Luft sauber bleiben sollte. Bei Asthma- und Lungenkranken wußte man, daß diese die größte Erleichterung hatten, wenn man im Schlafgemach frische, junge Tannenzweige aufhängte oder gar einen Korb voll Daas neben das Lager stellte, weil das „Bros” viel aromatisches Öl hat, welches sich langsam verflüchtigt und somit die Luft im Raum lange recht frisch und rein hält. Die heilende Wirkung von Tannennadelbädern war ebenfalls bekannt, die speziell gut waren für die Haut, gegen Übermüdung, Katarrhe, Entzündungen u. v. a. m.

Der Tanz selbst spielt sich auf einer großen Bühne ab, die auf beiden Seiten je sechs Kulissen aufweist und auf der breiten Rückwand der Kulissen mit dem Ein- bzw. Ausgang, der für den Dreizehnten (König) oder bei Szenen mit ungeraden Teilnehmern bestimmt ist. Alle Kulissen sind mit Tannenästen verkleidet und auf den Kulissen sind noch, in der Größe ansteigend nach hinten, Jungtannen aufgesetzt. Über den Kulissen wird auch mit einem Hangast in der oberen Partie ein vorhangartiger Effekt erzielt.

Über dem hinteren Zugang wird ein urchiger (urwüchsiger) Wurzelstock aufgebaut, der in früheren Jahren für den König (Berggeist) als Thron diente. Von hieraus eröffnete früher der König mit dem Bockhornruf den Tanz. Ausgeschmückt hat man nach Beschreibungen und alten Bildern den Thron und auch rund um die Kulissen alles zusätzlich mit Adlern, Uhus, Eulen und sonstigen Vögeln. Auch ausgestopfte Wald- und Bergtiere wurden verwendet. Karl Weinhold schreibt: „Um allem ein berglerisches Gepräge zu geben.”

Der Ablauf des Tanzes

So eigenartig wie die äußere Erscheinung der Wilde Mändle ist auch die Fortbewegung. Die Männer dürfen nie gehen oder schreiten - mit ganz wenigen Ausnahmen, sie bewegen sich stets in sprunghafter Weise vorwärts oder auch rückwärts und zwar in der Art, daß jedesmal die beiden Füße in leichter Schrittstellung gleichzeitig vom Boden abschnellen und gleichzeitig wieder aufspringen. Je nach der Ordnung der Szene kommen die Männer mit diesen charakteristischen Bewegungen, bald einzeln, bald in Reihen, bald alle gleichzeitig, stets aber in strengem Rhythmus und in exakter Ausführung hinter den Kulissen hervor oder bewegen sich vor- oder rückwärts, trennen oder sammeln sich und verschwinden auf einen Schlag.

Besondere Erwähnung mag die höchst originelle Einleitungsszene des Tanzes finden. In ihr offenbart sich am prägnantesten die Art der Wilde Mändle: ihr scheues, furchtsames, vorsichtig spähendes Wesen. Nach dem Einsetzen der Musik wird plötzlich aus jeder Kulisse eine Hand sichtbar, die nach einigen Takten ebenso plötzlich wieder verschwinden. Es folgt die andere Hand, dann kommt ein Fuß zum Vorschein, dann der andere auch, dann taucht bei jeder Kulisse ein langbartiger Kopf hervor, der scheu um sich blickt und mit einem Schlag sind sie alle wieder verschwunden. Diese erste Szene ist zum Auftakt wohl die beeindruckendste Vorstellung zum von allen erwarteten Wilde-Mändles-Tanz.

Wilde Mändles - Sonderheft

2000 - Oybele Festhalle Kulisse

Der Tanz setzt sich aus 17 Tanzszenen zusammen, die in zwei Abteilungen mit einer eingelegten längeren Pause aufgeführt werden. Einen direkten Zusammenhang haben die Figuren nicht, da jede mehr oder weniger ein abgeschlossener Auftritt für sich ist. Dennoch ist eine planmäßige, fortschreitende Steigerung vom Einfachen zum Schwierigen unverkennbar. Wenn auch die einzelnen Bilder oft den Eindruck der Leichtigkeit haben, so ist dem nicht so, es verlangt von jedem Einzelnen doch eine gewisse Ausdauer und vor allem Übung und Kraft; denn die schnellen Bewegungen, die sichere Gewandtheit erfordern schon gelenkige und kräftige Burschen, welche in vielen Proben auf eine exakte Darbietung hinarbeiten.

