Dr. Hans Modlmayr ( 1857 - 1925) - (Teil 3)

von Dr. Kurt Eberhard am 01.06.1989

Der Verfasser setzte im 1.Teil seines Artikels die folgenden Abschnitte: Zunehmender Fremdenverkehr im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts - Reisehandbücher zur Information notwendig - Vorläufer des Modlmayr-Reiseführers - Biographisches zu Hans Modlmayr.

In Teil 2 seiner Abhandlung beschrieb und erläuterte der Verfasser die einzelnen Abschnitte des ersten Oberstdorfer Reiseführers.

Weitere Alpinismus - Literatur des Hans Modlmayr

In den Kreisen der deutschen und österreichischen Alpinisten wurde Hans Modlmayr durch seinen Aufsatz über - Die Trettachspitze - bekannt. Er veröffentlichte ihn im Dezember 1888 in den „Mittheilungen des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins”. Diese Verbandszeitschrift erschien „am 1. und 15. jeden Monats”, ging den Mitgliedern des Vereins unentgeltlich zu, kostete im Handel 25 Pfennig und erschien damals in einer Gesamtauflage von 24.000 Exemplaren. Schriftleitung und Geschäftsstelle befanden sich in München, in der Neuhauserstraße (Alte Academie).

Es handelt sich bei dieser Arbeit Modlmayrs um keinen nüchternen Bericht, schon gar nicht um eine wissenschaftliche Abhandlung, sondern eher um eine Erzählung, die einerseits bei verschiedenen Anlässen die entsprechende epische Breite aufweist, andererseits eine Reihe von sachlichen Angaben enthält. Der Verfasser schildert eine führerlose Besteigung der Trettachspitze am 12. August 1886, die er und sein Freund und Berufskollege Christoph Wolff unternahmen.

Er habe diese Erzählung zu Papier gebracht, so schreibt Modlmayr einleitend, weil seine Tour „nicht ohne einiges Interesse sein dürfte”, hauptsächlich aber, „um eine Anzahl nicht unerheblicher Ungenauigkeiten des Barth’schen Berichtes über die ersten Besteigungen der Trettachspitze zu berichtigen”. Er bezieht sich hier auf zwei Publikationen des berühmten Alpinisten Hermann von Barth (1844 - 1876).

Gleich zu Beginn charakterisiert Modlmayr den Berg, den er vor sich hat. Er nennt die Trettachspitze „den kühnsten Gipfel der Algäuer Alpen”, der „auf dem Algäuer Führertarife mit der Bemerkung figurirt: ,wegen Gefährlichkeit ohne Taxe’, welches Schicksal unter den Algäuer Gipfeln mit ihr nur noch die Höfats, die Ilfen- und die Oefnerspitze theilen”.

Die Darstellung des eigentlichen Aufstiegs und Abstiegs umfaßt in der Erzählung etwa ein Drittel des gesamten Umfangs, immer wieder unterbrochen von schönen Landschaftsschilderungen.

Viermal kann man im Text Modlmayrs den Satz lesen: „Die Höfats ist zur Trettachspitze wie Tag und Nacht. ” Diese Aussage stammt von dem bekannten Oberstdorfer Bergführer Johann Baptist Schraudolph (1826 - 1908), die dieser Wolff und Modlmayr gegenüber machte. Er wollte damit sagen, daß die Trettachspitze weit schwerer zu besteigen ist als die Höfats. Modlmayr schloß sich dieser Auffassung geradezu begeistert und schwärmerisch an. Vielleicht auch deshalb, weil er hier einen Unterschied zu Hermann von Barth aufzeigt, der die Trettachspitze im Vergleich zur Höfats als nicht schwieriger einstuft. Auch der damals unter Alpinisten geschätzte Josef Zametzer schränkt ein: „. . . doch ist der Maßstab ganz individuell.”

