Verfasst nach dem Tagebuch von Anton Math, übertragen und bearbeitet von Dr. Thaddäus Steiner
Einleitung
Der Vorarlberger Historiker Manfred Tschaikner hat in der Zeitschrift MONTFORT (Zeitschrift für Geschichte Vorarlbergs), 67. Jahrgang 2013, Band 1, einen hochinteressanten Aufsatz veröffentlicht: „Die 1809/10 in Bouillon internierten Geiseln aus Vorarlberg einschließlich des oberen Allgäus.”. Das ganz Neue für Oberstdorf ist die begründete Ansicht Tschaikners, dass die vielen Berichte über diese Geiselhaft im Kern auf einen Oberstdorfer zurückgehen, den Feilenhauer und Ortsvorsteher Anton Math.
Der Bericht des Bludenzers Franz Josef Gapp ist, soweit bekannt, wohl die einzige handschriftliche Originalfassung dieses Berichtes. Die Übertragung dieser Handschrift veröffentlichen wir hier ohne Veränderungen, auch wenn der heutige Leser damit sprachliche Schwierigkeiten haben wird, besonders auch mit Rechtschreibung, Zeichensetzung und Satzbau. Vielleicht kann es aber für ihn interessant sein, Mundartspuren in dem Text zu finden.
Für wen das MONTFORT-Heft nicht erreichbar ist, der sollte für den geschichtlich-politischen Hintergrund der Geiselnahme in der »Geschichte des Marktes Oberstdorf«, Teil 4, den Aufsatz von Dr. Kurt Eberhard lesen: Staat und Politik, S. 3 – 18.
Wir beginnen mit der Vorrede der Gapp-Handschrift:
1. Blatt rechts ganz oben
1809
Ganze Beschreibung der Reise und der Gefangenschaft der Geiseln vom
Vorarlberg vom 19ten August 1809 bis zum Ende.
Verfast von Herrn Anton Math Ortsvorsteher von Oberstdorf Landgericht Sonthofen auf der Schloßfestung zu Bouillon.
Für mich Franz Joseph Gapp von Bludenz derzeit als ausdeputierte Geiseln aus Vorarlberg allhier als Staattsgefangener zu Bouillon
[nicht lesbarer Rest am Unterrand:] Johan Ulrich
Bouillon
2. Blatt links leer
2. Blatt rechts
1809
Den 21ten August wurden aus den Landgerichten Weiller, Bregenz, Immenstadt; Sonthofen, Feldkirch, Montafon, Sonneberg, und Dornbieren, 177 Ma an der Zahl nacher Lindau, durch die Landrichter dahin beordert, um von den Französischen General Boumont zu erscheinen; dan für das Französischen [im Original durchstrichen] ganze Land als Deputierte, die Ruche unseres Vatterlandes zu bezeugen, und zugleich die Begnadigung des Königs von Baÿern für Vorarlberg anzuhören. Um 10 Uhr Vormittag wurden wir durch unsre Landrichter in den Großen Saal im dortigen Kloster hingeführt, um dort den Französischen General zu erwarten, als wir uns alle in diesem Saale befanden, so haben sich unsere Landrichter von uns entfernnt, man stelte schnell eine dopelte Wache für die Thüre, und liesse uns darinen 2 Stund lang stehen; da kame endlich der General samt etlichen Officieren, trat zu uns in die Mitte, und sagte uns durch seinen Dollmetsch: Es freue ihn, und danke [zu]gleich den Vorarlbergern, das sie sich so gut eingestelt, und die Waffen abgelegt haben, er werde es wi [...]
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beÿ seinem Kaiser Napollion, wie auch dem [König?] von Baÿern anzurühmen: - aber einsweillen müßten wir für das Land als Geiseln zurück bleiben, zum Zeügniß ob das Land in Ruhe bleiben werde; und so sollen wir nach Ulm geführt werden; dabeÿ aber sollen wir nicht sorgen, wir werden so gut verpflegt, als wenn wir zu Hause wären; oder noch besser: Der General verliesse uns mit einer Kaltblütigkeit, die Wachten wurden Verdoppelt, und dreÿ oder vier Man brachten uns ein wenig Wein und etwas Käß und Brod, alwo mehrere davon etwas bekamen, einige aber gar nichts. Einige Landrichter besuchten uns noch einmal, entschuldigten sich beÿ uns mit ihrer ungewißheit über unser unverhofftes Schicksall; und da wir uns beklagten beÿ ihnen, über unsre Lage und Blösse an Geld und Kleidung, weil uns das betragen unbewußt wahre, so schlichen sie sich davon und entfernten sich von uns, wie das Ungeziefer von dem Sprößling, den das Wetter geschlagen hatte. – Nun stehen wir beÿsamen, von unsern Landleuthen ganz verlassen und wie hart es uns ankame, kan sich jeder
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[inhaltliche Lücke, Satzanschluss?]
