1908 – Postkarte der neuerbauten Schule.
Wenn ältere Oberstdorfer von der Volksschule sprechen, meinen sie fast immer das Schulgebäude in der Ludwigstraße und sie haben damit auch recht, denn der Name unserer Schule heißt heute genau genommen „Volksschule Oberstdorf - Grundschule”. Man kann sich darüber streiten, ob man diesem Gebäude ansieht, dass es in diesem Jahr schon 100 Jahre existiert. Hin und wieder hört man Kollegen aus anderen Schulen oder Kurgäste sagen: „Ihr tut uns leid, in so einem alten Kasten müßt ihr Schule halten!” Doch wir Lehrer sind da, sicher mit vielen Oberstdorfern, anderer Meinung: Unsere Schule hat Geschichte, unsere Schule hat Charme, unsere Schule hat Platz und unsere Schule liegt im Zentrum unseres Ortes, wo eine Grundschule auch hingehört. Natürlich leidet sie an einigen Stellen etwas an Altersschwäche, aber die Gemeinde investiert jährlich einen hohen Betrag, um unser altehrwürdiges Schulgebäude auf dem Laufenden zu halten.
So war’s damals
Ja, 100 Jahre ist sie nun alt unsere Volksschule – aber wie war das damals um die vorletzte Jahrhundertwende? Die Schule des Hauptortes befand sich im heute verlassenen „Neuen Rathaus”. Daneben bestanden noch Schulen in Kornau und Birgsau. Eine Schule im Trettachtal war wenige Jahrzehnte vorher aufgegeben worden. Die Ortschaften Tiefenbach und Schöllang, die damals ja noch selbständige Gemeinden waren, hatten natürlich auch ihre eigenen Schulen.
Zurück zu unserer Schule am Marktplatz. Sie lag am südlichen Ortsrand, und schaute man vom Balkon der Wohnung des Lehrerehepaars Lochbrunner in die Berge, sah man außer den Wiesen im Ösch nur noch den Obstgarten und das 1899 eröffnete »Parkhotel Luitpold«. Drei Klassenzimmer und eine Lehrerwohnung standen zur Verfügung. Da die drei Lehrer damals zusammen rund 300 Kinder unterrichteten, kann man sich vorstellen, dass die Umstände unerträglich waren. Durch den Einfluß des Fremdenverkehrs und auch durch den Bau der „Fabrik” war der Ort in wenigen Jahrzehnten um rund 1.000 Seelen gewachsen, was ungefähr einem Drittel entsprach. Überlegungen zu einer Schulerweiterungen wurden schon lange gehegt. So wollte Sophie Gschwender im Jahre 1887 ihr Erbe für den Bau einer Mädchenschule stiften. Warum die Gemeinde damals das großzügige Angebot ablehnte, entzieht sich meiner Kenntnis. Es lagen zeitweise später dann doch Pläne für eine eigene Mädchenschule vor.
Das neue Schulhaus
Im Januar 1906 sprach sich die Gemeindeversammlung mit einer überwältigenden Mehrheit für den Neubau im unbebauten Süden auf dem Gelände der Frau Amalie Vogler aus. Ein Architekt Rank aus München erstellte die Planung und der Bautechniker Wilhelm Huber übernahm die Bauleitung.
Rund 75.000 € sollte das Gebäude kosten. Wenn man weiß, dass die Gemeinde zu dieser Zeit einen Gesamthaushalt von etwa 20.000 € hatte, war das ein gewaltiger Brocken, der natürlich nur über ein Darlehen von 50.000 € finanziert werden konnte. 10.000 € Spendengelder aus der Bevölkerung kamen zusammen, 5.000 € Zuschuß gab es von der Weberei Blaichach, welche die Fabrik betrieb, und 4.000 € gab der Kreis. 6.000 € Eigenleistung brachte die Gemeinde selbst ein. Das Gebäude wurde in den Jahren 1906/07 errichtet, 1907 bezogen und am 1. 1. 1908 offiziell eingeweiht. Von Anfang an war es mit einer Warmwasserheizung, mit Spülklosetts und elektrischem Licht ausgestattet. Auf dem Dach thronte ein Türmchen, in welchem eine Wetterstation untergebracht war.
