110 Jahre Verschönerungsverein Oberstdorf e. V.

von Gustl Stempfle am 01.11.1982

Diese Überschrift am Beginn eines Artikels über die Arbeit des Verschönerungsvereins in Vergangenheit und Gegenwart könnte ebenso „110 Jahre Fremdenverkehr in Oberstdorf“ heißen; denn untrennbar ist die Geschichte des VV mit der Entwicklung des Fremdenverkehrs in Oberstdorf verbunden. Diese Verbindung wird 
besonders deutlich, wenn man die Festschrift liest, die Karl Hofmann zum 100 jährigen Jubiläum des Vereins am 4. Juli 1972 zusammengestellt hat.

Hier wird dem 
Leser klar, welche Weitsicht, welches Vertrauen in die Zukunft und auch welchen 
Mut zu etwas völlig Neuem die Gründer des VV im Jahre 1872 besaßen.

Zwei Namen sind hier, wie auch bei fast 
allen besonderen Begebenheiten und
 Neuerungen der damaligen Zeit, hervor-
zuheben: Josef Anton Vogler und 
Hofrat Dr. Ulrich Reh. Vor allem Josef
 Anton Vogler war es, der die Bedeutung 
des Fremdenverkehrs für Oberstdorf erkannte und seine Entwicklung auch ge
gen den Widerstand der politischen Gemeinde und der Ortsgemeinde förderte.

Er ließ die ersten Reklameplakate von 
Franz Alois Schratt entwerfen, baute
 1883 die erste Moorwasserbadeanstalt 
und hatte auch beim Bau des Freibergseebades 1893 die technische Leitung.

1882 konnte der VV durch seine Mithil
fe unter Vorstand Bürgermeister Ludwig Vogler den Freibergsee sowie die Fi
schereirechte in der Trettach, Stillach, Breitach und im Christlessee um 9500 
Mark erwerben. Leider verstarb dieser erste „Kurdirektor“ Oberstdorfs 1895 im Alter von erst 56 Jahren.

Verschönerungsverein - Heft 2

Josef
 Anton Vogler
1839 - 1895

Von Anbeginn an war der Verein bemüht, Spazierwege und Alleen anzulegen, um 
den Gästen die herrliche Umgebung Oberstdorfs zu erschließen. Der größte Teil
 des heute bestehenden Wegenetzes wurde im Laufe der Jahrzehnte vom VV erstellt.

Aus dem Jahr 1907 stammt der erste gedruckt vorliegende Bericht des Vereins, dem
 man einige bemerkenswerte Zahlen entnehmen kann. So betrug bis zum Jahr 1891
 der Verschönerungsbeitrag 1 Mark für eine Einzelperson und 2 Mark für eine Familie, jeweils für die ganze Aufenthaltsdauer. 1872 wurden 460 Gäste gezählt, von
 denen 183 Mark und 2 Pfennig an Verschönerungsbeitrag kassiert werden konnten.
 Stellt man die Zahlen des Jahres 1981 mit 197 000 Gästen und
3 900000 DM Kurtaxeeinnahmen dagegen, so steht einem die wirtschaftliche Bedeutung dieser Entwicklung klar vor Augen.

Verschönerungsverein - Heft 2

Altes Moorbad,
1929 abgebrochen

Zu damaliger Zeit trug der VV neben den Aufwendungen für Steuern, Versicherun
gen und Löhnen auch eine Reihe von Kosten der Allgemeinheit, wie Straßenbeleuchtung, Verkehrspolizei, Straßenreinigung und Schneeräumung.

Dem Kassenbericht des Jahres 1912 können wir z.B. entnehmen, daß die Marktgemeinde dem
 VV die Hälfte der angefallenen Schneeräumkosten in Höhe von 14 Mark und 14 
Pfennigen ersetzt hat. Unsere heutigen Gemeindeväter wären vieler Sorgen ledig, wenn sich die Schneeräumkosten auch in dieser Höhe bewegen würden.

Verschönerungsverein - Heft 2

Das neue Moorbad
nach Eröffnung 1930

In der Satzung von 1919 ist erstmals von der Anstellung eines Direktors die Rede,
 und im Dezember 1920 verpflichtete der Verein Hermann Schallhammer als Kurdirektor. Unter seiner Führung gab es trotz Inflation und Weltwirtschaftskrise einen 
Aufschwung des Fremdenverkehrs. 1928/29 wurden die Tennisplätze gebaut, an 
der Nebelhornbahn beteiligte sich der VV 1929 mit 10 000 RM und 1930 wurde das
 heutige Moorbad eröffnet.

