Oberstdorfs Bergführer - ihnen vertrauten sich Generationen von Touristen an (Teil 9)

von Eugen Thomma am 01.12.2003

In der Reihe der Oberstdorfer Bergführer kommen wir heute zu drei Namen, die wir bereits früher gehört haben, denn die Väter der drei jungen Männer haben wir schon als autorisierte Führer kennengelernt. Nach den Vätern wollten auch die Söhne Touristen zu den Gipfeln unserer Berge geleiten. Es hat sich da also eine Familientradition ergeben. Um bei den früheren Gepflogenheiten zu bleiben, halten wir uns auch heute wieder an die alphabetische Reihenfolge.

Da wäre nun Kaspar Schwarz, der mit zahlreichen Geschwistern aufgewachsen und bereits als kleiner Hirtenbub in die Berge gekommen war. Die Familie Schwarz bewirtschaftete verschiedene Alpen im Oberstdorfer Raum, darunter waren auch die Rappenalpe, die Gutenalpe und die Käseralpe. Es war fast eine logische Folgerung, daß sich der Bub für die Berge „vor der Hüttentür” interessierte. Von der »Käser« oder dem Gutenalper »Höfatshüttle« hinauf zum Gipfel ist es für einen Burschen voll Tatendrang nicht weit. In einer wackeligen Schülerschrift hingekritzelt lesen wir in dem zerfledderten Buch vom Ostgipfel der Höfats unter dem 2. August 1923 den Namen Kaspar Schwarz. Dabei stand auch der Name des älteren Bruders: Josef Schwarz. Unter dem 25. Juli 1925 finden wir im gleichen Buch - jetzt war die Schrift schon etwas besser - den Eintrag: „Kaspar Schwarz j”. Diesmal stand der 17jährige Kaspar schon allein auf dem Gipfel, den er in späteren Jahren als Führer noch x-mal betreten sollte. Zur Unterscheidung von seinem Vater, Kaspar Schwarz, setzte er hinter den Namen noch ein „j” für Junior.

Hauptsächlich in der Alp- und Forstwirtschaft verdiente sich der junge Mann seinen Lebensunterhalt und wurde am 27. September 1933 als Führeranwärter aufgestellt. Bis dahin hatte er sich als Bergsteiger bereits einen Namen gemacht. Zusammen mit seinem Seilgefährten Toni Stolze war ihm die Erstbesteigung der finsteren Nordwand des Höfats-Ostgipfels und die Erstbegehung der Südwand der Kleinen Höfats gelungen.

Jetzt, als Führeranwärter, geleitete der junge Mann neben einer Reihe von anderen Personen im Jahr 1933 das Oberstdorfer Arztehepaar Ernst und Anna von Philipsborn auf den Großen Wilden. Der junge Bergführeraspirant war aber nicht nur für Touren auf das Hohe Licht, die Mädelegabel oder den Hochvogel aufgestellt, sondern auch für schwere Klettertouren, etwa am 7. Oktober 1934, als er Walter Linder durch die Trettach-Ostwand zum Gipfel führte.

Frau Lina Forster war von der Trettachbesteigung am 1. August 1935 so begeistert, daß sie sich gleich am 6. August über die vier Gipfel der Höfats, die West-Ost-Traverse, führen ließ. Kaspar hatte da wenig Ruhepausen, denn am 2. August führte er eine Partie von Riezlern über den Hohen Ifen und die Gottesackerwände nach Rohrmoos und die gleichen Leute am 7. August auf der Tour Nebelhorn - Laufbach - Himmeleck - Großer Wilder ins Oytal.

Nach nur zwei Anwärterjahren und dem Führerkurs vom 16. September bis 5. Oktober 1935 in Innsbruck legte Kaspar dort bei Dr. Tschon die Bergführerprüfung und nach einem Kurs vom 4. bis 18. Mai 1936 die Skiführerprüfung ab.