Von der zu Beginn angekündigten Berichtigung von „Ungenauigkeiten” in der Darstellung des Hermann von Barth ist nicht viel geblieben. Zwei erscheinen recht geringfügig: Es betrifft die Umkehr des Urban Jochum beim ersten Versuch im Jahre 1855 und den angeblich „fehlenden” Gewährsmann des Hermann von Barth. Und was die dritte Berichtigung Modmayrs anbelangt, so stellte sich diese auch als Fehler heraus. Es handelt sich um den früheren Namen der Trettachspitze. Nach einer Unterhaltung mit Schraudolph schloß Barth von dem Dialektwort „Giiskopf” auf das schriftdeutsche Wort „Geißkopf”. Modlmayr, der das als „bedeutendes Missverständnis” Barths bezeichnete, machte sich eine Erklärung Schraudolphs zueigen, für den „Giestkopf” eben „Geistkopf’ bedeutete. Eine entsprechende Sage zur Verdeutlichung wurde von Schraudolph nachgeliefert. Anton Spiehler und - was mehr verwundert - August Kübler übernahmen wahrscheinlich die Auffassung Modlmayrs. Thaddäus Steiner hält diese Erklärung für „völlig unhaltbar”. Ausgehend von der Walsersprache (Einödsbach war einst eine alte Walsersiedlung) steht für Steiner fest, daß das Dialektwort „Giis(t)kopf” im Schriftdeutschen „Geierskopf” bedeutet.

Mit diesem Aufsatz wurde Hans Modlmayr endgültig bei allen bekannt, die direkt oder indirekt mit dem Alpinismus in Berührung kamen, auch in bestimmten Verlegerkreisen, wie z.B. bei dem Leipziger Reisebücherverleger Leo Woerl.

Noch mehr wurde er zum Herold des Alpinismus durch eine weitere Veröffentlichung. Im August und September 1893 erschien seine Arbeit - Bergsport und Alpinismus - in drei Teilen in den Alpenvereinsmitteilungen. Die Gesamtauflage dieser Blätter betrug in diesem Jahr 30.000. Das bedeutete eine Steigerung in den zurückliegenden fünf Jahren um 25 (!) Prozent.

Modlmayr hat die Zielsetzung seines Aufsatzes selbst formuliert: Er wollte versuchen, den ihm „als Ideal vorschwebenden Hochtouristen” zu zeichnen. Der unmittelbare Anlaß für die Abfassung dieses längeren Artikels dürfte mit Sicherheit die Veröffentlichung eines anderen Aufsatzes gewesen sein. Es handelt sich um den Titel (in der Übersetzung): Die Gefahren des Alpinismus und Regeln, um sie zu vermeiden. Die vorliegende Arbeit des Hans Modlmayr ist also an sich eine erweiterte Besprechung der „trefflichen Abhandlung” der damals bekannten italienischen Alpinisten Cesare Fiorio und Carlo Ratti. Modlmayr zieht immer wieder die Beispiele und Argumente der beiden Italiener heran, kommentiert sie und belegt seine Ansichten mit vielen eigenen Erfahrungen und mit der Meinung anderer berühmter Alpinisten des neunzehnten Jahrhunderts - Gleichzeitig abstrahiert er und „zeichnet” so das Idealbild eines Hochtouristen, wie es ihm vorschwebt.

Sowohl die beiden italienischen Autoren als auch Hans Modlmayr sind begeisterte Anhänger des Alpinismus und verteidigen ihn leidenschaftlich gegen alle Angriffe. Und das waren in den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts nicht gerade wenige. Die echten Alpinisten wenden sich nicht nur gegen „Tagesblätter mit Sensationsartikeln”, sondern auch gegen sog. Pseudo-Alpinisten. Modlmayr gebraucht hier das Wort „Bergfexen”. Im bairisch-österreichischen Sprachraum versteht man darunter Narren, also jene, die auf das Bergsteigen geradezu versessen sind, denen, so Modlmayr, „es nicht mehr um den so edlen Alpinismus, sondern um Sport sans phrase [ohne (Umschweife] zu tun ist”. Ein echter Alpinist müsse nicht nur bestimmte physische Eigenschaften besitzen, wie Ausdauer, Trittfestigkeit, Schwindelfreiheit, wichtiger seien die moralischen: Willenskraft, Zähigkeit, Geduld.

