Interessantes aus alten Oberstdorfer Gemeinderechnungen (Teil 2)

von Eugen Thomma am 01.06.1995

Der Obstbau war im 19. Jahrhundert im Oberallgäu noch sehr stark verbreitet. In jeder Buind standen Apfel-, Birn- und Zwetschgenbäume. Erst nach den Notzeiten des Zweiten Weltkrieges verschwanden diese Zierden der Dörfer. Sie wurden im Schlepptau des Wohlstandes durch eine serbische Edeltanne, eine sibirische Kiefer oder kanadische Zeder ersetzt, auf daß die langweilige Monokultur unserer Nadelwälder auch in die Dörfer einziehen konnte.

Obstbau und Bienenzucht wurden schon im 17. und 18. Jahrhundert von der Obrigkeit gefördert. Den Geistlichen und Schulmeistern wurde aufgetragen, ihre Schäflein in die Geheimnisse dieses Nebenerwerbs einzuweihen. Zu jedem Pfarrhof und zu jeder Schule gehörte ein Obstgarten. Der Baumgarten der Oberstdorfer Schule lag südlich des Schulhauses (heute Parkplatz des Rathauses). Der jeweilige Schulmeister oder Schulverweser hatte unter Mithilfe seiner Eleven - die das sicher lieber als rechnen und schreiben taten - den Garten zu bestellen. Der Lehrer bekam für diese Tätigkeit ein geringes Entgelt.

Mit seiner bestechend schönen Handschrift bestätigte der Pädagoge den Empfang des Lohnes:

„Quittung über 5 fl 30 kr.

": fünf Gulden, 30 Kreuzer:", welche der Unterfertigte für Besorgung und Herstellung des dießortigen Schul=Baumgartens pro 1844/45 vom Gemeindepfleger Alois Rietzler dahier richtig erhalten zu haben bekennt.

Oberstdorf, den 24. August 1845

                 Peter Geißler

Unterstützt wurde Geißler von Ferdinand Haneberg, der ihm laut Rechnung von 22. 4. 1845 „im Schullgarten mit Obstbäume setzen” geholfen hat. Geißler hat nicht nur Obst „produziert”, sondern auch Obstbäumchen herangezogen, die dann wieder verkauft wurden. In diesem Zusammenhang findet sich folgender Eintrag:

„Einnahms Belege über 10 fl 54 kr."

Aus dem Erlöß von 22 Stück Opstbäume welche am 20 te Abrill 1845 an den Maistbietenten Versteigert worden sind; an Nachstehende:

StückNahmen der Käuferflkr
2Peter Geißler48
2Johannes Fischer23
2Joseph Brutscher111
4Johannes BrutscherKristler144
10Alois RietzlerMehlber416
1Georg LecherBeker28
1Johannes JägersWittib__24
22Summafl 1054 kr

Wohin die Äpfel dieser Schulgartenbäume gekommen sind, ist aus den Rechnungen nicht zu sehen. Es ist jedoch nicht anzunehmen, daß der rechtmäßige Eigner das Heranreifen genauer beobachtet hat, als dies Schulbuben und Ministranten taten.

Das »Pechen« und »Reiffen«

Wohl wenige Menschen können sich unter diesen Begriffen etwas vorstellen und schon gar nicht darunter, daß die Verpachtung der Rechte dazu Geld in die Gemeindekasse brachte.

Unter dem Oberbegriff „Einnahmen aus Verpachtungen von Realitäten” heißt es unter der Ziffer 2:

„Von Johan Kennerknecht et Consorten den Harzpacht in den Gemeinde Waldungen
ohne denselben zu schaden 48 fl”

Das Recht zum Einsammeln des Harzes in den Gemeindewaldungen - auch Pechen genannt - wurde also verpachtet. Den Zusatz, „ohne den denselben [Waldungen] zu schaden”, hätten sich die Verpächter ersparen können. Es war im Interesse der »Pecher«, daß die Tannen und Fichten möglichst viel Harz hergaben. Was war also naheliegender, als die Bäume möglichst im Frühjahr, wenn der meiste Saft floß, zu verletzen. Je mehr die Baumrinden beschädigt waren, um so mehr trat Harz aus, und die »Ernte« war ergiebiger. Harz war ein gefragtes Rohprodukt. Zum Auspichen von Fässern und zum Abdichten von anderen Gefäßen brauchte es der Küfer. Sattler und Schuhmacher verwendeten es beim Nähen. Zur Herstellung von Ölen und zu den Fackeln benötigte man dringend Pech. Nicht zuletzt wurde Fichtenharz in der Heilkunde bei Mensch und Tier als »Pflaster« verwendet.