Auf Betreiben des damaligen Pfarrers und geistlichen Rats Alois Heinle, der gleichzeitig auch der Religionslehrer bis zum Jahr 1916 war, sollte auf jeden Fall eine eigene Mädchenschule geschaffen werden. Auf seine Vermittlung hin wurde deshalb ein Vertrag mit den Franziskanerinnen aus Dillingen geschlossen, in dem bestimmt wurde, dass sie die drei Lehrerinnen für die Mädchenschule, eine Kindergärtnerin und eine Kraft für die Reinigung des Gebäudes bereitstellen sollten. Dafür erhielt das Mutterhaus die zustehende Besoldung (im Jahre 1910 waren das 1.100 € pro Jahr) und die Schwestern das 1. Geschoß des Westtraktes als Wohnbereich. Das Wohnrecht für den Lehrer war damals ein Bestandteil des Gehaltes. Ein Lehrer verdiente zwischen 500 und 700 € pro Jahr und konnte sich über bestimmte Aufgaben, wie Orgelspielen in der Kirche und Halten der Sonntagsschule, das ist die heutige Berufsschule, zusätzlich Geld beschaffen. Rund ein Drittel der Besoldungskosten mußte die Gemeinde übernehmen, der Rest wurde vom Rentamt, dem damaligen Finanzamt, übernommen.
Im Parterre des Osttraktes befanden sich die drei Klassenzimmer der Bubenschule, darüber im ersten Stock die Mädchenschule. Im Parterre des Westtraktes wurde die Kinderbewahranstalt eingerichtet. Normaler Weise faßte man jeweils die 1. und 2., die 3. und 4. und die 5., 6. und 7. Klasse zusammen. Obwohl die Schulpflicht nominell schon über 100 Jahre herrschte, geht aus den Notenlisten hervor, dass um die Jahrhundertwende pro Jahrgang 1.000 Fehltage bei den Oberklassen keine Seltenheit waren. Das zeigte, dass die Kinder, wenn sie gebraucht wurden (Heuernte, Alpdispens, ...), aus dem Unterricht genommen wurden, auch wenn empfindliche Geldstrafen (1881 10 Pfennig pro Fehltag) drohten (UO, 1981, S. 5). Eine Eintragung des Lehrers Raimund Fischer aus dem Jahr 1895 läßt mich außerdem vermuten, dass dies bei Mädchen deutlich häufiger der Fall war.
Die Anfänge
Leider ist aus den ersten zwanzig Jahren der Volksschule nur wenig überliefert. Die Chronik der klösterlichen Schule – im folgenden „Schulchronik” genannt – und auch eine zweite Chronik der Franziskanerinnen in Oberstdorf – im folgenden „Klosterchronik” genannte – wurden erst im Jahre 1928 angelegt, brachten jedoch über die Zeit nach 1908 wenigstens kurze Rückblicke. Von den Männern der Bubenschule scheint es eine Chronik, verfaßt von Heinrich Bernhard Zirkel, gegeben zu haben. Ich bekam sie aber bisher leider nie zu Gesicht. Deshalb vermute ich, dass sie nach dem Umsturz im Jahre 1945 schnellstens entsorgt wurde, da sie die Verknüpfung der damaligen Lehrerschaft mit dem Naziregime zu deutlich aufgezeigt und damit einer schnellen Entnazifizierung entgegengestanden hätte. Ich werde darauf an gegebener Stelle eingehen.
Dass die Klosterschwestern anfangs keinen leichten Stand hatten, zeigt eine Eintragung in der Klosterchronik, in der ausdrücklich steht: „Der kleine Kreis von Schwestern hatte eine schwierige Aufgabe, sich das Vertrauen der Allgäuer zu erkämpfen. Wer diesen Menschenschlag kennt, dass seine Köpfe und Herzen sich zu jedem Wechsel verhalten wie seine Felsenberge. Da aber Oberstdorf heute ein viel besuchter Luftkurort ist und sich zusehends als solcher entwickelt, wird der ,echte Oberstdorfer’ nach und nach in die Ecke gedrückt und muß manches von seiner Herbheit und dem zugeknöpften, hartköpfigen Wesen, wenigstens in der Saison, ablegen, um sich einigermaßen ein Plätzchen auf der Sonnenseite zu behaupten. Allerdings sind es nur Materialismus, Vergnügungssucht, religiöse Gleichgültigkeit und sittliche Schrankenlosigkeit, die man den ,Fremden’ absieht.”