unser erstes Nachtlager hatten, und nur schlechte Zimer wurden uns angewiesen, in welchem weder Tisch noch Stühle waren, wie au[ch] nichts zum schlafen, als nur der Glatte Boden, in daß einte brachte man einen schlechten Tisch und in ein zweites nur einen langen Stuhl, worauf wir das Nachtmahl erwarten solten. Man gedencke, wie uns da zu Muthe war, und was für uns noch das Härteste, so fanden wir die Gesinungen von den Ravenspurgern, nicht viel besser als beÿ den Lind[au]ern: nur ein par Kaufleute aus genohmen diesse hätten uns Erfrischungen zugeschickt, wenn es uns die Escorte zugelassen hätte, niemand wurde zu uns gelassen. Wir hareten und schmachteten, sachen auch öfters durch die eisenen Gitter hinaus auf jene, welche noch auf der Gassen freÿ herum ginngen, bis uns endlich der Zuchthausmeister das Nachtessen brachte und es war alles zusamen nur eine schlechte Suppen, die wir stehend mit Begirde geessen haben, wie wohl die mehresten zu Haus
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hätten stehen lassen, und als es nun sehr späth in der Nacht war, so brachte man uns ein wenig Stroh, und gebiethet uns zu schlafen, der Boden war sehr unreinlich, Stroh hatten wir viel zu wenig, damit wir den Kopf darauf legen könten; man ̄ stelle sich vor, wie diese unsere erste Nacht für uns so Traurig ware, in dem unter uns fast lauter Famillien Vätter waren, wir müßten unsre Weiber, Kinder, und unser ganzes Eigenthum unvermuthet, ohne alle Zubereithung verlassenn als gefangene fortgeschleppet werden; schon diese Nacht sachen wir, das Schätzung, Schonung und gute Verpflegung wie uns die Landrichter und Genneral Boumont versprochen, für uns nicht respektiert und gehalten wurde. Wir lerneten uns untereinander dort das erste mahl kenen, den noth macht Freundschaft und einer sprach dem andern Trost und Muth zu.
Die erste Nacht war für uns über aus hart und schimpflich, den es waren unter uns Karrenfahrern
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viele Reiche und zu Hauße ihm Anseÿen stehende Leute, denen dieses Verfahren sehr weh thatte; den wir hatten jzt einer von dem andern vernohmen, wie wir zu Hauße von unseren Feinden, mit lachendem Munde sind überantwortet worden [im Original gestrichen] und in die Hände der Feinden über- liefert worden: Es ware da noch unser einziger Trost und Hoffnungsmittel, der Schutz des Allerhöchsten werde uns, und unsre Famillien weitter geleiten. Entlich waren die erste Nacht, mit vielen Trauern und Seufzen für uns vorüber, und der schöne Morgen fangt an aufzuheittern, wir richteten uns auf und sachen ein ander traurig an, und unsere erste Gedanken waren, mit denen wir uns beschäftigten, nebst Gott auf unsere jamernde Famillien zu Hauße gerichtet. Aber bald unterbrach uns wieder der Zuchthaußmeister, wie er uns das Fruhstuck brachte es ware auch wieder eine schlechte Suppen, wo wir auch nur halb genug geessen hatten, und kaum wahren wir mit der Suppen fertig, so rufte man uns wieder auf, um da abzureißen wir sachen auch da vor den Fenstern schon wied[er]
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andere Wägen in Bereitschaft für uns stehen, auf die wir uns unverweillet wieder setzen müßten.
Den 22ten allso morgens fruh fuhren wir wieder von da ab, und kamen selben Tag zeittlich auf Biberach, wie wir uns dem Städtlein nacheten so sachen wir von weitem das Volk vor ihren Häusern stehen, um uns zu sechen, sie sachen uns als Gefangene Tiroller an; es lage auch etwas Wirtembergisches Millitär daselbst: diese schimpften gewältig über uns, aber noch mehr schmerzte es uns, weil die Bürgerleute, ebenfalls wie die Lindauer über uns lachten und spotteten, es war so Traurig, indem wir in unserm Schicksall, von einem Schimpf in den andern gerathen. Es ist für den Leidenten ausserordentlich hart, wen er statt mitleidente Seelen, die sein Leiden lindern könten, noch mehr durch Schimpf und Spott und Gelächter...