Auf der Soll-Seite der Gemeinderechnung steht weiter:

„Von Johannes Math und lg: Renn daß Reiffen auf den Gemeinds=Viehwaiden zu Ihrem Gebrauch 13 fl 12 Kr.”

Math und Renn waren von Beruf Küfer. In anderen Gegenden wird der Küfer auch Faßbinder genannt. Zum »Binden« der Fässer, Milchschaffen, Milchstotzen und Rührkübel wurden Reifen benötigt. Heute werden, soweit das Holzgefäß nicht durch Leichtmetall oder Kunststoff ersetzt ist, eiserne Faßreifen verwendet. Früher wurden diese Reifen aus gespaltenen Haselnußruten und -stocken hergestellt. Die beiden Küfer waren nach Zahlung der Pachtsumme also berechtigt, aus den lebenden Umzäunungen der Allmende-Weiden Haselnußstöcke zu schneiden.

Der Verbrauch im Laufe der Jahre muß ziemlich groß gewesen sein, denn schon im folgenden Jahr war niemand mehr bereit, eine höhere Summe als 3 fl zu bezahlen, „weil die Viehweiden von Raifen schlecht bestellt sind”.

Vermutlich war der Mangel an geeigneten Haselnußruten schuld, daß die Reifen aus Eschenholz hergestellt wurden, bis diese dann Metallbändern weichen mußten.

Die Abhaltung des Klausenmarktes am 24. Dezember spricht dafür, daß dem »Heiligen Abend« früher in unserer Gegend nicht die große Bedeutung beigemessen wurde, wie dies etwa heute geschieht. Die oft sehr ungünstige Witterung mag sich auch negativ auf die Umsätze ausgewirkt haben.

Das gleiche - soweit es die Witterung betrifft - wird es bei dem am 20. Januar abgehaltenen Sebastiani-Markt gewesen sein. Es ist deshalb nicht verwunderlich, wenn Stimmen laut wurden, diese beiden Märkte zu verlegen. Um die Jahrhundertwende haben diese winterlichen »Dulten« immer mehr an Bedeutung verloren und sind schließlich von selbst »eingegangen«, noch viele Jahre, bevor die Gemeindeverwaltung die Aufgabe dieser Märkte beschloß.

Der zweite Hauptmarkt war der Johanni-Markt, der am Fest des Hl. Johannes, am 24. Juni, abgehalten wurde. Als Krämermarkt in der Bedeutung dem Gallusmarkt etwa gleich, hat das fröhliche Treiben des Marktvolkes der »Obrigkeit« und dem Klerus viele Jahrzehnte hindurch Kopfzerbrechen bereitet. Immer wieder finden sich Hinweise, daß man beim Johanni-Markt mit dem Verbot von Arbeiten an Sonn- und Feiertagen in Konflikt kam. Weiter kollidierte das Marktgeschehen öfters mit der Gottesdienstordnung. Die größte Sorge des Klerus war jedoch, daß gerade das Patroziniumsfest in Oberstdorf (Johann Baptist) immer mehr hinter den allzu weltlichen Johanni-Markt zurückgedrängt wurde und der Alkoholkonsum beträchtlich war.
Der Gallusmarkt, als einziger bis heute verbliebener Jahrmarkt, zeugt noch von den Marktrechten des »obersten Dorfes«.

Holzverkauf

Den größten Einnahmeposten stellten die

,,Sämtliche[n] Holzabgaben an Holzberechtigte durch den k. Forstwart Zeller angewiesen, laut Nachweis auf Verkauf 248 fl 33 kr” dar.

