Anton Berktold- dem Landwirt, Holzwart und Heimatfreund zum Gedenken

von Eugen Thomma am 01.05.1984

Vierzehn Tage war das neue Jahrhundert gerade alt, als unter der Registernummer 2/1900 der Oberstdorfer Standesbeamte im Geburtenbuch einen Buben eintrug. Im Anwesen Nr. 69 in der Rankgasse hatte ihn die Ehefrau des Küfers und Landwirts Joseph Berktold, Viktoria, geb. Mayr, zur Welt gebracht.

Anton wurde er getauft. Dem Vornamen seines Großvaters, Michael Berktold, folgend, war sein späterer Hausname „Michle Anton”. Der Vater, „Michle Joseph”, ist hier - wie so oft bei den Hausnamen - übersprungen worden.

Berktold - Heft 5

Anton Berktold

Zusammen mit einem Bruder wuchs der Bub auf. Eine Schwester war im Kindesalter gestorben. Als Anton gerade vierzehn Jahre alt war, verlor er seinen Vater, so daß er mit der Mutter die Landwirtschaft umtreiben mußte. Am Ende des Ersten Weltkrieges, die „Menschenreserven” des Kaiserreiches schmolzen zusammen, erreichte auch den jungen Anton noch der Gestellungsbefehl.

Nach dem Kriege trat er in die Fußstapfen des Vaters und Großvaters. Er erlernte das Küferhandwerk und betrieb die elterliche Landwirtschaft. Mit der Landwirts- und Bergführerstochter Maria Weitenauer trat Anton 1925 vor den Altar. Zwei Söhne und eine Tochter gingen aus dieser Ehe hervor.

Als der Ortsausschuß 1927 für den gemeindlichen Holzwart Kaspar Braxmair einen Gehilfen suchte, stellte man Anton Berktold ein. Welchen Glücksgriff die Gemeinde getan hatte, sollte sich in den folgenden Jahrzehnten herausstellen. Als Braxmair 1933 in den Ruhestand ging, trat der Gehilfe die Nachfolge an. Er betreute und verwaltete die umfangreichen Gemeindewaldungen und stand den eingesetzten Forstarbeitern vor. Sein hervorragendes Wissen im Forstwesen und seine bestaunenswerten Ortskenntnisse machten die übergeordneten Forstbehörden auf den noch jungen Mann aufmerksam. Schon bald war er ein gesuchter Ratgeber, wenn es um Fragen des Bergwaldes ging.

Aber auch in anderen Gremien und Institutionen hatte sein Wort Gewicht: so z. B. als Mitglied des Ortsausschusses, als Alpmeister, als vereidigter Schätzmann.

Eine schwere Aufgabe hatte „dr Holzwart”, so wurde Anton mittlerweile im ganzen Ort genannt, während des Zweiten Weltkrieges. Er war verantwortlich für die unter kriegswirtschaftlichen Verhältnissen vorgeschriebenen Holzablieferungen. Die jungen Waldarbeiter waren eingezogen und das immer höher geschraubte „Soll” mußte erfüllt werden. Noch größere Probleme bereitete die Versorgung der Bevölkerung (und dabei insbesondere der vielen evakuierten Frauen und Kinder aus den bombenbedrohten Städten) mit Brennholz.

Als die Schrecken und Nöte des Krieges vorbei waren, tauchten andere Probleme auf. In den dreißiger Jahren waren auf höheren Befehl die Ortsgemeinden aufgelöst und deren Liegenschaften und Besitz den politischen Gemeinden angegliedert worden. Nach dem Kriege hat man diese Art der Enteignung annulliert.

Es galt nun, das Vermögen der politischen Gemeinde und das der Ortsgemeinde zu trennen. Zwischenzeitlich hatte aber die politische Gemeinde eine Reihe von Aufgaben der Ortsgemeinde übernommen. Dies alles war bei der „Erbauseinander-
setzung” zu bedenken. Wer wäre da in den Details der Liegenschaften und den alten Rechten und Pflichten besser informiert gewesen als Anton Berktold? Ob es sich um einen Grenzstein im Dummeismoos, eine Mark-Tanne am Höllenberg, eine Abmarkung im Oytal oder Grenzverläufe im Rappenalptal handelte, ob es um Besitzverhältnisse oder alte Flurnamen ging, er wußte Bescheid. Wenn Streitfragen über Fahr- und Gehrechte, über Rechte von Alpgenossenschaften und viele andere Dinge auftauchten, wurde er zu Rate gezogen. Anton Berktold hat in jahrelanger mühevoller Arbeit, in unzähligen Besprechungen und Verhandlungen den Teilungsvertrag erstellt, der 1951 unterzeichnet wurde.