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sein Leiden erschweren und untter dem Last des Kumers beÿ nache ganz zu boden drüken und so führte man uns in das Städtlein Biberach hinein, gegen einen Fürchterlichen Thurn, der auf einem Hügel stehet, vor selbem müßten wir absteigen, und wurden über 200 Stafel hinauf geführet, unsere Wohnungen waren in dem Thurn, und bestunden in 4 ganz aus gemaurten Gemächern, wo gar nichts von Holz zu sechen ware, auch weder Tisch noch Bäncke, anstatt nieder zu sitzen, müßten wir uns an eine Mauren hinlehnen, um ein wenig auszuruchen: es waren auch einige beÿ uns die nebst dem Hunger auch Durst litten, und nicht einmahl Wasser hatten. – Himel wer muß nicht erstaunen, wen er in Betracht nimbt, wie so viele bejahrte und ansehnliche in ihrem Lande geschäzte Mäner, in einer so grausamen Gefangenschaft schmachten, und wo sich noch so wenig Menschen zeigen, die mit uns nur ein leeres Mitleiden hatten. Endlich trifft
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beÿ uns auch das Alte Sprichwort ein; wen die Noth am größten, so ist die Hilfe am nächsten. Unter den Kaufleuten in Biberach waren noch einige, die Menschen gefühl hatten, und sich über uns erbarmten, auch selbst ein Obrist von Wirtenberg, Namens v Läden v. Reg: Staekenma [... Regimentsname über der Zeile] gestattete nicht lenger uns in einer so Fürchterlichen Wohnung zu lassen, die nicht für Menschen, sondern nur für Ungeheuer währe, und brachten zuwegen, das wir aus dem Thurn geführt, und in das dortige Waisenhauß in zweÿ Zimer gelegt wurden, wo wir doch auch menschliche Wohnungen hatten; man gabe uns auch wieder Suppen und ein wenig Fleisch darin zu essen, hatten auch Stroh zum schlafen: hier last man uns das erste mahl auch noch etwas von andern Speißen zu, für unser geld, wir wurden aber doch scharpf verwacht.
Den 23ten Morgens Fruh müßten wir wieder auf andere Wägen sitzen, wo es uns an Zuschau-
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ern nicht fehlte, es scheinte, als wurden wir jeder man zur Schau herum geführet. Diesen Tag hatten wir einen grossenn Marsch es wurden aber unterwegs wieder andere Wägen gewechselt, ohne mit uns einzukehren, und so kamen wir dan Zeitlich selben Tags nach Ulm, wie wir uns der Stadt näherten, sachen wir von Fern eine Menge Menschen, die uns mit Begierde zu sechen schien.
Dieß ware für uns eine neue Bangigkeit, indeme uns die Biberacher, besonders die Lindauer noch in Frischer Gedächtniß sind. Wir werden auch den Schimpf und die Unbilden, die wir dort erlitten nie vergessen, ja unseren größten Feinden wünschen wir kein so Barbarisches Verfahren. Wir fuhren endlich in die Stadt nur langsam hinein, da sachen wir in den Gassen, und unter den Fenstern sehr viele Zuschauer: aber sehr wenig lachende Gesichter Mehresten tails wahren die Ulmerbürger Traurig, und niedergeschlagen, über unser Schicksall, da doch die Ulmer noch vermeinten, wir wären Kriegsgefangene Tiroller, wir
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wurden abermahls in ein Großes Gebäude auf zweÿ grosse Zimer gelegt, und dan dem dortigen Stadtkomandanten übergeben, der uns durch daß Bürger Millitär bewachen ließ, den ersten Tag bekahmen wir von den Bürgersleuten die Speiße wie mans pflegt den gefangenen Soldaten zu geben, aber des Tages nur einmal. Die erste Nacht brachten sie uns Stroh daß wir darauf schlafen könten, wie uns dan die gutten Burgersleute von Ulm das erste mahl zu essen gebracht hatten, so sachen sie wohl, daß wir ebenfalls Bürger, und keine Kriegsgefangene wären, unser Schicksall rührte sie der Massen, es wurde in der ganzen Stadt viel von uns gesprochen, anfangs aus Neugierde kamen Honete Leute uns zu sächen, auch Kaufläute kanten von den unsrigen einige, beÿ unsrer Gesellschaft waren auch gutte Händelsmäner die mit einigen Ulmern schon länger bekant
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[hier fehlt der obere Seitenrand und der Großteil der 1. + 2. Zeile. Von den ersten beiden Zeilen noch zu lesen:] waren [...]
