Oberstdorfs Bergführer - ihnen vertrauten sich Generationen von Touristen an (Teil 8)

von Eugen Thomma am 01.12.2001

Im Verlauf der Berichte über die Bergführer nach dem Ersten Weltkrieg ist sein Name schon gefallen. Als „Gaißar” und Schafhirt war er bereits sehr früh mit den Bergen in Verbindung gekommen. Bei dieser Tätigkeit erfolgte, damals noch barfuß, auch seine erste Besteigung der Trettach, die später sein Lieblingsberg werden sollte.

Die Rede ist von Sepp Müller - oder „Lixars Seppl”, wie er unter den Einheimischen hieß der zu den Jahrgängen gehörte, die den Ersten Weltkrieg als Frontsoldaten durchzumachen hatten. Sepp war als Angehöriger des „Deutschen Alpenkorps” u. a. bei den Bergkämpfen in den Dolomiten eingesetzt. Wieder in die Heimat zurückgekehrt, kaufte der junge Mann von Max Gschwender am Faltenbach den Kalkofen und war dort Oberstdorfs letzter Kalkbrenner. Gleichzeitig bewarb sich der sehr gewandte Kletterer um Zulassung zum Bergführerberuf und leistete ab 1919 bei den alten Führern wie Franz Braxmair, Kaspar Schwarz sen., Rietzler Johann I und Johann II zwei Jahre Trägerdienste.

Am 10. Mai 1921 erfolgte die Aufstellung als Aspirant, und sehr schnell wurde Seppl als selbständiger Führer eingesetzt. Wir finden ihn u. a. am 8. September 1921 im Gipfelbuch der Mädelegabel, wo er sich mit Karl Kraus und Ludwig Stöhr eingetragen hat und mit diesen von dort über die Südwand auf die Trettach stieg. Wir finden ihn aber auch unter jenen Führern, die am 15. Juli 1923 auf dem Westgipfel der Höfats das Kreuz errichteten. Im gleichen Jahr noch absolvierte Sepp Müller an der Kemptner Hütte den Führerlehrgang und wurde 1925 autorisiert. Zu dieser Zeit wies sein zweites (!) Führerbuch bereits 70 Eintragungen auf.

Es gab in den folgenden zwei Jahrzehnten in unserem Gebiet wohl kaum einen nennenswerten Berg, auf dessen Gipfel „Lixars Seppl” nicht seinen Fuß gesetzt hätte. Nicht nur im Allgäu, auch in der Schweiz, den Dolomiten, den Tauern, im Wilden Kaiser und anderen Gebirgsstöcken bewies Sepp sein Können.Viele Gipfelbücher im Alpenraum tragen die Schriftzüge des Oberstdorfer Bergführers. Totenkirchl, Fleischbank, Vajolettürme, Große Zinne, Fünffingerspitze, Riffelhorn, Breithorn, Matterhorn, Mont Blanc und Biancograt sind einige der klingenden Namen, die in Sepps Führerbüchern zu lesen sind. Fünf Bücher sind voll des Lobes auf den hervorragenden Führer. Mit ihm brach hier ein neues Zeitalter im Führerwesen an.

Bergführer - Heft 39

Bergführer Sepp Müller,
"Lixars Seppl"

Generalkonsul Dix, selbst Alpinist von Rang, schrieb am 21. Juli 1930 nach einer Klettertour:

„Ich bin mit vielen ,ersten’ Führern gegangen. Sepp Müller gehört unbedingt zu ihnen. Er hat alle Qualitäten des ,großen Führers’.”

Wochen später, nach erneuten Bergfahrten, fügt Dr. Dix hinzu:

„Sepp Müller gehört an Können und Auffassung in die Führerklasse großen Formats, die leider wenig Nachwuchs hat. Er wird mit den Burgeners, Piaz, Sepp Innerkofler und Dimai gleichzeitig genannt werden.”

