Die Bedeutung der Scherrzither

von Max Schraudolph am 01.06.1988
Zither - Heft 13

Original-Scherrzither im Oberstdorfer Heimatmuseum.

Der Volksmusikpfleger Michael Bredl schreibt zum Thema Scherrzither (gekürzt) folgendes: „Von den im Allgäu verwendeten Saiteninstrumenten wird die Scherrzither am frühesten bezeugt. In alten Allgäuer Schriften ist nachzulesen, daß um 1840 herum die Scherrzither das Instrument war, mit dem in der Bauernstube, in der Sennhütte oder auf der Tenne häufig zum Tanz aufgespielt wurde. Das aus Fichten oder Ahornholz hergestellte Instrument wurde - wie es teilweise auch heute noch geschieht - von handwerklich geschickten Leuten selbst hergestellt. Da sie nicht nach einheitlichem Plan gefertigt wurden, sind diese Allgäuer Scherrzithern in Form und Aussehen mitunter verschieden. Manchmal tragen sie an der linken Seite, bei den Stimmnägeln, geschnitzte Bekrönungen, was jedoch auf die Zither selbst ohne Belang war.

In den ältesten, nur noch selten anzutreffenden Formen war die Allgäuer Scherrzither mit fünf gleichklingenden Metallsaiten im Einklang bezogen und mit diatonisch gebundenem Griffbrett in der Einteilung von der Quinte ausgehend versehen.

Während die Finger der linken Hand die Melodie greifen, streicht die rechte Hand mittels eines Plektrons aus Horn oder Kunststoff (früher wurden Miederstäbe aus Fischbein benutzt) dem Tempo des Spielstückes entsprechend in rhythmischen Anschlagbewegungen über die Saiten. Wegen dieser scherr- oder kratzartigen Bewegungen hat das Instrument die Namen ,Scherrzither’,,Schaar’,,Kratzzither’ und im Vorarlbergischen ,Zwecklzither’ bekommen.”

Das Oberstdorfer Heimatmuseum verwahrt eine Scherrzither, die auf das Jahr 1840 hinweist. In Brixen in Südtirol existiert eine solche aus dem Jahre 1673(!).

Das Instrument gehörte zur Gruppe der Borduninstrumente, wie der Dudelsack und die Drehleier. Selbstverständlich kann man den Borduneffekt auch weiterhin erhalten, jedoch fürchte ich, daß man der Scherrzither damit keinen Gefallen erweist, wenn sie wieder ins Museum zurückwandert, aus dem ich sie „herausholte”.

Michael Bredl schreibt an anderer Stelle: „Über Namen von Musikanten, die im vorigen Jahrhundert im Allgäu Scherrzither spielten, liegen allerdings keine sicheren Angaben mehr vor. Erst um die Jahrhundertwende wird in Oberstdorf berichtet, daß der Alphirte August Bader - alias, Gorars Gustf (1870 bis 1944) - dieses Instrument noch spielte.

Zither - Heft 13

„Gorars Gustl” beim Spielen.

Sehr wahrscheinlich wäre mit dem Ableben dieses alten Spielmanns die damals kaum beachtete Kunst des Scherrzitherspiels und damit dieses kleine Instrument selbst in Vergessenheit geraten, hätte nicht der Oberstdorfer Volksmusikant Max Schraudolf das Scherrzitherspiel vom Gorar Gustl übernommen und seither in weiten Kreisen wieder populär gemacht. Es ist der unumstrittene Verdienst von Max Schraudolf, daß die Verbindung zu diesem Instrument, selbst über die Kriegsjahre hinweg, nicht gänzlich verlorenging.

Durch unentwegten Einsatz gelang es ihm, eine im Allgäu verwurzelte Tradition der Scherrzither zu erhalten. Durch individuelle Gestaltung seiner eigenen Melodien und durch sein unverwechselbares Kolorit ist er zu einer Art Leitfigur für das Scherrzitherspiel geworden.”