nicht nur ihr. [?] gutte Gess [innung ...] uns, sie thaten auch ihr möglichstes für uns beÿ dem Stadtkomandanten v. Nachtrapp und auf ihr Verwenden wurden wir wieder aus diesem alten Gebäude weggeführet, und in eine bessere Wohnung gethan, wo wir auch Bettladen und auch Maderatzen hatten, darein zu schlafen, es wurde auch bessere Kost verschafft und des Tages dreÿ mahl, die uns die Bürgersleute mit Vergnügen reichten, und täglich ja stündlich wurden wir von vielen Honeten Leuten besucht; selbst der H[err] President v. Grafenreith ist uns sehr gnädig geweßen, täglich schickte er uns durch seinen Kamerdiener einen Bratten und ein Faßbier auf den Nachmittag: Er liesse uns auch seinen Schutz an empfehlen und zugleich sagen, daß er von unser Ankunft in Ulm, nicht das mindeste gewust habe, als was [... Rest der Zeile und unterer Seitenrand fehlt, wie oben abgerissen]
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[hier fehlt wieder der oberste Teil der Originalseite, von Zeile 1 und Zeile 2 übrig:]
uns die [...]
Altar in unser grosses
Wohnzimer aufgemacht, darauf wurde nach Unserem Gebrauch eine Hl. Messe gelessen, wie es auch in Gegenwarth des Stadtkomandanten geschehen ist. Es fehlte uns auch nicht an Margedentern, die uns um unser geld allerhand zubrachten, obwohl wir uns recht gut bedienen könten, was uns die Burger zu Essen schickten, so haben wir doch um unser Geld öfters etwas gekauft, um das Heimweh, und die Famiellien Sorgen zu Vertreiben, aber beÿ den wenigsten halfe auch dieses. Die Ulmer sehen unsre traurige Stunden, und sie munterten uns auf viel mahl, ja ihr guttes Herz [im Original gestrichen] wohlmeinendes Herz, auch so viel Gutthaten die sie uns erwiesen, werden uns ewig unvergessen bleiben unsere Kindeskinder
[letzte Zeile und unterer Seitenrand fehlen]
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Vergelten. Wir schickten auch durch die Mitwürkung der Bürger und besonders des H[errn] Presidenten eine Deputation für uns an den König nach München, erhielten aber gar keine Antwort mehr. Den 27ten Abends brachte uns der H [err] Statkomandant eine neue Ordre, die uns wieder in die größte Traurigkeit zurück schlug; Er meldet uns, vorgebend, von Augsburg seÿe ein Bericht gekomen, das wir Morgens auf Straßburg sollen weiter Transportiert werden. Die Feder vermag es nicht auszudrücken, und darzustellen, in was für eine grosse Angst und Schrecken wir auf einmahl gerathen sind; die Gedanken auf unsere jamernde, verlassenen Familien zu Hauße machte uns neue Sorgen, und die Gedanken; sie lang oder vielleicht gar nicht mehr zu sehen, lagen Centner schwer auf unseren Herzen, alle Traurige und niederschlagende Gedanken lagen
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auf unserem Herzen, Namlich wir sollten Weiber, Kinder unser Eigenthum, selbst das Vatterland auf eine so schimpfliche Art verlassen, unter eine Nation, die uns als ihre Feinde behandeln wird, sogar ohne unterstützung an Geld oder Kleidung. Dan der Stadtkomandant hat uns Verbothen, weil wir in Ulm waren, nach Hauße zu schreiben, und täglich Vissitierte man, ob nichts geschrieben werde. O Himel keiner kan es Fassen, der es nicht selbst erfahren, wie hart es ist, auf eine solche Art scheiden. Dieselbe Nacht ist für uns im höchsten Grad Traurig gewesen.