Welchen Stellenwert das Bergsteigen in großen Höhen für Hans Modlmayr hat, zeigt folgende Textstelle, die gleichsam hymnisch abgefaßt ist: Dem echten Alpinisten „muß es erlaubt sein, eine erhabene Freude zu fühlen, eingeweiht zu sein in die Mysterien da oben, wo der Adler schreit und die Lawine donnert, und das Banner schwingen zu dürfen mit der stolzen Devise ,Excelsior”.

Im letzten Drittel seines Aufsatzes erörtert Modlmayr nochmals das Pro und Kontra der führerlosen Touren. Hier ist anzumerken, daß vor hundert Jahren diese sog. neue Schule heftig umstritten war. Der Verfasser schreibt hierzu, daß die Engländer und die Deutschen sich am meisten mit diesem Thema beschäftigt haben, „die ersteren in sachlichen Artikeln ohne rhetorische Floskeln, die letzteren aber häufig in streitsüchtiger, persönlicher und kleinlicher Weise”.

Nachdem Dr. Modlmayr nochmals alle Hochtouristen vor Selbstüberschätzung warnt, schließt er seine Arbeit „mit dem Wunsche, in unseren Vereinen möge der Alpinismus die Hauptaufgabe sein und bleiben, der Sport aber nur eine untergeordnete Stelle einnehmen”. Der Autor hat damit nicht nur sein Ausgangsthema nochmals vor den Leser hingestellt, er bezieht auch eindeutig zu den beiden Bereichen Stellung.

Bei älteren und an der Heimatgeschichte interessierten Bürgern von Oberstdorf ist Hans Modlmayr vor allem durch sein Buch gut bekannt. Es ist 1903 in Memmingen erschienen und trägt den Titel: Bunte Bilder aus dem obern Allgäu . Das Buch erfreute sich in der Vergangenheit auch wegen der erläuternden Bildbeigabe einer großen Beliebtheit. Es wird von Kennern heute noch geschätzt.

Im Vorwort erzählt der Verfasser, wie es zur Enstehung des Buches gekommen ist. Er sollte „eine Kollektion Zeichnungen des Herrn Willi Irlinger mit einigen begleitenden Worten versehen”. Deshalb seien für ihn die „Bunten Bilder” eher „harmlos gemeinte Plaudereien”. Beide Formulierungen muß man nach der Lektüre des Buches doch als Tiefstapeleien bezeichnen.

Modlmayr zitiert bei verschiedenen Gelegenheiten den von ihm hoch geschätzten Oberstdorfer Arzt und Autor Dr. Joseph Groß (1818 - 1865), den bekannten Botanikprofessor Dr. Otto Sendtner (1813 - 1859), den Oberstdorfer Pfarrherrn Johann Nep. Stützle (gest. 1874). Über Sitten und Gebräuche und wirtschaftliche Fragen in unserer Heimat unterrichteten ihn der Hotelbesitzer Fritz Gschwender (1845 - 1925), der Maler und Chronist Franz Alois Schratt (1868 - 1963), der Buchhändler Xaver Volderauer (1858 - 1942) und Fachleute aus Immenstadt und Sonthofen.

Das Buch ist in fünf Abschnitte eingeteilt, der erste ist betitelt: Ein österliches Interview beim alten Schraudolph in Einödsbach. Es entspricht ganz der Einstellung Modlmayrs, wenn er zu Beginn feststellt, daß „zu den umwälzendsten Errungenschaften der neueren Zeit” neben Eisenbahn, Telegraph und anderem auch - der Alpinismus zählt. Malerisch sind immer wieder die Landschaftsschilderungen des Verfassers gehalten. Aus dem Interview mit Johann Baptist Schraudolph ist zwar nichts Bedeutendes zu erfahren; wir erhalten aber ein recht anschauliches Bild vom Nestor der Oberstdorfer Bergführer.