Auch für den Verschönerungsverein war das Jahr 1933 ein Schicksalsjahr; denn 
bereits kurz nach der sog. Machtergreifung durch die Nationalsozialisten wurde 
dem VV die Grundlage seiner Tätigkeit genommen, indem ein gemeindliches Ver
kehrsamt gebildet und die Angestellten des Vereins in Gemeindedienste übernommen wurden.

Kurdirektor Hermann Schallhammer wurde gezwungen, Oberstdorf zu verlassen.
 Der 2. Bürgermeister Kögler erklärte damals sogar: „Nach meiner Ansicht hat der
 Verkehrs- und Kurverein (so nannte sich der VV seit 1909), nachdem er keine Tätigkeit mehr hat, auch sein Recht auf eine Existenz verwirkt.“

Diese offizielle Meinung wurde jedoch nicht lange aufrechterhalten; denn der Verein mit seinen über 400 Mitgliedern war der Gemeinde bei Aufgaben, die über ihre
 Kräfte gingen, als Helfer hoch willkommen. Wie in früheren Zeiten wurde bald wieder in die Liste der Zimmervermieter nur aufgenommen, wer Mitglied im VKV war.
 Gemeinsam wurde 1935 das Fuggeranwesen gekauft. Der Plan, hier ein Kurhaus 
entstehen zu lassen, mußte nach der völligen Zerstörung durch einen Brand wäh
rend der Umbauarbeiten fallengelassen werden.

Verschönerungsverein - Heft 2

Das 1905 erbaute und 1936
abgebrannte Fugger-Anwesen

Aus heutiger Sicht gesehen war einer der wichtigsten Vorgänge für die Zukunft des 
VV die Übernahme von Nebelhornbahnaktien im Jahre 1943 in Höhe von 57 000
 RM von der deutschen Reichsbahn.

1947 konnte erstmals nach 1933 wieder eine Vorstandschaft nach demokratischen 
Regeln gewählt werden. Eine direkte Einflußnahme auf das Fremdenverkehrsgeschehen war allerdings durch die endgültige Trennung vom gemeindlichen Verkehrsamt und den damit verbundenen Kurtaxeeinnahmen nicht mehr möglich.
 Aber bereits 1949/50 konnte der VV mithelfen, durch eine Einlage von 75 000 Mark 
die Sesselbahn AG zu gründen - eine für die Zukunft Oberstdorfs als Wintersportplatz sehr wichtige Maßnahme.

Ganz entscheidend war dann der Verschönerungsverein in den Jahren 1957 - 1959
 an der Gründung der Kur- und Verkehrsbetriebe AG beteiligt, eine Aufgabe, die
 damals für viel Zündstoff in unserer Gemeinde sorgte und für den Verein eine tiefgreifende Strukturänderung bedeutete.

Der Verein brachte sein gesamtes Grundvermögen mit Fuggerpark, Freibergsee, Moorbad und den Grundstücken an der Ludwigstraße, auf denen heute Kur- und Kongreßzentrum und Kurhaus stehen,
 sowie die Fischereirechte und den Aktienbesitz an der Sesselbahn AG in die neue
 Kur AG ein. Über die Nebelhornbahn AG, die DM 100 000 Bareinlage leistete, 
hatte der VV bis 1970, als die Nebelhornbahn ihre Kur AG Aktien an die Marktgemeinde verkaufte, die Mehrheit an der Kur- und Verkehrsbetriebe AG. Noch vor 
der Übergabe seines Vermögens an die Kur AG hatte der VV die Badeanstalt am 
Freibergsee erneuert und 1958 das Strandcafe erbaut.

