Oberstdorfer „Hexen” auf dem Scheiterhaufen – Ein finsteres Kapitel aus der Geschichte unserer Heimat (Teil 2)

von Karl Hofmann am 01.06.2009

Erstmals erschienen in: »Oberstdorfer Gemeinde- und Fremdenblatt«, 1931

Die Prozeßführung in den Oberstdorfer Hexenprozessen

Die nachstehend veröffentlichten Aktenteile der Oberstdorfer Hexenprozesse geben Veranlassung zu der Frage, an welchem Orte die Prozeßführung stattgefunden hat. Zunächst wäre anzunehmen, daß sie in Oberstdorf selbst erfolgt ist, denn Oberstdorf besaß ja seit 6. Februar 1495 ein eigenes Hochgericht und hatte damit die Befugnis zur Blutgerichtsbarkeit, gleich drei anderen Gemeinden innerhalb der Pflege Rettenberg. Nach der Gerichtsordnung des Fürstbischofs Christoph vom 1. Dezember 1518 stand Oberstdorf monatlich ein Gerichtstag zu.

Es hieß darin:

„Zum ersten soll alweg und in jedem gericht auf montag, am ersten zu Oberßdorf, am andern zu Sonthoven, am dritten zu Wertach und am vierten zu Röttemberg, und sunst nit dann sovers die notdurft eraischt, gerichtztag gehalten werden, doch wo es gesten oder andern nach gelegenhait der sachen, so not thun, möcht man inen mit gunst der herrschaft hiezwischen recht ergeen lassen.”

Unter Artikel 17 steht weiter:

„Item es sollen auch nach lands gelegenhait in allen vier gerichten die recht von Petri und Pauli bis auf Michaelis ufgehapt und beschlossen sein und niemand on der herrschaft sonder erlauben und schaffen rechtag gehalten werden.”

Nun finden wir aber in unseren Hexenakten wiederholt den Ort Sonthofen und auch einmal Fluhenstein erwähnt. Wir müssen also annehmen, daß bei den Hexenprozessen in der Wahl der Örtlichkeit aus irgend einem Grunde von der üblichen Gepflogenheit abgewichen wurde.

Eine weitere Ausnahme stellt die Herbeiholung fremder Scharfrichter dar, die auch in anderen Tigen (= Gerichtssprengeln) bei den Hexenprozessen sehr in Schwung war. Die Pflege Rettenberg hatte zusammen mit den Gerichten Rettenberg, Füssen und Oberdorf seit dem Jahre 1531 einen eigenen Scharfrichter (Nachrichter), sodaß sie nicht mehr gezwungen gewesen wäre, um den sogenannten „Züchtiger” nach auswärts zu schicken. Bei den Hexenprozessen waren die Verhältnisse nun so, daß der Nachrichter eine besondere Erfahrung in der Anwendung der Folter- und Marterwerkzeuge haben mußte, um die Delinquenten bestimmt zu einem Geständnis zu bringen. Auch mußte er aus den vorhandenen oder erst festzustellenden Hexenmalen, wie auch aus dem ganzen Aussehen und Benehmen der Gefangenen beurteilen können, ob diese eine Hexe sei oder nicht. Aus diesem Grunde werden die Rettenberger den Nachrichter auch aus Tettnang und Biberach geholt haben, neben dem Meister Hannß aus Oberdorf, der sich nach ihrer Ansicht, wie wir im Verlauf der Prozesse sehen werden, mit der „Zährung beim Wirt erber grob verhalten hatte”.

Als Besonderheit dürfen wir es auch ansehen, daß in den damaligen Hexenprozessen der Pfleger und der Amtsschreiber von Rettenberg, welche als Blutrichter fungierten, sämtliche Prozeßakten der Herren des Hochstiftischen Hofgerichtes – den Statthaltern und Räten zu Dillingen – überschicken mußten. Diese ordneten ihrerseits die Weiterführung des Prozesses, vor allem auch die Folter an, arbeiteten Fragen aus, die an die Gefangenen zu stellen waren und gaben in vielen Fällen auch den Befehl zur Hinrichtung. Immerhin hing aber das Schicksal der hexenverdächtigen Personen im wesentlichen doch vom Pfleger oder Landschreiber ab, denn dem Hofgericht waren deren Angaben und Mitteilungen maßgebend.