Es ist äußerst interessant, diese Verkaufslisten zu studieren. In der Liste des Jahres 1845 sind 162 Käufer namentlich verzeichnet. Nur bei zwei Käufern betrug die Rechnung über 10 Gulden. Etwa 90 % der Beträge lagen zwischen 12 Kreuzer und 3 Gulden. Der Durchschnittsbetrag der Rechnungen war ca. 1 1/2 Gulden. Die Not und Armut der Bewohner wird deutlich, wenn 40 von 162 nicht in der Lage waren, diese doch geringen Beträge zu bezahlen. Wie arm muß ein Mensch
gewesen sein, dem die Gemeinde den Betrag von 15 Kreuzern schenkte, weil er diese Summe in einem Jahr nicht entbehren konnte? Solche Aufzeichnungen strafen jene Lügen, die von »der guten alten Zeit« reden.

Gemeindewaage

Die Marktgemeinde hat erst im Jahre 1844 das Waaggebäude samt „Utensilien” vom kgl. Rentamt für 102 fl 6 kr gekauft. Das Waaggefälle ist damit an die Gemeinde gelangt, die ihrerseits jedoch die Waage verpachtete. Eine Eintragung im Rechnungsbuch sagt hierüber aus:

„Der hier befindlichen Heu= und Viktualien=Waage wurde nach vorhergegangener öffentlicher Bekanntmachung am 23. Novbr. 1845 zur Verpachtung geschritten, und es ergab sich, daß die Joh: Rietzlers Wittwe v. Oberstdorf ein Pachtgebot von dreißig Gulden steigerte. ...”

Die Witwe Rietzler hatte nun für ein Jahr die Waage zu betreuen. Sie konnte die eingehenden Waaggebühren für sich einbehalten. Das Waaghäuschen stand damals an der Nordwestecke des alten Friedhofs gegenüber dem alten Rathaus. Beim Brand von 1865 wurde die Waage zerstört und nicht mehr aufgebaut. Die Waage wurde ins Innere des Rathauses (heute Marktbauamt) verlegt und blieb dort bis nach dem Ersten Weltkrieg.

Märkte

Für die Bewohner des abgeschiedenen Bergdorfes Oberstdorf waren die Jahrmärkte sicherlich herausragende Ereignisse in dem sonst eintönigen Jahresablauf. In den Aktiv-Posten finden wir dazu folgenden Eintrag:

„Einzelne Blätze, der Markt oder Dultstände, Standgelter der vier offendlichen Jahr Märkte!

Nähmlich am 14 Okt: 21 fl 44 kr
den 24 Dezbr 13 fl 7 kr
den 20 Jänner 15 fl 2 kr
den 24 Juni21fl 10 kr
71 fl 3 kr

Wichtigster Jahrmarkt scheint schon immer der „Galli-Marckt” gewesen zu sein. Er war, gemessen an den eingezogenen Standgeldern, immer der Markt, den die Fieranten am meisten besucht haben. Nach eingebrachter Ernte und nach Rückkehr des Alpviehs war dies wohl auch der günstigste Zeitpunkt für die Käufer.

Aus welchem Grund der Gallusmarkt (Gallus 16. 10.) früher immer am 14. 10. abgehalten wurde, ist mir leider nicht bekannt. Eine besondere Note hatte dieser Tag noch dadurch, daß neben dem Krämermarkt auch ein Viehmarkt, „’s Mär[k]tle”, abgehalten wurde. Erst in den fünfziger Jahren ist man wegen Unrentabilität von dieser Praxis abgewichen.

Wochenmarkt oder Fruchtmarkt

Eng verbunden mit den Jahrmärkten war der Wochen- oder Fruchtmarkt. Bereits die „Ratifizierte Marktordnung, die neuere, in Oberstdorf de Anno 1717” sagt dazu:

„Zum ersten: Solle solcher Wochenmarkt auf jeden Montag, da aber auf solchen ein Feiertag einfallen würde, auf den Samstag zuvor gehalten werden.”

Marktplatz war das Kornhaus (heute altes Rathaus), wo der „Kornmaister” den Handel überwachte und die verkauften Waren gewogen oder gemessen hat.

