Die Gründer (von links): Karl Hofmann, Ehrenvorstand des Trachtenvereins Otto Kerle, dahinter (mit Hut) Thaddäus Jäger, Wilhelm Math, ganz rechts Seppl Joas im Gespräch mit dem Landrat Oberregierungsrat Hessdörfer.
Wenn ein Verein, eine Firma, eine verdiente Person ein Jubiläum feiert, ist es üblich, einen Rückblick auf die vergangenen Jahre zu halten. Besonders trifft dies zu, wenn eine Institution wie unser Museum seinen 75. „Geburtstag” begeht.
Als bei dem Großbrand im Jahre 1865 in Oberstdorf 146 Gebäude vernichtet wurden, gingen 146 „Heimatmuseen” in Flammen auf. Der Bestand an Kunst und sonstigem altem Kulturgut war deshalb danach geringer als an anderen Orten. Man sprach wohl darüber, „Altes” zu erhalten, doch den Worten folgten keine Taten. Erst als im Jahre 1926 der Gebirgstrachtenverein sein 25- jähriges Gründungsfest feierte, trat eine Wende ein. Ein bis dahin im Oberallgäu nie gesehener Festzug läutete das Umdenken ein.
Speicher, Kammern und Kasten waren nach alten Möbeln, Gerätschaften, Werkzeugen, Trachten und mehr durchsucht worden. Die Leute wurden fündig. Sollten nach den Feierlichkeiten die „Fundstücke”, die auf den Festwagen mitgeführt das Publikum hellauf begeisterten, wieder in der Versenkung verschwinden? Sollten sie wieder in Rumpelkammern den Holzwürmern und Motten überlassen werden? Nein!
Eine Gruppe von Männern um den Holzschnitzer Wilhelm Math, zu derem harten Kern der Buchdrucker Karl Hofmann, der Korbmacher Thaddäus Jäger und der Bauer Seppl Joas gehörten, machten sich ans Sammeln. Mit Rucksack und Handwagen zogen sie los. Kein Haus vergaßen sie, kein Weg war zu weit und keine Mühe zu groß, sie fanden überall offene Ohren und ihre „Beute” war riesig.
Doch – wo sollten die geborgenen Schätze aufbewahrt und schließlich der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden? Der damalige Schulleiter, Oberlehrer Otto Hengge, gehörte zum erweiterten Kreis der Museumsleute. Es war deshalb nicht schwer zu erreichen, daß die Sammler ihre Errungenschaften im Speicher des Schulhauses notdürftig unterbringen konnten. Wo aber Museumsräume finden? Jahre waren vergangen, schon sprangen die ersten Helfer ab, weil sich keine Aussicht auf Abhilfe bot. War die ganze Arbeit von Jahren umsonst gewesen?
Da traten die Männer um Wilhelm Math die Flucht nach vorne an, ein Neubau sollte entstehen. Die Ortsgemeinde stellte gegenüber der „Oberen Mühle” ein Grundstück zur Verfügung, und Willi Huber fertigte in kürzester Zeit einen herrlichen Plan. Sogar das schwierigste Problem, die Finanzierung des Neubaus, meisterten sie. Mit einem Großteil an Eigenleistung, mit zugesagten Spenden und der Ausgabe von Darlehensscheinen waren die Kosten gedeckt. Da war der Jubel bei den Museumsleuten groß. Aber – jetzt kam die Bank und verlangte einen Zinsgarantie, und die konnten die Männer nicht schultern. Als auch die Gemeinde „mangels Masse” die Bürgschaft nicht übernehmen konnte, platzte der schöne Traum vom neuen Museum. Durch diese Rückschläge wurde das Häuflein der „Aufrechten” zwar kleiner, aber sie gaben nicht auf.
Es war wie ein Geschenk des Himmels, als aus den Reihen des Gemeinderates 1931 der Vorschlag kam, im gemeindeeigenen Haus, Oststraße 82, wo eine Wohnung frei wurde, das Museum einzurichten. Der historische Bau, mit seiner über 300 Jahre alten Geschichte, bot den würdigen Rahmen zur Präsentation des Museumsgutes. Tag und Nacht werkelten die Mitglieder der Museumsgruppe, bis sie am 19. Juni 1932 mit Stolz ihr Werk, das »Oberstdorfer Heimatmuseum«, der Öffentlichkeit präsentieren konnten. Noch im Rausch des Erfolges gruben die Männer mit einigen freiwilligen Helfern unter dem bestehenden Gebäude das Erdreich aus, um drei weitere Ausstellungsräume zu schaffen. Aus der Not wurde eine Tugend und aus dem Haufen der ausgegrabenen Erde im Hofraum ein schön bepflanztes Alpinum.
Wenige Jahre konnte man sich an dem Erfolg erfreuen, dann kam der Krieg und die Männer wurden großteils einberufen. Wilhelm Math, 1944 letztmalig im Urlaub zu Hause, traute dem Phantom des Endsieges nicht mehr und traf einige Vorkehrungen. Das Museum wurde stillgelegt und zeitweise zweckentfremdet als Lagerraum einer Gastwirtschaft z. B. für Kartoffeln und Kohlköpfe genutzt. Betriebsfremde Personen hatten Zutritt zum Ausstellungsgut und dabei verschwanden wertvolle Stücke.
Als Karl Hofmann und, erst spät im Jahre 1948, Wilhelm Math aus der Kriegsgefangenschaft heimkehrten, ging die Museumsarbeit weiter. Sichten und ordnen der Exponate war angesagt. Die Daheimgebliebenen klagten, daß ein Offizier der amerikanischen Besatzungsmacht alle Waffen beschlagnahmt und mitgenommen hat. Da fragte Wilhelm schelmisch: „Alle?” Er öffnete daraufhin eine Täferwand und holte all die Waffen hervor, die er 1944 wohlweislich dort versteckt hatte. Heute zieren diese Stücke ein Zimmer in der Jagdabteilung des Museums. Im Sommer 1949 öffnete das Museum seine Pforten wieder für die Besucher.
Bedingt durch die Wohnungsnot nach dem Kriege war vorerst an eine Erweiterung des Museums nicht zu denken. Zehn verschiedene Mietparteien lebten in dem Haus. Erst ab 1968 konnten wir „tröpfchenweise” zusätzliche Räume erhalten. Erst der Einbau einer Elektrospeicherheizung 1973/74 ermöglichte auch die Öffnung des Museums zur Winterzeit. Größte Investition des Museums war die Unterkellerung des Nordwestteiles und dabei die Schaffung des großen Sonderausstellungsraumes. Viele, viele Feierabend-Wochenend- und Nachtstunden waren notwendig, um aus dem Museum der Gründer das Museum von heute zu schaffen. Von all denen, die mir in den letzten vier Jahrzehnten dabei geholfen haben, möchte ich zwei hervorheben: Hans Kappeler und Otto Simbeck.
Die Museumsleitung ging heuer in jüngere Hände über. Wir wünschen den jetzt Verantwortlichen viel Glück, Erfolg und die Freude, die wir bei der Museumsarbeit empfunden haben und ziehen den Hut vor der Leistung der Gründer.