Die Schülerzahlen gingen in den folgenden Jahren leicht nach oben und es saßen jeweils rund 50 – 60 Kinder in den zusammengefaßten Klassen. Aus der Zeit des 1. Weltkrieges erfuhr ich nur, daß einer der Lehrer einrücken mußte und die Schwestern deshalb eine Klasse mitführten. Ein einigermaßen bekannter Lehrer war damals der Hauptlehrer Lorenz Lutz, der auch den Umzug in die neue Schule mitgemacht hatte und später die Ehrenbürgerschaft verliehen bekam. Für Josef Lochbrunner, der im Umzugsjahr in den Ruhestand ging, kam Oberlehrer Andreas Scheller. Lutz und Scheller beendeten ihre Schullaufbahn gemeinsam im Jahre 1925. Bei den Klosterfrauen möchte ich die Oberin und Hauptlehrerin Adolfine Aubele erwähnen, die bis 1922 die Schulleitung der Mädchenschule innehatte. Von 1916 bis 1925 erteilte Pfarrer Joh. Baptist Witzigmann den Religionsunterricht.
Ich will diese Zeit mit einem treffenden Zitat aus der Schulchronik der Klosterfrauen abschließen: „Abgesehen von einigen hohen Besuchen durch Angehörige des Königlichen Hofes und den alljährlichen Maispaziergängen, wie sie früher erlaubt waren, von passenden Weihnachtsspielen und den von den Behörden angeordneten Schulfestlichkeiten, Siegesfeiern und Schulfeiern, war der Schulbetrieb ein ganz regelmäßiger, so dass die einfallenden Ferien nicht nur als Abwechslung freudigst begrüßt wurden, sondern auch für Lehrerinnen und Schülerinnen eine notwendige Ausspannung bedeutete: Tagesarbeit, abends Feste, saure Wochen, frohe Feste.”
Skifahren als Schulfach
1919 kam mit einem neuen Lehrer neuer Wind in die Volksschule. Gemeint ist der spätere Rektor der Knabenschule Anton Henkel, der insbesondere dem Skiunterricht neue, eigentlich muß es heißen, erste Impulse verlieh – Impulse die bis in die weite Welt ihre Ausstrahlung fanden. Er führte in den zwanziger Jahren den Skiunterricht als Lehrfach ein und sorgte damit in der Presse – nicht nur deutschlandweit – für Furore. Ein Artikel mit der Überschrift „Rechnen ‚genügend’ - Skifahren ‚sehr gut’ ” erschien in der „Berliner Illustrierten“, einer Zeitung mit einer Auflage von 2 Millionen. In der Wochenschau, sie lief damals als Vorprogramm vor jedem Hauptfilm im Kino, wurde ein eigener Bericht gezeigt. Mehrere Lehrfilme wurden aufgezeichnet und Henkel schrieb den ersten Skilehrplan für Schüler mit dem Titel „Grundsätzliches zum Skiunterricht an Jugendliche”. Da sich nicht alle Skier leisten konnten, schaffte er noch Skiausrüstungen für Bedürftige an der Schule an und eine ganze Reihe unserer späteren Stars, insbesondere im Skispringen, wurden durch ihn inspiriert und in den Sport eingeführt. Der Höhepunkt waren dann die Internationalen Heeres-Skimeisterschaften im Jahre 1930, als bei der Parade durch den Ort 300 Kindern auf Skiern (ohne Schnee) mitmarschierten. Hiervon existiert übrigens ein Film, der im Heimatmuseum angeschaut werden kann.
Nicht ganz so begeistert von dieser ganzen Angelegenheit waren die Klosterschwestern der Mädchenschule, deren Leitung seit 1922 Hauptlehrerin Crysostoma Singer innehatte. Sie beobachteten den Skiunterricht mit Argwohn und der sportbegeisterte Kollege wurde in der Chronik gar als „Skihenkel” tituliert. Hämisch wurden die manchmal besseren Erfolge der Mädchen im Skisport aufgezählt: „Wohl meinen manche, dass klösterliche Lehrerinnen da nicht mehr ‚mittun’ können, trotzdem war es Lehrerinnen und Schülerinnen am Tag der Wettkämpfe eine große Genugtuung, dass die Mädchen besser abschnitten als die Knaben, denn doch hier Sport Leben bedeutet.”