Hab und Güter der hingerichteten Personen wurden im allgemeinen vollständig eingezogen. Waren jedoch noch Kinder oder Ehegatten vorhanden, so blieb teilweise eine besondere Regelung vorbehalten, worüber uns einige Ausführungen in den Akten Aufschluß geben. Wir lesen einmal: „Betreffend das Verzeichnis des Vermögens der hingerichteten Personen können wir noch nicht unterscheiden, was allein der Hingerichteten gehört und was von ihrem unschuldigen Ehgemacht zugebracht wurde. Davon ist zu ziehen das von jeder Hexe zugebrachte Heiratgut, auch was an Schulden in der Zeit ihrer Hexerei gemacht wurde, damit daraus zu benennen, was kraft gemeinen Rechts konfiskationsweise unserem gnedigen Fürsten und Herrn verbleibt.”

Hexen _ Heft 54

Folterwerkzeuge des Scharfrichters

Ein ander mal heißt es: „Soviel aber der anderen hingerichteten Hexen Verlassenschaft betrifft, so soll von denjenigen Hexen Hab und Gut, die keine Kinder verlassen, der ganze, von denjenigen Hab und Gut, die Kinder hinterlassen, allein aus Gnade nur der halbe Teil eingezogen werden. Den zwei alten Georges Schraudolph und Hannßen Vogler soll die Obnutzung ihr lebenlang gelassen werden, doch ist darauf zu achten, daß am Hauptgut nichts geschmälert wird.”

Daraufhin fragen die Rettenberger zurück: „Wir begehren Anordnung, ob allein der halbe Teil von der Weiber zugebrachtem Gut oder der halbe Teil vom ganzen Vermögen, so noch vorhanden, einzuziehen sei oder nicht.” Die Antwort aus Dillingen lautete: „Nicht allein das von dem Weib, sondern auch von dem Mann zugebrachte Gut, also das ganze Gut, ist in zwei gleiche Teile zu teilen; davon ist der eine Teil unserem Fürsten und Herrn abzuführen, der andere ihrem Mann zu belassen. Wenn aber von den Hexen Kinder vorhanden sind, ist unser Fürst und Herr mit dem halben des ihm zugedachten Teiles (also dem vierten der ganzen Masse) zufrieden. (Dies aber nur für diesen Fall).”

Wenn wir die Prozeßführung in den Oberstdorfer Hexenprozessen vergleichen mit der vorstehend geschilderten allgemein üblichen Handhabung, so finden wir einige Fälle, die zu dem Gedanken Anlaß geben, daß hier manchmal etwas gerechter verfahren wurde. So erfahren wir, daß z. B. einige angegebene Personen nicht eingezogen wurden, weil keine genügenden Belastungen vorlagen. Auch sind einige bereits Gefangene aus gleichem Grunde wieder freigegeben worden. Über einen solchen Fall, der aktenmäßig ausführlich behandelt ist, ist in den nachstehenden Veröffentlichungen ja berichtet. Auch können wir hier die sonst sehr seltene Handhabung verzeichnen, daß der beschuldigten Person die Angeberin bei der Verhandlung vor Augen geführt und dabei letztere zur Wiederholung der gemachten Aussagen gezwungen wurde. Dieses Vorgehen stellt also gegenüber den sonstigen Gepflogenheiten eine Gerechtigkeit dar, die vielleicht darin zu begründen ist, daß der Bischof als der Inhaber der obersten Gerichtsbarkeit im Hochstift Augsburg, mehr als es andernorts geschah, die „Karolina” zur Grundlage bei der Rechtssprechung in Hexenprozessen bestimmte.

Wo waren die Hexenzusammenkünfte?

Alle Hexen in den Oberstdorfer Prozeßakten nennen als Hexentanzplatz den „Heuberg”. Außerdem wird an Stöckhlin einmal die Frage gestellt, ob er auf den Heuberg oder auf den Hexenplatz „unter dem Jauchen” ausgefahren sei, was Stöckhlin aber verneint. Beim Heuberg werden wir es wohl mit dem gleichnamigen Berg im Walsertal zu tun haben. Im Walsertal ist allerdings eine auf diese Angaben bezügliche mündliche oder schriftliche Überlieferung oder Sage nicht bekannt. Aber auch in Oberstdorf haben sich im Volke keine Erzählungen und kein Ortsname erhalten, die auf einen Platz, der zu den Hexenzusammenkünften gedient hätte, schließen lassen. Auch der 1640 gemalte Totentanz in der früheren Vierzehn-Nothelfer-Kapelle (Hexenkapelle) enthielt in dem Vers „Der Tode und die Hexe” den Namen Heuberg. Dieser Vers lautete:

„Der Tode:

Hupf auf Du Hessiges Schemeldier
In dem Feuer mueßt Du Schwitze schier
Dein Gabel Reiten Hat Ein Endt
Auf dem Heyberg Dich Hoch Hast Geschenndt.
[= geschändet, d. h. mit dem Teufel Unzucht getrieben]

Die Hexe:

Gott Und Seine Heiligen Zwar
Hab Ich verleugnet Ist Offenbar
Mein Geliept [= Gelübde] Hab Ich dem Teifel Thon
O Weh, O Weh, Was Wirt Meur für Ein Lohn.

Die Oberstdorfer Hexenakten nehmen ihren Anfang mit einem Bekenntnis des Roßhirten Chonradt Stöckhlin.

Wer diesen Hexenmann angegeben hat, bleibt uns verschwiegen. Auf der Herren Statthalter und Räte (von Dillingen) Befehl ist er am 29. Juli 1586 befragt worden. Aus seinen Aussagen entnehmen wir:

1. daß er aus Oberstdorf gebürtig ist, sein Vater Hans Stöckhlin, im 11. Jahr seines Gesichtes beraubt, sei im Spital zu Sonthofen noch am Leben und seine Mutter, Ursula Sch., sei ungefähr vor 15 Jahren mit Tod abgegangen.

2. Er selbst steht im 37. Lebensjahre, ist seit 15 Jahren verheiratet und hat in dieser Zeit 7 Kinder erzeugt, eins darunter ist er nicht erfreut worden, vier andere sind natürlichen Todes jung gestorben, zwei sind noch am Leben. Sein Weib, Anna B., sei auch von Oberstdorf gebürtig.

3. Hause er in einem Auszug hinter Oberstdorf, da er eine Kuh wintern könne, weiters sei sein Vermögen nichts; sonst sei er bei 19 Jahren der Gemeinde zu Oberstdorf Roßhirt, wie es sein Vater bei 28 Jahren gewesen.

4. Ungefähr vor 8 Jahren, acht Tage vor Fastnacht, habe er mit Jakob Walchen, dem Ochsenhirt zu Oberstdorf, gezecht. Dieser habe ihm hart zugeredet, er solle ihm versprechen, daß derjenige, der vor dem andern mit Tod abgeht, wenn es Gott nicht zuwider, zu dem anderen kommen und anzeigen soll, wie es in jener Welt beschaffen sei. Der Walch und er haben dies einander zugesagt. Acht Tage nach diesem Mittwoch sei Walch mit dem Tode abgegangen. Wieder acht Tage später, als er in seiner Holzwies beim Tannenschnaiten war, habe er sich umgesehen und an einer Heuschinde, ungefähr einen Büchsenschuß entfernt, etwas stehen sehen. Er vermeinte, es sei der gedachte Walch. Nun habe er sich „auffgehäbt” und sei unerschrocken und ohne alles Grauen ungefähr bei zwei Klafter Nähe zu ihm gegangen und habe ihn angerufen: „Jakob, bist du es?” Dieser sagte: „Ja” und gleich darauf, „Chonradt, mir seins gemain hierth vnd liege zu zeith inn der Vollerei; stehe davon ab, halt dich wol gegen Gott vnd die welt vnd die oberkhait, denn wellichs in Vollerei, Ehbruch, Gottslästern, geiz, hochfahrt, wucher, Neid vnd haß ligt vnd die khindt nicht zur forcht Gotes vnd zue gehorsambe zeucht, khombe nicht inn das Reich Gotes. Siehe zu vnd beichte vnd bueß deine Sind hie vff erden, daß du nit an die orth kombest, da ich bin, denn ich mueß jetzt 3 jor hir vff erden vmbgehen vnd hernach 4 jor im fegfewer Pein und martr leiden.” Walch sei ihm nach seinem Absterben fünf Mal erschienen und habe ihn allweg ermahnt, recht und redlich zu handeln und Gott vor Augen zu halten. Bei der ersten Erscheinung habe ihm Walch angezeigt, er solle täglich neun Rosenkränz beten, was er seither vollbracht habe.

