Ein fast vergessener Maler aus Oberstdorf - vom "Bürebua" zum anerkannten Maler

von Wilhelm Friedrich am 01.12.1998

Bei der Frage, warum es in Oberstdorf eine Straße mit Namen „Fischerstraße” gibt, war das Wissen hierüber erschreckend gering.

Die Straße ist benannt nach dem Maler

Joseph Anton Fischer

Er wurde am 28. Februar 1814 im Haus Nr. 271 (heute Weststraße 27) in Oberstdorf geboren. Ab dem Jahre 1823 verbrachte er seine Jugendjahre im Haus Nr. 189 (heute Sonnen-Apotheke, Frau Rosi Friederich, seine Urgroßnichte).

Seine Eltern:
Der Vater Joseph Fischer (1787 - 1838)
und die Mutter Agnes Huber (1791 - 1869), eine „Kratare” aus Rubi.

Der Vater war Bauer, Krämer und Gemeindepfleger und besaß für heutige Verhältnisse eine große Landwirtschaft von 75 Tagwerk.

Der Sohn Joseph Anton Fischer besuchte in seinen Jugendjahren die Volksschule und anschließend die Sonn- und Feiertagsschule. Bis zu seinem 17. Lebensjahr war sein Leben das eines Bauernbuben, der in der elterlichen Landwirtschaft mithelfen mußte. Schon in der Volksschule fiel Joseph Anton Fischer durch seine künstlerische Veranlagung und seine Vorliebe für das Zeichnen auf.

Wie es im Leben oft geht, um vorwärts zu kommen, braucht man wie beim Dominospiel den passenden Stein. Dieser Dominostein trug bei Joseph Anton Fischer die Aufschrift:

„Die Schraudolph”

Wer waren diese Schraudolphs?

Vater: Ignaz Schraudolph (1785 - 1851), Kunstschreiner und Tafelmaler,
ausgestattet mit einem hervorragenden Zeichentalent, gab Zeichenunterricht in der Sonn- und Feiertagsschule.

Seine Söhne:
Johannes (1808 - 1879),
Claudius (1813 - 1891) und
Mathias (1817 - 1863), alle drei künstlerisch begabt.

Joseph Anton Fischer und Claudius Schraudolph waren gleich alt und nahmen am Unterricht von Ignaz Schraudolph teil. Johannes Schraudolph war, als die beiden noch Zeichenunterricht nahmen, bereits anerkannter Maler an der Königlichen Bayerischen Akademie der bildenden Künste in München, bei Prof. Joseph Schlotthauer.

Prof. J. Schlotthauer (1789 - 1868) war es, der die Holzschnittfolge des „Totentanzes” von Holbein d. J. als lithographisches Druckwerk herausgeben wollte und zunächst seinen Schüler Carl Höcherl aus Regensburg damit beauftragte. Kopien anzufertigen. Dieser starb jedoch bereits 1831 nach fünf ausgeführten Blättern. Im Anschluß daran übernahm Johannes Schraudolph diese Aufgabe. Als er zwecks Anfertigung der Kopien einige Blätter an seinen Bruder Claudius schickte, forderte dieser seinen Freund Joseph Anton Fischer auf, sich an diesem Vorhaben zu beteiligen. Ihre Kopien fanden so große Anerkennung, daß beide im Alter von 17 Jahren in München zur Ausbildung angenommen wurden.

Während Claudius Schraudolph die Akademie besuchte, wurde Joseph Anton Fischer von Prof. J. Schlotthauer als Historienmaler ausgebildet.

Als Johann Schraudolph eine andere Aufgabe übertragen wurde, beendete er seine Kopien vom „Totentanz”. Joseph Anton Fischer und Claudius Schraudolph vollendeten nun tatsächlich die Kopien vom „Totentanz” bis zur Herausgabe des Werkes. Für den jungen Joseph Anton Fischer bedeutete dies den ersten entscheidenden Schritt in seiner Künstlerlaufbahn.

Im Jahre 1832 beauftragte Kronprinz Max (Maximilian II.) von Bayern den Maler Dr. Ernst Förster (1800 - 1885), Kunstwerke der italienischen Malerei zu kopieren. Joseph Anton Fischer und Claudius Schraudolph bot sich die Gelegenheit, als Gehilfen Försters eine Studienreise nach Italien mitzumachen. Die drei Maler kopierten Fresken, Temperabilder und Miniaturen der Vor-Raphaelischen Kunst in Ober- und Mittelitalien, in Verona, Padua, Venedig, zu Assissi, in Florenz und in der Umbrischen Mark. Es war Fischers erste Italienreise im Alter von 18 Jahren.

Im Herbst 1833 kehrte Joseph Anton Fischer nach München zurück. Hier erwartete ihn eine neue Aufgabe, die für den nun 19jährigen den Durchbruch zum anerkannten Künstler brachte.