Dr. Dix konnte sich dieses Urteil erlauben, er war auf seinen vielen Klettertouren von einigen dieser berühmten Dolomitenführern begleitet worden. Im Laufe der Jahre führte Sepp den Dr. Dix allein 20mal auf die Trettach ,und zwar auf allen damals bekannten Routen. Viele, viele schwere Fahrten im ganzen Alpenraum festigten diese Bergkameradschaft.

Sepp, den mit seinen Schützlingen meist ein freundschaftliches Verhältnis verband, führte eine Reihe seiner Touristen über Jahre, ja Jahrzehnte. Es waren oft Wochen, die er mit seinen Begleitern in Zermatt, Pontresina, Obergurgl, Berchtesgaden, Cortina und anderen Alpenorten verbrachte, um von dort aus Bergfahrten zu starten. Eine Reihe mehrwöchiger Skitouren von Oberstdorf über den Tannberg zum Arlberg, von dort zur Silvretta und mit vielen Abstechern bis Küblis und Davos, oder Touren ins Ötztal, in die Hohen Tauern und nicht zuletzt hochalpine Skitouren in den heimischen Bergen begründeten und festigten Sepps Ruf als ausgezeichneten Skiführer.

Diese Großtouren brachten aber den Nachteil mit sich, daß „Kunden” in Oberstdorf tage-, ja wochenlang auf „ihren Sepp” warten mußten. Dies bewirkte, daß er bei seiner Rückkehr gelegentlich an einem Tag zwei Partien führen mußte. War z. B. eine Seilschaft auf die Trettach geführt, hieß es schnell zurück zum Einstieg, denn dort wartete die nächste. Einmal ließen sich die Wünsche der Touristen nicht auf einen Gipfel koordinieren und Sepp wollte keine Partie „kränken”. Er führte morgens in aller Herrgottsfrühe eine Seilschaft auf die Höfats, stieg mit dieser nach Gerstruben ab und „rannte” über die Spielmannsau hinauf zum Einödberg an den Einstieg der Trettach-Nordwand. Er war pünktlich da, um mit seiner zweiten Seilschaft auch diesen Gipfel zu besteigen.

Anläßlich seines 50. Bergführerjubiläums 1975 befaßte ich mich eingehend mit Seppls Führerbüchern. Das erste Buch war leider damals schon verschollen. Aber aus dem „Rest” habe ich eine kleine Statistik über die meistbegangenen Gipfel zusammengestellt: 53 Durchstiege des Blenkkamins mit anschließendem „Besuch” des Kleinen Wilden, 82mal die vier Höfatsgipfel traversiert, die Überschreitung Hochfrottspitze - Mädelegabel - Trettach (Südwand bzw. Südwestwand) 34mal, Sepps Lieblingsberg, die Trettach, ist 233mal in den Büchern aufgeführt. Alle damals bekannten Routen wie Ostwand (Leuchs und direkte), Nord-, West-, Südwest- und Südwand, Nordost- und Nordwestgrat mit vielen Varianten, gehörten zu seinem „Repertoire”. Eine dieser Varianten beschrieb am 24. Juni 1931 Frau Ilse Goetze:

„... stiegen wir an der Trettach die Nordwand bis an die Rampe, querten Nordwestgrat bis zum Überhang, die Westwand, Südwestwand, Ostwand, Nordostgrat bis wieder zur Rampe, erstiegen von hier den Gipfel über die Nordwand.”

Sinnigerweise nannte Sepp Müller diese Umkletterung des ganzen Massivs die „Trettach-Kravatte”.
Im August 1932 war im »Allgäuer Anzeigeblatt« zu lesen:

„Frau Lilli Bruch, aus Wanne-Eickel, zur Zeit in Oberstdorf Kurgast, bestieg mit dem bekannten Bergführer Sepp Müller-Oberstdorf das Himmelhorn über den Südgrat [Anm.: Rädlergrat]. Vom Einstieg bis zum Gipfelpunkt wurden 3 1/2 Stunden benötigt. Die Tour gilt als sehr schwierig bis äußerst schwierig und führt über mürbe Gras- und Felswände. Von einer Touristin wurde diese Route bisher noch nicht ausgeführt. Bemerkenswert ist noch, daß dieselbe Dame vor kurzem mit dem gleichen Führer den Nordkamin des Kratzers als erste Frau durchstieg ...”