Die Figuren oder Tanzbilder selbst sind kurz beschrieben:

1. Wilde Mändle hinter den Kulissen, scheues Hervortasten, wie bereits oben beschrieben.
2. Aufstellen zu zwei einander gegenüber befindlichen Reihen, taktmäßiges, kreuzweises Zusammenklatschen der erhobenen flachen Hände mit denen des gegenüberstehenden Partners.
3. Aufstellung in gerader Linie, Schwingen der Beine.
4. Aufreihung zur Frontlinie, taktmäßige Bewegungen des Kopfes, Armeläuten.
5. Hintereinander stehende Reihe, Kränze schwingen. Jeder der Tänzer hat einen aus Tannenästen gewundenen Reifkranz, der je nach der geraden oder ungeraden Nummer des Tänzers im Takte seitwärts nach rechts oder links geschwungen wird.
6. Kopfstehen vor den Kulissen. Die Männer springen aus ihren Kulissen, und mit einem Schlag bücken sich alle nieder und schon stehen alle auf dem Kopf, mit den auf den Boden gestemmten Händen das Gleichgewicht haltend. Rhythmische Bewegungen der Beine.
7. Sie sogenannte kleine oder einfache Pyramide.
8. Reihe hintereinander, taktmäßiges Schwingen der Beine seitwärts.
9. Aufstellung von sechs Tänzern im Kreis, Kopfstehen und Bewegung der Beine im Rhythmus.
10. Zirkeltanz. Aufreihung im Kreis. Sechs Tänzer bewegen sich vorwärts, die anderen sechs Tänzer in entgegengesetzter Richtung in der Weise, daß die einander Begegnenden sich abwechselnd die Hände reichen und einander ausweichen.
11. Große Pyramide. Eine Kombination der beiden einfachen Pyramiden, wie Szene 7, zu einer einzigen und zwar so, daß drei, zwei und ein Mann sich übereinander erheben und die anderen bei den Zwischenlücken ihren Kopf durchstecken. Bewegung der Köpfe nach links und nach rechts.

Soweit der erste Teil des Tanzes, es folgt eine längere Pause.

12. Aufstellung der 10 Tafeln in verkehrter Weise, so daß die Rückseite den Zuschauern zugewendet ist und dabei auch Lücken entstehen. Diese Rückseite ist mit Köpfen von Wilde Mändle oder Berggeistern bemalt, alle gleich. Dann folgt das Hindurchstecken der Köpfe und Schwenken derselben nach beiden Seiten.

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2000- Aufstellung der Tafeln

Während die bisherigen Figuren in lockerer Verbindung zueinander standen, so bekommt das Spiel im zweiten Teil mehr inneren Zusammmenhang und es nimmt mehr den Charakter einer Pantomimik an, die in einer Ehrenbezeigung vor dem aufgestellten Bild und in einer Kampfszene gipfelt. Karl Reiser meint dazu: „Hier wäre die Kenntnis der älteren und ältesten Gestaltung des Spiels am erwünschtesten, da es fast greifbar ist, daß durch Weglassung wichtiger Einzelheiten, unverständliche Zutaten etc. das Ganze stark gelitten hat.”

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2000 - Aufstellung der Tafeln

Erklärlich wird das, wenn man bedenkt, daß hier ein Gebiet berührt wird, für das die entsprechenden bestimmten Vorstellungen und Erinnerungen im Volksbewußtsein wohl längst verblaßt und verschwunden sind und daß das Verständnis der dem Spiel zugrunde liegenden Ideen und Vorstellungen teils verloren gingen.

Überaus seltsam erscheint, daß vor einem gemalten Bild Ehrenbezeigungen gemacht werden und noch seltsamer ist die Art und Weise, wie dieses Bild zur Aufstellung gelangt. Es ist eben nicht auf einer zusammenhängenden Fläche auf einer Leinwand oder einer Platte aufgemalt oder gar eine Statue, sondern es ist auf Holztafeln mit ca. 50 - 60 cm Quadratgröße gemalt, welche ähnlich einem Setzkasten zusammengefügt werden. Die Tafeln haben hölzerne Verbindungsbolzen und auch die passenden zusammenhängenden Löcher. Auf dem Bühnenboden ist eine sog. Tafellatte aus schwerem Buchenholz angeschraubt zum Einstecken der Tafeln, in der untersten Reihe sind es vier, in der zweiten Reihe drei, in der dritten Reihe zwei und zuoberst ist es noch eine Tafel.

Das bei dieser Aufstellung sich ergebende Bild zeigt einen wilden Mann (oder Gott Donar) in ca. vierfacher Lebensgröße mit zerzaustem Haar und struppigem Bart. Das Aussehen der Tänzer unterscheidet sich kaum von der dargestellten Figur.

Bei der ersten Aufstellung der Tafeln (Figur 12) war man früher der Ansicht, daß dies die einzige lustige Szene sei, weil diese mit Absicht in verkehrter Weise erstellt wurden, um etwas Humor in das sonst so ernsthafte Spiel zu bringen. Selbstverständlich paßten die vorgesehenen Holzzapfen in die Löcher auch in verkehrtem Aufbau. Durch die entstandenen Lücken steckten dann die Wilde Mändle ihre Köpfe hindurch, um in lachender Selbstironie nachzusehen, ob von außen alles in Ordnung sei. Dies gab dann für den Zuschauer ein recht lustiges Bild.

Dazu schreibt Reiser 1897: „Das Verständnis für den doch so echt volkstümlichen Humor, der in dieser Szene liegt, scheint ganz verloren zu sein. Zwar schauen die Köpfe immer noch durch die Lücken hindurch, aber ohne jegliche Mimik und da jetzt die Rückseite der Tafeln mit einem dekorativen Kopf auf weißem Untergrund bemalt wurde, nur damit die Fläche nicht so leer sei, ist auch für die Beschauer die Auffassung der ursprünglichen Idee überaus erschwert.”

