Gedenktafel für den Regenten zwischen Bad Oberdorf und Hinterstein, errichtet von der Gemeinde Hindelang.
Ein doppeltes Jubiläum war es, als im Jahre 1911 Prinzregent Luitpold von Bayern seinen 90. Geburtstag feierte und zugleich 60 Jahre vergangen waren, seit der Wittelsbacher Oberstdorfs Jagdherr war. Dies nahm der »Verkehrs- und Kurverein Oberstdorf« – so hatte sich der Verschönerungsverein umbenannt – zum Anlass, am 4. Mai 1911 folgenden Brief an den Markt Oberstdorf zu richten:
„Der Brauereibesitzer Herr Karl Richter von hier hat beim Verkehrs- und Kurverein Oberstdorf angeregt, ähnlich wie das anderwärts bereits geschehen ist, durch Errichtung eines Denkmals dahier oder auf irgend eine andere würdige Art auch den kommenden Geschlechtern die Erinnerung an unsern allgeliebten Regenten zu überliefern.
Zu diesem Zwecke sollte der Verkehrs- u. Kurverein zunächst mit anderen Vereinen u. der Marktgemeindeverwaltung hier zum Zwecke der Bildung eines Comitées Fühlung nehmen, damit in möglichster Bälde vielleicht noch verschiedene Vorschläge ausgedacht, beraten u. nach gefaßtem Beschlusse an die Ausführung herangetreten werden könne.
In der gestrigen Vorstandschaftssitzung war jedoch die Mehrzahl der Mitglieder der Meinung, daß eine so wichtige patriotische Aktion schon vom Anfang von der Gemeindebehörde in die Hand genommen werden sollte, zumal hierbei auch erhebliche finanzielle Aufwendungen in Betracht gezogen werden müssen. Unmaßgeblich erlaubt man sich schon jetzt auf folgendes aufmerksam zu machen, die Oybele Anlagen, die soeben in Stand gesetzt werden, könnten vielleicht mit einer Fontaine versehen werden, da die Zuströmung von der Trinkwasserleitung leicht abgezweigt werden könnte. Das Bassain /: vielleicht mit Goldfischen besetzt :/ könnte mit einer Steinfassung versehen u. auf dieser eine Marmortafel mit Widmung in Goldschrift befestigt werden. Da und dort in den Anlagen ein rundes, ovales oder in eckiger Grundform hergestelltes Blumenbeet würde dem Ganzen einen freundlichen Charakter verleihen, die mit weißem Kies versehenen Promenadewege werden von den Kurgästen voraussichtlich gerne benützt u. die ganzen Anlagen könnten dann, der Gedenkfeier entsprechend, entweder ,Prinzregenten Anlagen’, ,Prinzregenten Park’ oder dergl. getauft werden.
Die Ausführung solcher dem Gemeinwohl dienlicher Ideen würde nicht allzuviel kosten u. hätte nicht den Anschein von Aufdringlichkeit, über welche die öffentliche Meinung so gerne zu Gericht sitzt.
Hochachtungsvoll Der Vorst. Vorsitzende Dr. Reh”
Der Antrag des Vereins fand in den Reihen der Gemeindeverwaltung (Gemeinderat) allgemeine Zustimmung, wollte man doch auch nicht hinter anderen Gemeinden zurückstehen. Allerdings konnte sich der Rat mit der Brunnen-Lösung nicht anfreunden, ein Bildnis des Regenten sollte es sein. Dabei war man sich schon im Klaren, dass der finanzielle Aufwand dafür viel größer ist und aus den allgemeinen Mitteln der Gemeinde nicht bestritten werden könnte. Die Gemeindeoberen wollten aber auch kein Umlageverfahren, das die einzelnen Bürger zur Kasse gebeten hätte. Freiwillig sollten Spenden für das Kunstwerk fließen. Ein Spendenaufruf durch Bürgermeister Ludwig Fischer erbrachte die Summe von rund 1.200 Mark. Dieser Betrag reichte bei weitem nicht aus und es schien, als sei im Verlaufe des Jahres 1911 die erste Euphorie verflogen, zumal auch Bürgermeister Fischers Amtszeit am 31. Dezember endete.
„Neue Besen kehren gut”, so lautet ein altes Sprichwort und tatsächlich brachte das neue Gemeindeoberhaupt, Bürgermeister Fritz Gschwender, auch neuen Schwung in die Denkmalsache. In Erinnerung an die 1880er Jahre, als die »Münchner Erzgießerei Ferdinand von Miller« zu günstigen Konditionen den Löwen für das 1870/71er Kriegerdenkmal auf dem Marktplatz schuf, nahm der Bürgermeister mit der Firma Verbindung auf. Herr von Miller meinte jedoch in seinem Antwortschreiben, dass die Kosten für ein Standbild für den Markt Oberstdorf wohl zu hoch seien. Nach dieser Absage wandte man sich an die »Kupfertreibkunstanstalt Mindelheim«; deren Inhaber, Kupferbildhauer Xaver Abt, hatte ja schon die Relief-Gedenktafel der Gemeinde Hindelang gefertigt.
