Tab 1: Das Wetterjahr 1996 in Oberstdorf (810m)
Das vergangene Jahr war im oberen Illertal wettermäßig insgesamt normal. Nach den Messungen an der offiziellen Wetterstation des Deutschen Wetterdienstes (DWD) wichen die Niederschlags- und Sonnenscheinsummen nur wenig vom langjährigen Normalwert ab. Die Tabelle 1 enthält die wichtigsten Kennzahlen für die einzelnen Monate. Das markanteste waren die Temperaturen: Übers ganze Jahr gemittelt waren sie nämlich um 0.7 Grad zu kalt. Die seit Beginn der 80er Jahre anhaltende Serie zu warmer Jahre wurde damit - zumindest vorübergehend regional - unterbrochen.
Lufttemperatur
An der vollautomatischen Wetterstation - etwa 0,5 km südlich des alten Stationsgebäudes in der Wannackerstraße in freier Umgebung - wurde im vergangenen Jahr eine Mitteltemperatur von 5.4 Grad registriert; bezogen auf die Referenzperiode 1961 - 90 war es also um 0.7 Grad zu kalt. Trotz der veränderten Aufstellung und der Geräte paßt dieser Wert gut zu den Daten umliegender Stationen: Garmisch um 0.6 und Bregenz um 0.8 Grad zu kalt. Ein vergleichbar kühles Jahr gab es übrigens zuletzt 1987. Interessanterweise war es in den Allgäuer Alpen, oberhalb rund 2000 Metern, dagegen zu warm! Die höchste Temperatur verfehlte am 23. Juli mit 29.9 Grad knapp die 30-Grad-Marke und entspricht damit unserem Empfinden eines kühlen Hochsommers.
Allerdings wurden wir in den letzten Jahren mit heißen Sommertagen regelrecht verwöhnt: Im Jahre 1982 erlebten wir den letzten Sommer mit Höchsttemperaturen unter 30 Grad. Die tiefste Temperatur wurde am 13. März mit -22.5 Grad beobachtet, lag aber nur 0.2 Grad unter dem Tiefstwert vom 28. Dezember, der im übrigen süddeutschen Raum als der kälteste Tag des Jahres in die Annalen einging. In beiden Fällen war das lokale nächtliche Aufklaren nach frischen Schneefällen für den strengen Frost verantwortlich. Allerdings sind die an dem neuen freieren Standort außerhalb des Dorfes gemessenen Tiefsttemperaturen sicher kälter als am alten Standort und somit nur bedingt mit der über 100jährigen alten Beobachtungsreihe vergleichbar!
Niederschlag
An den 366 Tagen des Jahres 1996 registrierte der Regenmesser insgesamt 1619 Millimeter (oder Liter/Quadratmeter) Niederschlag. Diese beachtliche Menge lag aber interessanterweise 14 % unter dem langjährigen Sollwert! Erwähnenswert ist, daß im letzten Jahr nur 149 Tage völlig niederschlagsfrei waren. Trotz der großen Variabilität des Niederschlages von Ort zu Ort sind die Jahresabweichungen über größere Regionen relativ homogen. Im südwestlichen Bayern sowie in Vorarlberg war es allgemein um 10 bis 15 % zu trocken, während die weiter im Osten liegenden Voralpen Überschüsse von bis zu 10 % hatten (Garmisch, Salzburg). Die maximale 24stündige Niederschlagsmenge (jeweils von 7 Uhr bis 7 Uhr) wurde am 27. Mai beobachtet. Ein kräftiger Gewitterregen brachte 48 Millimeter. Zum Vergleich: Die bisherige Rekordsumme wurde am 9. August 1970 mit 122 mm verzeichnet.
Sonnenschein
Gesamthaft zeigte sich die Sonne im oberen Illertal an 1494 Stunden - das entspricht 6 % weniger als in den letzten 30 Jahren, aber 85 Stunden mehr als 1995. Vergleiche mit früheren Jahren sind aber nur bedingt möglich, da sich das Meßprinzip grundlegend verändert hat. Bis anhin wurde die Sonnenscheindauer auf dem Dach der Wetterstation mit einem sogenannten Autographen gemessen. Dabei wird mit Hilfe einer als Brennglas wirkenden Glaskugel eine Spur in einem auf einer Kugelschale angebrachten Kartonstreifen gebrannt. Die manuelle Auswertung der Brennspuren ergibt die Sonnenscheindauer. Bei dem jetzt eingesetzten elektronischen Gerät erfolgt die Messung mit Hilfe einer Photozelle, welche den Kontrast zwischen bestrahlter und abgeschatteter Zelle bestimmt. Wird dieser Unterschied größer als 200 Watt/Quadratmeter, registriert das Gerät Sonnenschein. Vor allem an dunstigen oder wechselnd bewölkten Tagen erhält man mit den alten Sonnenschein-Autographen mehr Sonnenschein!