Das Kornhaus war von der Gemeinde um eine bestimmte Summe an den Kornmeister verpachtet, der seinerseits von den Kunden das Waag- oder Meßgeld einziehen konnte. Im 19. Jahrhundert war viele Jahre Franz Tauscher zum Kornmeister bestellt. Er bezahlte die jährliche Pachtsumme von 40 Gulden. Es gab aber auch damals schon Preissteigerungen. Ab dem Jahr 1845 mußte Tauscher „für das Kornhaus 42 fl” bezahlen.

Interessant ist, was die oben erwähnte „Ratifizierte Marktordnung” über Gebühren des Kornmeisters aussagt:

„Mäßgeld. Von einem Viertl Korn, Roggen, Feesen, Gersten und Haber, ausländischer oder fremder - zwey Pfennig.

Ein Oberstdorfer aber Ein Pfennig zu geben schuldig seyn solle.

Dafern [wenn] aber die Kornmaister in der Woche zwischen denen Märkten in das Kornhauß zu gehen hätten, das Mäßgeld in solchem Fall doppelt gereichet werden solle.”

Der Rückgang des Ackerbaues, die Verbesserung der Transportmittel und -wege und hauptsächlich die Ansiedelung von Lebensmittelgeschäften machten die Abhaltung der Kornmärkte zunichte.

Bisher wurde nur von den Einnahmen der Ortsgemeinde gesprochen, aber es waren auch ebensoviele Ausgaben da, manchmal sogar derer mehr. Der Gemeindediener stellte 1848 z. B. folgende Rechnung:

,,Der Unterzeichneter, hat von der Marcktgemeind als Marckt Diener Järlich Gehalt:

Kirchweich Sold3fl
Von den Armen wegen Behörbergung5fl
Vor die Lachen3fl
bei Abhörung der gemeinde Rechnung30 kr
Am Sebastiane Marckt Zehrungsgeld24 kr
Am Johanne Marckt wie Obigen24 kr
Am Gallen Marckt wie Obigen24 kr
Vor die Vortel Zehrung 30 kr
Am Weißen Sontag Stadt Zehrung30 kr
Am Klaußen Marckt für Standgeldeinz 12 kr
für das Abschaffen an Son- u. Feirtage48 kr
für die Holztail Schreiben Papier12 kr
14 fl 54 kr

1846. Am 28te Novemb. hat die Marckt Gemeinde das Grundstücken selbst zur
handangenommen, u. zalt man dem Marckts Diener an Geld hinaus.

für Ein Acker im Winkel10fl 30 kr
für das Feld in Vaulenbach im Staudenhof10fl
für den Heibath in der Spairuben5fl
für den Heibath im Burgstal Wald4fl 30 kr
für den Heibath in der Graßruben8fl 30 kr
Summa:53 fl 24 kr

Den Obigen Empfang Güttürlich Bescheint

Oberstdorf den 2 te Novemb. 1848 Aloys Hindelang, Marckts Diener

Der Markts- oder Gerichtsdiener, auch Scherge genannt, war viele Jahre für seine Dienste mit der Überlassung von Grundstücken entlohnt worden. So heißt heute noch der in der Rechnung an letzter Stelle genannte „Heibath in der Graßruben” „Schergeheubat”.

Diese Naturalentlohnung spricht auch aus der nächsten Rechnung:

„Quittung über 18 fl /achtzehn Gulden:/ welche der Unterzeichnete für Krautzehent von der Gemeinde Oberstdorf durch den Vorsteher Aloys Rietzler dahier pro 1844/45 unterm heutigen baar erhalten hat.

Oberstdorf den 31. Oktober 1845. Stützle, Pfarrer.

Eine flexible, dem jeweiligen Kostenindex angepaßte Entlohnung war zum Beispiel auch die Besoldung der Mesnerin, wie dies aus ihrer Empfangsbestätigung hervorgeht:

„Quittung über 3 fl 6 kr /: Drey Gulden, sechs Kreuzer, welche Anton Übelhörs Wittib Meßnerin für ein Schaf Haber von der Gemeinde Oberstdorf von deßen Pfleger erhalten zu haben bescheint.