Über ein Jahr hinum sei ihm bei Rechbergs-See [wohl Freibergsee?] oberhalb Oberstdorf im Holzmähden um unser Frauen Geburtstag bei Nacht ein Gesicht erschienen, weiß gekleidet und vorn auf der Stirn ein rotes Kreuz; das habe zu ihm gesagt: „Wenn due willst wissen, daß dich der Jacob Walch nit verfüerr vnd wo er seye, so chomb mit mir.” Darauf sei es ihm gleich ohnmächtig geworden und also verzückt mit ihm an End und Ort gekommen, wo er Pein und Freud gesehen. Seines Vermeinens war dies das Fegfeuer und das Paradies. Dort habe er viel Leute gesehen, aber niemand gekannt. Als er wiederum von dannen gehen sollte, habe ihm das Gesicht angezeigt, er solle seinem Weib und Kindern auferlegen, quatemberlich 30 000 Ave Maria, das sei unser Frauen Mantel, zu beten. Und wo er, sein Weib und seine Kinder die heilige Meß erreichen können, sollen sie fleißig nachgehen und die hl. Sakramente in Ehren halten. Also sei er wiederum, wisse nit wie, an den gemeldeten Ort gekommen. Ein ander mal habe er Jakob Walch gefragt, was das für ein Gesicht gewesen sei, das ihn dahin gebracht habe, und er antwortete ihm, Gott der Allmächtige habe ihm einen Engel erschaffen, damit er inne werde, daß er nicht verführt sei.

5. Zaigt er frank an, es seien der Fahrten dreierlei und die, darin er fahre, heiße die Nachtschar. Die andere, die rechte Fahrt, sei die, womit die Abgestorbenen an ihre Örtlichkeit geführt werden, die dritte Fahrt sei die Hexenfahrt. Die Hexen fahren in der Luft, um deren Fahrt er nichts wisse, er sei auch nie dabei gewesen.

6. Seine Fahrt, die Nachtschar, müsse er verbringen quatemberlich, als Freitag und Samstag nach dem Quatembermittwoch und mehrernteils bei Nacht. Wenn er fahren müsse, komme ihn eine kleine Zeit zuvor eine Faulheit, gleich einer Ohnmacht an. Seines Vermeinens fahre alsdann seine Seele aus dem Leibe und bleibe ungefähr bei zwei oder dritthalb Stund aus, zu Zeiten mit und zu Zeiten ohne Schmerzen; aber der Leib bleibe an dem Ort, wo ihn die Fahrt ergreife. Er bekennt auch, wenn die Seele auf der Fahrt sei und sein Leib inzwischen umgewendet werde, so könne die Seele nur mit großen Schmerzen und nur hart in den Leib wieder hineinkommen.

7. Er kenne keinen, der mit ihm fahre, als eines Walsers Michael M. Sohn, er wisse seinen Namen nicht und habe ihn auch erst bei einem Jahr in der Fahrt erkannt.

8. Wenn er in der Fahrt die Pein oder Freuden sehe, sei er doch derselbe, im wenigsten empfindlich, noch teilhaftig.

9. Daß die Anna E. eine Hex sei und der Wirtin zu Oberstdorf die Krankheit zugefügt habe, wisse er daher, als die Wirtin krank geworden, habe sie ihn als ihren Freund um Rat und Hilfe gebeten. Darüber habe er in der Fahrt seinen Fürsten, seines Vermutens einen Engel, gefragt. Dieser habe ihm geantwortet, die Anna E. habe ihrs angetan. Die Wirtin solle deswegen zu ihr, Anna, gehen und sie dreimal um des jüngsten Gerichtes willen bitten, daß sie ihr helfen wolle; so müsse sie ihr helfen, was auch geschehen möge.

10. Er wisse sonst niemand, dem die Anna E. Schaden zugefügt habe.

11. Item seiner Mutter Stiefschwester, Barbara Luzin, sei auch eine Hexe und habe Chonrad Bachen eine Kuh verderbt, ungefähr vor 5 oder 6 Jahren. Das habe er auch in der Fahrt, wie das vorige, erfahren.

