Die Vielfalt der Endungen ist gegenüber dem Hochdeutschen aber reduziert.
C. Artikelwörter im Oberstdorfer Dialekt (I)
Im Oberstdorfer Dialekt gibt es nicht nur das Wort ein”, sondern zwei Wörter: a” und ui” Ui” ist ein reines Zahlwort, das der Anzahlstufe 1 entspricht und im Hochdeutschen mit „ein” übersetzt wird. Als Pronomen (Fürwort) ist es formgleich mit der Zahl 1 („uis”). „A” ist ein unbestimmter Artikel der teilweise dem hochdeutschen „ein” entspricht, teilweise dem sog. Nullartikel, also einfach wegfällt. Aus „ui Fehl, it fümf” und „a Fehl, kui Bue wird im Hochdeutschen „ein Mädchen, nicht fünf” und „ein Mädchen, kein Junge . „A Rueh. wird zu „Ruhe!”, der Artikel verschwindet einfach.
Dialektinterne Gemeinsamkeiten sind die jeweils gleiche Form im 1. Fall (männl /sächl./weibl.) und im 4. Fall (sächl./weibl.). Diese Inirmen sind endungslos. Im 4. Fall (männl.) gilt die Endung ,,-n”, im 3. Fall (mannl./sachl.) die Endung ,,-m” und im 3. Fall (weibl.) die Endung ,,-r”. Die Endungen sind bei „a und „ui” identisch.
Um die Formunterschiede noch deutlicher zu erfassen, wollen wir uns noch den sog. Negationsartikel betrachten. Im Hochdeutschen wird er einfach gebildet durch ein vor den unbestimmten Artikeln gesetztes „k” („kein”). Im Oberstdorfer Dialekt wird das „k” vor „ui” gesetzt. Im Gegensatz zum Hochdeutschen ist der Negationsartikel aber auch im Plural (Mehrzahl) endungslos.
„Ui” wird betont bzw. gedehnt gesprochen, während „a” unbetont bleiben muß. Dies hat mit ihren unterschiedlichen Funktionen zu tun. „Ui” wird als reines Zahlwort verwendet und muß deshalb eine Abgrenzungsaufgabe gegenüber anderen Zahlwörtern wie „zwi/zwai”, „drui/dri”, „vier”, „fümf ’ etc. erfüllen. „A” dagegen steht einfach bei allen Substantiven (Hauptwörtern), die nicht extra als „bestimmt” gelten sollen. Und hier gibt es einen wichtigen Gegensatz zum Hochdeutschen: „Ein” kann im Hochdeutschen nur mit sog. Individuativa verwendet werden, d.h. mit Wörtern, die sich auf zählbare Gegenstände beziehen („Auto”,
„Baum”, „Kind” etc.). Sog. Kontinuativa (Massewörter) sind ausgeschlossen („Fleisch”, „Geld”, „Bier”, „Schnee” etc.), falls sie nicht in individuierender Absicht verwendet werden („noch ein Bier” = „noch ein Glas Bier”).
Im Oberstdorfer Dialekt wird auch bei diesen Wörtern „a” verwendet, d.h. artikellose Formen im Singular gibt es im Dialekt seltener als im Hochdeutschen. Beispiel:
„Mir brüched no an Zuckr ünd a Meahl”
(„Wir brauchen noch Zucker und Mehl”).
„Huit git’s a Schwienes”
(„Heute gibt es Schweinefleisch”).
Wie im Hochdeutschen ist der Indefinitartikel möglich bei individuierender Verwendung (bei Zählbarkeit der Gegenstände). Dies gilt genauso für das Zahlwort „ui„: „A/ui Docke” („eine Puppe”), „a/ui Finschtr” („ein Fenster”), „a/ui Güetzle” („ein Bonbon”) etc.
„A” und „ui” sind ein echtes Oppositionspaar. Ein Wechsel von „a” zu „ui” und umgekehrt führt zu einer Bedeutungsänderung.
Ganz deutlich wird das bei der Verwendung von „bloaß”. Wenn ein Mädchen an Weihnachten „bloaß a Docke,, geschenkt bekommen hat, dann hat es nur eine Puppe und sonst nichts bekommen. Wenn es aber „bloaß ui Docke” war, dann beschwert das Mädchen sich, daß es nicht zwei oder mehr Puppen bekommen hat. „A” betont den Unterschied der Gegenstandsart, „ui” den Unterschied in der Anzahl stufe.
Fortsetzung folgt