„Idee nicht zu den Akten”
Die Finanzen dürften es auch gewesen sein, daß danach der Drang zu einer Personenseilbahn in Oberstdorf etwas gedämpft war. Stempfle hat aber seine Idee nicht „zu den Akten gelegt”, denn am 1. Februar 1912 antworten ihm die Siemens-Schuckert-Werke, Berlin, auf sein Schreiben mit dem Betreff: „Elektrische Bahn auf das Nebelhorn”. Jetzt lief neben dem Freibergsee-Plan auch das Projekt Nebelhorn. Stempfle scheint bei seinen Anfragen mehrgleisig gefahren zu sein, denn es melden sich mehrere Firmen. Die Bergmann-Elektrizitäts-Unternehmungen, Berlin, schicken ihm gleichzeitig einen Fragebogen, den am 12. Februar 1912 Bürgermeister Fritz Gschwender beantwortet. Es hatte sich in Oberstdorf bereits ein „Consortium” gebildet, das sich fortan mit der Bergbahnfrage befaßte.
Diesem Gremium gehörten an: Bürgermeister Fritz Gschwender, Oberforstverwalter Wolfgang Hohenadl, Hofrat Dr. Ulrich Reh, Brauereibesitzer Karl Richter, Konditormeister Gustav Stempfle und Max Stockbauer, Geschäftsführer des Verkehrs- und Kurvereins. Es scheint allerdings, daß man sich in Oberstdorf von der Idee der Seilbahn entfernt und dem Projekt einer Zahnradbahn zugewandt hat. In dem Antwortschreiben ist bereits von Tunnel- und Brückenbauten am Weg zum Nebelhorn die Rede.
Auch die Localbahn-Aktiengesellschaft München, die ja 1888 die Eisenbahnlinie Sonthofen - Oberstdorf gebaut hatte, meldete sich und bedauert, daß sie „wegen anderweiter Inanspruchnahme der Ausführung einer Bahn nach dem Nebelhornhaus nicht nähertreten” kann. Mit den Anfragen wurde anscheinend bei der Industrie eine Lawine losgetreten. Eine ganze Reihe von Firmen bieten ihre Dienste an. Brown, Boveri & Cie. legt am 11. Juni 1912 einen ganzen Referenzen-Katalog vor: Jungfrau-Bahn (1898), Gornergrat-Bahn (1898), Vesuv-Bahn (1903), Bernina-Bahn (1908), Wengeralp-Bahn (1909) und noch viele klingende Namen sind darin enthalten.
Die Münchner Maschinenfabrik Stiegler geht bereits ins Detail und unterbreitet einen sechsseitigen „Erläuterungsbericht über die Trasse einer Bergbahn von Oberstdorf zum Nebelhornhaus”. Darin heißt es: „... Die Lokomotiven bekommen je eine Ausrüstung von 2 mal 120 PS. Jede Lokomotive bekäme als Anhängung höchstens 2 Personenwagen. Diese Personenwagen sind in eleganter Ausführung und fassen je 50 Personen, so daß der ganze Zug 100 Personen faßt. Da eine Steigung von 20 % vorhanden ist und mit Zahnstangenbetrieb die Bahn versehen sein muß, kommen ca. 5.000 m Zahnstangen zur Anwendung. Die Oberleitung des Stromes wird in solider Ausführung hergestellt. Um die ganze Strecke, welche ca. 5.400 m lang ist, zu durchfahren, brauchen die Lokomotiven 48 min. Es können somit alle 48 min. 100 Personen hinauf befördert werden ...”
Eine Denkpause tritt ein
Zu diesem Projekt fanden Ortsbesichtigungen statt. Ein großes Problem scheint die Grundstücksfrage gewesen zu sein. Von der geplanten Talstation am Faltenbach bis hinauf zum Nebelhornhaus wären Dutzende von Grundstücken zu überfahren und mit Kunstbauten zu verändern gewesen. So viele Grundeigner unter einen Hut zu bringen, war fast ausgeschlossen. Eine Denkpause trat ein.
Die Seilbahn-Idee wurde wieder aktuell.