Aus dem Besitz des Bonifaz Schratt von Bolsterlang werden auf freiwilliger Basis die Sennalpen „Buchrainen” (40 Kühe) und „Griesgund” (12 Kühe) durch Oberstdorfs Bürgermeister Ludwig Vogler meistbietend versteigert.
Wegen der unheimlichen Schneemassen werden überall Schneeschaufler gesucht. Die Postomnibusse (mit Pferden bespannt) von Kimratshofen und Füssen in Richtung Kempten bleiben im Schnee stecken. Oberjoch meldet „Gähwinden” (Schneeverwehungen) von 3 1/2 Meter Höhe. Trotz der riesigen Schneemengen „hat die Oberstdorfer Bahn bisher nie Störungen”. Die „Maschinen mit vorausgeschobenen Bahnschlitten” (Schneepflug) meistern die Situation.
In Obertiefenbach brennt am 13. Februar das Anwesen auf dem Kapf völlig nieder. Löschhilfe war wegen des Schnees nicht möglich. Die Hausfrau, eine Wöchnerin, konnte nur ihre vier kleinen Kinder und das Vieh retten.
Bürgermeister Vogler gibt bekannt, daß die drei „Dekan Frei’schen Stipendien” zu 154 M, 102 M und 60 M neu zu vergeben sind.
„Laut Bilanz pro 1888 hat die am 29. Juli eröffnete Linie Sonthofen - Oberstdorf (14 Km) M 32.532 Einnahmen und M 11.190 Ausgaben”, ist im »Anzeigeblatt« zu lesen.
Das »Algäuer Anzeigeblatt« (Allgäu wurde immer noch mit einem »l« geschrieben) erscheint ab 1. April 1889 täglich - auch sonntags - als achtseitiges Blatt.
Michael und Marina Berktold, Anwesenbesitzer in Gerstruben und Oberstdorf, feiern Goldene Hochzeit. Dies ist eine Seltenheit, so daß viele Häuser bekränzt werden und die Musik das Jubelpaar in die Kirche geleitet. Unter den 142 Hochzeitsgästen beim Mahl im »Hirschen« sind auch die sechs Söhne der Eheleute. Prinzregent Luitpold schickt als Geschenk 50 Mark.
„Die altrenommierte, jodhaltige, alkalische Schwefelquelle Bad Tiefenbach ist sehr heilwirkend und kann mit Recht allen Leidenden empfohlen werden. Auf Wunsch erteilen Dr. Reh, Oberstdorf, und Dr. Beckler, Fischen, Auskünfte.” So lautet eine Veröffentlichung in der Tageszeitung.
Der Fremdenverkehr verbessert die Auftragslage so sehr, daß die einheimischen Arbeitskräfte nicht mehr ausreichen. Unabhängig voneinander suchen die Schreiner Markus Rietzler, Johann Kerle und Josef Buchenberg mit Zeitungsanzeigen Gesellen in Dauerstellungen.
Das zwei Jahre alte Töchterchen des Schuhmachers und Bergführers Moritz Math ertrinkt vor dem elterlichen Haus im Dorfbach. Das so romantisch dahinrauschende Wässerlein ist vielen Kindern zum Verhängnis geworden.
SKH Prinz Leopold von Bayern weilt Anfang Mai zur Hahnenbalz in Oberstdorf.
Königin-Mutter Marie von Bayern verstirbt im Alter von 63 Jahren auf Hohenschwangau. In Oberstdorf wird ein Trauergottensdienst abgehalten.
Im Sommerfahrplan 1889 verkehren sieben Zugpaare zwischen Sonthofen und Oberstdorf, wobei der erste Zug den Ort um 5.45 Uhr und der letzte um 23.40 Uhr (!) verläßt.
Die Stellwagen von Oberstdorf nach Birgsau „starten” vor der »Sonne« und dem »Mohren« zweimal täglich. Der Fahrpreis beträgt 1 Mark.
Neben dem Bahnstationsgebäude entsteht die „Bahnhofswirtschaft”, die dann in Gasthof »Stern« umbenannt wird. Die Gasthöfe »Sonne« und »Hirsch« vergrößern und legen Gärten an.
Otto von Zabuesnig aus Kempten eröffnet als Filiale ein Foto-Atelier in Oberstdorf, „mit neuesten Apparaten und Maschinen eingerichtet und mit besten Dekorationen ausgestattet”.
Im Anwesen Nr. 102 (heute Möbel Kerle, Metzgerstraße) gründet Peter Niederacher sein Hafnergeschäft.
IKH Herzogin Vera von Württemberg hält sich zur Erholung in Oberstdorf auf.