Bergführer - Heft 43

Bergführer Kaspar Schwarz "j"

Trettach und Höfats waren anscheinend die meist gefragten Tourenziele. Aus einer Reihe von Routen an der Trettach scheint, nach der Zahl der Eintragungen im Führerbuch zu urteilen, der Aufstieg über die Südwand und der Abstieg über die Westwand Kaspars „Lieblingsstrecke” gewesen zu sein. Nach so einer Tour schreibt am 27. August 1937 Hans Trinne aus Berlin NW 21, Turmstraße 40, ins Führerbuch:

"Ich möchte noch bemerken, daß, als wir auf der Trettachspitze waren, ein heraufkommender Tourist berichtet, daß ein anderer Tourist, den er selbst nicht retten konnte, sich verstiegen habe und sich in einer gefährlichen Stelle der Westwand befinde. Herr Schwarz stieg sofort in selbstloser Weise zu ihm ab und brachte ihn, der infolge schwindender Kräfte dem Absturz nahe war, nach oben.

„Herr Schwarz vereinigt in sich alle Vorzüge eines trefflichen Bergführers”, schreibt ihm 1937 ein anderer Seilgefährte ins Führerbuch. Viele Touren, darunter Genußklettereien wie das Wilde Mändle, die Hammerspitzennadel, die Höfatsnadel schließen sich dem an, bis ab dem 21. August 1939 das Führerbuch schweigt. - Krieg!

Der Bergführer Kaspar Schwarz wird zur Gebirgstruppe eingezogen. Im zweiten Jahr des Rußlandfeldzuges soll nach dem Willen der deutschen Heeresleitung auf dem höchsten Gipfel des Kaukasus, dem 5.633 m hohen Elbrus, die deutsche Reichskriegsflagge gehißt werden. Eine gefährliche Aktion ohne strategischen Nutzen, die nur der Propaganda diente, wurde in Gang gesetzt und Hauptmann Heinz Groth mit dem Unternehmen beauftragt. Er konnte sich nun aus der 1. und der 4. Gebirgsdivision entsprechend bergerfahrene Männer aussuchen. Neben anderen waren unter den „Auserwählten” die Oberstdorfer Otto Niederacher, Kaspar Schwarz und dessen Neffe Hans Schwarz.

Es ist hier nicht die Stelle Kriegsberichte zu schreiben, aber es sei vermerkt, daß die Einheit unter unvorstellbaren Strapazen am 21. August 1942 den Auftrag ausführt und am Elbrusgipfel die Flagge aufsetzt. Ohne Verluste kehrt die Einheit zurück. Bergführer Kaspar Schwarz wird in dem Bericht des Hauptmannes besonders lobend erwähnt. Schlimme Zeiten hat der Gebirgsjäger zu überstehen, bis endlich die Waffen schweigen.

Am 17. Juli 1946 steht der „zivile” Bergführer Kaspar Schwarz mit einem Touristen wieder auf dem Gipfel der Trettach. Am 21. September 1947 danken seine Oberstdorfer Skifreunde Josef Schraudolph, Gustl Seeweg und Alois Wechs dem Kaspar dafür, daß er sie sicher durch die berühmte Watzmann-Ostwand (Salzburger Weg) geführt hat.

„6 Jahre Krieg, 3 Jahre russische Gefangenschaft, ich glaubte nicht, daß ich die Höfats noch schaffen könnte. Aber es ging! Dank der hervorragenden Führung des Bergführers Kaspar Schwarz schaffte ich die Überschreitung der Höfats-Gipfel”, schrieb Otto Lieber aus Heilbronn am 29. September 1948 ins Führerbuch ein.

Wie Kaspar die Berge liebte, ist auch daraus zu ersehen, daß es ihn, neben seinen Führungstouren, auch privat auf die Gipfel zog. So kletterte er mit dem damaligen Bergführeranwärter Willi Klein am 3. Oktober 1948 durch die als besonders schwierig bekannte Schneck-Ostwand.

Nach der Währungsreform 1948 waren es wenige Touristen, die sich einen Bergführer leisten konnten. Kaspar zog daher mit seiner Familie 1949 nach Hochleite und bewirtschaftete die dortige Gaststätte. Den Bergführer aber zog es wieder hinauf in größere Höhen. 1954 wechselte er darum als Hüttenwirt auf das Waltenbergerhaus. Siebzehn Sommer betreute er mit seiner Familie in dieser Bergsteigerunterkunft die Touristen. Viele Zentnerlasten hat er von Einödsbach zur Hütte hinaufgetragen und unzähligen Touristen mit Rat und Tat zur Seite gestanden.

