Josef
Anton Vogler
1839 - 1895
Diese Überschrift am Beginn eines Artikels über die Arbeit des Verschönerungsvereins in Vergangenheit und Gegenwart könnte ebenso „110 Jahre Fremdenverkehr in Oberstdorf“ heißen; denn untrennbar ist die Geschichte des VV mit der Entwicklung des Fremdenverkehrs in Oberstdorf verbunden. Diese Verbindung wird besonders deutlich, wenn man die Festschrift liest, die Karl Hofmann zum 100 jährigen Jubiläum des Vereins am 4. Juli 1972 zusammengestellt hat.
Hier wird dem Leser klar, welche Weitsicht, welches Vertrauen in die Zukunft und auch welchen Mut zu etwas völlig Neuem die Gründer des VV im Jahre 1872 besaßen.
Zwei Namen sind hier, wie auch bei fast
allen besonderen Begebenheiten und
Neuerungen der damaligen Zeit, hervor-
zuheben: Josef Anton Vogler und
Hofrat Dr. Ulrich Reh. Vor allem Josef
Anton Vogler war es, der die Bedeutung
des Fremdenverkehrs für Oberstdorf erkannte und seine Entwicklung auch ge
gen den Widerstand der politischen Gemeinde und der Ortsgemeinde förderte.
Er ließ die ersten Reklameplakate von Franz Alois Schratt entwerfen, baute 1883 die erste Moorwasserbadeanstalt und hatte auch beim Bau des Freibergseebades 1893 die technische Leitung.
1882 konnte der VV durch seine Mithil fe unter Vorstand Bürgermeister Ludwig Vogler den Freibergsee sowie die Fi schereirechte in der Trettach, Stillach, Breitach und im Christlessee um 9500 Mark erwerben. Leider verstarb dieser erste „Kurdirektor“ Oberstdorfs 1895 im Alter von erst 56 Jahren.
Von Anbeginn an war der Verein bemüht, Spazierwege und Alleen anzulegen, um den Gästen die herrliche Umgebung Oberstdorfs zu erschließen. Der größte Teil des heute bestehenden Wegenetzes wurde im Laufe der Jahrzehnte vom VV erstellt.
Aus dem Jahr 1907 stammt der erste gedruckt vorliegende Bericht des Vereins, dem
man einige bemerkenswerte Zahlen entnehmen kann. So betrug bis zum Jahr 1891
der Verschönerungsbeitrag 1 Mark für eine Einzelperson und 2 Mark für eine Familie, jeweils für die ganze Aufenthaltsdauer. 1872 wurden 460 Gäste gezählt, von
denen 183 Mark und 2 Pfennig an Verschönerungsbeitrag kassiert werden konnten.
Stellt man die Zahlen des Jahres 1981 mit 197 000 Gästen und
3 900000 DM Kurtaxeeinnahmen dagegen, so steht einem die wirtschaftliche Bedeutung dieser Entwicklung klar vor Augen.
Zu damaliger Zeit trug der VV neben den Aufwendungen für Steuern, Versicherun gen und Löhnen auch eine Reihe von Kosten der Allgemeinheit, wie Straßenbeleuchtung, Verkehrspolizei, Straßenreinigung und Schneeräumung.
Dem Kassenbericht des Jahres 1912 können wir z.B. entnehmen, daß die Marktgemeinde dem VV die Hälfte der angefallenen Schneeräumkosten in Höhe von 14 Mark und 14 Pfennigen ersetzt hat. Unsere heutigen Gemeindeväter wären vieler Sorgen ledig, wenn sich die Schneeräumkosten auch in dieser Höhe bewegen würden.
In der Satzung von 1919 ist erstmals von der Anstellung eines Direktors die Rede, und im Dezember 1920 verpflichtete der Verein Hermann Schallhammer als Kurdirektor. Unter seiner Führung gab es trotz Inflation und Weltwirtschaftskrise einen Aufschwung des Fremdenverkehrs. 1928/29 wurden die Tennisplätze gebaut, an der Nebelhornbahn beteiligte sich der VV 1929 mit 10 000 RM und 1930 wurde das heutige Moorbad eröffnet.
Auch für den Verschönerungsverein war das Jahr 1933 ein Schicksalsjahr; denn bereits kurz nach der sog. Machtergreifung durch die Nationalsozialisten wurde dem VV die Grundlage seiner Tätigkeit genommen, indem ein gemeindliches Ver kehrsamt gebildet und die Angestellten des Vereins in Gemeindedienste übernommen wurden.
Kurdirektor Hermann Schallhammer wurde gezwungen, Oberstdorf zu verlassen. Der 2. Bürgermeister Kögler erklärte damals sogar: „Nach meiner Ansicht hat der Verkehrs- und Kurverein (so nannte sich der VV seit 1909), nachdem er keine Tätigkeit mehr hat, auch sein Recht auf eine Existenz verwirkt.“
Diese offizielle Meinung wurde jedoch nicht lange aufrechterhalten; denn der Verein mit seinen über 400 Mitgliedern war der Gemeinde bei Aufgaben, die über ihre Kräfte gingen, als Helfer hoch willkommen. Wie in früheren Zeiten wurde bald wieder in die Liste der Zimmervermieter nur aufgenommen, wer Mitglied im VKV war. Gemeinsam wurde 1935 das Fuggeranwesen gekauft. Der Plan, hier ein Kurhaus entstehen zu lassen, mußte nach der völligen Zerstörung durch einen Brand wäh rend der Umbauarbeiten fallengelassen werden.