Jetzt galt es aber erst die Finanzen zu sichern. Das im Vorjahr gegründete Comité hatte anscheinend die Arbeit eingestellt, nun sollte ein neuer Anlauf genommen werden.
Der Bürgermeister rief einige Herren zusammen und es kam zu einer...: „Einladung"
Nachstehend aufgeführte Herren haben sich zur neuerlichen Bildung eines Comités herbeigelassen welches sich zur Aufgabe stellt:
Die Errichtung eines Prinzregenten Denkmals dahier in die Wege zu leiten und wird hiermit zu einer Besprechung
Termin auf Montag, den 11. März, Nachmittags 3 1/2 Uhr
im Rathaus/:altes Schulhaus:/ anberaumt, wozu sämtliche Herrn ganz ergebenst eingeladen werden.
Oberstdorf, 9. März 1912 Marktgemeindeverwaltung
Fritz Gschwender, Bürgermeister
Namen der Comité-Mitglieder:
1) Herr Alois Heinle, Hochwürden, k. geistl. Rat,
2) " Wolfgang Hohenadl, k. Förster,
3) " Melchior Jauss, Rentner,
4) " Ulrich Reh, Dr. kgl. Hofrat & prakt. Arzt,
5) " Gustav Stempfle, kgl. Hoflieferant,
6) " Die Gemeinde-Verwaltungs-Mitglieder.”
Dieser Ausschuss und die Verwaltung legten ein unglaubliches Tempo vor, denn schon am 23. März wurde, obwohl die Finanzierung nicht gesichert war, mit Herrn Abt ein Vertrag über die Herstellung eines Prinzregenten-Denkmals abgeschlossen, dessen Kern lautete:
1.)
Die Ausführung des Prinzregentendenkmals hat nach der vorgelegten Skizze zu erfolgen und wird ein Modell in halber Grösse des Denkmals bis 15. Juni 1912 von Herrn Abt in Oberstdorf aufgestellt.
2.)
Herr Abt übernimmt die Aussführung des Prinzregentendenkmals in Kupfer getrieben in der Grösse von 2 Meter 40 cm um den festen Preis von 5000 – Fünftausend Mark – incl. Aufstellung excl. Sockel.”
Ein Ölbild des bekannten Tiroler Malers Franz von Defregger, das den Prinzregenten in kurzer Hose und Landestracht darstellt, war das Vorbild. Als äußerster Termin für die Aufstellung der Statue wird der 30. Oktober 1912 festgelegt. Die Bezahlung erfolgt nach Aufstellung und Abnahme.
Aber nun meldet sich das kgl. Bezirksamt in Sonthofen zu Wort und weist die Gemeinde, unter Anführung von Bestimmungen, an, sofort „unter Vorlage des Entwurfes [und] der Inschrift die Allerhöchste Willensmeinung einzuholen”. Es würde zu weit führen, hier nun den Behördenweg und die Details der Grundstücksgeschichte aufzuzeigen. Letztlich überließ die Försterfamilie Schwarzkopf das Areal für das Denkmal der Gemeinde kostenlos. Für die Geldbeschaffung ließ man sich etwas einfallen:
„Aufruf
Das Jubiläumsjahr 1911 Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Luitpold von Bayern, unser allergnädigster Landesregent, gibt der Marktgemeinde Oberstdorf Anlass zu einer ganz besonderen Ehrung.
Voriges Jahr wurden 60 Jahre voll, daß unsere Gemeinde sich des Besuches Seiner Königlichen Hoheit und fortgesetzter Wohltaten Allerhöchstselben erfreuen darf. Aus diesen Gründen hat der Gemeindeausschuss Oberstdorf beschlossen, gemeindlicherseits ein bleibendes Denkmal für Seine Königliche Hoheit im hiesigen Markte zu errichten.
Die Enthüllung des Denkmals erfolgt am 1. November heurigen Jahres, also am Namensfeste unseres Allergnädigsten Landesregenten. Dieses Denkmal wird einfach, jedoch der Würde eines Landesfürsten und der Bedeutung des Fremdenortes Oberstdorf entsprechen.
Es wird ein Standbild, das unsern geliebten Regenten in der Art darstellt, wie er sich bei Ausübung des Waidwerks frei und ungezwungen unterm Volke in unserer Bergwelt bewegt. Das Denkmal, welches von dem Kupferbildhauer H. Xaver Abt in Mindelheim ausgeführt und in Kupfer getrieben wird, erhält eine Grösse von 2 m 40 cm. Ein Modell halber Grösse des Denkmals ist im Lesesaal des Rathauses ausgestellt.