Der „Techniker” Wilhelm Hagspiel von Oberstdorf wirbt um „geübte Steinmetzen für dauernde Arbeiten beim Neubau der Kirche in Riezlern”. Weiter werden vom gleichen Unternehmer „10 bis 15 Bruchsteinmaurer und ebensoviele Erdarbeiter” für den Kirchenbau gesucht.
Am 30. Juni hält der „Algäuer Turngau” in Oberstdorf eine „Vorturnerstunde” ab. 10 Turnwarte und 23 Vorturner von 14 Vereinen nehmen daran teil. Die Instruktion erfolgt im Hinblick auf die Teilnahme am Deutschen Turnfest in München, zu dem auch vier Oberstdorfer Turner gemeldet werden.
Die Sektion Algäu-Immenstadt des DuOeAV lädt ein zu der am Sonntag, 7. Juli 1889, stattfindenden „Grundsteinlegung zum Unterkunftshaus am Nebelhorn”.
Der Mohrenwirt Carl Schlosser veranstaltet im Gesellschaftshaus „ein Militär- Conzert”.
Die Burgberger Musikkapelle begleitet die Allgäuer Turner, als sie beim Deutschen Turnfest in München an Prinzregent Luitpold vor der Residenz vorbeidefilieren. „Der hohe Herr neigte sich über die Fensterbrüstung und grüßte durch lebhafte Handbewegung seine lieben Algäuer”, war später im »Anzeigeblatt« zu lesen.
Die Sektion Algäu-Immenstadt markiert den Weg vom Oytal zum Hornbachjoch. Das Luitpoldhaus und das Waltenberger Haus (beide bewirtschaftet) werden „mit Fleischkonserven ausgestattet”.
Der Dirigent und Komponist Mangold aus Darmstadt stirbt 76jährig während seiner Sommerfrische in Oberstdorf.
Der „Goldarbeiter” Josef Heim schließt seinem Geschäft eine Zinngießerei an.
Mit dicken Lettern meldet die Tageszeitung: „Bezirksamtmannsgattin Freifrau von Strauß von Sonthofen und eine bei ihr auf Besuch weilende Instituts-Freundin aus Regensburg sind abgestürzt und wurden beide tot aufgefunden.” Die beiden Damen wollten den Weg abkürzen und sind über die Ziegelbacher Wände gestürzt.
Am 20. August führt Johann Baptist Schraudolph seine 245. Partie auf die Mädelegabel. 1889 sind bisher schon 50 Personen auf dem Gipfel der „Gabel” gewesen.
Vom Alpausschuß wird in der Kohlerschen Wirtschaft in Schöllang (Gasthof Engel) am 1. September „ein Platz im Hinter - Entschen zum Schwenden vergeben”. Die Unterzeichner laden „Steigerungslustige freundlichst ein”.
Prinzregent Luitpold hält sich zur Hirschjagd in Oberstdorf auf. Forstmeister Behringer von Burgberg erhält den Michaelsorden. Leo Dorn und Förster Josef Schwarzkopf werden mit dem Verdienstkreuz geehrt.
Der Untersenn Ferdinand Bader aus Bolsterlang stürzt im Sperrbach tödlich ab.
„40 Stück schöne Anstellschweine sind am Samstag den 21. September beim Morenwirth in Oberstdorf billig zu verkaufen”, ist einige Tage davor im Inseratenteil des »Anzeigeblattes« zu lesen.
Dem Zimmergesellen Wilhelm Huber, der z.Zt. in Kempten beschäftigt ist, werden von Prinzregent Luitpold „behufs weiterer Ausbildung an der K.Baugewerkschule in München 200 M allergnädigst bewilligt”.
Es wird eine Forderung nach Arbeitszeitverkürzung innerhalb der Sechs- Tage-Woche erhoben. Dazu meint ein Kommentator: „Die Herabsetzung auf 8-Stundentag ist undiskutabel, 10 Stunden kann jeder gut und gerne arbeiten.”
„Sorgsamen Müttern werden für zahnende Kinder die Schrader’schen Zahn - Halsbänder von Anton Messerer, Oberstdorf, wärmstens empfohlen.”
Im Stillachtal und im Warmatsgund waren die Wildbachverbauungen bei einer Bauzeit von fünf Jahren auf 87.732 Mark veranschlagt.
Das Endergebnis: Bauzeit drei Jahre, Kosten 55.000 Mark. Das sollte heute passieren!
Am 14. Dezember, „nachts zwischen 11 und 12”, brennt das Anwesen der Ökonoms-Witwe Kappeler in Gundsbach bis auf die Grundmauern nieder. Drei Kühe, ein Kalb und geringe Habseligkeiten waren alles, was der alten Frau verblieben war.
Anmerkung:
Als Grundlage für die Ausarbeitung der Jahreschroniken 1939 und 1889 dienten die entsprechenden Jahrgänge des »Allgäuer Anzeigeblattes« und meine privaten Notizen.