Kaspar war in Bergsteigerkreisen als hervorragender Kletterer bekannt und geachtet. Höfats und Trettach waren seine Lieblingsberge, an denen er fast alle begehbaren Routen erklettert hat. Kaspar Schwarz hat sich nicht nur als Führer und Hüttenwirt einen Namen gemacht. Einige Touristen verdanken ihm Gesundheit und Leben. Ich habe selbst erlebt, wie er 1957 einen verunglückten, schwerverletzten Bergsteiger an der Trettach-Westwand aus dem „Schwarzen Riß” geborgen hat. Seine Gewandtheit, seine ruhige und sichere Seilarbeit - das war eine Meisterleistung. Ohne Aufhebens über eine solche Rettungstat zu machen, ging er seinem Beruf nach; zu helfen war ihm eine Ehrenpflicht.

1972 zog die Familie Schwarz vom Waltenbergerhaus hinüber ins Schafalpgebiet und bewirtschaftete dort bis 1975 die Fiderepaßhütte, den alpinen Stützpunkt der Sektion Oberstdorf in diesem Bereich.

Neben seinen alpinen Fähigkeiten war Kaspar auch ein hervorragender Skiläufer. Insbesondere im Langlauf konnte er seine Ausdauer und Zähigkeit beweisen. In einer Reihe von Rennen hat er sich, neben seinen Brüdern, in die Siegerlisten eingetragen. Es war schon fast eine Selbstverständlichkeit, daß der Bergführer im Winter als Skilehrer tätig war. Jahrzehnte unterwies und begleitete er an der »Ersten Skischule« sportbegeisterte Menschen vom „Skisäugling” bis zum Könner auf hochalpiner Tour.

Unter der Nr. 56/09 ist im Geburtenbuch des Marktes Oberstdorf eingetragen: „Kaspar Schwarz geboren am 30. 10. 1909 in Oberstdorf. Eltern: Bergführer und Zimmermann Kaspar Schwarz und dessen Frau Magdalena, geb. Waibel.” In einem kargen Leben mit elf Geschwistern wuchs der Bub auf. Hinter dem Haus am Faltenbach begann die freie Natur, die sein Spielplatz war. Schon in frühester Jugend mußte der Bursche auf der Alpe und im Bergwald an harte Arbeit heran. Berge und Wald blieben auch später sein Metier.

Kaspar heiratete 1937 Hildegard Moser. Ein schwerer Schicksalsschlag traf den jungen Mann, als er 1943 an der Front die Nachricht erhielt, daß seine 25jährige Frau nach der Geburt des zweiten Kindes mit diesem verstorben war. Eine zweite Ehe ging Kaspar mit Josefine Kronthaler ein. Mit Frau und Kindern lebte er, wenn die Familie im Tal war, in dem alten Häuschen Haus Nr. 59 (heute Rechbergstraße 5) im Oberen Markt.

Wo das Leben des beliebten Führers begonnen hatte, in Oberstdorf, da endete es auch. Am Himmelfahrtstag, dem 15. August 1991, brach der Bergführer Kaspar Schwarz zu seiner letzten, der höchsten Gipfeltour auf.

Kaspars Cousin (die Mütter waren Schwestern), Ignaz Vogler, war gerade 2 1/2 Jahre alt, als sein Vater, der Bergführer Josef Vogler, starb. Die Familie mit sieben Kindern war deshalb nicht gerade auf Rosen gebettet, und dem kleinen Buben blies der Wind schon früh hart ins Gesicht. Wie die Brüder und viele Altersgenossen war Ignaz im Sommer als Hirtenbub auf der Alp. Nach dem Schulabschluß erlernte „Nennars Näzl”, wie er von den Einheimischen genannt wurde, den Beruf des Zimmermanns.

Schon bald regten sich die alpinen Interessen des Burschen. Unter dem 20 Juli 1924 steht der Name des gerade Siebzehnjährigen im Buch des Höfats- Ostgipfels zusammen mit dem seines Freundes Alois Weitenauer. Über das „Rote Loch” waren sie aufgestiegen und haben dann die vier Gipfel überquert. Im gleichen Gipfelbuch findet sich unter dem 31. Juli 1927 nochmals Näzls Unterschrift. Am 28. Juni 1931 haben Näzl und sein Bergkamerad Hans Tauscher sich auf der Trettach ins Buch eingetragen. Dem nächsten Eintrag auf der Trettach („bei Eis und Schnee”), zusammen mit Dore Schmidt aus Berlin, folgte die Aufstellung als Führeranwärter am 22. August 1932.