Oberstdorf am 21 te Abrill 1845 Verena Rosenblie

Quittungen über erfolgte Entlohnungen, ausbezahlte Spesen und zurückbezahlte Barauslagen sind die Mehrzahl der Kassenbucheinlagen. So erhielt die Maria Dominika Brutscher „für Beheizung des Schulofens im Jahre 1844/45 richtig und baar” 4 Gulden 48 Kreuzer ausbezahlt. „Für Mitarbeitung und Reinschrift der Marktgemeinderechnung pro 1844/45, sowie von Reinschrift der in Duplo hergestellten Kapitals-Rechnung” erhielt der Lehrer Peter Geißler 2 Gulden 42 Kreuzer. Das „Einbinden in Papendeckel" der Jahresrechnung besorgte für den Betrag von 42 Kreuzern der damals in Oberstdorf ansässige Buchbinder Carl Dieler.

Unter der Rubrik „für die Sicherheit” findet sich ein einziger Eintrag. Der Nachtwächter Joseph Vogler bescheinigt da den Empfang seines Jahresgehaltes von 56 Gulden. Unter dem Titel „Victualien-Visitation” wurden dem Anton Tauscher 1844 und 1845 je 2 Gulden ausbezahlt. Tauscher erhielt das Geld, wie aus seiner Quittung hervorgeht, „für Brodwägen”. Er hatte also die Aufgabe der heutigen Lebensmittelüberwachung inne und kontrollierte bei den Bäckern das Gewicht der zum Verkauf angebotenen Brote nach.

Die Gemeinde hatte keine hauptberuflich angestellten Personen. Für jede kleine Tätigkeit mußte also ein Gemeindebewohner beauftragt und mit diesem dann die Lohnabrechnung getätigt werden. Eine große Anzahl von »Buchungen« war notwendig. Für den Heimatkundler sind dies heute wahre Fundgruben.

Eine größere Lohnsumme war es schon, als der königliche Forstwart Zeller „für die technische Leitung und Aufsicht über die Gemeinde-Waldungen zu Oberstdorf für das Jahr 1844/45” 88 Gulden verrechnete. Zeller, von dem ein Bild im Oberstdorfer Heimatmuseum hängt und der die letzte Wildkatze bei uns geschossen haben soll, hatte über die gesamte Holzabgabe aus den Gemeindewaldungen zu entscheiden. Ihm oblag auch die Führung des „Forst-Rüge-Manuals”, in dem die Verfehlungen von Einwohnern - soweit sie beim Forstfrevel erwischt wurden - niedergeschrieben wurden. Mögen uns heute diese »Vergehen« fast lächerlich erscheinen, so waren sie damals strafwürdiger »Frevel«. Nachfolgend ein kleiner Auszug aus dem Forst-Rüge-Manual:

„Den 14. Nov: 1845 Nachmittags 1 Uhr bei der Mihle Brug, die Hausfrau des Thomas Knapp, Äfrare genannt, von Oberstdorf, hat bei nebiger Brug 4 Schubkarhen voll Holz ohne Erlaubnis auf ihren Garten geschoben. Werths-Anschlag des verübten Schadens 16 kr. Pfandgeld 20 kr [der Förster war berechtigt, das Pfandgeld von den betroffenen »Sündern« zu erheben], wird dißmahl mit Verweiß gestraft Pfandgeld somit nachgelassen.”

Die „Äfrare” ist somit noch einmal gut davongekommen. Aber 20 Kreuzer Strafe für ein paar Prügel, die diese Frau aus dem Wasser der Trettach gezogen hatte, wäre wohl zu hart gewesen. Nicht ganz so einfach war der nächste »Fall«.

„Im Mai 1846 am Riedwald Franz Joseph Mangold von hier hat ohne weitere Anfrage 2 Gemeinds-Baustücke zu 4 Stück Schneidbäum abgeschnitten und nach Hausgeführt, a 1 fl 30 kr. Pfandgeld 20 Kreuzer. Mangold kann sich nicht entschuldigen, obwohl ihm die Gemeinde das Holz zu Gebäulichkeiten gibt, so muß er doch zuerst einen Voranschlag liefern, u. beym Vorgesetzten Holzaufseher anfragen. Strafansatz 1 Gulden.”