Neben vielen anderen Touren führte Sepp Müller Frau Bruch an der Trettach über die direkte Ostwand und über die „Kravatte” zum Gipfel. Aber auch in Österreich, Italien und der Schweiz bestieg Sepp mit der Dame aus Wanne- Eickel mehrere Gipfel, u. a. auch das Matterhorn.

Ich habe manchen Abend bei Sepp gesessen, lauschte seinen Erzählungen und bewunderte sein phänomenales Orts- und Personengedächtnis. Es war für mich ein Stück Oberstdorfer Fremdenverkehrsgeschichte, wenn der alte Führer von seinen Touristen erzählte. Da war z. B. der Holländer Dr. Janson, der mit einem Extrazug, bestehend aus Lokomotive und zwei Salonwagen, nach Oberstdorf anreiste und im »Hotel Luitpold« den ganzen zweiten Stock anmietete. Oder der 78jährige Dr. Borchard-Ott aus Wien, den Sepp über die vier Höfatsgipfel und an der Trettach über die Ostwand führte. Da waren auch die Gäste, mit denen Sepp in den zwanziger Jahren im offenen Auto nach Venetien, an die Cöte d’Azur, nach Nizza, Cannes und in die Provence reiste. Für den hier in bescheidensten Verhältnissen aufgewachsenen Führer waren das unvergeßliche Erlebnisse, die er auch im hohen Alter noch im Detail schildern konnte.

Es war fast selbstverständlich, daß Sepp Müller auch als Skilehrer tätig war. Als einer der ersten legte er bereits 1921 die Prüfung ab und gründete mit Willi Brutscher und Toni Merz Oberstdorfs erste Skischule.

In den dreißiger Jahren entdeckte der Film den Sepp. Bei der Ufa, bei Beck-Gaden, Paul Ostermayr, der Pfeiffer Filmproduktion und der Hochland Film GmbH wirkte der gutaussehende Sepp in 32 Filmen als Darsteller, Bergführer, alpiner Berater, Leiter der Träger- und Handwerkerkolonne und als Kameraassistent mit. Filme wie „Die Heilige und ihr Narr”, „Violanta”, „Zwei Menschen”, „Der verlorene Sohn”, „Links der Isar, rechts der Spree” oder die Ganghofer-Verfilmungen „Der Jäger von Fall”, „Schloß Hubertus”, „Der Ochsenkrieg”, „Der Geigenmacher von Mittenwald”, „Der Edelweißkönig”, „Der laufende Berg” weckten bei Sepp Erinnerungen und er konnte abendfüllend davon erzählen.

Daß die Filme „Das goldene Edelweiß” und „Schicksal am Berg” 1949 bzw. 1950 in Oberstdorf gedreht wurden, war Sepps Verbindungen zu danken. Regisseure und Darsteller wie Paul Ostermayr, Luis Trenker, Fritz Kampers, Viktor Stahl, Gustl Gstettenbauer und Paul Richter arbeiteten gerne mit ihm zusammen. Damalige Filmgrößen wie Maria Andergast, Carola Höhn, Hansi Knotek, Winnie Markus, Anneliese Reinhold u. a. nannten den Sepp „unsern Freund”. Verlockende Angebote an den Schauplätzen der Aufnahmen, z. B. in München. Berlin, Hallein, Salzburg, Wien u. a., brachten es nicht fertig, den Bergführer Sepp Müller seinen Heimatbergen zu entreißen. Er kehrte zu ihnen zurück.

Joseph Anton Müller wurde am 10. April 1894 in Oberstdorf geboren. Seine Eltern waren auf Haus-Nr. 209 die Bauerseheleute Anton Müller und Genovefa, geb. Rädler. Seinen Lebensunterhalt verdiente sich Sepp in der Land- und Forstwirtschaft und als Oberstdorfs letzter Kalkbrenner und Köhler. Er heiratete am 19. Januar 1948 Emma Berktold, geb. Huber, betrieb mit dieser auf Haus-Nr. 240 eine Landwirtschaft und machte sich am 17. September 1976 auf, seinen höchsten, den letzten Gipfel zu bezwingen.