12. Erkönne Personen, Roß und Vieh, die von bösen Leuten gesehrt worden, helfen und habe es öfter getan. Durch die Gnade Gottes, daß er ihnen zu beten und zu fasten auferlegt, habe er dem Hanß Großen, Zimmermann und seiner Hausfrau, auch ihrem Tochtermann, Hans Elsen Sohn, Chonrad Weißkopf und Hans Math in der Au an ihrem Vieh geholfen. Wer aber den obgemeldeten Person solche Schäden zugefügt habe, sei ihm unbewußt, denn er habe keine Nachfrage gehalten, aber es sei ihnen durch Zauberei widerfahren.

Die hohen Gerichtsherren in Dillingen sahen in dem überschickten Bekenntnis Stöckhlins eine Reihe neuer Verdachtsgründe, die sie veranlaßten, einen 146 Punkte umfassenden Fragebogen aufzustellen, nach dem Chonradt Stökkhlin nun verhört werden sollte. Und das geschah auch. „Datums den 15. November 1586 ist Chonradt Stöckhlin, Roßhiert zue Oberßdorff, vff der Herrn Statthalter Vnd Räth Vberschickhter Innterogatoria Vnnderschidlich von Punctos zu Punctos zue F l u h e n s t a i n Inn güete, doch ernstlich befragt worden.” Was Stöckhlin dabei bekannt hat, gibt uns nicht auf alle 146 Punkte eine Antwort, im allgemeinen bleibt er auf seinen vorherigen Aussagen bestehen und verneint alles, was er Hexenwerks und der Teufelsbuhlschaft wegen wissen und getan haben soll.

Aus den Urgichten (= Aussagen) der Luzin und der Anna E. erfinde sich, daß seine Mutter, Ursula S., diese beiden Weiber zu dem Hexenwerk angeführt und in des Teufels Gesellschaft gebracht habe und nun wolle man wissen, ob ihn seine Mutter nicht vor allen anderen Menschen in der Schwarzen Kunst unterwiesen und ihm Zauberstück und Künste gelernt habe. Stöckhlin verneint dies. „Er habe nie nichts Unrechtes von Ir gehert noch gesechen.” Er weiß auch nichts davon, daß ihn seine Mutter im Mutterleib dem Teufel aufgeopfert oder ihm eine Buhlteufelin zugeführt habe. Er habe auch gar nichts mit dem Teufel zu schaffen gehabt und habe sich ihm nie ergeben, wie er auch nicht sein eigenes „vngethaufft Kindlein außgesotten, daß flaisch gefressen, von der faiste ain salben gemacht, die Bainlein zue Pulver gebrennt vnd aufbehalten habe”, ebensowenig wie er überhaupt keine solche Salbe oder ein solches Pulver habe. Wegen seiner Aussagen über die Erscheinung des Engels mit dem roten Kreuzlein auf der Stirne schreiben die Statthalter und Räte, er soll den rechten Grund bekennen und nicht mit dergleichen Lugenwerk zur Verdeckung der Hexerei umgehen. „Vff hart zusprechen will er aber nit anderst, dann was er zuvor außgesagt bekhennen.” Dann wolle man von ihm wissen, weil er vom Teufel die Gnad erlangt, daß er viermal im Jahr mit der Seele aus dem Leib fahren könne, was wenigen Hexen oder Hexenmännern widerfahren, was er dem Großteufel für Huldigung, Gelübde und Eide leisten mußte; er soll das rund heraus sagen, denn man wisse, daß kein Mensch mit der Seele aus dem Leib verzückt werde, er kann denn solches mit Hilfe, Beistand und Zutun des Teufels. Darüber will er auch nichts wissen, er könne auch nicht anzeigen, warum seine Seele vom Leib verzückt werde. Item will man auch von ihm erfahren, ob seine Seele zu dem Munde oder anderswo hinausfahre, sage er zu dem Munde, so leugnet er, denn dieser Ort gehört Gott dem Herrn zu, darum ist des Judas Seele da herauszufahren nicht würdig gewesen. Stöckhlin gibt an, er könne das nicht wissen, und der böse Feind habe nichts mit ihm zu schaffen. Auch die zahlreichen anderen Kreuz- und Querfragen bringen aus ihm kein neues Bekenntnis.

Am 23. Dezember 1586 sehen wir ihn wieder vor dem Richter, wo er abermals in Güte, doch ernstlich befragt wurde. Nun scheint Stöckhlin etwas mürb geworden zu sein, denn in seinen Aussagen macht er jetzt manches Zugeständnis. So bekennt er, seine Mutter habe im im 16. Jahr seines Alters in ihrem Hause eine Salbe gegeben und ihm dabei gesagt, er solle mit selbiger Vieh und Leute beschädigen.