Im ersten Abschnitt beginnen schon „manche an sich nicht uninteressanten Einschiebungen”, die Modlmayr im Vorwort angekündigt hat. Sie stehen zwar manchmal „in nur loser Beziehung zum Thema”, meist in Gestalt von Fußnoten, sie enthalten aber doch wissenswerte Vorkommnisse und Hinweise; sie sind über das ganze Buch verteilt: die achtzackigen Allgäuer Gliedereisen, Auswirkungen einer Staublawine, die Namen (mit Daten) der Trettach-Besteiger, Aufenthalt in einer Alpe, das Heuen an den Berghängen, aufkommende Fabrikarbeit, Bräuche beim Aufzug auf die Alpe, Sennereien, Herdebuchschau, Kleidung der Oberstdorfer (Tracht!), Genossenschaftsalpen, Kässpätzle, Herstellung eines Rundkäses, „Die Alpen im Algöw” (1784), Danse Macabre und andere.

Recht amüsant geschrieben ist der zweite Abschnitt: Einhochalpines Fest im Allgäu. Es handelt sich um die feierliche Eröffnung des Heilbronner Weges im Juli 1899. Zwei Textstellen erscheinen bezeichnend für den Verfasser. Vor der „offiziellen Fahrt mit der Festgesellschaft ins Stillachtal” (am Nachmittag) machte Hans Modimayr noch einen längeren Spaziergang. „Bald stand ich zum soundsovieltenmale auf der Höhe von Reute - Kornau und in unverminderter Begeisterung hob sich die Brust freudetrunken beim Anblick des Kessels von Oberstdorf.” Vor der Rappenseehütte stand er lange mit Heinrich Schwaiger beisammen, „dem berühmten Kenner des Karwendels und Kaisergebirges”; sie „tauschten seelenverwandt” ihre Ansichten aus „über Bergsport und Alpinismus und den Unterschied zwischen übertriebener und daher nervenzerstörender Felskletterei und einem ruhigeren Genießen der Herrlichkeiten des Hochgebirges”. Der Bezug zum Aufsatz aus dem Jahre 1893 ist hier ganz offenkundig.

Die meisten Informationen bietet dem Leser der dritte Abschnitt: Alpwirtschaft und Sennenleben. Eine Ausführung des Verfassers, die zum Vergleich mit unserer Zeit anregt, ist zu berichtigen. Er schreibt, daß „eine gute Kuh” um die Jahrhundertwende „fünfzehn bis zwanzig Liter Milch” täglich gebe, „also beträchtlich mehr als zu Sendtner’s Zeiten”, d.h. um die Mitte des vorigen Jahrhunderts. Hier hat Modlmayr entschieden zu hoch gegriffen. Etwa ironisch ausgedrückt: Er war seiner Zeit weit voraus, um neunzig Jahre und mehr; denn im Allgäu wird „erst” heute eine tägliche Milchleistung von ca. 16 Liter angegeben. Um die Jahrhundertwende sind ca. 9 Liter und 1850 wahrscheinlich ca. 4 Liter anzusetzen.

Recht lebhaft und anschaulich ist auch der vierte Abschnitt geschrieben: »Auf der südlichsten Hochwarte des Deutschen Reiches. «Es handelt sich um eine etwas umständliche führerlose Besteigung des Biberkopfes (2.600 m) im September 1886. Zu Beginn der Ausführungen begegnet man wieder der großen Sympathie Modlmayrs für die Oberstdorfer Berge. Er vergleicht die „drei hervorragendsten bayerischen Gebirgsstandquartiere Berchtesgaden, Partenkirchen und Oberstdorf”. Die beiden oberbayerischen Orte müßten gegenüber Oberstdorf zurücktreten, schreibt er, „sobald Zahl und Vielgestaltigkeit der Berge und die Abwechslung ihrer Panoramen in Anrechnung kommt”.

Immer wieder stellt der Verfasser auch hier Vergleiche an zwischen den spartanischen Verhältnissen bei den Alpinisten in den achtziger Jahren und den Annehmlichkeiten in den ersten Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts. - Etwas lächeln muß man bei einem anderen, recht eigenartigen Vergleich: „Die frische Bergluft berauschte mich ungefähr wie der Pulvergeruch den Soldaten am Tage der Schlacht.” Das klingt schon sehr wilhelminisch und martialisch, entspricht aber der Ausdrucksweise vieler Menschen in der damaligen Zeit.