Bergführer - Heft 43

Bergführer Ignaz Vogler

Nach einigen Touristeneintragungen ist im Trägerbuch zu lesen:

„Machten mit Vogler Ignaz eine wunderbare Ski-Hochtour auf das Hornbachjoch bei sehr schönem Wetter.
Am 21. Mai 1933, Hans Tauscher, Otto Niederacher.”

Die gleiche „Mannschaft”, durch Otto Fritz verstärkt, war am 4. Juni 1933 auf der Höfatsnadel. Otto Fritz fehlte am Pfingstmontag, als es am 5. Juni 1933, nun mit Peter Niederacher, über den Südgrat auf das Höllhorn ging.

Eine sichtlich dankbare Dame schrieb am 8. Juli 1933 in Näzls Führerbuch:

„Herr Ignaz Vogler hat mir mit eigener Lebensgefahr in den steilen Wänden des Fürschiessers in der Nacht vom 7. - 8. Juli in höchster Bergnot beigestanden. Er hat mich mit 2 andern jungen Menschen in völlig erschöpftem Zustande in völliger Dunkelheit mit größter Vorsicht und herzlicher Rücksicht zu Tal gebracht. Ich werde seinen Takt sowie seine Leistung als Führer nie vergessen.

Marta Vidar aus Breslau.”

48 Eintragungen stehen im Trägerbuch für das Jahr 1933.

Neben den Eintragungen der vielen Touren mit Gästen auf die verschiedensten Gipfel fällt der Eintrag vom 1. Oktober 1933 besonders auf. Otto Niederacher dankt da seinem Bergfreund Ignaz für die Tour durch die Schneck-Ostwand. Es war dies die zweite Begehung der schweren Wand, elf Jahre nach der Erstersteigung durch Philipp Risch und Karl Seybold.

Mit einer Skiführung am 3. Dezember über Söllereck - Schlappoldeck - Bierenwang - Schwand endete das Bergsteigerjahr 1933 und mit der gleichen Tour begann das von 1934 am 26. Februar. Mit Berichten über Führungstouren auf Höfats, Höllhörner, Hochfrottspitze, Hohes Licht, Mädelegabel, Rappenköpfe, Kratzer, Krottenkopf, Hammerspitze, Trettach und andere Gipfel füllt sich das Tourenbuch 1934 ohne besondere Vorkommnisse. Am 23. September schreibt dann der Bergkamerad Matthias Blattner:

„Unter der Führung meines Freundes Ignaz Vogler gelang die 1. Begehung der bis jetzt jedem Ansturm standhaltenden Südkante der Trettach. ...”

Mit einer Reihe von Führungstouren klingt das Jahr 1934 aus.

„Club Alpino Italiano - Sez. di Brunice, Rifugio Tre Cime di Lavaredo m 2407 - Drei Zinnen Hütte" und „Club Alpino Italiano, Rifugio Benito Mussolini, Sezione di Padova” lauten die Abdrucke von Hüttenstempeln, die anläßlich einer Dolomitentour mit Frau Dore Schmitz aus Berlin zwischen dem 21. und 29. Juni 1935 ins Führerbuch kamen. Gipfel mit klingenden Namen wie Dürrenstein, Corda Rossa, Hohe Geisl, Einser, Zwölfer, Große Zinne und Paternkofel wurden dabei bestiegen.

Neben diversen Notizen über verschiedene Touren fallen die Eintragungen einer jungen Oberstdorferin auf. Leni Lacher hat da mit Näzl folgende Touren ausgeführt: Höfats-Südgrat und Traverse (24. Juli), Höllhorn-Südgrat (27. Juli), Kratzerkamin (8. August) und letztendlich Rädlergrat (22. August 1935). Schon bald nach dieser Tour besuchte Näzl, zusammen mit seinem Cousin Kaspar Schwarz, vom 16. September bis 5. Oktober 1935 in Innsbruck den Bergführerkurs und legte auch dort die Prüfung ab. Wiederum mit Kaspar zusammen folgte vom 4. bis 18. Mai 1936 der Skiführerkurs, der ebenfalls mit der Prüfung abschloß.