Wie auch aus anderen Berichten hervorgeht, waren in den Jahren vor 1891 die Tafeln auf der Rückseite leer, d. h. weiß oder holzfarben gestrichen.

13. Drehung und Umsteckung der Tafeln in richtiger Weise, so daß sich das große Bild des Wilden Mannes (Gott Donar) darbietet. Umtanz im Kreis um das Bild mit einer Ehrenbezeigung vor demselben durch eine Verneigung.
14. Die Glocke. Zu beiden Seiten des Bildes stellen je sechs Mann eine Glocke dar. Vier Männer fassen in gekreuzter Stellung unter geeigneter Armverschränkung einander oberhalb der Schultern und nehmen eine gegeneinanderstemmende Haltung ein. Ein Mann hängt sich in der Mitte frei ein und bildet das Schwengel, ein anderer schwingt sich obenauf und bildet in darüber gebeugter Haltung das Glockenjoch, wobei sich die Stehenden mit den zwei anderen gegenseitig festhalten. Dann beginnen die Glocken zu läuten, indem das Schwengel in entgegengesetzter Richtung schwingt als das Joch.

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2000 - Verneigung vor dem Götterbild

Diese Glockenszene erinnert uns an eine traurige Geschichte aus älterer Zeit: Zwei Brüder liebten dieselbe Fehl (Mädchen), und es gab wegen ihr viel Haß und Feindschaft untereinander. Nun traf es sich beim Wilde-Mändles-Tanz, daß der eine der Brüder das Schwengel machte und der andere das Joch darzustellen hatte. Rasch warf der letztere seinem Bruder einen Strick um den Hals und erdrosselte ihn beim Schwingen der Glocke ohne daß die anderen es bemerkten. Erst als die Glocke auseinandersprang, fiel der Tote auf die Bühne und niemand konnte sich vorerst die Sache erklären (Sammler, Beilage zur Augsburger Abendzeitung, 1873, Nr. 68).

Wann dieser bedauerliche Vorfall sich zugetragen hat, läßt sich heute nicht mehr feststellen, muß aber schon einige hundert Jahre zurückliegen, da in keiner uns bekannten Aufzeichnung, sei es die Mathsche Chronik, die Schöllanger Chronik oder das Jahrhundertbuch des F. A. Schratt, ein Eintrag darüber gemacht wurde. Doch wird diese Geschichte immer wieder nacherzählt; sie ist bis auf den heutigen Tag lebendig geblieben, so als ob sie erst vor einigen Jahren passiert sei.

Auseinandernehmen der zusammengestellten Tafeln und Entfernen derselben in die Kulissen.

15. Der Keulenkampf, eine der attraktivsten Szenen. Daran beteiligen sich nur vier der Tänzer. Diese kommen mit einer großen Keule aus ihren Kulissen. In katzenartigen Bewegungen umschleichen sie sich, so als ob einer dem anderen nicht trauen könnte und jeden Augenblick einen Überfall befurchten muß. So gehen sie im Kreis herum, jederzeit abwehrbereit; dann stellen sie sich einander zugewandt auf, und es beginnt ein Schlagabtausch mit den Keulen. In der dritten Runde liegt dann je einer auf dem Boden als Besiegter, die anderen springen mit Siegergebärden um diese herum und auf einen Ruck werden die Unterlegenen hochgezogen und es folgt ein friedlicher Reigen.
16. Der große Altar. Bei dieser vorletzten Szene beteiligen sich alle 13 Tänzer, die sich dann pyramidenförmig aufbauen.

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2000 Dienersberg - Götterbild mit Glocken

Dazu hat der Brauchtumsforscher Dr. Knuffert 1938 berichtet, daß diese Szene nicht mehr aufgeführt wurde, da niemand wußte, wie die Figur des „Altars” sich zusammengesetzt habe. Diese Äußerung trifft auf die Aufführungen der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zu, wurde aber (soweit die noch lebenden Mitwirkenden sich zurückerinnern können) immer gemacht. Auf diese Äußerung, die auch schon Benefiziat Strohmeyer 1897 vertreten hatte, wurde scheinbar sofort wieder eine Altarszene aufgenommen. Ob diese nun so war wie vor der 18jährigen Pause 1873 bis 1891, kann niemand mehr behaupten.

Deshalb wird auch lange Zeit immer von 17 Tanzszenen berichtet, und in der überlieferten Tänzerrolle von 1871 steht lediglich drin: „Aufstellung des Altars.“ Eine Figurenbeschreibung ist nicht dabei. Die Berichterstatter haben scheinbar alle voneinander abgeschrieben; denn es sind 18 Szenen und alle Berichte gehen auf 17 ein. Auch ich habe in kleineren Berichten diese Zählung verwendet. Das oben angeführte „Auseinandernehmen der zusammengestellten Tafeln“ wird nicht als eigene Szene gerechnet (eher 14 b).

