Prinzregent Luitpold
in Ringang
PRINZREGENT, hoach-gehrta Ma,
mir Obrschdoarfar denket dra,
dass huir dr siebezgschd Joahrtag ischt,
wo vu dear Wealt Du gange bischt.
Du hosch isa Huimat miege,
bischt allad gean b’nies do bliebe,
so wie De z’Minke bisch vrtrunne,
waile hea zum jage kumme.
Des waiss ba no, ’s isch it vrkoalted,
de Jünge heared’s vu de Oalte:
Dr Prinzregent, dea hoacha Hear,
isch uifach, gmui und gnädeg gwea.
It bloass a Denkmoal tuet’n lobe,
odr ’s Revier: ’m Prinzregenteboge.
Des gilt huit no und zellt mea:
Ea isch siner Leabtag a Guettätar gwea.
Uf uiwies kabams no vrgealte:
Fr d’Seal a Vatrunsr beate.
Am 12. Dezember 1982 jährt sich zum 70. Mal der Todestag von Prinzregent Luitpold. Unter den Wittelsbachern, die Bayern als Herzoge, Kurfürsten und, seit 1806, als Könige regierten, war er sicher einer der volkstümlichsten Herrscher. Dabei war der Anfang für ihn durchaus nicht leicht.
1886 wurde Luitpold im Alter von 65 Jahren Regent für seine geisteskranken Nef fen König Ludwig und Otto. Als konstitutioneller Herrscher fühlte er sich bei seinen Aufgaben an die Verfassung gebunden. 1906 wurde das Wahlrecht reformiert, Zentrum und Sozialdemokratie hatten es durchgesetzt: Die Landtagsabgeordneten wurden jetzt direkt vom Volk gewählt.
Das Vierteljahrhundert der Prinzregentenzeit ist „im Rückblick nicht nur als eine Epoche wirtschaftlichen Wachstums, zivilisatorischen Fortschritts und kultureller Blüte beschrieben, sondern darüber hinaus als eine entschwundene Welt verklärt worden“ . Das darf freilich nicht darüber hinwegtäuschen, daß das eine Zeit war, in der sich im wirtschaftlichen, technischen und sozialen Bereich viel gewandelt hat.
Das Interesse des Prinzregenten galt weniger der Politik, sondern der Kunst und der Jagd. „Den verwetterten Jägerhut auf dem Kopf, Bergschuhe an den Füßen, dazu die lederne Kniehose und die rauhe Lederjoppe“, so kannten auch im oberen Allgäu die Leute den Regenten. Wegen seiner menschlichen Qualitäten - besonders Schlichtheit, ungekünstelte Volksnähe und Liberalität - wurde ihm Re spekt, ja Verehrung entgegengebracht. Und wenn man, wie das nicht nur Historiker tun, nach den Verdiensten eines Herrschers fragt, dann ist anzuführen, daß es Luitpold als „typisierendem Leitbild“ gelungen ist, „unmittelbare Beziehungen zwischen der Dynastie und dem Volke wieder herzustellen“.
Mit Oberstdorf ist Prinzregent Luitpold auf besondere Weise verbunden.
1848 schrieb Pfarrer Johann Nepomuk Stützle in sein Büchlein „Die katholische Pfarrei Oberstdorf im königlichen Landgerichte Sonthofen oder die Schweiz im Kleinen“ als Widmung: „Ihren Königlichen Hoheiten, Dem Durchlauchtigsten Prinzen Luitpold und Der Durchlauchtigsten Prinzessin Auguste von Bayern in tiefster Ehrfurcht geweiht von dem Verfasser.“ Was der Grund dieser Zuneigung war, ist bislang leider nicht bekannt.
Erst 1850 finden sich hier Aufzeichnungen über den Bayern-Prinzen.
Certificat
Daß der dießortige Gemeinde=Jagdbezirk mit Einschluß der Filialgemeinden an Se Königl. Hoheit Prinz Luitpold v. Bayern auf die Dauer von 15 Jahren, um den jährlichen Pachtschilling v. 120 f/:Hundertzwanzig Gulden:/ verpachtet; und nicht mehr und nicht weniger in die Gemeinde-Cassa vereinnahmt wurde bestätigt
Oberstdorf am 3 ten Oktbr. 1850
Die Landgemeinde-Verwaltung
Unterschriften
Mit dieser Niederschrift tritt der Bruder des bayerischen Königs Max II. erstmals in den Oberstdorfer Gemeindeakten in Erscheinung. Wenige hatten bislang in dem abgeschiedenen Bergdorf von der Existenz dieses Wittelsbacher Sprosses gehört und doch sollte gerade er es sein, der die kühlen und so bedächtigen Oberallgäuer für das bayerische Königshaus zu begeistern wußte: eine große persönliche Leistung, wenn man bedenkt, wie die Stimmung in Oberstdorf 50 Jahre früher von Johannes Bach Umrissen worden war: „Nun gnade uns Gott, nun sind wir bairisch!“
Wer in Oberstdorf vom „Prinzregenten“ spricht, denkt dabei unwillkürlich an den schlichten Waidmann mit dem wallenden weißen Bart, an den volkstümlichen Landesfürsten, der von einer ganzen Reihe seiner Jäger und Treiber in naiver Originalität mit dem biederen „Du“ angesprochen wurde, der in seiner väterlichen Art manch armem Schlucker Hilfe zukommen ließ.