„Heute habe ich mit meinem lieben Ignaz Vogler wohl die 15. Tour gemacht”, schreibt Reinhold Mayer aus Berlin am 22. Juli 1937 ins Buch, nachdem die beiden am Großen Wilden die mittlere Westwandroute gegangen waren. Blenkkamin, Krottenkopf, Hochvogel, Fuchskarspitze, Krottenspitzengrat, Gimpel, Köllenspitze, Großer Wilder stehen neben einer Reihe schon genannter Grate und Wände in Nazls drittem Führerbuch, bis dieses ab dem 18. Juli 1940 schweigt. Der Krieg hat auch den Bergführer Ignaz Vogler eingeholt.

Während eines Urlaubs, am 18. Juli 1943, führte Näzl die Oberstdorferin Fanny Seeweg über den Rädlergrat aufs Himmelhorn. Am 22. September 1946 erfolgt nach einer Tour über den Höllhorn-Südgrat und die Südwand des Nördlichen Höllhorns der erste „Friedenseintrag”.

Es würde ein dickes Buch füllen und den Rahmen dieser kurzen „Bergführergeschichte” sprengen, würde man all das Lob, das die von Näzl geführten Touristen ihrem Führer gespendet haben, hier niederschreiben. Aus vier vollgeschriebenen Führerbüchern mit insgesamt 552 Seiten muß ich mich deshalb auf einige besondere Angaben beschränken. Einige Gipfel bzw. Routen hatten für Näzl und seine Touristen besondere Anziehungskraft. So sind z. B. 135 Führungen auf die Trettach, 133 auf die Höfats, 80 auf die Höllhörner und 26 durch den Blenkkamin verzeichnet. Mehrtägige Dolomitenfahrten, bei denen Gipfel wie Cimone della Pala, Stabeierturm, Große Zinne u. a. bestiegen wurden, oder Führungen auf den Berg der Berge, das Matterhorn, stechen besonders hervor. Aber vielleicht war der Führer mehr gefordert, als er am 2. September 1953 den 78jährigen Albert Kirchner aus Eßlingen über die Südwand auf die Trettach oder am 24. September 1961 Oberstdorfs Bürgermeister Dr. Paul Dreher auf die Höfats führte?

Natürlich hatte Näzl, wie alle anderen Führer, auch Gäste, die über viele Jahre kamen. Beim Studium der Führerbücher ist mir eine Touristin besonders aufgefallen. Immer wieder taucht der Name Susi Munker auf - doch ab 1937 nicht mehr. Die junge Frau war noch auf vielen Touren Näzls mit dabei, aber sie hätte sich jetzt als „Frau Vogler” eintragen müssen!

Das vierte Führerbuch schließt mit dem Eintrag von Edith Ramsauer am 2. Oktober 1971:

„Gimpel-Westgrat, ein Erlebnis! Herrn Vogler allerherzlichsten Dank.”

Man könnte diesen Satz mit dem Dank eigentlich als Schluß stehen lassen, denn er galt dem Führer Ignaz Vogler, dem es über rund 40 Jahre gelungen war, seine Schützlinge für die Berge und die Natur zu begeistern. Doch möchte ich noch einen Nachspann bringen.

Ab dem Jahr 1966 konnte ich die Eintragungen einer Dame im Führerbuch verfolgen: Höfats, Nebelhorn - Himmeleck, Kegelkopf, Rubihorn, Rote Flüh, Gimpel, Walmendingerhorn, Fürschießer, Kreuzeck, Rauheck, Kanzelwand, Kempter Köpfle, Geißhorn, Hohes Licht, Hochrappenkopf, Biberkopf, Widderstein, Daumen, Schochen, Hoher Ifen waren jeweils das Ziel dieser Touren gewesen. „Das Bergführer-Buch ist zu Ende, aber die Führungstouren hoffentlich nicht!”, schreibt Frau Dr. Cecilie Behr-Negendank aus Göttingen auf ein Einlegeblatt und führt in Stichworten die Ziele weiterer rund zehn Bergfahrten zwischen 1973 und 1980 an.