Daß Forstwart Zeller nicht nur für Holzabgabe und Forstschutz, sondern auch für die Aufforstung zuständig war, beweist die Rechnung von Konrath Breuning aus Rohrdorf bei Nagold, der dem Markt Oberstdorf für „3 Säcke Fichten Samen” 84 fl 30 kr berechnet.

Ein weiterer Rechnungskomplex in den Büchern war die Landwirtschaft. So hat der „Gemeindepfleger Alois Rietzler für ein Stierkalb zur Nachzucht des Viehes” dem Handelsmann Martin Vogler 56 Gulden bezahlt.

Konrad Brutscher stellte am 29. September 1845 folgende Rechnung an die Gemeinde:

„der Unterfertigte hat nachstehntes in Verdinst gebracht hinsichtlich der Gemeinde Zuchtstier habe ich durch über einkommen mit der Gemeinde Verwaltung 2 Zuchtstir zum überwintern angenommen 40 fl

ein Stück mußte 8 Wochen, von 20te Merz bis 22 te May gefiltert werden

pro Woche 1 fl8 fl
im Sommer ein Stier gefüttert weil er krumm gewesen 1 fl 36 kr
2 Stier auf den Josephs markt Tranzbortkosten 3 fl 12 kr
4 Stier in die Alpe getrieben a 6 kr 24 kr
Summa53 fl 12 kr

Der Hirt Anton Kecheler erhält am 8. November 1845 „für Müth u. Salz u. Hirtlohn für zwey Gemeinde Zuchtstiere welche in gesagter Alpe [Haldenwang] übersimmert worden sind” 1 Gulden 12 Kreuzer.

Der „Vieh = Assecuranz = Beytrag” (Viehversicherungsbeitrag) für die vier Gemeindestiere betrug im Jahre 1845 4 Gulden und 24 Kreuzer.

Eine weitere Versicherung, die der Markt Oberstdorf zu bezahlen hatte, war die Brandversicherung. Von den 10 Gulden 19 Kreuzer entfielen auf das

Waaghaus15 kr 1 hl,
Kornhaus2 fl 45 kr
Schulhaus4 fl 57 kr
Loretto2fl 12 kr

Im Jahr 1832 hat das kgl. Landgericht bemängelt, daß die Brandversicherungssummen zum Schaden der Versicherung viel zu hoch angesetzt sind. Allerdings mußte nach dem großen Brand von 1865 festgestellt werden, daß in Oberstdorf sämtliche Gebäude unterversichert waren und die Entschädigung z. T. nicht mehr als 10 % betrug.

Der Feuerschutz war auch ein Rechnungsposten, der jährlich in den Büchern auftauchte. So verrechnete Michael Huber 1844 für Wagnerarbeiten:

„zu der III te Feuerspritze zwey Triebleitern gemacht1 fl 48 kr
zu der IV te Feuerspritze einen Waagen gemacht u. daß Holz dazu hergegeben6 fl
7 fl 48 kr

Für das Beschlagen dieses Wägelchens berechnete der „Huf Schmid Meister Tadä Hindelang” 6 Gulden 36 Kreuzer. Der Schlosser Joseph Zobel hat „an die Neue Feurspritzen die Rohr zu befestigen von Eisen Bogen, Bänder, Schraufen gemacht, und eingeschmiert”. All das kostete bei ihm 4 Gulden 48 Kreuzer.

Vieles wäre noch aus diesen Rechnungsbüchern zu entnehmen. Teils sind die Eintragungen mit wundervoller Zierschrift erfolgt. Andere Absätze, mit schwerer Faust hingekritzelt, sind kaum zu entziffern. An Stelle mancher Unterschrift steht noch ein Handzeichen des bzw. der »XY«, und dort, wo der Namenszug sein sollte, ist ein Kreuz, bei dessen Produktion sich der Gänsekiel gespalten hat. Ja, diese Hände waren von der harten Arbeit noch schwer. Eine Axt, eine Sense oder einen Pflug mochten sie leicht führen, aber nicht so eine kleine Feder. Dafür hatte man damals schon die »Federfuchser». Wenn diese auch immer belächelt und mitleidig betrachtet wurden, müssen wir froh sein, daß es sie gab, sonst wüßten wir noch viel weniger über unsere Vorfahren.

Quelle: Gemeindearchiv Oberstdorf

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