Arbeiten an der Weißkopfstütze
der Materialbahn
Oberstdorf, bereits seit der Jahrhundertwende ein geliebter Ferienort, mußte im Krisenjahr 1926 stark rückläufige Besucher- und Übernachtungszahlen hinnehmen. Diese Tatsache war Anlaß für Überlegungen, was zu tun sei, um Oberstdorfs Fremdenverkehr neuen Anreiz zu geben. Der langjährige und ständig wiederkehrende Kurgast, Herr Dr. Walter Jahn, ein Münchener Fabrikant, gab im Frühjahr 1927 die erste Anregung, auf den meistbesuchten Hausberg, das Nebelhorn (2224 m), eine Bergbahn zu erbauen.
Der damalige 2. Bürgermeister, Herr Ludwig Hochfeichter, und Kurdirektor Hermann Schallhammer griffen den Gedanken auf und propagierten ihn in der Öffentlichkeit, zumal bekannt geworden war, daß auch andere Kurortgemeinden in Bayern den Bau von Bergbahnen planten. Am Fremdenverkehr interessierte Kreise haben die Idee bereitwilligst unterstützt.
Nach langwierigen, zum Teil erregt verlaufenden Verhandlungen wurde in zwei denkwürdigen Versammlungen beschlossen, den Bau einer Seilschwebebahn zum Nebelhorn zu betreiben. Herr Dr. Walter Jahn nahm mit der Seilbahnfirma Fühler & Schulze Verbindung auf und ließ einen ersten Entwurf anfertigen. Als dieser nach verschiedenen Änderungen schließlich genehmigt worden war, waren es wiederum Bürgermeister Hochfeichter, Hotelbesitzer Rief und Kurdirektor Schallhammer, die sich nunmehr mit allen Mitteln dafür einsetzten, Ortsansässige, heimische und auswärtige Freunde und Gäste zur Zeichnung von Aktien zu gewinnen, um das zunächst benötigte Kapital aufzubringen. Maßgeblich beteiligten sich der Verkehrs- und Kurverein, ein erheblicher Teil Oberstdorfer Bürger, die Marktgemeinde und die damalige Lokalbahn AG in München.
Mit dem Bau der Nebelhornbahn wurde im Jahre 1928 begonnen, sie war im Mai 1930 fertiggestellt und konnte am 11. Juni in feierlicher Weise eingeweiht und dem Verkehr übergeben werden. Eine Reihe von Schwierigkeiten mußte noch beseitigt und große Opfer, vor allen Dingen geldlicher Art, von den Aktionären gefordert werden. Auch sie konnten überwunden werden.
Dem Entgegenkommen der Marktgemeinde Oberstdorf, der früheren Ortsgemeinde und des Königlichen Hauses Wittelsbach, mit denen umfangreiche Verhandlungen hinsichtlich der Grundstücksfragen geführt werden mußten, verdankt Oberstdorf diese Bahn. Die schwierigen Grundstücksverhandlungen durch Hermann Schallhammer konnten schließlich durch den Kauf von ca. 1000 ha Boden zu einem außerordentlich günstigen Preis abgeschlossen werden. Dies bedeutet, daß die Betriebe der Nebelhornbahn AG heute fast ausschließlich auf eigenem Grund und Boden stehen.
Neun Jahre lang war Hermann Schallhammer Aufsichtsratsvorsitzender bzw. Stellvertreter, und während der ersten drei entscheidenden Jahre des Beginns auch Vorstand. Ihm, wie auch seinem Nachfolger Linkenheil, vor allem jedoch dem ab 1951 berufenen Vorstand Otto Bäuerlein (1951 - 66), verdankt die Bahn ihren technischen und wirtschaftlichen Aufschwung. Heute befördert diese Bahn jährlich etwa 800.000 Besucher und kann 1984 den zwanzigmillionsten Besucher willkommen heißen.
Mit einer Gesamtlänge beider Streckenabschnitte von 4.860 m überwindet sie einen Höhenunterschied von 1.104 m.
Im Laufe der Jahre 1951 bis 1965 wurde die Bahnanlage ständig ausgebaut, um die Sicherheit, Bequemlichkeit und vor allem die Beförderungsleistung zu erhöhen. Trotz stark erweiterter Kapazität, was zur enormen Steigerung der Beförderungszahlen führte, vergrößerten sich die Wartezeiten stetig. Das Nebelhorngebiet entwickelte sich in dieser Zeit zu einem berühmten Wander- und Tourengebiet im Sommer und Herbst.