Bald werd ich 80 Jahre alt! Da hast Du, lieber Näzl, mich 4 Stunden lang am Seil sicher über einen Teil des Hindelanger Klettersteiges geführt....wieder ein unvergeßliches Erlebnis geschenkt, wie schon so oft in
vielen Jahren. Cilli Behr 21.8.80”

Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen.

Der Skiläufer Ignaz Vogler nahm insbesondere als Langläufer an Allgäuer, Bayerischen und Deutschen Skimeisterschaften teil. Natürlich war Vogler auch als Skilehrer tätig und brachte in Jahrzehnten tausenden von Gästen die ersten Bogen und damit die Grundbegriffe des Skilaufs bei.

Das Bergsteigen, Skilaufen und Fotografieren, das waren Näzls Leidenschaften, die er bis ins Alter betrieb. Am 3. Juli 1907 geboren, wuchs er im elterlichen Anwesen in der Rankgasse auf. Sein weiterer Weg ist bereits beschrieben. 1937 heiratete er Susanne Munker. Die Eheleute lebten in dem Haus, das sie sich Am Stiegele erbauten. Am Nikolaustag, am 6. Dezember 1995, läutete dem Berg- und Skiführer Ignaz Ulrich Vogler die Totenglocke.

Nach „S” und „V” folgt „W” im Alphabet und nach Schwarz und Vogler somit Weitenauer. Wir haben bereits Thaddäus Weitenauer, Wendelin Weitenauer und dessen Sohn Alois (Liese) als Führer kennengelernt, und nun wollen wir uns auch noch mit dem alpinen Wirken des jüngeren Bruders des Liese, mit Wendelin Weitenauer jun. - unter den Einheimischen „Lüedoarfas Wendl” genannt - näher befassen.

Wie es sich für den Sohn eines Bergführers gehört, war Wendl schon in frühester Jugend in den Bergen. So finden wir den Namen des gerade 15jährigen am 31. Oktober 1923 im Gipfelbuch des Großen Wilden, wohin er zusammmen mit seinen Brüdern Alois und Hans und der Schwester Mariele hinaufgestiegen war. Am 27. August 1926 finden wir seinen Eintrag, zusammen mit dem seines gleichalterigen Freundes Karl Dünßer, im Buch des Höfats-Ostgipfels. Es steht da „Travers Ost - West - Ost (vor und zurück)”; das war für einen 18jährigen eine schöne Leistung. Es folgen eine Reihe von teils sehr schweren Touren, bis sich der junge Mann um Zulassung zum Bergführerberuf bemühte, die dann 1935 erfolgte.

Zwei Jahre dauerte die Trägerzeit, bis Wendl zum Führerkurs, der vom 6. bis 26. September 1937 in Salzburg stattfand, zugelassen wurde. In der „Einladung” heißt es:

„...Wollen Sie daher am 6.9.1937 in Salzburg eintreffen und sich 20 Uhr im Gasthof »Zum Weißen Rößl«, Bergstraße 5, melden. Wegen der mit dem Führerkurs verbundenen praktischen Übungen im Hochgebirge haben Sie in voller alpiner Ausrüstung (mit Bergschuhen, Turenanzug, Rucksack, Seil, Eispickel, Steigeisen, Handschuhe, Schneebrillen, Kletterausrüstung usw.) zu erscheinen. Mangelhaft ausgerüstete Bewerber werden vom Kurs zurückgewiesen ...”

Im Anschluß an den Kurs legte Wendl auch die vorgeschriebene Prüfung mit gutem Erfolg ab.

Leider liegt mir von Wendelin Weitenauer kein Führerbuch vor. In einem gut 60 Jahre alten Gipfelbuch der Trettach konnte ich lediglich einige Eintragungen des Wendl finden. Am 3. August 1939 hat er Helmut Hubmann aus Meitingen über die Südwand zum Gipfel geführt und ist mit ihm über die Westwand abgestiegen. Am 16. August war er mit Günther Müller schon wieder oben. Mit dem Zusatz: „Bei Schnee und Nebel über den Ostgrat”, schrieb sich H. J. Günther am 29. Mai 1940 am Gipfel ein, wohin ihn Wendl begleitet hatte. Auf der gleichen Route folgte am 9. August 1940 die Tour mit Anton Wiegand aus Leipzig.