17. Trinkszene mit Wilde-Mändles-Lied. Die Wilde Mändle erscheinen mit hölzernen Bechern, springen bis zur Mitte der Bühne, der letzte von beiden Reihen setzt sich auf einen Holzklotz seitlich des hinteren Einganges, die anderen setzen sich auf das Knie des Hintermannes, so daß sich eine V-förmige Sitzordnung zum Publikum offen ergibt. Dann tritt der König mit einem mächtigen Holzkrug, voll mit Bier, auf die Bühne, springt bis an den vorderen Rand der Sitzgruppe, macht einen gewaltigen Drehsprung mit dem Krug, schenkt dann allen Wilde Mändle einen Schuß Bier ein. Wenn alle etwas haben, beginnen sie mit einem Lied. Zum Refrain wird dann stehend der Schluß gesungen mit einer „prost”-artigen Gebärde am Ende. Nach dem Lied springen alle zusammen in zackigen Schritten an den vorderen Rand der Bühne in eine Reihe und verneigen sich vor dem Publikum.

Da die Wilde-Mändles-Gruppe ja kein ausgebildeter Gesangverein ist, so weiß Reiser damals schon (in Klammern) zu berichten, daß das Lied gewöhnlich von Sängern hinter den Kulissen gesungen wird. Dazu sei gesagt, daß bei den letzten Aufführungen das Lied manchmal ein rauher und grober Gesang war. Er wurde aber von den Wilde Mändle ohne fremde Hilfe gesungen. Doch sei es wie es wolle: Wir haben es hier mit einem uralten Kulttanz zu tun und letztendlich mit keiner Opernaufführung.

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2000 Dienersberg - Kleine Pyramide

Wilde Mändles - Sonderheft

Rollenverzeichnis (Weinhold) - Text stammt von dem Oberstdorfer Studenten Franz Xaver Bach.

C.d. (1855) gedruckt von Xaver Glötzle, Immenstadt

Das Wilde-Mändles-Lied

Doch nun zum kraftvoll gesungenen Wilde-Mändles-Lied, das es wert ist, ausführlicher behandelt zu werden.

Wie weit sich der Text vom ursprünglichen Gesang bis heute entfernt oder verändert hat, ist nicht zu sagen, auch nicht mehr feststellbar. Mit Sicherheit hat sich das Lied im vergangenen Jahrhundert laufend verändert und wahrscheinlich früher auch schon. Gerade die oftmals langen Unterbrechungen des Tanzes oder der Aufführung, als danach nicht nur die Rollen, sondern auch der Text verlorenging, erforderten mehrfach eine Überarbeitung. Es mußte auch u. U. aus Bruchstücken eine neues Lied geformt werden, und es wurde jedesmal auf die äußeren Umstände im Lande ausgerichtet. Leider ist das Original des „Freudenliedes”, geschrieben von Josef Anton Bach im Jahre 1811, nur bruchstückhaft vorhanden, obwohl Reiser 1897 schreibt, er selbst habe es im Besitz von Hofrat Dr. Ulrich Reh gesehen. Bedauerlich ist die Feststellung, daß auch diese Unterlagen nicht mehr vorhanden sein sollen.

Als Einleitung zu diesem „Freudenlied” ist geschrieben: „Freudenlied, vor seiner kurfürstlichen Durchlaucht ectr. Clemens Wenzeslaus, Ihrer königlichen Hoheit ectr. Kunigunde und Ihrer Herzoglichen Durchlaucht Amalie Auguste von Zweibrücken, im Markte Oberstdorf abgesungen 1811.”

Nach einer Willkommensstrophe heißt es wörtlich:

Wenn wir auch wilde Männer sind
Ringsum mit Moos bedeckt
Wenn unser Blick ein jedes Kind
Von ferne schon erschreckt
So ehren wir den Fürsten doch
Der Menschen Gutes thut - usw.

Die 4. Strophe lautet dann:

Wenn wir werden der Arbeit müd
Treten wir zusammen
Und fangen an ein Abendlied
In des Herren Namen
Auch machen wir zuweilen Spring
Beym schönen Musikschall
Und bilden einen spaß’gen Ring
Das gilt für Carnevall.

Die 5. Strophe lautet:

Sey’s uns erlaubt Erlauchteste
Vor Euch aufzuspielen
O möchte doch Ihr Edelste
Ein Vergnügen fühlen
Nun Brüder auf und gebt wohl acht
Hüpft und springt, laut schreyt He, Juche
Weil unterbleibe alles Weh.

Die 6. Strophe beginnt dann:

Jetzt setzen wir den Ehrenkranz
Auf drey Durchlauchtigste
Und stellen an den Freudentanz
Auf das Erbaulichste. - usw.

Den Schluß bilden dann noch Segenswünsche auf die hohen Gäste. Leider sind, wie schon gesagt, die anderen Teile nicht mehr auffindbar.

Beim heutigen Wilde-Mändles-Tanz werden nur noch zwei Strophen mit jeweiligem Refrain verwendet. Diese Kürzung geht auf die Zwanziger Jahre zurück, als man nach dem Ersten Weltkrieg von allem genug hatte und keine patriotischen Kraftgesänge mehr wollte.

