»Kreuzigung«
F.C. Rosen - 1948
Öl auf Hartfaser, 83 × 57 cm
In den ersten Jahren nach dem Krieg gab es in Oberstdorf mit Gertrud von le Fort, mit den Dirigenten Georg Ludwig und Eugen Jochum, den konkurrierenden Kammersängerinnen Hertha Stoltzenberg und Mimi Poensgen, mit dem Aufenthalt damals so berühmter Schauspieler wie Karl John oder Rene Deltgen, mit dem Ägyptologen Kurt Lange nicht nur ein reges Kulturleben; es war vielmehr auch die Glanzzeit des unvergessenen Springer-Trios Sepp Weiler, Toni Brutscher und Heini Klopfer - ein unwiderleglicher Beweis dafür, daß Sport und Kunst keine feindlichen Brüder sind, daß ein „Skidorf” zugleich auch ein „Kulturdorf' sein kann, wie nun bereits seit fünf Jahren der „Musiksommer” eindrucksvoll dokumentiert.
Eine der charaktervollsten Gestalten auf der ungemein lebendigen Nachkriegs- Szenerie war der Mann, dessen hundertster Geburtstag in dieses Jahr fällt: Friedrich Carl (F.C.) Rosen. Er ist mir als Maler ebenso wie als Schauspieler unvergeßlich. Ich weiß heute, daß der Künstler finanziell ebenso wenig auf „Rosen” gebettet war wie die meisten seiner Kollegen, für deren Interessen er sich immer wieder nachdrücklich einsetzte, und daß er schöne alte Skulpturen, die er gesammelt hatte, verkaufen mußte.
Aber seine Haltung, sein Blick, sein selbstbewußter, gemessener Gang, sein Gespräch, vor allem aber sein ausgeprägter Kopf mit der gefurchten Gesichtslandschaft, in die das Leben seine Spuren gegraben hatte, ließen nichts von diesen Sorgen erkennen. Seine Bilder haben mir damals geholfen, den Weg zur Kunst der eigenen Zeit zu finden. Ihre vermittelnde Position zwischen Tradition und Gegenwart war für einen jungen Menschen gerade die richtige Mischung.
Was für ein Werk, das - aus vielerlei Gründen - jahrzehntelang in der Öffentlichkeit nicht zu sehen war, ehe endlich 1995 eine kleine Auswahl in der Evangelischen Kirche präsentiert wurde! Der Maler verleugnete seine Bewunderung für die großen Vorbilder van Gogh und Cezanne ebensowenig wie die Nähe zur Kunst seines Freundes Max Pechstein, zu Schmidt-Rottluff oder auch zu der eines Josef Scharl, der ihn ebenso wie der Amerikaner Robert Curry nachdrücklich förderte. Er wurde aber deswegen nicht zum Epigonen. Rosen entwickelte vielmehr in der Auseinandersetzung mit dem Werk der Älteren seine eigene Künstlerpersönlichkeit und fand dabei seine eigene malerische Sprache.
Er war kein Expressionist, so vehement und entschieden seine Handschrift mit dem Pinsel und vor allem mit dem Spachtel auch sein konnte. Denn es gibt keine Formzerlegung und keine orchestral leuchtenden Farben, aber es gibt - bei bemerkenswerter Sicherheit der „Handschrift” - Formverdichtung durch Reduktion und eine zwar kräftige, aber letztendlich doch tonige Farbigkeit, wenn man von den leuchtenden Rot-Grün-Gelb-Klängen, etwa auf einem der vielen Baum „Porträts” absieht, die von fern auf die Palette van Goghs oder der Fauves verweisen mögen. Rosens Formulierungen sind ebenso präzise wie subtil, seine Farbskala kennt viele Valeurs. Seine Schneebilder, seine Gebirgskuppen, vor allem aber seine Baumgruppen und Alleen dokumentieren eine ungewöhnliche Begabung für das Landschaftsbild. Er war nicht nur einer der besten Künstler im Allgäu; seinem Werk kommt vielmehr, seinen sinnlichen wie seinen formalen Qualitäten entsprechend, eine durchaus überregionale Bedeutung zu.