Die alten Führer traten langsam ab oder übernahmen nur noch leichtere Touren. Junges Blut war in den zwanziger Jahren gefragt. Neben den schon früher Genannten wurde am 8. November 1922 Alois Weitenauer vom Alpenverein und der Gemeinde Oberstdorf als Bergführer-Anwärter aufgestellt. Wahrscheinlich hat da der Vater, der Bergführer Wendelin Weitenauer, etwas nachgeholfen, daß der kaum 20jährige Sohn Berücksichtigung fand.

Bergführer - Heft 39

Bergführer Alois Weitenauer

Der junge Mann hatte sich anscheinend schon vorher als Führer betätigt, denn in das Führerbuch, das dem Aspiranten am 25. November 1922 ausgestellt wurde, ist ein Zettel mit folgendem Text eingeklebt:

„Herr Alois Weitenauer begleitete mich & meine Frau & Bruder auf den Hochvogel über Nebelhorn - Himmeleck nach Oberstdorf und kann ich ihn als tüchtigen und angenehmen Begleiter nur bestens empfehlen. Möge seine Liebe zu den Bergen weiter wachsen, dann wird er ein sehr brauchbarer Führer werden.
Oberstdorf, 29. VIII. 22 Eugen Holzhey, Schwabmünchen”

Die erste Eintragung im neuen Buch, nach einer Führung auf die Trettach- tätigte am 24. Juli 1923 ein Rechtsanwalt aus dem Rheinland mit unleserlicher Unterschrift. Eine der nächsten Eintragungen erfolgte dagegen in gestochen schöner Sütterlin-Schrift von einem Mann, der in Oberstdorf bestens bekannt war:

„Alois Weitenauer führte mich am 9. Sept. 1923 auf die Trettachspitze, Nordwestgrat - Nordostgrat so aufmerksam und zuverlässig, daß ich mich bei dieser meiner ersten größeren Kletterei jeder Sorgen enthoben fühlte.
Auch an dieser Stelle sei dem jungen strebsamen Führer meine volle Anerkennung ausgesprochen.
Ludwig Merk, Benefiziat Oberstdorf-S. Loretto”

Im Herbst 1923 wurde „Lüedoarfas Lise”, so der Hausname des Alois Weitenauer, zum Bergführerkurs, der im Bereich der Kemptner Hütte stattfand, zugelassen. Mit anderen Oberstdorfern absolvierte er dort auch die vorgeschriebene Prüfung. Das zweite Führerbuch beginnt mit folgendem Eintrag:

„Alois Weitenauer, geb. 20. Mai 1902 zu Oberstdorf wurde mit Zustimmung des Gemeinderates Oberstdorf vom 14. Juni 1926 als Bergführer aufgestellt. Kempten, den 26. Juni 1926
Sektion Allgäu=Kempten des D.u.Oe. Alpenvereines. Janson”

Der Konzertsängerin Henny Steinecke aus Hannover war es Vorbehalten, in das jungfräuliche Führerbuch am 20. August 1926 nach einer Mädelegabel- Tour den ersten Eintrag zu setzen.

Es folgte nun eine ganze Reihe von Eintragungen, die Lobreden über den jungen Führer darstellten. Da war nun Frau Hedwig Zahn, Lehrerin am städtischen Lyzeum in Erlangen, die mit Lise auf dem Hohen Licht war, oder der Chefredakteur Dr. Otto Treffer aus Heidelberg, der nach eigener Bekundung nicht schwindelfrei war und dank Lises Begleitung sich auf dem Heilbronner Weg wohlgefühlt hat. Ein ganzer Damenclub muß es gewesen sein, den Lise am 11. Juli 1928 betreut hat. Im Führerbuch ist zu lesen:

„Herr Alois Weitenauer hat uns von der Rappensee-Hütte über das Hohe Licht u. den Heilbronnerweg zur Mädele-Gabel mit Umsicht, Vorsicht u. Nachsicht geführt, so daß uns die Tour zum Vergnügen wurde.
Ella Sorge, Halle; Jenny Sorge, Berlin; Margarete Fischer, Halle a./S.; Gertrud Gutsche, Berlin; Elsa Fuckert, Berlin.”