Im Jahre 1930 fand sich folgender bezeichnender Eintrag im Protokoll: „Der Unterricht wurde im 2. u. 3. Trimester wenig fördernd beeinflußt durch übertriebene Übung des Wintersports, die vom 4. – 9. Febr. 1930 die Welt-Ski u. Heermeisterschaft in Oberstdorf ausgetragen und die Schuljugend bei ihren sportlichen Übungen auch gefilmt wurde. Die ,schulfreie’ Skiwoche mußte durch Kürzung der Weihnachts- und Osterferien eingebracht werden.” Eigentlich hat sich in dieser Hinsicht bis dato nicht viel geändert, auch heute gibt es im Dorf zu diesem Thema differierende Meinungen.
Ein wichtiger Eckpfeiler des Schulsportes ist natürlich eine eigene Turnhalle. Mit tatkräftiger und finanzieller Unterstützung des Turn- und Sportvereins 1888 konnte diese im Jahr 1934 mit großem Pomp eingeweiht werden. Da sie auch noch eine Bühne besaß, wurde sie für viele Jahrzehnte auch Mittelpunkt des kulturellen Lebens der Schule, ja des ganzen Ortes.
Im personellen Bereich haben sich neben den schon genannten folgende wichtige Änderungen ergeben: Otto Hengge erreichte 1925 mit 55 Lebensjahren die Versetzung an seinen Heimatort. Sein Schüler Ludwig Müller schrieb über ihn in einem Jahrgängerheft: „Hier wirkte er von 1925 bis 1935 als Lehrer und verbrachte da auch seinen Lebensabend. Er hat sich nicht nur als Jugenderzieher und Mensch Achtung und Liebe erworben, sondern auch durch seine Mundartdichtung. Auf diesem Gebiet hat er in unserem Raum Pionierarbeit geleistet und als erster versucht, die Mundart verständlich und lesbar niederzuschreiben.“ (FN: Text von Ludwig Müller, aus dem Jahrgängerheft „D’ Zweiezwuinzgar weared sibezg” 1922 - 1992.)
1937 kam Heinrich Bernhard Zirkel an die Schule, der außerdem an der Oberrealschule unterrichtete. Er machte sich als Heimatforscher einen Namen und war an den Bänden „Geschichte des Marktes Oberstdorf” maßgeblich beteiligt.
Da hatten es die Klosterschwestern schon schwieriger. Sie hatten kaum eine Chance sich einen Namen zu machen, da Versetzungen an der Tagesordnung waren und sie sich außerdem wenig am weltlichen Leben der Gemeinde beteiligten. Doch möchte ich aus dieser Zeit zwei weitere Namen nennen, denn Mr. Philippine Stani und Mr. Lendrada Müller unterrichteten fast die gesamten zwanziger Jahre die Mädchen. Den Religionsunterricht erteilte stets der Ortsgeistliche und das war von 1925 bis 1935 Pfarrer Isidor Kohl.
Für Anschaffung von physikalischen und chemischen Apparaten genehmigte die Gemeinde 1929 eine Summe von 370 M. Der frühere Tennisplatz vor dem Schulgebäude wurde vom Verkehrs- und Kurverein mit einer Summe von 100 M der Schuljugend als Eisplatz überlassen. Um den Kindern des Unteren Marktes den Schulweg zu kürzen, wurde der Fußweg, der nur bis zum Gartenhaus führte, bis zum Schulhof verlängert. Im Schuljahr 1930/31 wurde begonnen, neue Viererbänke anzuschaffen, von denen noch einige Exemplare in der Schule zu sehen sind. Im Jahr 1930 mußten die Gottesdienste am Morgen vorverlegt werden, weil angeordnet wurde, daß die Ordensschwestern jetzt eine Viertelstunde vor dem Unterricht im Klassenzimmer sein mußten. Waren das die ersten Vorzeichen des sich anbahnenden „Schulkriegs”?
Der Schulkrieg
In den dreißiger Jahren wurde es den Schwestern schwer gemacht, denn sie mußten sich in einem regelrechten „Schulkrieg” ihrer Haut wehren. Zwei neue Problemfelder machten ihnen gewaltig zu schaffen. Auf der einen Seite machten sich die männlichen Kollegen aktiv daran, die sogenannte Vollschule zu propagieren und auf der anderen Seite diffamierten die Nationalsozialisten die Klosterschwestern als politisch unzuverlässig.