Prof. Heinrich Maria von Hess (1798 - 1863) wurde von König Ludwig I. von Bayern beauftragt, die Kirchenfenster der Maria-Hilf-Kirche in der Au in München neu zu gestalten. Prof, von Hess oblagen die Thematik und die Festlegung der Bildfolge über das Marienleben von der Verkündigung des Engels an Joachim bis zu Mariä Himmelfahrt, insgesamt 19 Fenster. Joseph Anton Fischer, nun 21 Jahre alt, begann im Jahre 1835 mit der Fertigung der Entwürfe. Diese sind mit der Feder gezeichnet und aquarelliert, in der Originalgröße von 60 cm Höhe und unterschiedlicher Breite von 7,5 bis 15 cm.

Der nächste Schritt nach den Entwürfen war, die Werkkartons im Verhältnis 1 : 1 der Fenstergröße zu erstellen. Diese Tätigkeit war die eigentliche künstlerische Arbeit des Malers. Die Werkkartons wurden dann in den Glaswerkstätten auf Fensterglas übertragen und anschließend gebrannt (Glaswerkstätte Max Ainmiller, München, geb. 14. 2. 1807, gest. 8. 12. 1870 in München). Die Ausführung nahm Jahre in Anspruch und dauerte bis 1844. Der Wertanschlag der 19 Fenster betrug 209.373 Gulden und 46 Kreuzer und wurde von König Ludwig I. von Bayern aus seiner Privatschatulle bezahlt.

Unbegreiflicherweise beliebte man damals unter König Ludwig I. von Bayern, ein Thema zur gleichzeitig gemeinsamen Ausführung in verschiedene Hände zu legen. So wurden Joseph Anton Fischer und Johannes Schraudolph mit der Erstellung der Werkkartons beauftragt. Fünf Kartons haben sie zusammen ausgeführt. Es blieb nicht aus, daß bald differierende Auffassungen auftraten. Man trennte sich.

Joseph Anton Fischer übernahm nun allein zehn weitere Kartons. Von den letzten vier wurden je zwei von den Malern Wilhelm Röckl (1804 - 1843) und Christian Ruben (1805 - 1875) ausgeführt. Die Ausführung bis zu den fertigen Fenstern dauerte von 1835 bis 1843. Die Tragik war, daß man während des 2. Weltkrieges die Fenster nicht herausgenommen hat. Bei einem Bombenangriff wurde die Kirche total zerstört, somit waren die Fenster nur noch ein Scherbenhaufen. Von den Werkkartons existieren noch einige Teilstücke. Die Originalkartons der Entwürfe besitzt die Staatliche Graphische Sammlung in München, Meiserstraße 10.

Joseph Anton Fischer brach 1841 im Alter von 27 Jahren zu seiner zweiten Reise nach Italien auf. Sie führte ihn über Südtirol bis nach Venedig, dokumentiert durch ein Skizzenbuch im Besitz des Heimatmuseums in Oberstdorf.

In den Jahren 1843 bis 1844, im Alter von 29 Jahren, startete er seine dritte Reise nach Italien, die ihn bis Neapel, Sorent und Amalfi führte. Von dieser Reise existieren noch der Reisepaß, ausgestellt am 7. Februar 1843, und ebenso das hierbei angefertigte Skizzenbuch, beides im Besitz des Heimatmuseums in Oberstdorf. Diese Reise war vermutlich von König Ludwig I. von Bayern gesponsert worden. Es existiert darüber ein von Joseph Anton Fischer eigenhändig handschriftlich aufgesetzter Bittbrief an König Ludwig I. von Bayern. Interessant auch die Personenbeschreibung im Paß von Joseph Anton Fischer:

„Mittelgroße Figur, lichtbraune Haare, hohe Stirn, Augenbrauen braun, blaugraue Augen, kleine Nase, proportionierter Mund, blonder Bart, ovales Kinn und Angesicht, gute Gesichtsfarbe.”

Im Jahr seiner Rückkehr von seiner dritten Italienreise wurde er 1844 im Alter von 30 Jahren beauftragt, wieder unter der Leitung von Prof. Heinrich Maria Hess, Entwürfe für fünf Fenster im Kölner Dom anzufertigen und nach den Entwürfen die Werkkartons zu malen. Die Thematik für diese Fenster wurde ebenfalls von Prof. Hess vorgegeben. Die Komposition für die drei Hauptfenster und ein Halbfenster (die Steinigung des hl. Stephanus) sind Fischers Werk, die des anderen Halbfensters (Predigt Johannes des Täufers) stammt von seinem Freund Franz Hellweger (1812 - 1880) aus St. Lorenzen im Pustertal.