Das Führerbuch schließt mit dem 15. September 1929 und wurde am 18. Mai 1930 von der Sektion Kempten überprüft und dabei mit Rotstift das „J” (für Janson) eingetragen. Anscheinend galten ab da im Führerwesen andere gesetzliche Bestimmungen. Das neue Führerbuch enthielt nun ein Lichtbild und eine Personalbeschreibung des Führers und war am 18. Mai 1930 vom Bezirksamt Sonthofen ausgestellt.

Bis zum 19. Juli 1939 waren 118 Seiten des Buches mit lobenden Kommentaren vollgeschrieben. Herrn Wilhelm Robbert aus Gelsenkirchen hat Lise am 20. August 1932 auf die Trettach geführt, den Dipl.-Ing. Scheiff und Gemahlin aus Düsseldorf am 6. September 1933 auf die Mädelegabel geleitet, Frau Gertrud Mip aus Görlitz am 16. September 1934 über die vier Höfatsgipfel gesichert, und so könnte die Reihe der Führungstouren fortgesetzt werden. Neben den genannten Gipfeln sind Hohes Licht, Hochfrottspitze, Biberkopf, Ifen, Krottenkopf, Großer Wilde, Kleiner Wilde (Blenkkamin) u a. m. in dem Buch verzeichnet.

Zwei Backfische aus Berlin, denen Lise anscheinend aus dem Knigge des Bergsteigens vorgelesen hatte, schrieben:

„Herr Alois Weitenauer führte uns über den NO-Grat auf die Trettachspitze und abwärts über den W-grat. Es war unsere erste Klettertour, auf die wir sehr stolz sind. Dank seiner sicheren Führung brachte er uns heil zu unserer in tausend Ängsten schwebenden Mama zurück. - Er ist ein angenehmer, netter Führer, sofern man ihm pariert. Man singe, pfeife, schreie und jodle vor allem nicht, man putze seine Schuhe sauber ab, wenn man sie in seinen Rucksack stecken soll, und man setze sich nicht, ohne vorher seine allerhöchste Genehmigung eingeholt zu haben. Das einzige was ich an ihm auszusetzen hätte ist, daß er mich morgens stets zu früh geweckt hat.
25. VII. 35 Hilde Barckhaus, Helga Barckhaus Bln-Steglitz”

Außer dieser sicher scherzhaften Kritik enthält das Führerbuch nur lobende Worte über den sicheren und angenehmen Führer und Bergkameraden. Am 19. Juli 1939, sechs Wochen vor Kriegsausbruch, endet das Buch. Der Bergführerreferent der Alpenvereins-Sektion Allgäu-Kempten schrieb als letzter ein: „Am Bergführertag 9. Mai 1948 überprüft”.

Es erübrigt sich fast zu erwähnen, daß Lise Weitenauer auch Skilehrer war. Der gesellige Mann war bei seinen Schülern sehr beliebt. Doch konnte ich leider keine Daten über Prüfungstermine usw. finden.

Alois Weitenauer, geb. am 20. Mai 1902 in Oberstdorf, war Sohn des Landwirts und Bergführers Wendelin Weitenauer und dessen Ehefrau Rosina, geb. Wittwer. Er wuchs auf im elterlichen Anwesen, Haus-Nr. 138 in der Pfarrstraße. Er verheiratete sich am 24. Mai 1935 mit Johanna Rohrmoser und lebte mit seiner Familie im eigenen Häuschen im Burmentengäßle. Am 31. Januar 1972 läutete für Alois Weitenauer die Totenglocke.