Die Bürger von Ulm, und der Stadtkomandant selbst sprache alles mögliche für uns beÿ dem Französischen Käpitän, der uns mit etlich Vierzig Man Transportieren solte, wir hatten
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auch in der That an ihm erfahren, daß er ein rechtschaffener Man ware. Selbe Nacht hatten wir in Ulm wenig geschlafen. Es hatte freÿlich einer dem anderen Muth und Trost zugesprochen, aber doch hatten wir nichts Tröstliches für uns. Wir übergaben endlich unser Schicksall ganz dem Himmel, und so gienge die Nacht vorüber.
Den 28ten nach dem uns die Bürger noch ein Frühstück gebracht, so führte man uns durch viele Gassen, bis wir zu den Wägen kamen, um wieder aufzusitzen. Die Bürger ruften uns mit Tränenden Augen, viele Glückwünsche nach, und hatten ein wahres Mitleiden mit uns, und so fuhren wir von Ulm ab, und kamen selben Tag noch bis Geislingen, wo wir dan das erste mahl in die Würthshäuser einquartiert wurden, und wurden auch dort von den Bürgern sehr gut aufgenohmen, die uns Essen und Trinken, wie den Officiers gaben. Sie hatten uns auch in unser wohnende Zimer braf ein-
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geheizt, um unsere Kleider Tröcknen zu könen ./. weil wir selbigen Tag von einem erstaundlichen Regenguß sind unterwegs überfallen worden ./.
Den 29ten wurden wir Morgens wieder fruh in zweÿ Gliedern aufgestelt, und von dem Komandanten abgezählet, welches hernach alle Morgen und abend geschehen ist, sodan sitzen wir wieder auf die Wägen, und kamen selben Tag nach Göppingen zu übernachten, wir finden ebenfalls hier recht gutte Leutte, welche ein Herzliches Mitleiden mit uns hatten, und viel Gutthaten erwießen. Wir sind auch in diesen Ort in die Würthshäuser einquartiert worden, auch hatten wir dort die Freÿheit spazieren zu gehen, es waren uns aber in selber Nacht zwei Kameraden dessertiert.
Den 30ten Morgens Fruh waren schon wieder
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andere Wägen für uns bestelt und wir fuhren danselben Tag nicht weitter als bis Kantstadt, alwo uns die Bürger gut zu Essen und Wein zu Trinken gaben, obwohl wir von Ulm her imer ein wenig Wein zum [im Original gestrichen, darüber:] übers Essen hatten. Aldort sind wieder zweÿ von unsren Kameraden Desertiert.
Den 31ten Morgens fruh stunden schon wieder dreisig Wägen für uns in Bereitschaft, die uns selben Tag bis Veringen brachten wo wir wieder übernachteten, wir wurden auch da von den Bürgern gut aufgenohmen mit Essen und Trincken gelabet und erfrischet.
Den 1ten 7bris reißten wir auf Wägen mit uns[ri]ger Escorte, die uns recht gut war, von hier ab, und kamen zu übernachten nach Pfortzheim, ein kleines Städtlein, wo wir eben auch mit Liebe und möglichster Sorgfalt aufgenohmen wurden, von den dortigen Bürgern aber von unserer Excorte hatten wir wieder
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Arrest, weil die Verflossene Nacht von uns wieder zweÿ desertierten.
Den 2ten Morgens reißten wir von Pforzheim ab, und übernachteten in Ettlingen, wo die Bürger unser Schicksall herzlich bedaurten, und uns auch Essen und Trincken gaben, besser als mans den Soldaten gibt, nach dem Essen liessen man uns wieder spazieren gehen.
Den 3ten fuhren wir von da weg, und kamen nach Rastadt, wo die Bürger auch ebenfahls noch gutte Deutsche waren, und uns nach möglichkeit Verpflegten. Rastadt ist ein kleines Städtlein aber schön und reinlich, in welchem ein herrliches Schloß stehet, und viele Merkwürdigkeiten darinen zu sehen, dort dessertierten uns über Nacht vierzehen Man auf einmahl von unseren Leuten, die unser Schicksall hernach nochmehr Verschliemerten. Den 4ten fuhren wir wieder weiter nach
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Pischofsheim, dieß war ein schlechtes Dorf, dort gabe man uns nur einmal zuessen, sie hatten uns zu erst auf Ställe gewiesen aber der Komandant thate es Ihnen nicht.