Die heutige Kurzfassung ist den vorherigen Texten nachgemacht, nur in einfachere Weise gesetzt und lautet:

ln unsrer Berge Gipfelwald
in grauer Nacht versteckt
da ist der Wilden Aufenthalt
bis sie der Berggeist weckt.
Bei seines Hornes erstem Schrei'n
bei hellem Pfeifenklang
enteilen wir dem Felsgestein
zum frohen Rundgesang.

In dicht beschneitem Alpental
der Faun sich sehen läßt
bei Tanz und Klang, bei frohem Mahl
feiert jubelnd er ein Fest.
Der gold’nen Eintracht ist’s geweiht
die ihn so froh beglückt.
Der Freiheit, die sein Herz befreit
und wonnwvoll entzückt.

Refrain:

Der Eintracht singen wir
ein frohes Lied allhier
und immer tanzen wir
so wild durch das Revier
der Freiheit trinken wir
in Wetter, Sturm und Braus
die Becher fröhlich aus.
Dem Alpenlande bringen wir
den rauhen Kraftgesang
und unser Lebensgang
vereilt in Kling und Klang
im rauhen Kraftgesang
im rauhen Kraftgesang.

ln dieser einfachen Fassung sieht man, daß dieser Text frei wurde von den altdeutschen Trutzsymbolen „Schild und Keule”, frei von „Stutzen, Axt und Sense”, wie es früher üblich war. So hoffen wir, daß wir auch nie mehr gegen den „Franzmann” singen müssen und deshalb uns lieber mit dem einfachsten Text begnügen dürfen.

Wenn der Wilde-Mändles-Tanz in einer ähnlichen Fassung, mit einem ähnlichen Lied und fast derselben Melodie, heute nur noch in Irland und Wales als Tanz der „Green men” vorgestellt wird, im sonstigen Europa, auch in den Pyrenäen, überall verschwunden ist und nur noch, wie z. B. in Telfs in Tirol, als Fasnachtsbrauch mit Wilde-Mändle-Beteiligung gestaltet wird, so sind die Oberstdorfer um so mehr verpflichtet, dieses einmalige Tanzspiel hochzuhalten, wie sie es bisher auch gemacht haben. Das Wissen um unsere Vorfahren und der Besiedlung unserer Bergtäler wird damit immer in Erinnerung bleiben.

Aus diesen beachtenswerten Passagen geht wohl unzweifelhaft hervor, daß man das Wilde-Mändles-Lied jeweils nach den gegebenen Anlässen ausgerichtet hat. So möchte ich doch die verschiedenen mir bekannten Variationen vom Freudenlied zum Faunenlied oder dann auch wieder zurück zum Wilde-Mändles-Lied anführen.

Die folgende Fassung dürfte aus den Siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts stammen, als die Beziehungen des damaligen Prinzen Luitpold zum Allgäu immer stärker wurden und diesem zu Ehren der Tanz aufgeführt wurde. Es nennt sich wieder „Wilde-Männle-Lied” mit folgendem Text:

Wildmännle-Lied

1.
In uns’rer Berge Gipfelwald,
In graue Nacht versteckt.
Da ist der Wilden Aufenthalt,
Bis sie der Berggeist weckt.
Bei seines Hornes ersten Schrei’n,
Bei hellem Pfeifenklang
Enteilen sie vom Felsgestein
Zum frohen Rundgesang.

Chor.
Der Eintracht singen wir
Ein frohes Lied allhier,
Und immer tanzen wir
So wild durch das Revier.
Der Freiheit trinken wir
In Wetter, Sturm und Graus
Die Becherfröhlich aus.
Ganz Deutschland bringen wir
Den rauhen Kraftgesang,
Und unser Lebensgang
Vereilt in Kling und Klang,
Im rauhen Kraftgesang.

2.
Der Berggeist, der im Alpenthal
Sich sonst nicht sehen läßt,
Bei Tanz und Sang, bei frohem Mahl
Begeht er dort sein Fest.
Der goldnen Eintracht ist’s geweiht,
Die ihn so hoch beglückt,
Der Freiheit, die sein Herz erfreut
Und wonnevoll entzückt.
Chor wie oben.

3.
So wild nun auch die Männer sind,
Ringsum mit Moos bedeckt,
Wenn manchmal auch ein Alpenkind
Ihr Faunenruf erschreckt,
So schlägt ihr Herz dem Vaterland
Entgegen hoch und heiß.
Das von den Alpen bis zum Strand
Sich nunmehr einig weiß.
Chor wie oben.

4.
Rauh ist der Sang, keck ist das Spiel
Das ist der Berge Art;
Wo ernst das Leben, wird das Ziel
Auch noch beim Scherz gewahrt;
Drum brause stürmisch, wilder Chor,
Drum jauchze freudentbrannt
Bis zu den Gipfeln hoch empor,
Du Liedjür’s Vaterland.
Chor wie oben

5.
Dir, Freiheit, dir, der Berge Kind,
Ertönt das starke Lied,
Der Männerkraft, die treu gesinnt
Nie aus den Bergen schied,
Dem Mannesmut, der, wenn es gilt,
Nicht wankt, den Alpen gleich,
Zur Keule greifet und zum Schild
Für Bayern, für das Reich.
Chor wie oben.

