Burbatswies und Hellinsebne

von Dr. Thaddäus Steiner am 01.12.2001

Als ich in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts Ermittlungen zu den Oberstdorfer Flurnamen anstellte, konnte ich keine lebendige Spur mehr zu diesen beiden verschollenen Flurnamen finden. Inzwischen ergaben sich aber im Zusammenhang mit einer Besitzgeschichte der Alpe Dietersbach wenigstens archivalische Spuren, die immerhin zu einer räumlichen Festlegung der längst verschwundenen Namen führten.

Von der Burbatswies oder Buebartswiese, wofür ich mich 1973 als Schreibweise des Namens entschied, hatte ich damals nur den Hinweis von 1746 gefunden, sie grenze an das wasser - ohne zu wissen, an welches. Das Steuerbuch von 1724 allerdings war schon genauer gewesen, wie ich jetzt nachträglich feststellen konnte. Es hatte nämlich schon bei drei Besitzern von 5 bzw. 2 und nochmals 2 Leiten Heu in Burbatswies als Angrenzer die Trettach genannte Leider gibt das Steuerbuch jeweils nur 2 statt 4 Anlieger an, so daß ein eindeutiges Mosaik der damals insgesamt 5 Besitzer von zusammen 13 Leiten Heu nicht erstellt werden kann. Es genügt aber aufzuzeigen, daß der Anlieger Ignati Brutscher (der an Caspar Prutschers Wittwe anstieß) nur mit 2 Leiten zue Mummen in Frage kommt, die zudem ebenfalls an die Trettach grenzten!

Beim Besitz des Michael Math von 5 Leiten kann praktisch nur der Nachbar Hans Schwegerle mit 6 Leiten am Dietersperg als Anlieger angesprochen werden. Damit ist die Lage der Buebetswis (wie 1724 auch geschrieben wird) eindeutig klar: Es muß sich um den ca. 500 m langen Wiesenstreifen längs der Trettach handeln, der deutlich tiefer als Mummen und Dietersberg liegt. Er hat heute die Flur-Nrn. 3129 - 3132. Lange Zeit war er wohl durch das Hochwasser der Trettach bedroht und ist heute durch einen Damm geschützt, auf dem im Winter die Langlaufspur in die Spielmannsau verläuft.

Oft wird auch noch eine zusätzliche, in weitem Bogen ausholende Spur gezogen, die etwa an der Grenze der ehemaligen Burbatswies gegen den alten Dietersberg verläuft. Diese Lokalisierung des verschollenen Namens wird aufs schönste durch das Steuerbuch von 1790 bestätigt! Dort wird nämlich für den Besitz des Ulrich Brutscher von 5 Leiten Heu angegeben in der Puepertswieß oder Diettersperg. Dies zeigt, daß der alte Name schon damals im Schwinden war. Dasselbe erweisen auch die Namenschreibungen unter den anderen Besitzern, nämlich Bubertswies, Buebiswieß und Burbes Wies. Man kannte den Namen noch nach dem Gehör, aber eine klare amtliche Schreibung hatte sich nicht herausgebildet. Das Aufgehen im größeren Komplex Dietersberg war abzusehen.

Die „richtige” Namenform zu ermitteln und den Namen zu deuten, ist uns Heutigen wohl nicht mehr möglich, die Überlieferung setzt nämlich zu spät ein, so daß die ursprüngliche Form nicht mehr erkennbar ist. Wir haben deshalb die älteste von 1637 in den Titel genommen! Schon 1662 schwankt die Steuerbuchschreibung zwischen Burbatswiß, Purpatswiß und gar Vrbatswis.

Bei der letzten Namenform hat der Steuerbuchschreiber wohl den Namen Urban hineingedeutet und an eine *Urbans Wies(e) gedacht. Dies scheint mir gar nicht so abwegig zu sein, denn ein Eigenname dürfte auf jeden Fall - wegen des -s im Bestimmungswort enthalten sein. Das -n von Urban mußte vor dem -s schwinden; allerdings erklärt das nicht unser -1 und nicht das anlautende B. Denkbar ist für das Bestimmungswort eine Anpassung an Namen wie Birkatsgündle, Ringatsgund, Warmatsruggen, Warmatsgund und Uinatsba(ch) (= Einödsbach). Berücksichtigt man, daß die Burbatswies keineswegs älter sein kann als Dietersberg und Mummen, käme auch ein Familienname in Frage, doch existiert kein lautlich passender in Oberstdorfer Quellen.

Am ehesten läßt sich vermuten, daß ein entstellter Vor- oder Familienname Burkhart der Ausgangspunkt gewesen wäre, aber auch hierfür ergeben sich große Schwierigkeiten. Wir müssen schlußendlich zugeben, daß der Name, wenigstens derzeit, nicht durchschaubar ist.

Burbatswies - Heft 39

Die ehemalige „Purpatswies”.
Der Terrassenrand (Rainen) gegen Dietersberg und Mummen läuft von der Bildecke links unten gegen die Bildmitte.

Der zweite Name Hellinsebne weist mit dem ersten wenigstens zwei Gemeinsamkeiten auf: Er konnte zunächst weder lokalisiert noch gedeutet werden. Seine Spezialität besteht aber darin, daß er sich in vereinfachter Form bis heute fortsetzt; es ist nämlich der alte Name für die Ebene, auch Imne geschrieben, oberhalb der Faistenoy oder unterhalb der Schlappolder Straße, südlich der Leiter. Dies hatte ich 1973 zwar vermutet, aber keinerlei Beweis dafür gefunden. Wieder bietet nun die schon erwähnte genaue Steuerbeschreibung von 1724 den entscheidenden Anhaltspunkt. Für die 9 Leiten Heu des Georg Hueber samt dem Vichwaidle auf Höllis Ebne gibt sie nämlich als Anstößer den Besitz des Michel Finckel einerseits, den Schlappoltsbach andererseits an.