Doch zurück in die 50er Jahre des vorigen Jahrhunderts!
Der jedes Jahr mehrmals zur Jagd hier weilende Prinz erwarb 1855 vom damaligen Gemeindevorsteher Alois Rietzler südlich der Pfarrkirche ein damals frei im Vorde ren Ösch gelegenes Grundstück. Hier ließ er 1856 ein Jagdhaus ganz aus Holz erbauen. Die übrige Fläche hieß alsbald im Volksmund „d’Prinzeäckar“.
1865 weilte der Prinz gerade zur Hahnenbalz im Warmatsgundtal, als in der Nacht vom 5. zum 6. Mai die Brandröte über Oberstdorf ihm das furchtbare Unglück verkündete, das den Ort betroffen hatte. Spontan stellte der Prinz sein Jagdhaus für Obdachlose zur Verfügung und spendete aus seiner Privatschatulle 1300 Gulden. Andere Mitglieder des Königshauses orientierten sich an dieser großzügigen Summe und griffen tief in die Tasche. Mit jener Hilfe in größter Not hat sich Prinz Luitpold eine fortwährende Dankbarkeit gesichert.
Der jagdbegeisterte Wittelsbacher versuchte nun seine Reviere zu vergrößern, insbesondere nicht nur Pächter, sondern Eigner einer großen Jagd zu sein.
Er erwarb neben andern Alpen und Ödungen:
1858 Schrofenalpe,
1862 Ringatsgundalpe,
1867 Wildegund-Ödung,
1867 Vordere und Hintere Lugenalpe,
1877 Gerstrubener Älpele, Hierenalp und Edlmänndlesalp,
1878 Giebelalpe und Gumpenalpe,
1879 Vordere und Hintere Einödbergalpe,
1882 Linkersalpe,
1889 Buchraineralpe und Petersalpe,
1891 Vordere und Hintere Seealpe,
1892 Vorderes Gündle,
1894 Sperrbachalpe und Breitengehrenalpe,
1896 Warmatsgundalpe und Untere Mädelealpe,
1897 Himmelsschrofen, Griesgundalpe, Bacheralpe und Einödsbach Hs.Nr. 3.
Die Reviere wurden von Berufsjägem betreut, denen zur besseren Überwachung der riesigen Flächen Diensthütten errichtet wurden. So entstand als erste 1867 die Jagdhütte auf dem Felskopf im „Ronächle“ am Vorderen Taufersberg.
Bei einem Jagdgang im Oytal wäre der Fürst beinahe von einem Stein erschlagen worden. Aus Dankbarkeit für die glückliche Errettung wurde nahe der Gutenalp- Hofhütte ein Wegkreuz errichtet. Heute noch heißt dieses das Prinzenkreuz.
Schlagartig änderte sich das Leben des Prinzen, als er 1886 die Regentschaft über das Königreich Bayern antrat. Staatsgeschäfte verhinderten öfters die geplante Jagd in den Bergen.
Die erste Ankunft des Prinzen Luitpold als „Prinzregent“ am 5. September 1886 wurde zu einem Triumphzug durch Oberstdorf. Der Weg, den die Kutsche nahm, war bekränzt und beflaggt. Triumphbögen waren aufgestellt. Ganz Oberstdorf und Umgebung war auf den Beinen, um dem neuen Landesvater die Reverenz zu erweisen, oder zum „a bizzle wündergeal sing“ (neugierig zu sein).
In welchen Dimensionen sich die Kosten eines solchen Festes bewegten, mögen folgende Rechnungen dokumentieren: Die Kranzer erhielten im „Adler“ braunes Bier, wofür die Gemeinde pro Liter 26 Pfennig zu bezahlen hatte. Kaspar Rietzler berechnete u.a. „600 Stück gepreste Edelweiß auf blaues Band genäht, das 100 Edelweiß kostet 3 M.“ Weiter stellte der gleiche Mann in Rechnung „186 Stück Blumenbuget a 10 Pfennig gemacht“. Die „Musikgesellschaft“ legte der Gemeinde eine Rechnung vor: „Für Musikspielen bei der Festlichkeit des Prinz-Regenten 5 Mark.“
Bei aller Feierlichkeit wurden die Kinder nicht vergessen, wie eine Rechnung vom Sonnenwirt ausweist:
„Rechnung von M. Jaus, Gasthof zur Sonne:
Sept. 1886 für Kranzer und Kinder
135 Glas Bier | a 13 dl | 17,55 M |
116 Brod | a 3 dl | 3,48 M |
8 Portionen Rindfleisch mit Salat und Brod | 4,12 M | |
Summa | 25,15 M |
Für die Kinder mußte dieser Prinzregent wie ein kleiner Herrgott gewesen sein. An seinem Geburtstag, dem 12. März, der schulfrei war, gab es immer für jedes Kind eine Semmel und eine Wurst und ab der 3. Schulklasse noch einen Schoppen Bier dazu. Bei der Armut vieler Familien war das für die Kleinen ein Festessen, das sich erst beim nächsten Geburtstag des Regenten wiederholte.