Der fünfte und letzte Abschnitt des Modlmayr-Buches trägt den Titel: »Die Totentänze im alpinen Gebiete des Lechs und der Iller.« Dieser Aufsatz war bereits 1899 in den Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins veröffentlicht worden. Der Verfasser bespricht kurz die Totentanzgemälde in Füssen, Oberstdorf, Breitenwang bei Reutte, Elbigenalp, Elmen und Schattwald. Bei seinen Erläuterungen stützt er sich auf die heute noch aktuelle wissenschaftliche Arbeit des Gymnasiallehrers Dr. Anton Dürrwaechter, die 1898 erschienen ist. Es ist Modlmayrs Ziel, daß geistig aufgeschlossene Leser „Dürrwächter’s Abhandlung studieren” und die „bescheidenen, aber doch hochinteressanten Kunstschöpfungen” in den genannten Orten anschauen.

In Füssen ist der Totentanz in der St. Anna-Kapelle, unmittelbar an die St. Mang- Kirche angebaut, zu finden. Es sind vier mal fünf Bilder. „Sagt Ja, Sagt Nein, Getanzt Muess Sein”, steht auf einem Schild oberhalb des Stuckrahmens. Der Baseler Totentanztext (ca. 1470) und Holbeins „Bilder des Todes” (1538) beeinflußten das Füssener Werk vom Jahre 1602. Die Hexe (Bild 16) dagegen war eine „durchaus selbständige Füssener Erscheinung” und keine „neue Erfindung” in Oberstdorf. „Die Unholdt” steht am unteren Rand dieses Füssener Bildes. Das Wörterbuch zur Wortgeschichte und Herkunft der Wörter erklärt: „Der germanische Teufel- und Hexenname ist das substantivierte Adjektiv unhold . . . ,nicht geneigt, feindlich gesinnt’.

Der Füssener Totentanz sei „zwar kein bedeutendes Kunstwerk, aber ein bedeutungsvolles”, schreibt Hans Modlmayr, „das geeignet war, Schule zu machen”. Der Totentanz von Oberstdorf wurde zunächst von ihm beeinflußt. Er wurde 1640 von dem Füssener Bürger Gabriel Neckher gemalt und befand sich auf der nördlichen Wand der Vierzehnnothelferkapelle. Diese Kapelle, am Nordrand unseres Dorfes gelegen, ist am 5./6. Mai 1865 ausgebrannt und wurde 1888 abgebrochen. Die Verse bei den Bildern sind erhalten. Pfarrer Stützle muß man dafür danken; denn er hat sie in seinem bekannten Buch festgehalten. Sprachliche Gestaltung und inhaltliche Aussage der Oberstdorfer Verse stimmen mit den Zeilen des Füssener Textes im großen und ganzen überein.Neu aufgenommen wurde das Bild „Der Tod und der Jüngling”. Gabriel Neckher und Johann Frey (1616 - 1641 Pfarrherr in Oberstdorf) brauchten ein 21. Bild (drei mal sieben Bilder).

Modlmayr ergänzt seine Ausführungen mit einigen Versen aus dem Oberstdorfer Totentanz. Zu den Verszeilen des neunzehnten Bildes bemerkt er, daß „auch in Oberstdorf ’ 1586 - 1587 einundzwanzig „Hexen” verbrannt worden seien. Dieser furchtbare Prozeß und die barbarische Vollstreckung des Urteils an fünfzehn Oberstdorfern fanden aber in Sonthofen statt.

Das Buch des Dr. Hans Modlmayr hat seit seinem Erscheinen viele Freunde gefunden. Eine eindrucksvolle Zeichnung von Willi Irlinger ziert die vordere Umschlagseite des 1. Heftes von „Unser Oberstdorf’, und ein Beitrag in diesem Heft beschäftigt sich mit ein paar Stellen aus diesem Buch. Der Verfasser, der verstorbene Oberstdorfer Ehrenbürger Karl Hofmann (1899 - 1985), bezeichnet Modlmayr als „einen hervorragenden Kenner des Allgäuer Volkstums, der Alpwirtschaft und der touristischen Vorgänge”. Er spricht von einem „Buch mit Herz”. Und an einem anderen Ort nennt er es „ein mit viel Liebe und Hingabe gestaltetes Buch”.

