Zu Besuch bei der Sonderausstellung:
Handwerkskammerpräsident Donat Müller, Augsburg (Mitte), im Gespräch mit Zimmerinnungsobermeister Georg Haberl, Sonthofen (links) und Kreishandwerksmeister Hans-Jürgen Merk, Hindelang.
Der Erweiterungsbau der Jahre 1983 /84 versetzt das Oberstdorfer Heimatmuseum in die Lage, in einem Raum auf ca. 75 qm Grundfläche Sonderausstellungen zu veranstalten.
Eine Glasfront von 12 Vitrinen mit ca. 20 Metern Länge an den Wänden und eine Mittelvitrine nehmen dabei das Ausstellungsgut auf. Die Möglichkeit war also geschaffen. Jetzt gab es nur noch die Qual der Wahl, aus etwa zwei Dutzend möglichen Themen das richtige für eine Sonderschau auszuwählen. Wegen der vielen Holzbauten in unserer Heimat entschied ich mich für das in hoher Blüte stehende Zimmermannshandwerk.
Zusammen mit der Staatlichen Berufsschule Immenstadt und der Zimmerer- Innung des Landkreises Oberallgäu konnten die notwendigen Exponate beschafft werden, um ein möglichst umfassendes Berufsbild aufzeigen zu können. Die alten Werkzeuge aus Museumsbeständen waren gerade recht, um auch die Historie des Zimmermanns-Berufes zu beleuchten.
Mit den handgeschmiedeten Sägen waren einst die Lichten und Tannen für das Bauholz gefällt und entsprechend abgelängt worden. Die Fäll- und Breitäxte in dergleichen Vitrine erinnern daran, daß der Zimmermann sein Bauholz früher aus rohen Stämmen behauen hat. Auch der Schnürkübel mit der Farbe für den Schnurschlag auf dem Stamm fehlte nicht.
Zum „Beschlagen” des Holzes waren jeweils zwei Mann (ein Links- und ein Rechtshänder) notwendig. Weil es aber weniger Linkshänder gab und diese daher „rar” waren, wurde diesen mehr Stundenlohn (um 1910 z. B. zwei Pfennig zusätzlich) bezahlt. Dieser höhere Lohn hat Zimmerleute veranlaßt, ihre Söhne - die evtl, später Vaters Beruf ergreifen sollten - systematisch zu Linkshändern zu erziehen.
In der nächsten Vitrine wurden mit Spannsäge, Winkel, Stemmeisen, Baleisen und Beil das „Bundgeschirr” des Zimmermanns vorgestellt. Hohltexel und Rinnenhobel zeigten an, daß der Zimmerer auch Dachrinnen und Brunnentröge anfertigt.
Eine eigene Vitrine war den verschiedenen Hobelarten Vorbehalten. Vom winzigen Zwerghobel bis zum 1 1/2 Meter langen Füghobel, der von zwei Männern gezogen bzw. geschoben wurde, reichte die Palette der Holzglättgeräte.
Drei Vitrinen waren der Berufsausbildung gewidmet. Den Weg, den der heutige „Azubi” während seiner dreijährigen Ausbildung zu beschreiten hat, zeigte eine gutgegliederte Graphik. Der theoretische Teil nimmt da im Vergleich zur Lehre der früheren Zimmermanns-„Stifte” einen viel breiteren Raum ein.
Der praktische Teil war in die Bereiche,
a) Abbundzimmerei,
b) Schalungszimmerei und
c) Treppenbau
gegliedert und durch kunstgerechte Modelle veranschaulicht.
Vor einem kleinen Kreis geladener Gäste erläuterte Peter Weiß vom Museumsausschuß das Werden von Ausstellungsraum und Sonderschau. Der Sprecher dankte bei der Eröffnung dem Bezirk Schwaben, dem Landkreis Oberallgäu, dem Markt Oberstdorf, dem Verschönerungsverein, den Gemeindewerken und anderen Geldgebern für die Unterstützung beim Umbau des Museums.
Bezirkstagsvizepräsident Huber überbrachte die Grüße des erkrankten Bezirkstagspräsidenten Dr. Simnacher, der gerne selbst gekommen wäre. 1. Bürgermeister Geyer sprach den Dank des Marktes Oberstdorf und erläuterte das Museumsgeschehen aus der Sicht der Gemeinde.
Eine Reihe von Zimmermeistern und Gesellen betrachteten dann fachkritisch die ausgestellten Arbeiten. Es handelte sich dabei um ca. 25 Gesellenstücke und etwa die gleiche Zahl von Lehrobjekten der Berufsschule. Von der einfachen Holzverbindung bis zur Dachkonstruktion mit allen möglichen Schwierigkeiten waren Arbeiten zu sehen. Maßstabsgerechte Modelle einer Holzbrücke, eines Feldstadels oder der Dachstuhl einer Kapelle samt dem Dachreiter für das Glöcklein waren da ausgestellt. Aber auch ein gotischer Turmhelm und eine Kuppel für einen Kirchturm konnte man besichtigen. Neben vielen anderen Konstruktionen stand da auch das Modell eines alten Oberstdorfer Bauernhauses.
Eck-Schlösser und andere Holzverbindungen gaben Zeugnis von Arbeiten des Zimmermanns aus der Zeit, als ganze Häuser noch ohne Metall-Nagel und Schraube erbaut wurden. Da gab es auch noch eine Tafel mit den Bundzeichen. Das sind die römischen Ziffern und Zeichen, mit denen der Polier beim Abbund die einzelnen Säulen, Streben, Riegel, Balken usw. kennzeichnet, daß beim Aufrichten des Neubaues jedes Holz mühelos an seinen Platz gelangen kann.
Rund 20.000 Besucher haben diese erste Sonderausstellung im Oberstdorfer Heimatmuseum gesehen. Auch prominenter Besuch aus dem Bereich des Handwerks war darunter. Präsident Donat Müller von der Handwerkskammer für Schwaben besah sich interessiert die einzelnen Exponate. Begleitet war der Kammerpräsident - der selbst Zimmermeister ist - vom Obermeister der Oberallgäuer Zimmerer-Innung Georg Haberl und dem Oberallgäuer Kreishandwerksmeister Hans-Jürgen Merk. Nach einem Rundgang durch die Ausstellung bezeichnete Präsident Müller die ausgestellten Stücke und auch die Präsentation als eine echte Werbung für das heimische Handwerk.
Doch was wäre eine Ausstellung dieser Art, wenn nicht auch der Schutzpatron der Zimmerleute, der heilige Josef, dabei wäre? Die Oberstdorfer Bildhauermeister Alois und Josef Ohmayer schufen deshalb künstlerische Plastiken für diese Ausstellung.
Die erste Sonderausstellung im Oberstdorfer Heimatmuseum war ein voller Erfolg. In der Zwischenzeit wurde sie von der Schau „Die Oberstdorfer Vereine” abgelöst. Bis zum Herbst 1986 soll diese zu sehen sein. Im Hinblick auf die Nordische Skiweltmeisterschaft wird dann ein Thema um die Entwicklung des Skilaufs in Oberstdorf folgen.