Mit dieser Salbe habe er folgenden Schaden getan: Hannß Bacher, dem alten, habe er wie er hievor bekannt, ein Schaf im Beisein Hannß Ramingers gesehrt, und dem jungen Hannß, ebenfalls im Beisein Ramingers, einen Stier. Über seine Mutter sagt er, sie habe mit Jakob Walch vor ungefähr 18 Jahren bei Nacht zwei Kinder ausgegraben. Er sei auch dabei gewesen, habe aber nur zugesehen. Ein Kind davon sei sein Brüderle, ungefähr ein Jahr alt gewesen. Wessen das andere war, wisse er nicht und was seine Mutter und Walch mit den Kindern ausgericht und getan haben, sei ihm auch unwissend. Die Frage, ob er nicht sein eigenes Kind, dessen seine Frau nicht erfreut worden, dem Teufel gegen das Versprechen, dieser wolle ihm viel Geld und Gut geben, aufgeopfert und geschenkt habe, verneint er durchaus; desgleichen, daß er Jakob Walch mit einer Salbe oder durch Zauberei ums Leben gebracht haben solle. Dieser habe vor sieben Jahren „Vff der Reith inn sein hus am Dinstag sich voller Weins thrunkhen vnd am Mittwoch darnach gestorben.”

Nun gesteht Stöckhlin auch, daß er auf den H e u b e r g ausgefahren ist und eine Buhlteuflin habe. Auch nennt er eine Reihe von Personen, die ebenfalls ausgefahren seien. Bregenzers Grete und Barbara B., des Gerichtsknechts Tochter, habe er fünf Mal auf dem Heuberg gesehen, wisse aber nicht, was sie für eine Gesellschaft habe. Ebenso von den nachfolgenden habe er einige viermal auf dem Heuberg getroffen, besonders den Hans Raminger, welcher Bregenzers Grete Bruder, Appolonia Erbin, des Ulrich Huber Wittib und ihre Schwester Barbara V., des Glasers Weib, Katharina Stöderin, Hans Straubers Weib. Ferner Barbara Sch., Barbara K. so schon hingerichtet, Elsbetha K., ir Barbara Schwester in der „Gerst Ruby” und Verena Meyr, Michaels Weib, auch Michael M., des Walsers Sohn, „den hob er erst ferndigs Jars erckhennt“. Über sich selbst sagt er, er sei seit Johanni im Sommer nie auf dem Heuberg gewesen und vordem allzeit auf einem Bock gefahren. Sein Buhl sei nie zu ihm ins Gefängnis gekommen und seit St. Mang-Tag habe er nie etwas mit ihr zu schaffen gehabt, das letzte Mal sei sie nachts am „Charats bühel” zu ihm gekommen. Ungefähr vor 27 Jahren habe ihn seine Mutter das erste Mal auf den Heuberg und ihm den bösen Feind vorgeführt und zu ihm gesagt: Er müsse sich Gott und seinen Heiligen verleugnen; darauf habe er dem Großteufel die Hand geboten und solches versprochen. Nachdem ihm seine Mutter die Buhlteuflin zugeführt, habe er getrunken, gegessen und einen guten Mut gehabt. Ihm sei der Name Hederle und seiner Buhlteuflin der Name Zederle gegeben worden.

Dieses Bekenntnis Stöckhlins wollte den Richtern nicht genügen. Sie wollten noch mehr wissen. Mit welchen Mitteln aus ihm bisher die Aussagen herausgeholt wurden, bleibt uns verschwiegen. Jedenfalls war der Begriff „in Güte” sehr dehnbar. Die Lust der Richter und des Henkers am Quälen der Mitmenschen schien jedoch noch nicht befriedigt zu sein, denn am Schluß dieses Aktes steht zu lesen:

„Alß wir in nun dießer Puncten ernstlich erinnert, vnd er wie allwegen, daß er weiters gethon habe, nit bekhennen wöllen, jst er vermöge hobenden beuelchs [= Befehls] dem Maister übergeben vnd an der harten Torttur Nochmittag 2 Vhren anzogen vnd bis 4 Vhren Mit Feur, bech vnd brantenwein, zu wellichen man mit Pulluer [= Pulver] zugeworffen auch mit zwayen Sied haißen Aysen, welliches im vnder die Armen gehöbt, hartt gemarttert w o r d e n , daß ime von der Schamb bis zu dem haupt die hautt abgebrenndt worden, aber Er im wenigsten, daß er weiters dann hieuor er anzaigt nit bekhennen noch aussagen wöllen. Allß dieweilen er so schwach worden vnd die Maister vermaint, er möchte gar sterben. Wie er sich dann bewilligt, daß er willig vnd gedultig sterben wölle vnd nicht Mer reden khönden, wir in der Marter ledig lassen Müessen. Aber er hat nach dem vnd hieuor anzaigt, daß Iehnig, was er außgesagt, seye alles wohr, darauff welle er sterben.”