Wetterkapriolen
Verglichen mit den vorhergehenden „heißen” Jahren nahm im vergleichsweise kühlen 1996 auch die Häufigkeit extremer Wettererscheinungen etwas ab.
Am Jahresbeginn fiel besonders die große Trockenheit auf: Der Januar 1996 war mit ganzen 9 mm (7 %) in Oberstdorf der trockenste seit Meßbeginn 1886! Im Februar und März fiel zwar etwas häufiger Niederschlag - bei spätwinterlichen Temperaturen meist als Schnee doch es blieb insgesamt zu trocken und zu sonnig. Diese Trockenheit setzte sich noch bis in den April fort und führte unter anderem zu einem extrem tiefen Pegelstand des Bodensees. Übernormale Temperaturen, die am 23. bei einer Föhnlage fast sommerliche 25 Grad erreichten, sorgten für eine fast explosionsartige Vegetationsentwicklung. Ausgerechnet der „Wonnemonat" Mai holte mit wolkenreichem, aber feuchtwarmem Wetter das Regendefizit auf.
Die berüchtigten „Eisheiligen” waren zwar kühl, aber frostfrei! Außergewöhnlich war der Juni. In unserer Region eigentlich als kühler, regenreicher Monat bekannt, bescherte er uns im letzten Jahr aber an den ersten 20 Tagen eine ungewohnt hochsommerliche Witterung. So wurde etwa am 7. in Südbayern die bisher höchste Tagesmitteltemperatur seit 1879 beobachtet! Das schwülheiße Wetter mit zahlreichen lokalen, schweren Gewittern wurde erst am 21. Juni durch einen markanten Kaltlufteinbruch (Schafskälte) beendet. Die eigentlichen Sommerferien-Monate Juli und August waren insgesamt zu kühl mit Sonne vor allem im Juli und Regen im August. Richtig warmes Sommerwetter wurde nur an einzelnen Tagen beobachtet: Lediglich an 7 Tagen erreichte das Thermometer die Sommermarke von 25 Grad im Schatten - normal wären 15 Tage!
Auch der Herbst brachte keine Wende zum Besseren. Im Gegenteil: Praktisch alle Tage des Septembers waren in Oberstdorf zu kalt, und die insgesamt reichlichen Niederschläge fielen am 14. sogar bis 800 Meter als Schnee, was einen um eine Woche verfrühten Viehabtrieb zur Folge hatte! Im November erfolgte in der letzten Dekade ein markanter Wintereinbruch: Ende Monat lagen im Tal 50 cm, in der Höhe bis 150 cm Schnee - die höchsten Mengen seit über 20 Jahren! Dieses Schneepolster garantierte bei kalter und trockener Witterung bis Mitte Dezember ideale Wintersportverhältnisse. Auf das berühmte „Weihnachtstauwetter” folgte am Heiligabend ein markanter Einbruch arktischer Kaltluft aus Norden, die dann bis in den Januar 1997 hinein im Oberallgäu für hochwinterliche Verhältnisse sorgte.
Nachwort
Das vergangene Jahr war zwar um 0.7 Grad zu kalt und wies deutlich weniger extreme Wettererscheinungen auf als die vorhergehenden Jahre. Doch die durch den Treibhauseffekt erwartete Klimaerwärmung ist damit nicht vom Tisch! Denn glo-
bal betrachtet war 1996 erneut um 0.36 Grad zu warm und somit nach dem Rekordjahr 1995 das zweitwärmste der letzten hundert Jahre. Die Kälteanomalie über Mittel- und vor allem Osteuropa (Wien verzeichnete das kühlste Jahr seit 1965) war regional begrenzt und dürfte nach den neuesten Erkenntnissen auch nur vorübergehender Natur sein.
Die Wetterentwicklung der ersten Monate des Jahres 1997 zeigt, daß sich der Trend zu deutlich zu warmen Monaten und zu häufigen extremen Wettererscheinungen eher wieder verstärkt.