Nehmen wir uns des ersten Problemfeldes an. Besonders Anton Henkel, Heinrich B. Zirkel und Otto Hengge, der im Gemeinderat saß, wollten mit Vehemenz die Vollschule, in der die Schüler koedukative, d.h. in geschlechtergemischten Klassen unterrichtet werden, einführen. Damit kämen alle Schülerinnen und Schüler eines Jahrgangs auch in eine Klasse. In einem Schreiben mit dem Titel „Über die zweckmäßige Organisation der Oberstdorfer Volksschule” schreibt Zirkel ausdrücklich, dass die Klosterschwestern ja die Unterstufe weiter unterrichten könnten. Daß die männlichen Kollegen da aber ein doppeltes Spiel trieben, zeigte der Beschluß des von ihnen beeinflußten Gemeinderates aus dem Jahre 1934 jedoch deutlich.
Im August wurde den Schwestern gekündigt und die freiwerdenden Stellen sollten durch männliche Lehrkräfte ersetzt werden. In diesem Beschluß heißt es übrigens ausdrücklich: „... wir legen Wert auf Lehrer”, d.h. männliche Lehrkräfte, da sie „sich stets in uneigennütziger Weise in den Dienst der Gemeinde gestellt haben, auch außerhalb ihrer Dienstzeit”. Damit würde der Vertrag mit Ende des Schuljahres im März 1935 auslaufen. Doch die Lehrer hatten sich zu früh gefreut. Zwar agierten die Klosterschwestern von sich aus auf Grund ihrer Zugehörigkeit zum Franziskanerinnenorden sehr zurückhaltend, aber die Oberstdorfer Bevölkerung war keineswegs gewillt, den Beschluß des Gemeinderates widerstandslos hinzunehmen. Durch diesen Druck führte das Schulamt eine Abstimmung unter der Elternschaft durch. Das Ergebnis stellte eine vernichtende Niederlage für Gemeinderat und Lehrer dar: „Von 286 Wahlberechtigten stimmen 266 für die klösterliche Mädchenschule.” Laut Schulchronik mußte deshalb damals sogar der Gemeinderat zurücktreten. Eine Schlacht war gewonnen, doch für die Schwestern leider der Krieg nicht.
In Bezug auf die „Kinderbewahranstalt” waren sie jedoch nicht so erfolgreich. Diese wurde im selben Jahr verweltlicht und zog – über ein paar Umwege – in die heutige Musikschule um. Dieses Gebäude stand ursprünglich als Gesellschaftshaus im Kurgarten und wurde von dort in die Nachbarschaft der Volksschule versetzt. Die Schule benötigte wegen der steigenden Schülerzahlen die freiwerdenden Räume notwendigst.
Wie oben schon erwähnt, waren die Klosterschwestern noch dazu politisch als unzuverlässig angesehen. Mit Nachdruck versuchten sie dieser Ansicht entgegenzutreten, indem sie beispielsweise bei den von den Regierenden angeordneten Sammlungen immer mehr einnahmen als die Schüler der Knabenschule. Auch beteiligten sie sich geschlossen an den nationalsozialistischen Feiern und Umzügen. Damit die Reden des Führers direkt gehört werden konnten, wurden eigens Radios angeschafft. Der Prozentsatz der Mädchen im BDM (Bund Deutscher Mädchen) war höher als derjenige der Jungen im BDJ.
Doch all das half nichts. Ihre Kollegen, inzwischen allesamt Parteimitglieder, saßen am längeren Hebel und 1937 wurden die Klosterschwestern kurzerhand vor die Tür gesetzt. Unter den kirchlichen Lehrerinnen befanden sich seit 1935 übrigens schon Schwester Bonifatia Weber und Schwester Biunda Schlagenhaufer, die Handarbeitsunterricht erteilte. Die wohnungs- und arbeitslosen Klosterfrauen fanden Unterschlupf im Haus Johanna und konnten sich mit Aufgaben in den vielen Kinderheimen des Ortes den Krieg hindurch über Wasser halten. Die freiwerdenden Räume in der Schule wurden zum größten Teil zu Klassenzimmern und zu Fachräumen umfunktioniert, denn im gleichen Jahr wurde auch die 8. Klasse verbindlich eingeführt.