Am 21. Januar 1587 wird Stöckhlin wiederum befragt und zwar der von ihm angegebenen Hexenpersonen wegen. Er sagt u. a. aus:

Auf Jacob Gaißers Weib wiß er Hexenwerks wegen nichts, desgleichen auf Walburga Rüberin. Auch auf Ulmans Barbara wiß er nichts, aber diese bei dem gemeinen Mann etwas „beschrait”.

Barbara Erbin, Chonradt Stöckhlin seine Roßhirtin, negsten Vetters Weib, sei, als er hierüber anzeigt, auch eine Hexe. Er habe sie vor 5 Jahren das erste mal vnd sonst ungefähr bei fünfmalen gewiß auf dem Heuberg beobachtet und daß er sie nicht allemal habe sehen können, geschehe zu Zeiten aus Verblendung des bösen Geistes. Sie habe dort gegessen und dreimal mit einem bösen Geist, der schwarz gekleidet gewesen und eine grünen Hut aufgehabt hat, getanzt.

Gleiches sagt er über Appolonia Erbin, Ulrich Hubers meinleins Witib, der Barbara Erbin Schwester. Diese habe im heurigen Frühling im Monat April dem Clemens seinen zwei Töchtern eine Kuh und der Monika Haberstöckin acht Gaiß versehren helfen.

Er nennt noch Katharina Stederin, Hanß Strauben Pochen Henßles Würts Weib und Katharina V., Hans Rößlins, genannt Glasers Weib. Letztere habe er vor 9 oder 10 Jahren zu österlicher Zeit unter dem Fahren angetroffen. Er sei auf einem Bock und sie auf einem weißen Hund geritten. Als sie zu ihm gekommen, habe er sie angeredet, ob sie auch eine Hexe sei. Sie habe zu ihm gesagt: „Schweig, schweig, gedenk dessen niemanden.”

Elsbetha K., so noch ledigen Standes, in der Gerstruben wohnend, sei ungefähr vor 8 Jahren unter Oberstdorf zu Rubi bei der Brücke, als er auf den Heuberg gefahren, auf einem schwarzen Bock reitend zu ihm gekommen, sie seien dann beide miteinander auf den Heuberg gefahren. Er habe sie bei 14 oder 15 mal daselbst gesehen. Ihr Buhl habe ein grünes Gesäß, schwarze Strümpfe und ein schwarzes Wams und einen grünen Hut getragen, er wisse aber nicht, wie er geheißen.

Johann Baptista im Sommer werde es drei Jahr, daß er einmal auf dem Heuberg Meir Michaels Weib angesprochen habe, ob sie auch mit Hexenwerk umgegangen sei; sie habe ihm gesagt „ ja, ich bin liederlich genug dahinter gekommen”.

Nach diesem letzten Bekenntnis, das Stöckhlin über seine Gespielinnen ausgepreßt worden war, stand ihm nun der endliche Rechtstag bevor. Zwei Tage später brach der Richter über ihn den Stab, ein Scheiterhaufen war aufgerichtet, dazu bestimmt, ihn nach monatelangem Gefängnis und Marter, mit einem qualvollen Tod aus diesem Leben in die Ewigkeit zu befördern. Mit ihm wurde
Bregenzers Grete in die Flammen geworfen, „weil sie außgesagt, daß sie sich vor 16 jar dem laidig theüfel mit Leib vnnd seel ergeben, auch seidhero das hochwierdig Sacrament nihe genossen, sonndern höhlich entvnehrt vnnd ir selber aig chind, Georg genannt, verchrimbt vnnd zu einem armen Menschen gemacht hob, wie er denn noch heutigs tags an zwayen Khrukhen geht.”