Seit der Gründung der Kur AG besteht nun das Vermögen des VV im wesentlichen
 aus den Aktien der Nebelhornbahn und der Kur AG. Mit den Erträgen aus diesen 
Aktien wurden in den Jahren nach dem Krieg vor allem die Wanderwege gepflegt
 und erweitert, Ruhebänke aufgestellt, sowie Zuschüsse an eine Reihe von Vereinen 
und Institutionen (Gartenbauverein, Heimatmuseum, Bergwacht, Alpenverein,
Trachtenverein, Skiclub, Eissportclub und Golfclub) für die verschiedensten Zwecke bezahlt. Aber auch bei der Kapitalerhöhung der Kur AG zum Zwecke des Kurhausbaues machte der VV 1970 von seinem Bezugsrecht in Höhe von 385 000 DM
 Gebrauch. Bereits 1964 hatte sich der damalige „Verkehrs- und Kurverein“ im Zuge 
einer Satzungsänderung zur Erlangung der Gemeinnützigkeit wieder in „Verschönerungsverein Oberstdorf umbenannt.

Daß der VV auch bereit ist, für die Entwicklung des Fremdenverkehrs auf Einfluß
 zu verzichten, bewies er, als er durch die Kapitalerhöhung der Nebelhornbahn 1976
 seine über 50%ige Mehrheit an dieser Gesellschaft verlor. Die Notwendigkeit des Neubaues der Nebelhornbahn mit den daraus erwachsenden Vorteilen für Oberstdorf als Wintersportort und Bergwanderparadies wogen schwerer als dieser Verlust.
 Mit starken Partnern, die ebenso wie der VV an der Zukunft Oberstdorfs interessiert
 sind, findet hier seitdem eine fruchtbare Zusammenarbeit statt.

Die Kapitalerhöhung der Kur AG bereitete dem VV noch nachträglich erhebliche
 Schwierigkeiten, da das Finanzamt dem Verein wegen der Wahrnehmung seiner 
Bezugsrechte die Gemeinnützigkeit rückwirkend aberkennen wollte. Dies hätte zu
 einer enormen Steuerbelastung in Höhe von etwa DM 500 000 geführt, eine Summe, die den Verein sicher in seiner Existenz gefährdet hätte.

Die Diskussion über Verantwortung und Verfahrensweise in dieser Angelegenheit 
führte dann 1976 zur Wahl einer neuen Vorstandschaft. Dieser gelang es in zähen
 Verhandlungen beim Staatssekretär im Bayerischen Finanzministerium, dem Verein die Gemeinnützigkeit zu erhalten. Allerdings waren hierzu einschneidende Satzungsänderungen nötig, da die Förderung von Fremdenverkehrseinrichtungen
 nicht mehr möglich war. Der Vereinszweck laut § 2 der Satzung ist nun
 die Pflege und Erhaltung:

a.) der noch verbliebenen Naturlandschaften in der Umgebung von Oberstdorf, wobei insbesondere die drohende Verkarstung der Berge unter Mithilfe der einheimischen Landwirtschaft aufgehalten werden soll;

b.) der Geschichte, der Mundart, des Brauchtums und der natürlich gewachsenen
Bausubstanz Alt-Oberstdorfs als dem kulturellen Erbe seiner Bürger“.

Diesen Satzungszwecken hat der Verein in den letzten Jahren durch vielerlei Aktivitäten Rechnung getragen. Herausragendes Ereignis in der Vereinsarbeit war die
 Veröffentlichung des Bildbandes „Alt-Oberstdorf“ bei der Mitgliederversammlung
 im Jahre 1980. Hier ist es gelungen, ein einmaliges Dokument Oberstdorfer Vergangenheit zu schaffen und eine Reihe von Bildern vor dem Vergessen zu retten.
 Verkaufserfolg und Anerkennung für die Autoren Anton Berktold, Leo Huber und 
Hans Kappeler von allen Seiten zeigten, welches große Interesse für die Oberstdorfer Geschichte bei uns vorhanden ist. Auch die Schriftenreihe „Unser Oberst
dorf“, die 1982 begonnen wurde, soll dazu dienen, diesem Interesse gerecht zu
 werden. Als Herausgeber betätigte sich der VV 1978 mit dem Mundartgedichtband „Muettrschbroch a schine Schbroch“ von Hans Seeweg. Ein Buch über die Geschichte von Gerstruben von Anton Berktold und Leo Huber wurde mit DM 3 000 
bezuschußt, um den Verkaufspreis möglichst niedrig halten zu können.