Zwei Jahre nach dem denkwürdigen Vertragsabschluß standen das Gerstrubener Tal, das Traufbachtal und weitere umfangreiche Grundflächen aus dem von Heylschen Besitz zum Verkauf. Wer würde hier einsteigen, um die herrliche Landschaft und das Kleinod Gerstruben vor Spekulanten zu schützen?

Der neugegründete "Verein der ehemaligen Rechtler der Ortsgemeinde Oberstdorf" ergriff die Initiative und erwarb unter großen finanziellen Opfern dieses Stück Heimat zurück. Anton Berktold war an den Verhandlungen maßgeblich beteiligt.

Anton Berktold und Gerstruben - zwei Namen, die zusammengehören! Anfang 1600 kam mit Martin Berchtold (Walser Schreibweise) der Stammvater des Geschlechts nach Gerstruben, dessen Nachkommen bis zum Verkauf 1893 diesem Bergdörflein mit den Stempel aufdrückten. Mit Ausdauer und Liebe befaßte sich Anton Berktold mit der Geschichte dieser Bergbauernsiedlung, die seine eigene Geschichte war.

Es war fast selbstverständlich, daß der engagierte Heimatfreund und Kenner des bäuerlichen Lebens zur Museumsgruppe um Wilhelm Math stieß. Sie ergänzten sich vortrefflich in ihrem hervorragenden Wissen um Oberstdorfs Vergangenheit.

Im öffentlichen Leben spielte Anton Berktold eine gewichtige Rolle: als Gemeinderat, als Rechtlervorstand, im Alpwirtschaft-
lichen Verein und in anderen Gremien. Sein Rat war gefragt, sein Wort galt. Dies alles änderte sein Leben nicht. Er war und blieb Bergbauer, der Sohn seiner Heimat, für die er sich so leidenschaftlich einsetzte.

Eine ganze Reihe von Ehrungen wurde Anton Berktold zuteil. Der Markt Oberstdorf verlieh ihm für seine großen Verdienste um die Heimatgemeinde die Bürgermedaille und ehrte ihn 1977 mit der Ehrenbürgerwürde. Für den Freistaat Bayern zeichnete Ministerpräsident Alfons Goppel ihn mit der Bayerischen Verdienstmedaille aus. Die Bundesrepublik Deutschland bedachte ihn mit dem Bundesverdienstkreuz.

Es ist sehr selten, daß solche Ehrungen einem kleinen Landwirt widerfahren. Man findet sie viel öfters bei Politikern, Gelehrten oder Wirtschaftsmanagern. Solche Auszeichnungen können etwas über das Wirken einer Person aussagen, aber nicht über den Menschen. Und gerade über den Menschen Anton Berktold wäre soviel zu sagen. Sein aufgeschlossenes, freundliches Wesen, seine gütige und ausgleichende Art - die ihn allerdings nicht hinderte, einen harten Standpunkt einzunehmen, wenn es gegen seine Prinzipien ging - kennzeichneten ihn. Eine besondere Eigenschaft überlagerte all diese Tugenden: sein Humor. Von der versteckten Ironie bis zum beißenden Spott erstreckte sich die Palette, die diesen Humor ausdrückte. In den vielen Abenden, die wir im kleinen Kreise des Museumsausschusses zusammensaßen, gab er davon unzählige Kostproben. Die dabei von ihm erzählten Geschichten aus früherer Zeit waren für uns erlebte Geschichte und ungekünstelte Fröhlichkeit.

Einen Teil seines umfangreichen Geschichtswissens hat Anton Berktold in den Büchern "Geschichte des Marktes Oberstdorf", "Alt-Oberstdorf", "Gerstruben" und in einer Reihe von heimatgeschichtlichen Aufsätzen niedergeschrieben. Vieles hat er erzählt, und doch sagen wir heute schon oft: Mein Gott, hätten wir das doch Anton noch gefragt!

Unter der Nummer 73/1983 ist am 5. Mai 1983 das Ende des Lebens von Anton Berktold (das am 15. Januar 1900 begonnen hatte), im Oberstdorfer Standesamt eingetragen: ein Leben für seine Familie, seinen Berufsstand und seine Heimat Oberstdorf.

Uns fehlt sein Rat, wir vermissen den wertvollen Menschen, den väterlichen Freund Anton Berktold.

Kontakt

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1. Vorsitzender
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Brunnackerweg 5
87561 Oberstdorf
DEUTSCHLAND
Tel. +49 8322 6759

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