Die Prozeßakten berichten uns noch, daß Stöckhlin und Bregenzers Grete als Beweis für die Wahrheit, was sie ausgesagt, das hochwürdigste Sakrament empfangen und nicht verunehrt haben und über vielfältig Ermahnen standhaft und beharrlich gestorben seien.

Am 3. Februar 1587 schrieben die Pfleger und Amtsleut von Rettenberg den Herren Statthaltern von Dillingen die Rechnung für die hingerichteten Personen wegen enstandener Unkosten. Auf 257 fl erliefen sich die „Zehrung- Zedeln”. Was durch die Pfleger und Amtsleute in Verrichtung der Sache, durch das Gericht, das dreimal nach Sonthofen kommen mußte, durch den Nachrichter samt seinem Gesinde bei Georg Mößmang, Wirt daselbst, samt des Nachrichters begehrter Besoldung, durch die Anna E., weil sie wegen Abwesenheit des Pflegers sechs Wochen in Oberstdorf „fencklich enthalten” wurde sowie dadurch, was Hauptmann, Landammann und Landschreiber ausgegeben, an Unkosten entstanden sind, belief sich auf 750 fl. „Doch hat der Nachrichter maister Hanß sampt seinem Gesind sich in der Zährung eber grob verhalten und weilen er zu Sunthoven gewesth bis inn 253 fl. verzört.”

Der Schrieb enthält noch die Mitteilung, daß durch den Gerichtsammann und andere Gerichtsverordnete der hingerichteten malefizischen Personen Güter und Vermögen beschrieben und auch Zins und Schuld dabei verrechnet wurde. Es scheint zwar die Pflege nicht auf ihre Rechnung gekommen zu sein, denn sie schreibt: Belangend die übrigen Unkosten, so sie bei der hingerichteten Personen Hab und Güter nicht zu finden sind, würde es dem Tigen nicht zuwider sein, wenn ihm (wie das von alters Herkommen) der halbe Teil erstattet würde, wie auch von den anderen auferlaufenen Unkosten nicht viel verweigert, sondern diese postiert werden mögen. Die Antwort für die Rettenberger fiel günstig aus, denn der Bischof ließ ihnen schreiben: „Mit den vffgewendten vncosten, wie auch mit Maister Hannßen scharpfrichter von Oberdorff gemachter bestallung sind iro F. D. gnedig zuefriden.”

Barbara Luzin

Ihr Bekenntnis am 26. August 1586 gibt uns folgenden Aufschluß:

„1. Erstlich seye sie bey 80 jaren alt, von Oberßdorff vß dem marckht buerti.

2. habe im Leben 2 althe Manns, so beede alß sie genommen, witiber gewest.

3. Bei dem Ersten Man habe sie 4 Chinder gehabt, 3 Döchterlein vnd 1 Sohn, der alß er gewachßen vnnd Mannbar worden, in den Khrieg gezogen, die anndern dreye seyen khains über 14 tag alt worden, sonst alßgleich gestorben.

4. Seye die Zeit Irs Lebens Nihe mit hexenwerck umbgangen, noch sich an den bößen gaist ergeben.”

Die Amtsleute bemerken hierzu, daß die Luzin „vff alle fragstuckh thruzenlich vnnd lächerliche Antwort geben, aber doch inn ir Redt unbestendig geweßen vnnd chain Zecher von Ir gehen lassen khönnden!”

Wie andernorts, galt es demnach auch hier als ein Beweis für die Hexenverdächtigkeit, wenn eine Gefangene im Verhör nicht weinen konnte. Weitere als die obigen Bekenntnisse sowie den Prozeßverlauf gegen Barbara Luzin weisen die vorhandenen Akten nicht aus.

Wir wissen nur, was Stöckhlin auf sie, als seiner Mutter Stiefschwester ausgesagt hat. Daß sie aber als Opfer der Hexenprozesse gestorben ist, geht aus einem Akt vom 16. Juli 1587 hervor, in dem es heißt; „Betreffend der dreyen Hexen Anna E., Barbara Luzin vnd Elsa K. Verlassenschaft sind iro F. D. mit dem daraus erlösten gelt, der ainhundert vnd fünfundzwainzig gulden vierunddreißig Creüzer zwen Haller ersteltiget, sollen dieselben Ir Landamman, was baar für baar vnd was künfftig verfallen wurde vf Zihl und Zeit einziehen vnd inn ewer Rechnung bringen.”

Fortsetzung folgt

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