Obwohl die finanziellen Verhältnisse hiesiger Marktgemeinde als keine günstigen zu bezeichnen sind und der hiesige Gemeindeausschuß sich bewusst ist, dass ein solches Denkmal einen nicht unbedeutenden Kostenaufwand verursacht, will er dennoch unsern Landesfürsten mit dieser Ehrung erfreuen._
Damit Umlagen hiefür entbehrlich bezw. eine Erhöhung des bisherigen Prozentsatzes [200 Prozent] hintangehalten wird, ergeht hiemit an hiesige Einwohner, sowie an die den hiesigen Kurort besuchenden Fremden, die höfl. Einladung, freiwillige Beiträge für das Denkmal in die in den errichteten Sammelstellen angebrachten Kassen gefl. leisten zu wollen. Sammelstellen befinden sich in sämtlichen hiesigen Hotels und Gasthöfen, im Lesesaal und in der Rathauskanzlei.
Um gefl. Leistung freiwilliger Beiträge für fraglichen Zweck in den betr. Sammelstellen ersucht daher...
das Comité und die Marktgemeindeverwaltung Oberstdorf.”
Dieser Aufruf zeitigte einen Riesenerfolg. Nach nicht allzulanger Frist verfügte das Comité über die Summe von rund 5.200 Mark. Die Finanzierung war gesichert!
Obwohl sich der Beginn der Arbeiten immer wieder verzögerte, rüstete sich Oberstdorf zu einem gewaltigen Fest. Schon bald war klar, dass der gesetzte Termin, der 30. Oktober 1912, für die Einweihung des Denkmals nicht gehalten werden konnte. Man musste das Fest auf den 10. und schlussendlich auf den 17. November verschieben. Der Ort putzte sich heraus mit Beflaggung und Bekränzung, Einladungen mit Beschreibung des Festverlaufes ergingen an die Honoratioren und Spender. Der Markt orderte für die Feierlichkeiten eine Abteilung von 20 Mann der Regimentskapelle des 20. Infanterieregiments aus Lindau. Ein Großer Zapfenstreich und anschließend ein Konzert im Hotel Mohren begeisterte Einwohner und Ehrengäste am Vorabend.Aber der Bürgermeister und seine Mitstreiter saßen auf Kohlen – das Denkmal war noch nicht da! Doch lassen wir den Hauptinitiator, Bürgermeister Gschwender, selbst sprechen:
„Sonntag den 17. Früh 6 Uhr verkündeten Böllerschüsse [und] die von obiger Musik gespielten Tagreveille und Feststimmung erwachte allgemein. Das Denkmal sollte Früh 5 Uhr eingetroffen sein, dasselbe war aber um 9 Uhr Vormittags noch nicht da. Ein Telegramm brachte nun die Nachricht, daß das Denkmal zwischen 9 und 10 Uhr Vormittags eintreffe.
Bange Stunden der Erwartung.
Der Gottesdienst wurde um eine halbe Stunde verschoben und endlich um 10 Uhr pustete ein Auto mit dem so sehnlichst erwarteten Denkmal über den Marktplatz zum Festplatze. Geschäftige Hände griffen nun an und in 1 1/2 Stunden war der Regent aufgestellt und umhüllt.”
Vor vielen Jahren schilderte mir einmal der Wirt vom »Breitenberg«, Liese Schedler, der bei dem Festgottesdienst Ministrant gewesen war, die Situation in der Kirche. Die schon später begonnene Messe war eigentlich längst vorbei und immer und immer wieder hat der Geistl Rat Heinle ein Gebet nachgeschoben oder ein Lied angestimmt. Er hat auch immer wieder den Liese als Späher ausgesandt, ob das Auto schon da sei und später wie weit die Arbeiten bei der Denkmalaufstellung vorangeschritten wären. Ja, es wurde eine lange Messe!
Endlich war es soweit, die Kirchenbesucher formierten sich zum Festzug, hin zur Ludwigstraße. Lange, aber nicht ganz so lange wie der Gottesdienst, dauerten dann die Festansprachen, bis alle Honoratioren durch waren. Ein „Ahh” und „Ohh” ging durch die Reihen der Gäste, als die Satue enthüllt wurde. Bürgermeister Gschwender schrieb:
„Eine Begeisterung entflammte die Herzen aller die unbeschreiblich ist. Möge dieses Denkmal nun vielen Generationen zum Stolze und Zierde Oberstdorfs dienen. ... Erhaltet dieses Denkmal, das aus Liebe und Anhänglichkeit einem Fürsten geweiht ....”
Schlicht und einfach ist die Schrifttafel am Fuße des Steinsockels:
Luitpold
Regent von Bayern
Die dankbare Gemeinde Oberstdorf