H. Klingler berichtet über denselben Text des Liedes, doch mit einigen kleinen Abweichungen, mehr auf Kriegsstimmung ausgerichtet. So heißt es im Refraingesang:

Ganz Deutschland bringen
den rauhen Kriegsgesang.

und in einer anderen Passage heißt es in der 3. Strophe:

So wild nun auch die Männer sind
ringsum mit Moos bedeckt,
wenn manchmal auch ein Alpenkind
ihr Flammenruf erschreckt.

Der Text von 1811 ehrt die hohen Gäste. Eine Passage aber lautet:

Und bilden einen spaß’gen Ring
Das gilt für Carnevall.

Dies könnte der Bezug sein für die Fasnachts- bzw. Maskenumzüge im vorigen Jahrhundert. Eine andere Stelle deutet auf die Ehrung des Prinzen Luitpold und des Bayernlandes hin, wenn es heißt:

Zur Keule greifet und zum Schild
Für Bayern, für das Reich.

Wilde Mändle - Sonderheft

2000 Dienersberg - Große Pyramide

ln der nächsten Fassung, die uns Karl Weinhold aufgezeichnet hat, wird in Stimmung und Betonung die Kriegszeit 1870/71 wiedergegeben. Auch wurde es damals „zum Besten Für die Verwundeten” gespielt. Dieser Text nennt sich wieder „Faunenlied”, hat aber kaum etwas mit der römisch-griechischen Mythologie zu tun, den Göttern Fauna und Faunus, den Wald- und Feld- sowie Hirtengöttern. Hier der Wortlaut:

Faunenlied

I.
In Höhlen und im dunkeln Wald,
In grauer Nacht versteckt,
Da ist der Faunen Aufenthalt,
"Bis sie das Horn geweckt;"

Doch bei der Hörner ersten Schrei’n
Und hellem Pfeifenklang,
Da geht es über Stock und Stein
Zum frohen Rundgesang! (rep.)

Chor:
Der Eintracht singen wir
Ein frohes Lied allhier,
Und immer tanzen wir
So wild durch das Revier.
Der Freiheit trinken wir
In Wetter, Sturm und Graus

Die Becherfröhlich aus.
Ganz Deutschland bringen wir
Den rauhen Kraftgesang
Und unser Lebensgang
Vereilt in Kling und Klang
Im rauhen Kraftgesang.

2.
Im dichtbeschneiten Älpenthal
"Der Faun sich sehen lasst;"
Bei Tanz und Sang und frohem Mahl
Fei’rt jubelnd er ein Fest.
Dergoldnen Eintracht ist’s geweiht
Die ihn so hoch beglückt,
Der Freiheit, die sein Herz erfreut
Und wonnevoll entzückt! (rep.)
Chor.

3.
So wild nun auch die Männer sind,
Ringsum mit Moos bedeckt,
Wenn manchmal auch ein Alpenkind
Ihr Faunenruf erschreckt,
So ehren sie den Krieger doch,
Der Deutschland Hilfe bringt,
Und schätzen alle Menschen hoch,
Die gut und edel sind! (rep.)
Chor.

4.
Dem tapfern deutschen Heere singt
Der wilde Mann das Lied
Und für den deutschen Kaiser springt
Der Faun sich gerne müd.
Hoch über Klüften und Gestein
Singt er mit frohem Mut,
Und für den freien deutschen Rhein
Giebt Leben er und Blut, (rep.)
Chor.

5.
Er fürchtet nicht das Chassepot
Und nicht Kanonenknall,
Die Eisenkugel bricht wie Stroh
Am festen Bergeswall.
Und muss hinaus er in die Schlacht,
Er trifft sein Ziel genau:
Herr Franzmann, du bekommst die Tracht,
Dir wird der Buckel blau. (rep.)
Chor.

Der Text ist eigentlich für einen alten Kulttanz mit reichlich Kriegspatriotismus durchmischt worden und man erkennt daran, daß die Verantwortlichen oder der Textschreiber eine ganz andere Denkweise hatten als wir heute. Die vaterländische, monarchistische Einstellung kann die heutige Generation kaum noch verstehen. Man könnte lakonisch feststellen: Die haben sich ganz schön vor den Propagandakarren spannen lassen mit diesem siegessicheren Kriegsgeheul.

Zur Erläuterung muß noch gesagt sein, daß das „Chassepot”, das man dabei nicht gefürchtet hat, das von den Franzosen neu entwickelte Hinterladergewehr war.

Wilde Mändle - Sonderheft

2000 Oybelehalle - Kopfstand

Eine andere Fassung des Wilde-Mändles-Liedes konnte ich entdecken, leider ist nicht bekannt, wann es entstanden ist und von wem es stammt. Darin ist ein völlig neuer Text geboten, wenn es heißt:

Wir sind die wilden Männle
Wir tanzen in diesem Jahr
Die alten Wildemännlestänze
Aus den Zeiten von Not und Gefahr
Wir tanzten vor bald tausend Jahren
Im Allgäuer Heimatland
Geschmückt mit grau-grünen Haaren
Seynd wir hier Jedem bekannt

Wir werden auch einst noch tanzen
Wenn ihr alle seyd Asche und Sand
Wenn der Franzmann fiel von den Schanzen
Und frei wieder Deutsches Land
Denn, mit Stutzen, mit Axt und mit Sensen
Wir tanzen in Tag und Jahr
Unsere schönsten Wildemännlestänze
Aus den Zeiten von Not und Gefahr.