Damit ist die ungefähre Lage schon festgelegt. Der Name des Nachbarbesitzes von Finckel ist im Steuerbuch von 1724 zwar nicht eindeutig lesbar, doch endet er klar auf -ebne und wird 1732 eindeutig uff Eiiß Emnen geschrieben. Den Hueberbesitz, den nun die Witwe des Georg innehat, gibt der Steuerbuchschreiber als uff Heliß Imnen wieder. Vorübergehend vereinigt dann die Finckel-Erbin Franzisca das ganze Gebiet auf sich, muß sich aber dann mit der Hälfte des (vom Vater Michael durch Zukauf aus Seelosschem Besitz erweiterten Gebietes begnügen. In leichter Abwandlung heißt der Anstößer jetzt Schlappolder Dobl.

Die andere Hälfte, ebenfalls 9 1/2 Leiten Heu, die halbe Viehweide und halbe Holzmark, übernimmt Hans Bach über seine Frau Maria Prutscher. Während die Bach den Besitz auch 1756 zunächst noch halten, geht der andere Teil über die Seelos und Kircher an die Hindelang über, bis sich schließlich mit den Vogler und Witsch bzw. Übelhör 1790 die neuen Besitzer herauskristallisieren. Im Besitz der Vogler finden sich schließlich beide Güter, die zur Dauersiedlung gemacht werden. Die Bezeichnung Ebene (Ebnat/Ebnet) wechselt anfangs in den Kirchenbüchern noch unkontrollierbar mit Leiter/Laiter ab. Im Kirchenbuch wird bei der Trauung des Paares Joseph Vogler und Johanna Hindelang am 8. 10. 1781 erstmals als Wohnort der Braut Ebnet angegeben, während das Steuerbuch von 1790 noch an der Form Elißebnen oder ähnlich festhält. Im Taufbuch erscheint dann für dieses Paar, anläßlich der Geburt der Tochter Maria am 20. 2. 1787, Ebnet als Wohnort, sonst bleibt es bei Leiter, nur zum 19. 3. 1797 und 25. 12. 1799 heißt es Ebene.

Burbatswies - Heft 39

Ebene Haus Nr. 6 (alt: 321)

Burbatswies - Heft 39

Ebene Haus Nr. 7 (alt: 322)
noch Dauersiedlung

Vom Sohn Wendelin Vogler, verheiratet mit Maria Math, wird dann die eine Hälfte der Ebene bezogen, die fortan im Taufbuch als Ebenen1 (oder Loiter 2) bezeichnet wird und schließlich die Hausnummer 321 erhält. Der Sohn Stephan heiratet eine Theresia Huber und erhält die zweite Hälfte des Besitzes, die im Taufbuch als Ebene 2 bezeichnet wird und schließlich die Hausnummer 322 erhält.

Ebnat/Ebnet und Ebene kennzeichnen die relativ ebenen Flächen im sonst steilen Hang, wie sie besonders die AV-Karte der Allgäuer und Lechtaler Alpen, Westblatt, in 1.031 m Höhe, weniger deutlich um Punkt 1.057 m zeigt. Sehr hübsch läßt sich die Mundartaussprache in den Steuerbuchbeschreibungen (Elis)-imnen erkennen, das die Oberstdorfer selbst (und z. T. auch die Steuerbuchschreiber) als (Eliß)Emnen „hören".

Das Bestimmungswort des alten Namens muß der Altoberstdorfer Familienname Höhlin (Höhn) sein, der wahrscheinlich auf den häufiger belegten Namen Höchlin zurückgeht. "Die Höhn gehörten zu den ältesten Jahrtagsstiftern. 1470 ist ein Oswalt Höhlis aker belegt, der 1482 als Oschwalt Höhlins acker geschrieben wird. 1462 ergibt sich eine Elsbeth Höhlingen in die Leibeigenschaft des Hochstifts Augsburg und 1502 wird noch eine Anna Schalhaßin, weylennd Ulrichen Höhlis ... wytib zu Obersßdorff beurkundet. Dann verschwindet dieser Name aus den Zeugnissen.

Für uns bedeutet dies, daß der verschwundene Name Hellins Ebne spätestens im 15. Jh. geprägt worden sein muß, als das Geschlecht der Höhlin noch in Oberstdorf blühte, wahrscheinlich aber noch früher, denn im 15. Jh. dürfte kaum mehr die Möglichkeit bestanden haben, sich aus dem Besitz der Gemeinde einen solchen Privatbesitz anzueignen. Als das Geschlecht der Höhlin verschwunden war, scheint man Elis, die Kurzform von Elisabeth, anstelle von Hölins- hineingedeutet zu haben. Nachdem im 18. Jh. auf der Ebene eine Dauersiedlung entstanden war, gab es keine Namenkonkurrenz innerhalb der Dauersiedlungen mehr. Das unverständlich gewordene Bestimmungswort konnte ersatzlos entfallen, übrig blieb der einfache Name Ebene.

Von den beiden Häusern auf der Ebene ist nur noch eines dauernd bewohnt, nähmlich das obere, mit der amtlichen Haus-Nr. Auf der Ebene 7, von der Familie Thannheimer. Die alte Hausnummer war 322, der Hausname bm Ürchar. Das untere, mit der alten Haus-Nr. 321 und dem Hausnamen bi Steafas oder bi Kasperles, ist schon seit langen Jahren an Feriengäste dauervermietet. (Für freundliche Auskunft danke ich Frau Veronika Thannheimer.)

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