Im Vergleich zur Konzertzither klingt bei der Scherrzither nur die Melodie. Die fehlende Begleitung besorgt die Gitarre bzw. Baßgitarre oder ein anderes Begleitinstrument.

Das „Tiroler Raffele” ist eine Weiterentwicklung der Scherrzither und hat drei Saiten auf dem Griffbrett (halbchromatisch) ohne Leersaiten. Dies zeigt, daß schon damals der Borduneffekt im Vergleich mit den weiterentwickelten Saiteninstrumenten nicht mehr mithalten konnte, weil das Übertönen der Melodie durch die Leersaiten eher störend als lieblich wirkte. Das Instrument wanderte ins Museum oder verstaubte auf Dachböden.

In diese Zeit fiel auch die Entwicklung der diatonischen ein- und zweireihigen Ziehharmonika und der Mundharmonika, so daß das Spektrum der Instrumente vielseitiger wurde. Das bewirkte, daß die Scherrzither verdrängt wurde; wobei auch der Mangel an begabten Spielern dazu beigetragen haben dürfte. Gorars Gustl spielte auch nur noch auf den Griffbrettsaiten und benutzte nur eine Leersaite, bei passenden Tönen der Melodie. Auf diese Weise konnte er das Scherrzitherspiel bis zum Kriege erhalten; er war somit der letzte Interpret der damaligen Generation.

Im Jahre 1936 hörte ich dieses Instrument zum ersten Male. Als Konzertzitherspieler erkannte ich, daß bei der Scherrzither Spielmöglichkeiten bestehen, die eine Konzertzither nicht aufweisen kann und deshalb die Scherrzither für mich ihre Daseinsberechtigung auch in der heutigen Zeit und in Zukunft haben wird. Die Intonierung hat sich an das neuere Musikempfinden angeglichen; denn ich übernahm ebenfalls die Spielart vom Gorar Gustl. Der Gang der Zeit beließ für mich nur zwei Proben bei ihm und davon habe ich seinen Schottisch - ich nenne ihn den „Gorar” - in die Gegenwart gerettet. Dieses Stückl ist ein Gradmesser, ob sich der Musikant als Spieler eignet - so jedenfalls sagte der Gustl zu mir: „Wenn de dean it verleanescht, kaschte glei üfheare!”

Zither - Heft 13

Duo Schraudolf- Garschhammer

Viele Musikanten, aus allen Gauen Bayerns, haben seither von mir Anleitungen zum Spielen erhalten; erstmalig bei einem vom Volksmusikpfleger Michael Bredl und mir durchgeführten Lehrgang. Als Erster führte ich die Scherrzither beim Bayerischen Rundfunk (Abteilung Volksmusik) ein und seither ist sie einem weiteren Kreis der Volksmusikfreunde zugänglich. 51 Titel, teils mehrstimmig mit zwei Instrumenten gespielt, sind im Rundfunk-Archiv verwahrt. Ebenso verfügen der Südwestfunk und der Sender Dornbirn/Vorarlberg über Aufnahmen auf Band.

Die Oktav-Baßscherrzither, bis dahin ebenfalls nur noch im Museum, habe ich wieder hörbar gemacht und Melodien dazu geschaffen.

Schließlich brachte die Bayerische Staatsregierung eine Schallplatten-Geschenk- kassette „Aus dem Musikleben Bayerns” heraus, auf der ein Titel von mir bespielt ist. Eine weitere Geschenkausgabe der bayerischen Regierung enthält abermals einen Titel von mir, der beim internationalen „Prix de musique de Bratislava” in der authentischen Volksmusik, unter Beteiligung aller europäischen Rundfunkanstalten, einen 1. Preis erzielte.

Für meinen Einsatz konnte ich von seiten der Ministerpräsidenten Alfons Goppel und Franz Josef Strauß Dank und Anerkennung entgegennehmen.

Quellenangabe:
Michael Bredl: Volksmusikinstrumente. In: „Ebbes”, Zeitschrift für das bayerische Schwaben, April 1979.

Zither - Heft 13

Dankschreiben von Ministerpräsident
Franz Josef Strauß

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