Die Kriegszeit hat auch den Wendl einige Jahre von seinen Oberstdorfer Bergen ferngehalten. Mir ist bekannt, daß er danach wieder ein begehrter und vielbeschäftigter Führer war. Ich habe ihn selbst im Sommer 1954 in der Nordflanke des Biberkopfes getroffen, als er mit einem Touristen unterwegs war.

Bergführer - Heft 43

Bergführer
Wendelin Weitenauer jun.

Die Jahre 1936/37/38 scheinen die Prüfungsjahre des Wendl Weitenauer gewesen zu sein. Der Prüfung für Lehrwarte im Deutschen Skiverband im Jahre 1936 folgte die Bergführerprüfung 1937.
„Oberstdorf, den 29. Januar 1938

Der Bergführer Wendelin Weitenauer ist seit dem Jahre 1935 als Träger angestellt und hat im Herbst 1937 die Führerprüfung bestanden. Weitenauer ist schon seit Jahren bei den Oberstdorfer Skikursen als Hilfslehrer tätig und dürfte die Zulassung zur Skilehrerprüfung nur gerechtfertigt sein. Weitenauer hat sich bisher in allen anvertrauten Führerangelegenheiten als zuverlässig bewährt.
Otto Rees, Führerobmann.”

Mit zwei österreichischen Stempelmarken (10 und 20 Groschen) versehen, gehörte diese Empfehlung zu den Bewerbungsunterlagen zur Skilehrerprüfung.

Als „Ausländer” hatte Wendl Anfang März 1938 bei seiner Bewerbung die doppelte Prüfungsgebühr (81 Schilling) zu bezahlen. Während des Lehrgangs und bei dessen Abschluß am 5. Mai 1938 war er aber kein „Ausländer” mehr, denn in der Zwischenzeit war der „Anschluß” Österreichs an Deutschland am 13. März 1938 erfolgt. Die Bürokratie hatte allerdings noch nicht nachgezogen. Das Prüfungszeugnis ist noch auf alten österreichischen Formularen ausgeschrieben und mit altem Stempel versehen - Hauptsache: sie waren gültig!

Am 5. Mai 1938 hat die „Staatliche Prüfungskommission für Schilehrer” in St. Christoph am Arlberg dem Prüfling Wendelin Weitenauer das Zeugnis als staatlich geprüftem Schilehrer übergeben. Knapp drei Wochen später, am 25. Mai 1938, bestätigt der Hauptausschuß des „D.u.Oe. Alpenvereins”, daß Wendl im Anschluß an den „Lehrkurs für Schi-Bergführer in der Franz-Senn- Hütte” die Prüfung als Schi-Bergführer abgelegt hat.

Acht Jahre waren ins Land gezogen, da stellte am 10. März 1946 John W. Earle, 1st Lt. SSO, 14th Inf. d. h. Oberleutnant Earle von der 14. Infanterie- Ski-School , die in Oberstdorf im »Hotel Mohren« untergebracht war, Wendelin Weitenauer ein Beschäftigungszeugnis aus. Mit einigen anderen Oberstdorfern war er dort, weil laut Fragebogen „unverdächtig”, als „Ski-In- structor” (Skilehrer) im letzten Halbjahr tätig gewesen. Im Anschluß an die „Ami-Zeit” war Wendelin Weitenauer dann über Jahrzehnte als Lehrer und auch viele Jahre als Leiter an der »Ersten Skischule« tätig. Einige Urkunden und Diplome geben auch davon Zeugnis, daß der Skilehrer Weitenauer in jenen Jahren auch Rennen bestritt und in der entsprechenden Altersklasse noch Siege holte.

Wendelin Weitenauer, Sohn des Bergführers und Ökonomen Wendelin Weitenauer und dessen Frau Rosina, geb. Wittwer, wurde am 9. Februar 1908 in Oberstdorf geboren. Er wuchs in der großen Familie im Haus Nr. 138 (heute Pfarrstraße 10, Armin Weitenauer, Enkel) auf und erlernte das Malerhandwerk. Er heiratete 1947 Martha Große und lebte mit seiner Familie auf dem elterlichen Anwesen. Am 11. November 1987 ging sein irdischer Weg zu Ende.

Fortsetzung folgt

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