Nur zwei Tage jünger als Alois Weitenauer war der Bauernsohn Josef Anton Jäger, oder, wie er in Oberstdorf besser bekannt war, „Geagls Tone”. Er hatte sich bereits als tüchtiger Felskletterer einen Namen gemacht, als er am 24. Juli 1933 vom Bezirksamt Sonthofen als Bergführer-Anwärter aufgestellt und ihm das amtliche Trägerbuch übergeben wurde.
Wie lange Toni Jäger schon Trägerdienste bei älteren Führern geleistet hatte und wieviele Touristen er in dieser Zeit schon selbständig geführt hatte, konnte ich nicht ermitteln. Ein paar „fliegende Blätter” eines Tourenbuches aus der Zeit vor der eigentlichen Aufstellung weisen auf eine rege Tätigkeit hin.

Zwei Tage nach der offiziellen Aufstellung geleitete Toni einen Herrn Meinrad Schlaadt aus Usingen im Taunus auf die Trettach. Nachdem die Führung vom Waltenbergerhaus ausging, liegt die Vermutung nahe, daß die Tour auf Vermittlung des damaligen Wirtes Alois Braxmair erfolgte, der ja Tonis Schwager war. Herr Schlaadt war von dem jungen Führer so begeistert, daß er sich von ihm gleich am 28. Juni über die vier Höfatsgipfel und am 3.’ August nochmals auf die Trettach, diesmal über die Westwand, führen ließ. Dessen nicht genug, geleitete Toni nach nur einem Ruhetag seinen Schützling durch den Blenkkamin auf den Gipfel des Kleinen Wilde.

Bergführer - Heft 39

Bergführer Josef Anton Jäger

Eine Eintragung, die nur wenige Tage später erfolgte, sagt etwas über den Felskletterer Toni Jäger aus:

„Am 16. August wurde Herr Anton Jäger von mir engagiert, zunächst nur in der Absicht, ihn bei der bevorstehenden Trettach-Ostwand Besteigung mit dem Herüberholen der Nagelschuhe [Anm.: vom Einstieg der Ostwand] zu betrauen.
Es ergab sich dann aber Folgendes:

Am 17. August machte Herr Jäger mit Bergführer Müllersepp, meiner 14jährigen Tochter und mir die Erstbegehung des Nordgrates vom östl. Berg der guten Hoffnung mit. Am 18. August führte er meine Tochter u. mich durch die Trettach-Westwand - Enzenspergerroute - Abstieg Nordwestgrat und den 19. August machte er mit Müllersepp u. meiner Tochter die Trettach Ostwand (Leuchs). Ich muß sagen, ich habe von Herrn Jäger den Eindruck eines durchaus zuverlässigen sicheren Kletterers bekommen, u. habe ihn, rein menschlich durch seine Bescheidenheit u. sein zuvorkommendes Wesen, recht schätzen lernen.
Frau Lily Bruch Sektion Dortmund

Einige Touren mit Oberstdorfer Bergfreunden sind auch in dem Buche vermerkt: am 17. September 1933 mit Matthias Blattner Höllhorn-Südgrat, Verschneidung Nördliches Höllhorn und Abstieg über die Südwand; mit Anton Binz und Matthias Blattner am 27. September 1933 die Westwand des Großen Krottenkopf. Mit Johann Blattner am Seil erstieg Toni am 16. September 1934 den Südkamin der Hochgundspitze und das Wilde Mändle und nur wenige Tage später mit dem gleichen Gefährten die Trettach-Nordwand, der Abstieg erfolgte durch die Westwand.

Etwas über den Menschen Toni Jäger findet sich im folgenden Eintrag:

