Scheidplatz am Ried mit dem einst
noch recht bescheidenen Bierzelt.
Abbildung entnommen aus: Alt Oberstdorf
Seit Hunderten von Jahren findet unser Oberstdorfer „Scheid” mit wenigen Ausnahmen stets am 13. September eines jeden Jahres statt. Warum nun waren unsere Vorfahren gerade auf diesen Termin ihres Scheids festgelegt? Dieses fast starre Datum erhielt seinen Ursprung aus dem heute vergessenen, aber viel älteren riesigen Viehmarkt in Sonthofen, dem sogenannten Sonthofer Mangenmarkt, der stets einen Tag später als der Scheid stattfand. Es mußten also sowohl das Galtvieh als auch das Mastvieh schon am Vortag des Mangenmarktes aus den Alpen geholt werden, damit rechtzeitig am nächsten Tag in Sonthofen gehandelt werden konnte.
Bis ins 19. Jahrhundert verzeichnete dieser Mangenmarkt den größten Viehumschlag im gesamten bayerisch-schwäbischen Raum. Auf diesem Viehmarkt wurden innerhalb von Tagen gewaltige Mengen von Tieren gehandelt und verkauft. Alle Viehscheide des Oberallgäus, hauptsächlich die von Hindelang, Obermaiselstein und Oberstdorf, waren nur die Zubringer zu diesem riesigen Marktgeschehen.
Um sich vom Umfang dieses ungewöhnlich großen Umsatzes ein Bild zu machen, genügen ein paar Zahlen: Am 14. September 1814 wurden in Sonthofen insgesamt 6 656 Stück Vieh aufgetrieben, nämlich 636 Melkkühe, 800 Rinder und Kälber, 450 Sommerkälber, 1600 Stiere, 350 Ochsen, 80 Fohlen, 390 Pferde, 850 Gaißen und Böcke und 1500 Schafe (Hipper/Kolb, S. 379 - siehe ähnliche Angaben auch im Beitrag „Handel und Wandel über die Paßhöhe nach Süden ins Birg”!).
Schon im Jahre 1535 waren an Markttagen alle Plätze und Gassen innerhalb des Marktes Sonthofen, aber auch alle „Häge” entlang der Straßen bis zu den Mühlen an der Ostrach derart mit Vieh vollgestopft, daß schier kein Durchkommen mehr war. Es wurden aber auch große Viehherden von 800 bis 1000 Ochsen zusammengestellt und über Oberstdorf wieder zurück ins Rappenalptal, über Biberalp-Salzbichl und ab 1795 über den neuen Schrofenpaß ins „Welschland” (Italien) getrieben.
Die Käufer und Viehhändler kamen überwiegend aus Graubünden, dem Oberrhein und dem württembergischen Raum sowie aus Italien. Warum aber nannten unsere Vorfahren einen Viehmarkt Mangenmarkt, wenn doch allgemein bekannt ist, daß der Namenstag des hl. Magnus am 6. September gefeiert wird?
Von 1429 bis zum Jahre 1585 veranstalteten die Sonthofer tatsächlich den Viehmarkt am 6. September. Im Jahre 1585 wurde im Bistum Augsburg von der Julianischen Kalenderberechnung auf unsere heutige Gregorianische Zeitrechnung umgestellt. Daraus resultierte im Jahre 1586, daß der 6. September schon am 26. August gefeiert wurde, also noch mitten im „Ohmadat”. Dies war für die Oberallgäuer Bauern ein überaus ungünstiger Termin und bedeutete einen fast zum Erliegen kommenden Viehmarkt.
Die protestantischlutherischen Viehaufkäufer aus den verschiedenen Schweizer Kantonen, aus Württemberg, vom Oberrhein sowie den ausnahmslos evangelischen Reichsstädten des Allgäus und Schwabens ignorierten diese katholische neue Zeitrechnung vollständig. Auch die Juden als Pferdehändler aus der Grafschaft Burgau (Ichenhausen, Leipheim usw.) erschienen nicht mehr auf dem Markt (Hipper/Kolb, S. 339 ff.).
Dieser Zustand schleppte sich bis zum Jahre 1594 fort. Erst im Jahre 1595 ließ sich der Bischof von Augsburg als weltlicher Landesherr überreden, den alljährlichen Mangenmarkt zu Sonthofen „für alle Zeiten” auf den 13. September jeden Jahres festzulegen. Dies war, wie gesagt, ein Zugeständnis an die vielen protestantischen Viehhändler, welche nun eifrig wieder auf dem Viehmarkt handelten und feilschten.
Fazit: Von 1429 bis 1585 fanden die Viehscheide im Oberallgäu am 5. September jährlich statt, vom Jahre 1595 bis in unsere Tage dann in Oberstdorf am 13. September jeden Jahres. Auch heute noch sprechen wir nur vom Vieh- Scheiden, d. h. Wieder-Verteilen, und nicht vom Vermarkten.