Rektor der neuen Volksschule, die jetzt 400 Schüler und Schülerinnen zählte, wurde der linientreue Anton Henkel. Herta Schaumberg gehörte schon seit 1934 dem Lehrerkollegium an. Die frei werdenden Stellen wurden ersetzt durch Frl. Maria Schindlmayr, Frl. Anna Buhmann, die spätere Frau Michl, Josef Wilhelm und Hermann Gabler. Sie bekamen die Zellen der Schwestern als Wohnräume zugewiesen. Regina Zirkel-George und Sonja Henkel übernahmen den Handarbeitsunterricht. In den Kriegsjahren befanden sich auch noch August Michl, Franziska Volderauer und Anna Schaumann an der Schule. In dieser Zeit unterrichtete Pfarrer Josef Rupp (von 1935 bis 1955) Religion.
Natürlich warf der 2. Weltkrieg auch im schulischen Sektor seine Schatten. Viele ehemalige Schüler mußten einrücken. Am Schluß sogar die kurz zuvor Entlassenen, die teilweise mit gerade 16 Jahren an der Front den unsinnigsten „Heldentod” für die Ideen eines Verrückten starben. Gegen Ende des Krieges wurde auch Rektor Anton Henkel eingezogen; Lehrer August Michl übernahm kommissarisch das Amt. Da die Schule, wie halb Oberstdorf, als Lazarett genutzt wurde, wurde ein Teil der Klassen in Wirtschaften ausgelagert.
Der Neuanfang oder die Schwestern sind zurück
Nach dem Umsturz war an eine Wiedereröffnung der Schule erst einmal nicht zu denken, denn es waren einfach keine Lehrer da. Bis auf eine einzige Ausnahme, Franziska Volderauer. Alle anderen wurden wegen ihrer Mitgliedschaft im NS-Lehrerbund bei Kriegsende erst einmal entlassen. Rektor Henkel übrigens wurde als einer der ersten im Februar 1946 von der amerikanischen Militärbehörde begnadigt, da er über seine norwegische Frau Sonja gute Kontakte nach oben besaß. Da sprangen die Klosterfrauen wieder in die Bresche und zusammen mit Frau Volderauer eröffneten sie am 30. Oktober (oder November ?) die Volksschule neu. Aufgrund der jetzt in Oberstdorf einquartierten Flüchtlinge wollten 900 Schüler die Schule besuchen. Fünf Lehrerinnen und eine Aushilfskraft teilten sich anfangs die 21 Klassen im Schichtwechsel und Abteilungsunterricht.
Bei der Oberstufe der Knaben wechselten in diesem kurzen Schuljahr viermal die Lehrkräfte. Nur 9 Schulsäle standen zur Verfügung. Natürlich wurde sofort die alte Schultrennung (katholische Knaben- und Mädchenschule) wieder eingeführt. Daneben existierte für die vielen evangelischen Kinder jetzt eine Evakuiertenschule. Die Schulleitungssituation ist anhand der beiden Chroniken jedoch nicht eindeutig zu klären. In der Schulchronik der Schwestern steht zwar, dass 1945 Schwester Erharda Dauner und ab Dezember 1945 Schwester Aszellina Welsch die Schulleitung der Mädchenschule innehatten. In einem widersprüchlichen Satz wird dagegen ausgesagt: „Die Schulleitung hatte Herr Rektor Henkel an sich genommen.” Anscheinend gab es zu diesem Zeitpunkt noch einen Rektor für die gesamte Volksschule und daneben Schulleiter an den Konfessionsschulen.
Schwester Aszellina war übrigens in ihren Oberstdorfer Jahren besonders aktiv darin, Nahrungsmittel für die ärmeren Familien bis aus dem Bodenseegebiet zu organisieren. Später griff diesbezüglich dann der Marschallplan, und die amerikanische Besatzung sicherte die Schulspeisung wenigstens notdürftig.
Trotz der fortschreitenden Entnazifizierung blieb der Lehrermangel akut. Auf jeden Fall waren zu Beginn des Schuljahres 1946/47 die meisten alten Lehrer entnazifiziert und wieder eingestellt worden. Zu Ende des Schuljahres kamen außerdem Frl. Helene Ebenhoch und Josef Rees neu an die Schule. Schon in diesem Schuljahr erhielten die Oberklassen Englischunterricht durch Johanna Müller-Funk, die zwar keine Lehrerin, aber Dolmetscherin war und bis in die 60er Jahre hinein unterrichtete. Neben der Volksschule mit ihren drei Abteilungen gab es noch eine landwirtschaftliche Berufsschule in 2 Jahrgängen.