Für den Skibetrieb im Winter und Frühjahr enstand 1950 die erste Sesselbahn zum Koblat, und mit der Erweiterung 1967 wurde die Verbindung der Bergstation zum Gipfel hergestellt. Durch den Bau eines modernen Schleppliftes zum Koblat im Jahre 1960, mit einer Förderleistung von heute 1.440 Personen/Stunde, eröffnete sich dem Skifahrer ein herrliches Terrain. Im Zuge der Kapazitätsausweitung der Bahnbetriebe (Nebelhorn und Koblat) wurde auch eine Neugestaltung der 1930 erbauten und 1935 erweiterten Berggaststätte »Höfatsblick« notwendig. Die Arbeiten zum Ausbau der Gaststätte, die Aufstockung als Panoramarestaurant und der 80-Betten- Hotelbetrieb wurden zur Wintersaison 1962/63 soweit fertiggestellt, daß sie ihrer Bestimmung übergeben werden konnten. Eine neue Gipfelhütte ergänzte 1974 das gastronomische Angebot für den Gast.
Seit Juni 1966 führt Direktor Franz Bäuerlein als Nachfolger seines Vaters Otto Bäuerlein das Amt des alleinigen Vorstandes. Bereits in den 70er Jahren erkannte er, daß die Kapazitätsauslastung der Bahn, trotz ständiger Erweiterung, schon bald an ihre Grenzen stoßen würde. Die Beliebtheit der Nebelhornbahn war so stark gestiegen, daß die Wartezeiten nur noch durch Ausgabe von Zeitkarten erträglich gestaltet werden konnte. Nach dem neuesten Stand der Technik und unter dem obersten Gebot der Sicherheit entstand unter seiner Regie 1976/77 mit einem Kostenaufwand von ca. 13 Millionen DM eine völlig neue Bahn. Die Förderkapazität der alten Bahn von 270 - 300 Personen/Std. (anfangs nur 96 Personen/Std.) wurde dadurch auf 600 Personen/Std. erhöht. Zur Finanzierung dieser modernen Großkabinenbahn wurde das Kapital der Gesellschaft von 990.000 DM auf 3.465.000 DM erhöht, nachdem sich die Gesellschaft zwei Jahre zuvor von der Herzogstandbahn in Walchensee- Dorf getrennt hatte, die nahezu 19 Jahre im Besitz der Nebelhornbahn AG war.
Die von Jahr zu Jahr steigenden Besucherzahlen haben ein Unternehmen entstehen lassen, das heute in ganz Deutschland und darüber hinaus bekannt ist. Ein Rundblick vom Nebelhorn-Gipfel, der dem Betrachter an klaren Tagen ein herrliches Panorama von mehr als 400 Gipfeln bietet, bleibt für jeden ein unvergeßliches Erlebnis. Mit besonderem Stolz wird berichtet, daß in der über 50jährigen Geschichte der Nebelhombahn mehr als 19 Millionen Besucher unfallfrei befördert wurden. Es gibt keinen besseren Beweis für die hohe Betriebssicherheit dieser Bahn. Die Hoffnungen der Gründer sind inzwischen weit übertroffen worden, und die Umsetzung ihrer Idee in die Tat verbindet Oberstdorf und die Nebelhornbahn heute wohl mehr denn je miteinander.
Chronologie der Nebelhornbahn
1928 Gründung der Nebelhornbahn AG.
1930 Am 11. Juni wird die Nebelhornbahn feierlich in Betrieb genommen als längste Personen-Seilschwebebahn der Welt, mit einer Förderleistung von 96 Personen pro Stunde.
1934 Erstmals Ausschüttung einer Dividende von 6 % auf das reduzierte Grundkapital.
1935 Baubeginn des Touristenhauses »Höfatsblick«.
1936 Das Bergunterkunftshaus, die Erweiterung der Berggaststätte sowie der Verbindungs- und Umgehungsbau können in Betrieb genommen werden. Verkauf des Hotels »Trettach« (später »Nebelhornbahnhotel«) an den Pächter.
1940 Durch die Wirren des Krieges erfolgt ein starker Rückgang der Beförderungszahlen.
1946 Die Bahn wird zunehmend wieder durch die Zivilbevölkerung benutzt;
die Beförderungszahlen steigen an. - Im März brennt das Wirtschaftsgebäude an der Seealpe ab.
1948 DM-Eröffnungsbilanz, Umstellung des Aktienkapitals im Verhältnis 1 : 3 auf DM 315.000.
1949 Am Nebelhorn entsteht der erste Skilift durch Privatinitiative. Die Umsätze erreichen den Höchststand seit Bestehen der Bahn.
1950 Ab Sommer ist die Wirtschaft Seealpe wieder benutzbar.
1951 Der Antrieb der Nebelhornbahn wird erstmalig auf höhere Förderleistung umgebaut. Energieversorgung nun durch ein 10.000 Volt-Gebirgskabel; Förderleistung nun 156 Pers./Std.