Die Zeile in der zweiten Strophe: „mit Stutzen, mit Axt und mit Sensen...” könnte den Schluß erlauben, daß dieser Text vor dem von Jos. Ant. Bach verfaßten Text von 1811 entstanden ist - denn den „Franzmann” wollte man, schon seit er die linksrheinischen Städte Aachen und Köln 1794 besetzte, rauswerfen, und die kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Franzosen dauerten immerhin bis 1815. Auch in späteren Jahren hatte man immer wieder „Läscht” mit dem „Franzmann”, also kann die Zeit des Textes nicht genau bestimmt werden. „Zeiten von Not und Gefahr” hat es immer wieder gegeben.

Nach diesen Liedtextbeschreibungen noch ein kurzer Hinweis. Es kam mir eine Notiz in die Hände, wo es heißt, daß die Wilde Mändle Larven aus Holz, also geschnitzte Larven getragen haben. Ob diese nun beim Wilde-Mändles-Tanz getragen wurden oder bei den beschriebenen Maskenumzügen ist nicht feststellbar.

Wilde Mändle - Sonderheft

Max Schratt (r.), langjähriger Wilde-Mändles-Tänzer und Vortänzer.

Anton Köcheler(l), Verfasser dieses Beitrags.

Bemerkungen aus dem Protokollbuch

Einige Auszüge aus dem Protokollbuch des Trachtenvereins sind ganz interessant. Im Jahre 1901 wurde vom Trachtenverein ein eigener Wilde-Mändles-Ausschuß gebildet, dem die Herren Johann Huber, Anton Huber, Michl Huber und Alois Tauscher angehörten, dazu ergänzend auch ein Musikausschuß, damit keine falsche Musik gespielt werde, mit den Herren Lutz, Wolfgang Geiger, Karl Hohenadl und Karl Richter. Man war also im ersten Jahr, als der Trachtenverein den Tanz unter seine Fittiche nahm, besorgt, daß ja alles richtig gemacht werde. Aus Sparsamkeitsgründen wurde als Standort die Hofmannsruh gewählt.

In der nächsten Niederschrift aus demselben Jahr ist dann die Abrechnung des Tanzes vermerkt. Für die Wilde-Mändles-Aufführungen haben die 13 Wilde Mändle jeweils 13,- Mark erhalten, inklusive Aufbau der Bühne, Besorgung des Daas, Auftritte usw., also pro Mann und Auftritt 1,- Mark. Die Jahresabrechnung sah folgendermaßen aus:

Veranstaltung vom 21. Juli Überschuß 125,72 Mark,
Veranstaltung vom 11. August Überschuß 16,70 Mark,
Veranstaltung vom 18. August Überschuß —,60 Mark,

zusammen 143,02 Mark, davon gehen für Maßkrüge, Taglöhner und Wilde-Mändle-Statuen noch 43,- Mark weg und mit den verbleibenden 100,02 Mark wurde ein großer Vereinsausflug ins Oytal gemacht.

Ein anderer Eintrag ist ebenfalls erwähnenswert. Beim Wilde-Mändles-Tanz im Jahre 1903 wurde ein Defizit von 43,34 Mark „erarbeitet”. Deshalb fiel der Ausflug mit Roß und Wagen nach Birgsau aus. Das Defizit war entstanden, da der Verschönerungsverein den Bühnenaufbau nicht ganz übernommen hatte.

Derselbe Eintrag taucht 1908 nochmals auf, diesmal mit einem Defizit von 50,- Mark.

Anläßlich der verregneten Aufführungen von 1922 zeigte sich doch allerhand Hilfsbereitschaft aus der Bevölkerung. So lesen wir: Das Holz zur Bühne stellte Ehrenmitglied Albert Gschwender kostenlos zur Verfügung, den Auf- und Abbau derselben übernahm die Marktgemeinde, den Transport ins Gschlief und wieder heim übernahmen die Fuhrleute Fritzl Müller, Rudolf und Georg Schwendinger, Otto Blattner und Kasts Wwe., ebenfalls kostenlos.

1925 besaß der Trachtenverein bereits eine eigene Bühne.

1928 wurde wegen der hohen Strom- und Installationskosten eine Abendveranstaltung abgelehnt.

1932, am 17. November, wurde der Wilde-Mändles-Tanz in das „Jahrbuch für lebendige Volksspiele” eingetragen.

1934 wurde eine Aufführungdes Tanzes beim Reichsbauerntag in Goslar einstimmig abgelehnt, doch dann unter sanftem Druck (?) doch noch mitgemacht. Der Druck kam vom „Reichsnährstands-Ministerium”. Die Aufführungen wurden ein einmaliger Erfolg für die Oberstdorfer.

1935 erschienen im Herder-Verlag mehrere Bilder vom Wilde-Mändles-Tanz mit dem Vermerk: Alleiniges Aufführungsrecht hat der Gebirgstrachten- und Heimatschutzverein Oberstdorf.