Hans Modlmayr vermittelt Wissen und hält Stimmungen fest. Beides bringt uns ein Stück Alt-Oberstdorf näher.

Andere Oberstdorfer Reiseführer

In einer späteren Auflage seines Reiseführers spricht Modlmayr im Vorwort von einer „hervorragend tüchtigen Konkurrenz”, die er inzwischen bekommen habe. Er meint damit den Reiseführer von Professor Dr. Adolf Thürlings (1844 - 1915), der im Januar 1891 in 1. Auflage in Augsburg bei „Lampart’s Alpinem Verlag” heraus kam. Die zweite Auflage erschien 1893 und die dritte und letzte im Jahre 1896. Ein wesentlicher Förderer dieses Werkes war der Verschönerungsverein Oberstdorf.

1872 bildete sich in Kempten eine altkatholische Gemeinde. Ihr erster Pfarrer wurde der aus dem Rheinland stammende Priester Adolf Thürlings. 1887 ernannte ihn die Regierung des Kantons Bern zum Professor der systematischen Theologie an der „christkatholischen Fakultät” der Universität Bern. Seine Bedeutung für die altkatholische Kirche im deutschsprachigen Raum liegt „in der Schöpfung einer altkatholischen Liturgie” und in der Abfassung eines altkatholischen Gesangbuches. Seit 1911 hatte er die Hauptleitung der bedeutendsten Zeitschrift der altkatholischen Kirchen. „Die Beiträge aus seiner Feder sind Zeugnisse eines ebenso geistvollen wie tiefreligiösen Mannes”, heißt es in einem Nachruf der „Berner Woche”.

Thürlings betont im Vorwort seines Reiseführers, daß er „zumeist” nur solches geschrieben habe, „was ein seit 1873 alljährlich wiederholter Aufenthalt an Ort und Stelle dem Verfasser selbst geboten hat”.

Teil 3 Dr. Modlmayr - Heft 15

Adolf Thürlings

1906 gemalt von Emil Keck, München
(geboren in Wildpoldsried)

Professor Thürlings hatte offensichtlich ein sehr persönliches Verhältnis zu Oberstdorf. Er muß auch großes Vertrauen in die Zukunft des Marktes als Kurort gehabt haben und ein Mann mit Weitblick und mit Mut zum Risiko gewesen sein. Nur so läßt sich erklären, daß er schon in den achtziger Jahren große Grundstücke in Oberstdorf erwarb. Er gründete zusammen mit seiner Schwester Anna Thürlings (gest. 1938) die Pension Rubihaus an der Neubaustraße (heute Nebelhornstraße).

Das Ziel seines Büchleins formulierte der Verfasser so: Das Reisehandbuch „will den Besuchern des unerschöpflichen Oberstdorf ein Hilfsmittel zu gewinnreicher Beobachtung sein”; denn „sehen lernen ... ist schwerer, als die meisten denken”. Auch Thürlings tritt werbend für Oberstdorf auf, wenn er die gesundheitlich günstigen Wetterbedingungen und andere Annehmlichkeiten hervorhebt.

Sein 2. Abschnitt trägt die Überschrift: „Oberstdorf als klimatischer Kurort.” Hier bedauert Thürlings auch, „dass Oberstdorf bis jetzt von Winterkurgästen noch so spärlich besucht ist”. Es heißt kurz und bündig: „Hauptsaison 1. Mai bis 31. Oktober. ” Er stellt aber auch eine erfreuliche Bilanz auf: „Die Zahl der Sommerfrischler und Sommer-Kurgäste hat sich in den letzten 10 Jahren von 1300 bis auf 5000 gesteigert”. Zu den „Wintervergnügungen” wird nicht nur das „,Schlitteln’ auf schiefer Ebene” gerechnet, es zählen dazu auch die „Volksschauspiele”, die „in der Faschingszeit... in prächtiger Weise unter allgemeiner Beteiligung aufgeführt” werden.