Die Ortsbrunnen, letztes sichtbares Zeichen der früheren Brunnennachbarschaften,
 werden laufend erhalten und erneuert. Auch sakralen Bauwerken, die seit vielen 
Jahren ihren Platz in unserer Umgebung haben und für die sich, wie so oft, wenn
 etwas Geld kostet, niemand zuständig fühlt, gilt die besondere Aufmerksamkeit des 
Vereins. Feldkreuze in der Meyersoy, am Jauchen und der Reute wurden neu er
stellt, ein Bildstock an der alten Walserstraße ist gerade in Arbeit, 1979 wurden die 
Kreuzwegstationen nach Loretto mit einem Kostenaufwand von ca. 35 000 DM
 vollkommen restauriert, 1981 der Marienbrunnen bei Loretto erneuert. In diesem 
Jahr ist die Wendelinskapelle im Gschlief durch eine Drainage auf trockenen Boden
 gestellt und vom Dach bis zum Fußboden repariert worden.

Verschönerungsverein - Heft 2

Die im Jahre 1982
renovierte Wendelinskapelle

Nach wie vor erhält auch das Heimatmuseum bei seiner wichtigen Aufgabe, die Geschichte unserer Heimat lebendig und anschaulich zu erhalten, von uns jede
 mögliche Unterstützung. Der Erhaltung Altoberstdorfer Bausubstanz gelten auch 
unsere Bemühungen für die leider immer seltener werdenden Blockschinden mit 
Landern- oder Schindeldach. Um hier einen Anreiz zu geben, diese Schinden in
 ihrer ursprünglichen Art zu erhalten, bezahlen wir einen erheblichen Zuschuß auf
 die Materialkosten bei notwendigen Reparaturen.

Ein besonderes Anliegen ist uns auch die Verhinderung der weiteren Verkarstung
 unserer Berge. Hier ist es uns gelungen, unter Mithilfe einiger junger engagierter
 Oberstdorfer, durch das Mähen von seit Jahren brachliegenden Bergwiesen erste
 Anfangserfolge zu erzielen. Neben dem Spaß daran, einen fast vergessenen Teil der
 landwirtschaftlichen Arbeit, das Bergheuen und den winterlichen Heuzug, wieder 
zum Leben zu erwecken, trägt auch sicher der finanzielle Anreiz des VV dazu bei, 
daß von Jahr zu Jahr mehr Bergwiesen zum größten Teil mit der Sense gemäht
 werden. Anerkanntermaßen ist eine solche Pflege dieser hochliegenden Böden das 
beste Mittel, der weiteren Verkarstung entgegenzuwirken.

Bei all diesen Tätigkeiten sieht man doch, wie sehr sich die Aufgaben des Verschönerungsvereines in den letzten Jahren gewandelt haben. Und geradezu prophetisch 
klingt der letzte Absatz der Jubiläumsschrift von Karl Hofmann, mit dem auch ich 
enden möchte: „Darum gilt es für den Verein, sich auch jetzt wieder neu zu orientieren und sich auch um den Begriff »Erhaltung« zu kümmern, um die Erhaltung
 dessen, was unser wertvollstes Kapital ausmacht: Ruhe- und Erholungsraum, Ursprünglichkeit der Landschaft mit ihren Bergen und Tälern, Wiesen und Wäldern,
 Seen und Bächen, und die Pflege all der Kulturgüter, die aus dieser Landschaft ge-worden sind: Musik, Gesang, Tanz, bäuerliches Volkstum, Tracht usw... Auf alle
 Fälle geht es heute darum, die wirklichen Werte unserer Heimat zu erkennen und
 für deren Erhaltung zu streiten.“

Kontakt

Verschönerungsverein Oberstdorf e.V.
1. Vorsitzender
Peter Titzler
Brunnackerweg 5
87561 Oberstdorf
DEUTSCHLAND
Tel. +49 8322 6759

Der Verein

Unser gemeinnütziger Verein unterstützt und fördert den Erhalt und Pflege von Landschaft, Umwelt, Geschichte, Mundart und Brauchtum in Oberstdorf. Mehr

Unser Oberstdorf

Seit Februar 1982 werden die Hefte der Reihe "Unser Oberstdorf" zweimal im Jahr vom Verschönerungsverein Oberstdorf herausgegeben und brachten seit dem ersten Erscheinen einen wirklichen Schub für die Heimatforschung. Mehr

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