Es gäbe noch viele solcher Vermerke. Doch das Wichtigste an der ganzen Sache scheint mir, daß der Tanz sich all die Jahre erhalten hat, und es wird für die Oberstdorfer auch künftig eine hohe Verpflichtung sein, diesen so wertvollen Kulttanz weiterzutragen und an die nächste Generation zu vererben.

Quellennachweis:
Protokollbuch des Gebirgstrachten- und Heimatschutzvereins Oberstdorfe. V. von 1901 bis 1985.
Prof. Werner Grundmann, Geschichte des Marktes Oberstdorf 111, 1976, S. 318 - 321.
Prof. Werner Grundmann, Jahresbericht des Gymnasiums Oberstdorf 1964/65, S. 44 bis 48.
Petrus Hubertus Steigerwald, Tanzkult der Oberstdorfer Bergbauern. Bericht an das Reichspropagandaministerium,
Berlin 1938.
Dr. Knuffert, Augsburg, Berichte an das Reichspropagandaamt Schwaben, 1938.
Prof. Arno Steinert, Frankfurt, Presseberichte von 1933.
Prof. Arno Steinert, Frankfurt, Briefverkehr und Berichte an den Reichsbauernführer Walter Darre, Mai 1934.
Dr. Carl Borchers, Wilde Mann - Heckenmänner, 1934, Schnitzfeld im Ratsherrenzimmer zu Goslar, S. 1 8.
„Sammler”, Beilage zur Augsburger Abendzeitung, Jahrgang 1873, Nr. 68 und Allgäuer Anzeigeblatt vom 24. 7. 1897
Gottfried Schwab, „Sammler”, Jahrgang 1897, Nr. 98, S. 3 - 4.
Dr. Schäffler, Mitteilungen des DÖAV, 1897, Nr. 8, S. 93.
Karl Weinhold, Zeitschrift des Vereins für Volkskunde Berlin, 7. Jahrgang, 1897, S. 427 - 437.
Strohmeyer, Benefiziat in St. Maria Loretto, Oberstdorf, Augsburger Postzeitung, Beilage „Der Postbote”, 1897.
Graf Vojkffy, Sonderdruck des Oberstdorfer Gemeinde- und Fremdenblattes, 1936, Nr. 44.
Graf Vojkffy, „Unsere Heimatbeilage”, 1932, Nr. 6, S. 24.
Dr. Karl Reiser, Sagen und Gebräuche des Allgäus, München, Ausgabe II, 1895 und 1902.
Ignaz Zingerle, Meinungen, Sitten und Bräuche des Tiroler Volkes, 1870, 2. Auflage, S. 134.
Ignaz Zingerle, Wolf-Mannharts-Zeitschrift für deutsche Mythologie, Göttingen, 1855, III, S. 200.
Fink und Klenze, Der Mittelberg, 1891, S. 435.
Oberländer Erzähler, 1938, 8. Jahrgang, Nr. 9 (keine Signatur).
"H. Klinglcr, Oberstdorfer Gemeinde- und Fremdenblatt, Beilage „Alt-Oberstdorf"", 1926, Nr. 7 11."
Bericht im Oberstdorfer Gemeinde-und Fremdenblatt vom 12.8. 1925 und vom 1.6. 1933 (Signatur „St”, m. E. Stirius).
Ludwig Mayr, Tiefenbach, Oberstdorfer Gemeinde- und Fremdenblatt vom 29. 8. 1933, 13. Jahrgang, S. 3.
Hans Planner, Bilder aus dem Prättigauer Volksleben, Chur, 1949.
Chemnitzer Zeitung vom 6. 8. 1926, S. 6.
Bayerische Hefte für Volkskunde, Heft 1/2, 3. Jahrgang, 1916.
Dr. Alfred Weitnauer, Kempten, Das schöne Allgäu, März 1952, Heft 2.
Gästebuch des Hotels Luitpold, Oberstdorf, Eintrag 1922, S. 43.
Programmheft des Trachtenvereins von 1965 und 1980.
Faltblatt des Trachtenvereins Oberstdorf, 1925.
Rosemarie Hentschel, „The green men of Ireland and Wales”, Bayreuth, Briefe mit Altertumsforscherin, 1972.
Baader, Nürnberger Polizeiordnung, Nürnberg, 1861, S. 92 f.
E. Sommer, Sagen aus Sachsen und Thüringen, S. 155 f.
Wolf-Mannharts-Zeitschrift, Leipzig, Wald-und Feldkulte, 1. Band, S. 339.
Hans Gapp, Schleicherlaufen von Telfs, Telfs in Tirol, Hörterbergdruck, Jänner 1985.
Dr. Erhärt Dörr, Allgäuer Heimatkalender 1979, Geheimnis des Stecholder.
Artur Neißer, Allgäuer Zeitung, Kempten, Wilde Männle, 24. 7. 1901.
Heinz Spielmann, Die Kunst und das schöne Heim, Der Wilde Mann, 5/62. Jahrgang, Februar 1964 B 4357 E.

Wilde Mändle - Sonderheft

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