Bekannt sind die drei großen Fenster sowie links und rechts davon je ein Halbfenster unter dem Namen:

„Die Bayernfenster”

I. Halbfenster: Predigt des Johannes des Täufers

I. Hauptfenster: „Weihnachtsfenster”
mit den vier großen Propheten:
Jesaias, Jeremias, Ezechiel und Daniel

II. Hauptfenster: „Passionsfenster”
mit den vier Evangelisten:
Mathäus, Markus, Lukas und Johannes

III. Hauptfenster: „Pfingstfenster”
mit den vier Kirchenvätern:
Ambrosius, Augustinus, Hieronymus und Gregor

II. Halbfenster: Steinigung des hl. Stephanus

König Wilhelm IV. von Preußen wollte den stagnierenden Bau des Kölner Doms abschließen. König Ludwig I. von Bayern stiftete zur 600-Jahr-Feier der Grundsteinlegung des Domes die oben genannten „Bayernfenster”. Die Ausführung bis zu den fertigen Fenstern dauerte von 1844 bis 1849. Der Wertanschlag für diese Fenster betrug 67.801 Gulden und 30 Kreuzer.

Die Kölner Fenster wurden während des 2. Weltkrieges herausgenommen und nach dem Krieg wieder eingesetzt. Somit besteht eine Vergleichsmöglichkeit mit Entwurf und Original. Auch hier sind leider die Werkkartons nicht mehr aufzufinden, dagegen besitzt auch hier die Staatliche Graphische Sammlung in München die Originalkartons zu den Entwürfen (Technik: Aquarell über Bleistift, in der Originalgröße 577 × 240 mm).

Der Stilrichtung nach gehörte Joseph Anton Fischer zu den „Nazarenern”. Landläufig herrscht oft die Meinung, diese Maler hätten nur Heiligenbilder und biblische Themen gemalt. Daß dies nicht der Fall war, zeigen seine Porträts, die sich im Privatbesitz in Oberstdorf, in Weiler im Allgäu und in den Heimatmuseen von Oberstdorf, Sonthofen, Immenstadt und Weiler befinden.

Im Auftrag der Fürstin Narischkin von Odessa malte er ein 19 Fuß hohes Bild, „Die Himmelfahrt der Heiligen Jungfrau”. Eine Kopie dieses Originalölgemäldes ist im gemeinsamen Besitz der Nachkommen seines Bruders Franz Paul und seiner Schwester Maria Gschwender, geb. Fischer, und hängt in der Villa Gschwender bei Frau Berti Wirtz. Diese Tätigkeit Fischers für die Fürstin war am 25. Februar 1855 der Anlaß seiner Ernennung zum „Ehrenmitglied der Königlichen Bayerischen Akademie der bildenden Künste” in München. Weitere Kartons für Glasfenster (Madonna mit zwei Heiligen) fertigte er an für den Herzog von Leuchtenberg in St. Petersburg und zu einem Fresko aus dem Leben des hl. Ignatius für die Kirche in Stony Heart zu Preston.

Seinen letzten ihm zugedachten Auftrag, die Bilder des neuen Hochaltars der Münchner Frauenkirche zu malen, konnte er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr übernehmen. Die letzten Arbeiten waren einfache Federzeichnungen in altdeutscher Manier, auch sie sind verlorengegangen.

Am 28. März 1859 starb Joseph Anton Fischer im 45. Lebensjahr. Beigesetzt wurde er im südlichen Friedhof in München. Auch die Grabstätte wurde im 2. Weltkrieg durch Bomben zerstört.

Der reiche, wertvolle Schatz seines künstlerischen Nachlasses kam 1860 heim nach Oberstdorf. Es war beabsichtigt, dafür ein »Fischer-Museum« zu gründen und auszustatten. In der unseligen Brandnacht vom 5. auf 6. Mai 1865 wurde fast der gesamte Nachlaß ein Opfer der Flammen. Die Ära der Nazarener ging dem Ende zu, Tod und Bomben förderten das Vergessen eines in der damaligen Zeit bedeutenden Malers.

Maler - Heft 33

Joseph Anton Fischer als 18jähriger Maler

Bleistift auf Papier, 20,6 × 16,4 cm 
Gezeichnet in München von Johann Schraudolph aus Oberstdorf.

Besitz: Graphische Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart

Maler - Heft 33

Italienischer Knabe
Öl auf Leinwand, 69 × 62 cm
Besitz: Familie Rosi Friederich

Maler - Heft 33

Weißbärtiger Mann
Öl auf Papier, 18×17 cm
Besitz: Nachlaß des Ing. Dörnach in Weiler i. Allgäu

Maler - Heft 33

„Die Grablegung”
Entwurf zu einem Glasfenster für die Maria Hilf-Kirche in der Au, München

Feder, aquarelliert, 585 × 157 mm

Besitzer: Staatliche Graphische Sammlung Meiserstraße 10, München

Maler - Heft 33

„Die Anbetung der Hirten und der Könige“
I. Hauptfenster: „Weihnachtsfenster“
Entwurf zu einem Glasfenster für den Dom zu Köln

Aquarell über Bleistift,
662 × 262 mm

Besitzer:
Staatliche Graphische Sammlung Meiserstraße 10, München

Maler - Heft 33

Porträt Fischers

Bleistiftzeichnung von Franz Alois Schratt, 1896

Besitz: Heimatmuseum Oberstdorf

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