Aus heutiger Sicht gesehen war einer der wichtigsten Vorgänge für die Zukunft des VV die Übernahme von Nebelhornbahnaktien im Jahre 1943 in Höhe von 57 000 RM von der deutschen Reichsbahn.
1947 konnte erstmals nach 1933 wieder eine Vorstandschaft nach demokratischen Regeln gewählt werden. Eine direkte Einflußnahme auf das Fremdenverkehrsgeschehen war allerdings durch die endgültige Trennung vom gemeindlichen Verkehrsamt und den damit verbundenen Kurtaxeeinnahmen nicht mehr möglich. Aber bereits 1949/50 konnte der VV mithelfen, durch eine Einlage von 75 000 Mark die Sesselbahn AG zu gründen - eine für die Zukunft Oberstdorfs als Wintersportplatz sehr wichtige Maßnahme.
Ganz entscheidend war dann der Verschönerungsverein in den Jahren 1957 - 1959
an der Gründung der Kur- und Verkehrsbetriebe AG beteiligt, eine Aufgabe, die
damals für viel Zündstoff in unserer Gemeinde sorgte und für den Verein eine tiefgreifende Strukturänderung bedeutete.
Der Verein brachte sein gesamtes Grundvermögen mit Fuggerpark, Freibergsee, Moorbad und den Grundstücken an der Ludwigstraße, auf denen heute Kur- und Kongreßzentrum und Kurhaus stehen,
sowie die Fischereirechte und den Aktienbesitz an der Sesselbahn AG in die neue
Kur AG ein. Über die Nebelhornbahn AG, die DM 100 000 Bareinlage leistete,
hatte der VV bis 1970, als die Nebelhornbahn ihre Kur AG Aktien an die Marktgemeinde verkaufte, die Mehrheit an der Kur- und Verkehrsbetriebe AG. Noch vor
der Übergabe seines Vermögens an die Kur AG hatte der VV die Badeanstalt am
Freibergsee erneuert und 1958 das Strandcafe erbaut.
Seit der Gründung der Kur AG besteht nun das Vermögen des VV im wesentlichen aus den Aktien der Nebelhornbahn und der Kur AG. Mit den Erträgen aus diesen Aktien wurden in den Jahren nach dem Krieg vor allem die Wanderwege gepflegt und erweitert, Ruhebänke aufgestellt, sowie Zuschüsse an eine Reihe von Vereinen und Institutionen (Gartenbauverein, Heimatmuseum, Bergwacht, Alpenverein, Trachtenverein, Skiclub, Eissportclub und Golfclub) für die verschiedensten Zwecke bezahlt. Aber auch bei der Kapitalerhöhung der Kur AG zum Zwecke des Kurhausbaues machte der VV 1970 von seinem Bezugsrecht in Höhe von 385 000 DM Gebrauch. Bereits 1964 hatte sich der damalige „Verkehrs- und Kurverein“ im Zuge einer Satzungsänderung zur Erlangung der Gemeinnützigkeit wieder in „Verschönerungsverein Oberstdorf umbenannt.
Daß der VV auch bereit ist, für die Entwicklung des Fremdenverkehrs auf Einfluß zu verzichten, bewies er, als er durch die Kapitalerhöhung der Nebelhornbahn 1976 seine über 50%ige Mehrheit an dieser Gesellschaft verlor. Die Notwendigkeit des Neubaues der Nebelhornbahn mit den daraus erwachsenden Vorteilen für Oberstdorf als Wintersportort und Bergwanderparadies wogen schwerer als dieser Verlust. Mit starken Partnern, die ebenso wie der VV an der Zukunft Oberstdorfs interessiert sind, findet hier seitdem eine fruchtbare Zusammenarbeit statt.
Die Kapitalerhöhung der Kur AG bereitete dem VV noch nachträglich erhebliche Schwierigkeiten, da das Finanzamt dem Verein wegen der Wahrnehmung seiner Bezugsrechte die Gemeinnützigkeit rückwirkend aberkennen wollte. Dies hätte zu einer enormen Steuerbelastung in Höhe von etwa DM 500 000 geführt, eine Summe, die den Verein sicher in seiner Existenz gefährdet hätte.
Die Diskussion über Verantwortung und Verfahrensweise in dieser Angelegenheit führte dann 1976 zur Wahl einer neuen Vorstandschaft. Dieser gelang es in zähen Verhandlungen beim Staatssekretär im Bayerischen Finanzministerium, dem Verein die Gemeinnützigkeit zu erhalten. Allerdings waren hierzu einschneidende Satzungsänderungen nötig, da die Förderung von Fremdenverkehrseinrichtungen nicht mehr möglich war. Der Vereinszweck laut § 2 der Satzung ist nun die Pflege und Erhaltung:
a.) der noch verbliebenen Naturlandschaften in der Umgebung von Oberstdorf, wobei insbesondere die drohende Verkarstung der Berge unter Mithilfe der einheimischen Landwirtschaft aufgehalten werden soll;
b.) der Geschichte, der Mundart, des Brauchtums und der natürlich gewachsenen
Bausubstanz Alt-Oberstdorfs als dem kulturellen Erbe seiner Bürger“.