Erst 1947 kehrten einigermaßen geregelte Verhältnisse – wenigstens in Bezug auf die Lehrerversorgung – ein. Der Schulraummangel erzwang aber immer noch Wechselunterricht und eine Klasse war über mehrere Jahre im Sanitätshaus ausgelagert. Die Schulspeisung ging bis zu Beginn der 50er Jahre weiter, wurde aber von immer weniger Kindern benötigt.
Interessant zu berichten ist, daß der „Schulkrieg” im Jahre 1948 seine Fortsetzung fand. Auf Grund einer Ministerialentschließung erhielten die klösterlichen Schulen ihre früheren Rechte von 1933 zurück. Das hatte zur Folge, daß Schwester Aszellina Welsch jetzt zur alleinigen Leiterin der Mädchenschule berufen wurde.
Da zu dieser Zeit jedoch nur 3 klösterliche Lehrkräfte den 5 weltlichen Lehrkräften gegenüberstanden, erhob sich sofort Widerstand gegen diese Entscheidung. Wortführer waren wieder Rektor Anton Henkel und Hauptlehrer Heinrich B. Zirkel. Zufällig besuchte zu diesem Zeitpunkt der Kultusminister Dr. Alois Hundhammer Oberstdorf, um im Turnsaal einen Vortrag über die Reform des bayerischen Schulwesens zu halten. Ihm wurde der Streitfall vorgelegt und er entschied zu Gunsten des Klosters. Damit gab es nun mindestens zwei voneinander unabhängige Schulleitungen.
Als weiteres besonderes Ereignis für dieses Schuljahr wurde vermerkt, daß das Gesundheitsamt die Schule vom 26. 1. bis 10. 2. 1949 wegen einer Grippeepidemie schloß.
Inzwischen hatte es einen Wechsel in der evangelischen Kirche gegeben: Der neue Pfarrer Wilhelm Gabriel drängte vehement und erfolgreich auf Einrichtung einer evangelischen Bekenntnisschule, die dann statt der Evakuiertenschule mit dem Schuljahr 1949/50 ihren Dienst aufnahm und an der er auch als Religionslehrer aktiv tätig war. Der erste Schulleiter hieß Arthur Benkendorf, weitere Lehrer waren u.a. Wilhelmina Maier (ab 1949) und Adolf Winter (ab 1950). Auch in der katholischen Mädchenschule ergab sich ein einschneidender Wechsel. Schwester Aszellina Welsch wurde versetzt und Schwester Bonifatia Weber übernahm für 20 Jahre die Schulleitung. Schwester Dominika Kleinhenz, die kurz zuvor nach Oberstdorf versetzt wurde, hatte aus gesundheitlichen Gründen auf die Beförderung verzichtet.
Tragischer Weise erlag sie dann auch schon am 1. Mai 1950 ihrer Erkrankung und wurde unter großer Anteilnahme im Oberstdorfer Friedhof beigesetzt. Neben Schwester Bonifatia hatte zu diesem Zeitpunkt noch Schwester Hildegardis Engelhardt eine Klassenleitung inne. Sie wurde 1952 durch Schwester Sigrid Lott ersetzt. Schwester Biunda Schlagenhaufer und Schwester Elfriede Grimm erteilten den Handarbeitsunterricht. Bei den Kollegen unterrichteten zu diesem Zeitpunkt sicher schon Werner Schorer und Benedikt Baur. In den folgenden Jahren kamen u.a. Charlotte Petzold, Max Zintl, Marlene Merkel und Schwester Benedikta Thenn hinzu. Da Pfarrer Josef Rupp 1955 mit 71 Lebensjahren abdankte, übernahm Pfarrer Wilhelm Krumbacher die Gemeinde und auch den Religionsunterricht. Ihn unterstützte – neben den jeweiligen Benefiziaten und Kaplanen – ab 1957 Anne Heggemann als Katechetin. In diesem Jahr begann man auch die viersitzigen Bänke, die in den Dreißigern angeschafft worden waren, gegen Zweierbänke auszutauschen.
Fortsetzung folgt |