1952 Erstellung von Personalhäusern mit Lagerräumen neben der Talstation und einem Parkplatz für 200 Kraftfahrzeuge.
1954 Umbau der Nebelhombahn. Beide Teilstrecken sind durch Einbau eines neuen Antriebes in der Mittelstation Seealpe unabhängig. Erhöhung der Fahrgeschwindigkeit auf 6 m/sec., Steigerung der Förderleistung auf 210 Pers./Std.
1955 Erwerb und Inbetriebnahme der Herzogstandbahn in Walchensee-Dorf. Die Nebelhornbahn feiert ihr 25jähriges Jubiläum. Kapitalerhöhung auf DM 330.000 durch Ausgabe an die Kleinstaktionäre.
1956 Erwerb des Koblat-Sesselliftes.
1957 Obere Teilstrecke erhält einen neuen Antrieb. Förderleistung erhöht auf 225 Pers./Std.
1958 Neuerbaute Sesselbahn zum Koblat wird in Betrieb genommen. Förderleistung 450 Pers./Std. - Erweiterung der Gipfelhütte.
1959 1. Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln durch Ausgabe von Gratisaktien im Verhältnis 1:1. Aktienkapital beträgt nun DM 660.000. Ausbau der Wartehalle in der Talstation.
1960 Erbauung des Schleppliftes Koblat. Förderleistung 950 Pers./Std. Ausbau von 2 Dienstwohnungen im Wirtschafts-
gebäude Seealpe. Erbauung des Personalhauses 3 (6 Wohnungen).
1961 Schlepplift Fahrenberg an der Herzogstandbahn-Bergstation wird in Betrieb genommen. Erweiterung der Terrasse der Gipfelhütte.
1963/64 Ausbau der Berggaststätte, Aufstockung als Panorama- und Hotelrestaurant mit Appartements unmittelbar neben der Bergstation der Nebelhornbahn mit einem Kostenaufwand von 1,4 Mio. DM. Erweiterung der Warteräume und der sanitären Anlagen, Erweiterung der Panoramaterrasse. Erbauung eines Personalhauses in Walchensee.
1965 2. Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln durch Ausgabe von Gratisaktien im Verhältnis 2 : 1 auf nunmehr DM 990.000. Die Gesellschaft erstellt ein weiteres Personalhaus mit 3 Wohnungen an der Talstation. Erbauung von Reihengaragen. Die Fischerhütte am Seealpsee sowie ein Teil der Fischereirechte gelangen in den Besitz der Bahn.
1966/67 Erstellung des Personalhauses 4.
1967 Umbau der Sesselbahn zum Koblat und Neubau der Sesselbahn zum Nebelhorn-Gipfel. Förderleistung je Teilstrecke 600 Pers./Std. Inbetriebnahme am 15. Dezember.
1968 Fertigstellung der Sesselbahn zum Nebelhorn-Gipfel und feierliche Eröffnung am 31. Januar.
1969 Am 6. Juli konnte der 10millionste Fahrgast bei der Nebelhornbahn gefeiert werden.
1970 Niedergang einer Lawine bei der Seealpe am 24. Februar und erheblicher Sachschaden an der Mittelstation. - Der Hotel- und Gaststättenbetrieb liegt wieder vollständig in den Händen der Gesellschaft.
1972 Neubau der Gipfelhütte. Verkabelung der Starkstromleitung Seealpe - Talstation. Erwerb von 47 ha Grund zur Arrondierung des Grundbesitzes im Hinblick auf den eventuellen Ausbau der Bahn.
1973 Verkauf der Herzogstandbahn an die Gemeinde Kochel.
1975 Beschluß zum Bau der neuen Nebelhornbahn. Heraufsetzung des Grundkapitals von 990.000 DM auf 3.465.000 DM.
1977 Feierliche Einweihung der neuen Nebelhornbahn am 9. Juli, der modernsten Seilbahn des deutschen Alpenraumes. Bei optimaler Sicherheit beträgt die Beförderungsleistung 600 Pers./Std. bei einer Fahrgeschwindigkeit von 10 m/sec., Gesamtlänge 4.860 m.
1977/78 Im Zuge des Neubaus der Bahn Schaffung von 350 Parkplätzen.
1981 Neubau des Schlepplifts zum Koblat und dadurch Erhöhung der Beförderungszahl von 900 auf 1.320 Pers./Std.
1982 Ausbau der Skiabfahrts-Variante vom Auslauf der Gipfelmulde an der Stütze 10 zum Haushang.