Diesen Satzungszwecken hat der Verein in den letzten Jahren durch vielerlei Aktivitäten Rechnung getragen. Herausragendes Ereignis in der Vereinsarbeit war die Veröffentlichung des Bildbandes „Alt-Oberstdorf“ bei der Mitgliederversammlung im Jahre 1980. Hier ist es gelungen, ein einmaliges Dokument Oberstdorfer Vergangenheit zu schaffen und eine Reihe von Bildern vor dem Vergessen zu retten. Verkaufserfolg und Anerkennung für die Autoren Anton Berktold, Leo Huber und Hans Kappeler von allen Seiten zeigten, welches große Interesse für die Oberstdorfer Geschichte bei uns vorhanden ist. Auch die Schriftenreihe „Unser Oberst dorf“, die 1982 begonnen wurde, soll dazu dienen, diesem Interesse gerecht zu werden. Als Herausgeber betätigte sich der VV 1978 mit dem Mundartgedichtband „Muettrschbroch a schine Schbroch“ von Hans Seeweg. Ein Buch über die Geschichte von Gerstruben von Anton Berktold und Leo Huber wurde mit DM 3 000 bezuschußt, um den Verkaufspreis möglichst niedrig halten zu können.
Die Ortsbrunnen, letztes sichtbares Zeichen der früheren Brunnennachbarschaften, werden laufend erhalten und erneuert. Auch sakralen Bauwerken, die seit vielen Jahren ihren Platz in unserer Umgebung haben und für die sich, wie so oft, wenn etwas Geld kostet, niemand zuständig fühlt, gilt die besondere Aufmerksamkeit des Vereins. Feldkreuze in der Meyersoy, am Jauchen und der Reute wurden neu er stellt, ein Bildstock an der alten Walserstraße ist gerade in Arbeit, 1979 wurden die Kreuzwegstationen nach Loretto mit einem Kostenaufwand von ca. 35 000 DM vollkommen restauriert, 1981 der Marienbrunnen bei Loretto erneuert. In diesem Jahr ist die Wendelinskapelle im Gschlief durch eine Drainage auf trockenen Boden gestellt und vom Dach bis zum Fußboden repariert worden.
Nach wie vor erhält auch das Heimatmuseum bei seiner wichtigen Aufgabe, die Geschichte unserer Heimat lebendig und anschaulich zu erhalten, von uns jede mögliche Unterstützung. Der Erhaltung Altoberstdorfer Bausubstanz gelten auch unsere Bemühungen für die leider immer seltener werdenden Blockschinden mit Landern- oder Schindeldach. Um hier einen Anreiz zu geben, diese Schinden in ihrer ursprünglichen Art zu erhalten, bezahlen wir einen erheblichen Zuschuß auf die Materialkosten bei notwendigen Reparaturen.
Ein besonderes Anliegen ist uns auch die Verhinderung der weiteren Verkarstung unserer Berge. Hier ist es uns gelungen, unter Mithilfe einiger junger engagierter Oberstdorfer, durch das Mähen von seit Jahren brachliegenden Bergwiesen erste Anfangserfolge zu erzielen. Neben dem Spaß daran, einen fast vergessenen Teil der landwirtschaftlichen Arbeit, das Bergheuen und den winterlichen Heuzug, wieder zum Leben zu erwecken, trägt auch sicher der finanzielle Anreiz des VV dazu bei, daß von Jahr zu Jahr mehr Bergwiesen zum größten Teil mit der Sense gemäht werden. Anerkanntermaßen ist eine solche Pflege dieser hochliegenden Böden das beste Mittel, der weiteren Verkarstung entgegenzuwirken.
Bei all diesen Tätigkeiten sieht man doch, wie sehr sich die Aufgaben des Verschönerungsvereines in den letzten Jahren gewandelt haben. Und geradezu prophetisch klingt der letzte Absatz der Jubiläumsschrift von Karl Hofmann, mit dem auch ich enden möchte: „Darum gilt es für den Verein, sich auch jetzt wieder neu zu orientieren und sich auch um den Begriff »Erhaltung« zu kümmern, um die Erhaltung dessen, was unser wertvollstes Kapital ausmacht: Ruhe- und Erholungsraum, Ursprünglichkeit der Landschaft mit ihren Bergen und Tälern, Wiesen und Wäldern, Seen und Bächen, und die Pflege all der Kulturgüter, die aus dieser Landschaft ge-worden sind: Musik, Gesang, Tanz, bäuerliches Volkstum, Tracht usw... Auf alle Fälle geht es heute darum, die wirklichen Werte unserer Heimat zu erkennen und für deren Erhaltung zu streiten.“