„Rappenseehütte, 31. August 33. - Mit Herrn Anton Jäger bin ich vom 26. - 31. August vom Prinz Luitpoldhaus - Kemptner Hütte - Waltenbergerhaus zur Rappenseehütte gewandert und wir haben dabei den Hochvogel, Großen Krottenkopf, die Mädelegabel und das Hohe Licht bestiegen. Wenn man allein mit einem Menschen einige Zeit durch die Bergwelt wandert, lernt man ihn genauer kennen als unten im Getriebe der Welt. Herr Jäger war mir ein ausgezeichneter Führer, der mich mit großer Umsicht und ruhiger Besonnenheit leitete, ja er war mir noch mehr - ein echter Bergkamerad, der mit gleichem Verstehen für die Natur das Erlebte mit mir teilte. Er erhöhte mir die Freude an meiner Bergtour ganz besonders durch sein umfassendes geographisches Wissen, und die herrliche Blumenwelt, die ja das Allgäu in so reichem Maße besitzt, kennt er aufs Genaueste. Er ist außerdem ein bescheidener lieber Mensch und kann man sich keinen besseren Begleiter wünschen ...
Amy Gerhäuser Altengronau bei Bad Brückenau”

Daß Toni Jäger nicht nur als Führer zum Broterwerb in die Berge ging, beweisen seine Touren, die er zusätzlich u. a. mit seinem Freund Matthias Blattner ging, so z. B. die „direkte” Ostwand der Trettach oder den Diagonalriß in der Westwand der „Guten Hoffnung” (Zweitbegehung) u. a. m.

Nach zwei Jahren Aspirantenzeit konnte der junge Mann im September 1935 im Stubaital und in Innsbruck die Führerprüfung in Praxis und Theorie ablegen. Vom Bezirksamt Sonthofen wurde Anton Jäger am 5. Oktober 1935 amtlich autorisiert.
Nach jeder Führung eine Lobeshymne im Führerbuch, so könnte man es zusammenfassen. Manche Touristen konnten kaum die nächste Möglichkeit erwarten. Da waren Lore Damann und Emmi Mühlberg aus Frankfurt a./M. von Toni am 18. August 1936 auf die Trettach geführt worden. Am nächsten Tag sah man die gleiche Seilschaft auf der Traverse der Höfats und am 21. August kletterten die beiden Damen an Tonis Seil den Blenkkamin hinauf. „Wir danken ihm die schönsten Stunden unserer 8tägigen Allgäufahrt 1936”, heißt der Schlußsatz des Eintrages im Führerbuch. Kann es für einen Begleiter ein schöneres Lob geben?

Ab Ende Oktober 1940 schweigt das Führerbuch. Krieg und Notzeiten liegen dazwischen, bis die Eintragungen von 1947 zeigen, daß der Führer noch nichts verlernt hat: Trettach auf Normalrouten, Großer Wilde Süd- und Nordgrat, Krottenspitzengrat und Trettach-Ostwand sind vermerkt. Neben einer Reihe anderer Touren und Touristen hat Toni nun eine besondere Aufgabe, Teenager des Kinderheimes Dienersberg in die Berge einzuführen, und er versteht es hervorragend die jungen Leute zu lenken. Heilbronner Weg, Hohes Licht, Krottenkopf, Hochvogel und weitere Touren unternimmt er mit seinen Schützlingen. Sie sind von „ihrem” Toni begeistert und das hält auch ihn jung.

Am 24. September 1960 geleitet Toni Jäger die Schwester Albertine Tuschhoff noch auf den Widderstein. Sie schreibt den letzten Satz in Tonis Führerbuch:

„Vergelts Gott lieber Herr Jäger.” Einen schöneren Schluß weiß ich nicht.

Wie nahezu alle Bergführer der neueren Zeit war auch Toni im Winter Skilehrer. Die Skilehrerprüfung des DSV hatte er bereits 1932 abgelegt. Dieser folgte am 6. Mai 1935 die Berufsskilehrerprüfung am Zugspitzplatt und der Skiführerkurs im Stubaital.

Anton Jäger wurde am 22. Mai 1902 in Oberstdorf geboren. Der Bauer Martin Jäger und seine Ehefrau Babette, geb. Schmid, waren die Eltern. Er wuchs auf in der elterlichen Landwirtschaft, die er später selbst betrieb. Er verheiratete sich am 16. August 1941 mit Margareta Haneberg und lebte mit seiner Familie auf dem Anwesen Freibergstraße 16, dem „Martin-Jäger- Haus" Am 28. April 1982 endete das Leben des beliebten Bergführers.

Fortsetzung folgt

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