Dem Leser werden 146 Ausflüge und Bergtouren angeboten, genau beschrieben und mit Zeitangaben versehen. Auffallend ist, daß bei vielen Bergen „Geognostisches” (Geologisches) und „Botanisches” für den anspruchsvollen Käufer des Reiseführers erklärt werden. Welche Bedeutung damals den Bergführern zukam, ergibt sich aus folgendem gesperrt gedruckten Hinweis: „Bergfahrten in der Oberstdorfer Gegend sind im allgemeinen nicht ohne wegkundige Begleitung zu unternehmen.” Am Schluß des Führers erleichtert ein Register das Auffinden bestimmter Ortschaften und Berge.

Zu Beginn des neuen Jahrhunderts, im Jahre 1908, erschien ein weiterer Oberstdorfer Reiseführer. Er wurde verfaßt und herausgegeben von dem am Ort ansässigen Buchdruckereibesitzer Andreas Hofmann (1874 - 1953). Der Titel des Büchleins lautet: „Oberstdorf i. Algäu und nächste Umgebung.” Ab der dritten Auflage kam ein Untertitel hinzu: „Kurzgefasster Führer mit guter Relief-Orientierungskarte. ”

1897 war Andreas Hofmann von Leutkirch nach Oberstdorf gekommen. Im Jahr davor hatte er Emilie Schraudolph, Tochter des Oberstdorfer Holzhändlers Karl Schraudolph, geheiratet. Er mußte, wie damals üblich, lange warten, bis ihm im August 1905 „durch Beschluß des Gemeindeausschusses” gegen Bezahlung einer hohen Gebühr (87 M 70 Pf) das „Bürgerrecht in der Marktgemeinde Oberstdorf” verliehen wurde. Damit hatte er nach der Gemeindeordnung (Art. 19) auch das „Heimat-Recht” in Oberstdorf erhalten. Im November des gleichen Jahres „beurkundete” die k. Regierung von Schwaben und Neuburg, Kammer des Innern, daß mit der Niederlassung in Oberstdorf er, seine Ehefrau und auch seine Kinder „in Gemäßheit der Bestimmung ... die Staatsangehörigkeit im Königreiche Bayern erworben” haben.

Vorher besaß der Buchdruckermeister „durch Abstammung die Eigenschaft als Württemberger”. Und im Mai 1907 wurde ihm vom damaligen Oberstdorfer Bürgermeister Ludwig Fischer bescheinigt, bei der Gemeindebehörde den vorgeschriebenen Verfassungseid geleistet zu haben. So umständlich konnte (schon) damals der Weg in Deutschland in eine neue Heimat verlaufen.

„In Oberstdorf im Jahre 1897 eine Buchdruckerei zu gründen, war nur möglich zusammen mit einem Ladengeschäft mit Schreib- und Schulartikeln, Büchern, Galanteriewaren usw.”, urteilt der Sohn über die Aktivitäten des Vaters. - Andreas Hofmann war, zusammen mit zwei Oberstdorfer Bürgern - Konditormeister Gustav Stempfle sen. (1857 - 1920) und Mohrenwirt Andreas Steiner der Hauptinitiator bei der Einführung der elektrischen Energie im Dorf (1897/98). Seine Tatkraft zeigte er auch bei der Übernahme der örtlichen Heimatzeitung, dem „Oberstdorfer Gemeinde- und Fremdenblatt”, das er von 1926 bis 1936 herausgab.

1911 erschien der Hofmann-Reiseführer zum drittenmal. Es hat sich wohl nicht ganz vermeiden lassen, daß die entsprechenden Büchlein von Hans Modlmayr und Adolf Thürlings bei der Abfassung in mancher Hinsicht Pate gestanden haben. Der Oberstdorfer Buchdruckermeister bemühte sich aber bei seiner Gestaltung um eine eigene Note. Dies betrifft zum Beispiel die werbenden Hinweise auf die „Winterstation” Oberstdorf. In diesem Zusammenhang werden Rodelbahn, Eisplatz, Skisprungschanzen und „vielseitiges Skiterrain, besonders am Höllrücken” genannt. (Im Dezember 1906 war der „Skilauf-Verein-Oberstdorf” gegründet worden.)