Zwei Jahre nach Antritt der Regentschaft nahm der Prinzregent in München Huldigungen der Bevölkerung entgegen. Oberstdorfer Männer und Frauen führten dabei den „Sechsertanz“ in der Landeshauptstadt auf.
Nur acht Tage vor Eröffnung der Bahnlinie Sonthofen - Oberstdorf stellte der Fuhr halter Engelbert Blattner in diesem Zusammenhang folgende Rechnung:
„Bei der Huldigung Seiner Kgl. Hoheit des Prinzregenten durch das Bayerische Gebirgs- Volk habe ich Unterzeichneter am 23. Juli 1888 28 Personen nach Sonthofen gefahren pro Person 1 M macht Summa 28 M. 25. Juli 28 Personen von Immenstadt abgeholt bei Nacht Person 1 M 50 dl macht 42 M.“
Viel wird über die Leutseligkeit des Regenten berichtet, und schmunzelnd erzählt man sich noch heute manche Anekdoten. Ob sie alle wahr sind? Wir wissen es nicht. Doch dürfte sich eine Reihe von Begebenheiten ereignet haben, die den Höflingen die Haare zu Berge stehen ließen. Der Regent überging diese Dinge, so wird berichtet, mit einem Lächeln.
In eine schreckliche Verlegenheit mag folgende Geschichte die Begleitung des Prinzen versetzt haben: Bei einer Treibjagd am Griesgund saß der „hohe Waidmann“ in seinem Anstand und wartete, was ihm die Jäger mit ihren Treibern zutrieben. Unter den Treibern befand sich auch der damals bekannte Bergführer Ignaz Metz ler, „der Schwäblar“. Dieser schloff durch alle Löcher und Tobel und hatte das Glück, einen „guten Hirsch“ aufzuscheuchen, der genau auf des Prinzen „Anstand“ zuflüchtete. Jeden Augenblick mußte der Schuß fallen, doch es geschah nichts und der Hirsch war fort.
Der fürstliche Jäger hatte ihm in einer guten Laune das Leben gelassen. Der Schwäbler, der seine ganze Arbeit und Mühe als nutzlos sah, sagte vorwurfsvoll zu der Königlichen Hoheit: „Warum hosch uff dean Hiersch it gschosse?“ Worauf der Prinz lächelnd antwortete: „Ich hab kein Hirsch gsehn.“ Das war dem Metzler zu bunt und er schalt den Jäger: „Was, bigott nuitz gsea und hosch Öuge wie Butzeschieba.“
Die Leute dachten bei solchen Reden nichts Ungehöriges. Sie redeten, wie ihnen der Schnabel gewachsen, und sie waren es nicht gewohnt, ihre Worte in gekünstelte Höflichkeit zu kleiden.
Als die natürlichste Sache der Welt stellte es sich der Schreiner Augustin Rietzler vor, als er 1860 eine Rechnung schrieb, in der es hieß: „Dem Luitbold den Mayenbaum angestrichen.“ Vorsteher Dünßer, der die Rechnung dem kgl. Landgericht zur Genehmigung vorlegen mußte, strich die Worte „dem Luitbold“ und setzte ein: "Sr Kgl. Hoheit Prinz Luitpold"
Aber auch ein Schreiben des kgl. Bezirksamtes regt zum Schmunzeln an. Unter dem 20. August 1888 erhält Oberstdorfs Bürgermeister folgende Weisung:
Seine Königliche Hoheit der Prinzregent werden am Sonntag den 26. August ds Js von Bießenhofen über Immenstadt mithls Extrazug nach Sonthofen und von da nach Oberstdorf Sich begeben. Ich gebe hivon Kenntniß mit dem Beifügen, daß Seine Königliche Hoheit in strengstem Inkognito reisen, was jedoch nicht ausschließt, daß die Orte, welche Allerhöchst dieselbe auf der Reise berühren, durch die bisher schon übliche Beflaggung ihrer patriotischen Gesinnung Ausdruck verleihen werden.
gez. Bezirksamtmann, Riederer
Dies war also die erste Reise des Prinzregenten mit der neuen Eisenbahn nach Oberstdorf.
Nicht die Prunkschlösser Ludwigs II. und nicht die Kunstsammlungen und Bauten von Ludwig I. oder Max II. haben die Oberallgäuer dem Königshaus nahegebracht. Es war die einfache Art, die Prinzregent Luitpold seinen Allgäuer Bergbauern vorlebte.
Als dieser schlichte Waidmann ist der Regent auch mit dem Denkmal an der Prinzenstraße verewigt. Nach einem Defregger-Bild formte es der Mindelheimer Bildhauer Xaver Abt in Kupfer. In Dankbarkeit widmete es die Marktgemeinde Oberstdorf „ihrem Prinzregenten“ im Jahre 1912.
E.T/K.E.