Im Abschnitt „Unterhaltung” ist u.a. zu lesen: „Auftreten der Oberstdorfer Schuhplattler jeden Samstag in den jeweils angekündigten Hotels.”

Der „Rundgang” ist knapp gehalten. Nachdem er die Größe des Ortes angegeben hat (2500 E.), berichtet der Verfasser von den schlimmen Auswirkungen der Hochwasserkatastrophe des Jahres 1910 und davon, daß 1911 Prinzregent Luitpold von Bayern zum sechzigstenmal in Oberstdorf weilte. Über die neuerbaute protestantische Christuskirche wird geradezu schwärmerisch geschrieben: „Die reizende, freie Lage, der herzige Bau dieses Gotteshauses, die malerische Ausstattung innen und außen wird jeden Besucher entzücken.”

Teil 3 Dr. Modlmayr - Heft 15

Andreas Hofmann

Andreas Hofmann beschreibt in seinem Büchlein 30 Spaziergänge und Ausflüge, außerdem nennt er einige „Bergbesteigungen, welche rüstigen Touristen ohne Führer empfohlen werden können”, u.a. Nebelhorn, Fellhorn, Besler. Er macht noch aufmerksam auf „eine Reihe weiterer Hochtouren (mit Führer), deren Beschreibung dem ausführlichen ,Dr. Modlmayr, Oberstdorf und Umgebung’ Vorbehalten sein soll”. Dieser Hinweis auf den Modlmayr-Reiseführer, der „eingehenden Aufschluss bei längerem Aufenthalt in Oberstdorf gibt”, wird bei Hofmann bis in die dreißiger Jahre, z.B. 1933, wiederholt.

Erwähnen sollte man noch, daß der Verfasser gegen Ende des Textes den „Lohnfuhrwerks-Tarif, erlassen vom Gemeindeausschuß Oberstdorf und durch Regierungsentschliessung genehmigt”, auf dreieinhalb Seiten in allen Einzelheiten abdruckt. Allein schon die Wiedergabe in vollem Umfang weist auf die große Bedeutung der Ein- und Zweispänner und der Stellwagen in jener Zeit hin.

Der Oberstdorfer Reiseführer des Andreas Hofmann trägt seit der 9. Auflage vom Jahre 1929 den Titel: „Der blaue Führer.” In der 16. Auflage von 1939 ist zusätzlich angegeben: „Neu bearbeitet von Karl Hofmann.” Der Sohn hat den Vater abgelöst. Der Hofmann-Reiseführer ist letztmals im Juni 1989 in der 33. Auflage erschienen. Er ist damit der erfolgreichste Oberstdorfer Reiseführer.

In den Rahmen dieses Abschnitts passen noch bestimmte Büchlein des Verschönerungsvereins Oberstdorf. Sie wurden im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts publiziert. Weder Verfasser noch Erscheinungsjahre sind angegeben Klimatischer Höhenkurort Oberstdorf” lautet ihr Titel. Sie sind keine Reiseführer im eigentlichen Sinn, da sie keine Touren und Bergbesteigungen auflisten und beschreiben, sie geben aber in einzelnen Teilen eine zwar knappe, aber doch anschauliche Zustandsbeschreibung des aufstrebenden Kurorts Oberstdorf in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg.

Schauen wir am Schluß dieser Arbeit für einen Augenblick zurück. Die Absicht des vorliegenden dreiteiligen Aufsatzes war es, einige Vorgänge in unserem Dorf um die Jahrhundertwende - im Zusammenhang mit Tourismus und Fremdenverkehr - aufzuzeigen. Hans Modlmayr, sein Reiseführer und seine Schriften standen dabei im Mittelpunkt. Das Biographische sollte etliches erläutern. Die Büchlein von Adolf Thürlings und Andreas Hofmann wollten das Bild abrunden, es ergänzen. Wir haben gesehen, daß auch dieser Versuch letzlich einmündet in die Darstellung heimatgeschichtlicher Zusammenhänge. Wir wissen ein paar Dinge mehr, sehen etwas klarer, verstehen manches besser - und urteilen vielleicht ruhiger. Nur so kommen wir der Vergangenheit näher.

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1. Vorsitzender
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Brunnackerweg 5
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