Den 5ten sind wir endlich in Straßburg Vormitttag um 10 Uhr eingezogen, wie wir nun durch Kehl und über die Rheinbrücke gefahren, so sachen wir uns dort schon wieder dem Gespött und Gelachter preis gegeben, es geschache meistens theils durch das wenige Militär, welches sich dort befindet. Die dortige Besatzung ware da klein und schlecht, wir wurden dan geradenwegs in die Zittedele geführt auf einen Paradiplatz hingestellt, nach diesem wurden wir zu Fuß wieder auf einen andern Platz hinter einer Pallisaden vor einer Förchterlichen Kasserne hingestellt, wie sachen da bald, das dieses wieder ein Zuchthauß für Gallioten were, es sachen auch viele durch die starken Eissernen
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Gitter auf uns heraus und zum Willkomraßleten sie mit ihren Ketten, welches für uns ein Anblick war, daß man sich nicht wundern därfte, wen wir samtlich ohnmächtig zur Erde nieder gesunken wären; unser trauriges Schicksall zeigte sich aber [im Original gestrichen] auf ein neues für uns Schreckbar, die Thüren wurden uns [uns über der Zeile eingefügt] geöffnet, wir sachen noch traurig auf unsere alte Escorte zurück, indem sie uns besser behandelt haben, und so wurden wir durch die Treppe bis auf den obersten Boden hinauf geführt. Der Sacretär von dortigem Komandanten verzeichnet von uns ein neues Namenregister, und sagte da, wir müßten uns die Schärfe gefallen lassen: Ursach dessen, weil so viele von uns desertiert wären.
Wir machten uns freÿlich allerhand Gedanken daß man uns zu den Galioten einsperte, wir waren noch 155 Man, und kamen alle in ein Zimer; ja es ist kein Zimer, es waren der obriste Boden auf diesem Gebäude, unter dem Tache, wo wir nicht einmal einen rechtmäßigen Abtritt haben, es wurden uns nur hölzerne Geschier hingestelt, die die Gallioten täglich auslehren müßten, und wir müßten sie aber dafür bezahlen. Zu Essen gabe man uns den ersten Tag nichts, als ein schwarzes Brot, und auf den Abend, wurde uns in zweÿ hölzernen Geschier Wasser hingestellt, und alles was wir um unser Geld kaufen wollten ist Grausam theur, doch hatten schon viele fast keines mehr, wir spürten wohl das wir nicht mehr in Teutschland sind, den diese Natzion preßte uns vollends ohne Erbarmnus den letzten Heller ab. O welch ein Erbarmungs Geschichte für uns, und noch am mehresten sind wir besorgt unter diesem Laßt krank zu werden. Alda waren auch ein königlicher Printz, welcher seit der Verschwörung des Herrn General Morau hier in Verhaft lage. Dieser Gutdenkende Printz, schafte uns ein Nachtessenn an, nemlich eine Suppen, Zugemüß und Fleisch. Wir bedanckten uns höflich und wünschten das er von seiner Einkerkerung bald befreÿet werde und mit vollen Freuden seine noch übrigen Lebens-
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täge zubringen möge.
Den 6ten Abends liese man uns sagen durch den Komandanten, daß wir Morgens wieder weitter, nemlich nacher Metz sollen geführt werden.
Den 7ten Morgens fruh wurden wir schon aufgeweckt durch daß Klappern der Ketten von den Gallioten! Es wurde uns auch da befohlen, daß aus jedem Landgericht ein Komandant erwehlt würde, derselbe aber müsse mit seinem Kopf für uns haften, das keiner von uns desertiere, und solle auch seine Leute in Ordnung haben, man werde uns als dan auf der Reiße in die Wurthshäusern einquartieren. Zu unserm Glück bekamen wir einen brafen menschenfreundlichen Officier vom 19. Dragoner Regiment zu unsrem Transporths Komandanten, der wollte uns nicht anders übernehmen, es seÿe dan, das wir mit Geld unterstützt wurden. Er will, und köne uns nicht sehen, das wir nur mit Wasser und schwarzem Brod schmachteten:
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Er machte also, daß uns ein Gutherziger Kaufman 155 Loisdor vorschießte, weil just noch unser 155 an der Zahl. Wobeÿ sich aber die acht Komandanten von uns unterschreiben müßten, daß einer für alle, und alle für einen gut sprechen wollen: Wir dankten ihm höflich für diese gutte Unterstützung, den wir waren alle dieselbe nothwendig. So wurde dan wieder unsre Reise auf den 8ten dieß fest gesetzt; wir fuhren so dan wieder auf Wägen durch die ganze Stadt, so kamen wir selben Tag aus Elsiszabern, durch ebne Felder durch, die Strassen sind in diesem Land äusserst schlecht, die Felder im Elsas hoften wir besser und schöner, als wir sie gefunden haben, als wir nach “Zabern":[Zabern, franz. Saverne, Schloss 18 Jh., im Unterelsaß im franz. Dep. Bas-Rhin, an der Zorn in der Zaberner Senke. 1414 - 1789 Residenz der Bischöfe von Straßburg.] kamen, legte man uns in ein sehr [sehr ist über der Zeile eingefügt] großes Gasthaus, welches ehmals zu dem grossen abgebranten Gebäude, dem Kardinal Rohan zugehörte, wir haben dort ein schlechtes Quartier, wenig zu essen und denoch müßten wir vieles bezahlen, schlafen müßten wir auf einem wenigen Stroh;
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hier fanden wir wenig gute Leute, sie übertrafen noch die Straßburger. Ich will von dort nur eine einzige Probe anführen; es verlangte von uns ein gewisser Fußpacher Spähler mit Namen, eben in Straßburg bittnder weiße, ein Bretlein welches 4 Schuch lang war, für den Wagen darauf zu sitzen; wollte er es haben, so müßte er dafür 20 Su bezahlen, welches nach unsrer Wehrung 25 1/2 Kr machte; so könten wir dergleichen mehrere anführen. Den 9ten fuhren wir über einen kleinen Berg, und kamen selben Tag zu übernachten nach "Saarburg"[Sarrebourg] in Lothringen, wo die Manschaft von eines jeden Landgericht in die Würthshäußer gelegt wurden, alwo wieder alles sehr Theur war, dan wir müßten für ein mittelmässiges Nachtessen auf eine Persohn ein halben Kron enthaller bezahlen.
Den 10ten als am Sontag ehe wir abreißten bewilligte uns der Officier, daß wir noch dörf-
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ten zu erst eine hl. Messe anhören, wir müßten also demselbigen Geistlichen für die Messe einen halben Federnthaller bezahlen, und unter der Messen wurde noch von uns ein Opfer ausgenohmen; wir sachen daß in diesem Lande die Geistlichkeit nicht besser, als die weltlichen Bürger waren. Hernach fuhren wir am selben Tag beÿ nassem und kalten Wetter, bis auf ein schlechtes Dorf Messiar alle die Dörfer die wir sachen, waren über aus schlecht, und deren Häuser unreinlich; es gibt in den Dörfern Gasthäuser, die nur Ein- oder höchstens Zweÿ fenster haben; und unter allen Thüren, die gewöhnlich über den Mistlachen sind, stehen viele Weiber und Kinder; aber gar selten sehen wir einen jungen Man ̄ , welcher für das Militär zu gebrauchen ware.
Den 11ten fuhren wir Morgens von Messiär ab, und kamen selben Tag bis nach Wick zu übernachten, es war ein unreines schlechtes Städtlein, inwelchem auch alles sehr Theur für uns war, man liese uns dort, so wie in dem letztern Dorfe, auch wieder spatzieren gehen, um auch etwas zu sehen, wo wir aber
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nichts sahen als schlechte Häuser und wüste Leute / [ab hier Einschub in Zeilenrest:] allwo wir 2 Kameraden als krank zu rück liesen als den Jos: Burtscher von Schruns und J: J: Batlog v. Bartolomäsberg / [Einschubende]
Den 12ten kamen wir wieder in ein schlechtes Dorf Namens Soly, alda waren die Leute etwas Freundlicher gegen uns gewessen: aber die Landgegend, welche mehrentheil Akerfeld hat, ist sehr rauch und unfruchtbar, ja an Vielen Orten sache es einer rechten Wüsten eÿ gleich: alle Geräthschaften die der Baur hat, sind recht unbequem und schlecht, wir verwundern uns sam entlich Vielmahl über daß ungeschickte Volk, vermög der Bauarth und allen ihren Gerätschaften; da es sonst oft so hoch angerühmt worden. – Auch daß Land, daß wir durch reißten, so fanden wir gar nichts annehmliches darin, es ist kalt und rauch.
Den 13ten kamen wir wieder zu übernachten in die grossen Stadt Metz, diese Stadt ist schöner und grösser [im Original gestrichen] als Straßburg, wir wurden alda in dieser Stadt eine ganze
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Stund lang auf den Napolionsplatz gestelt und müßten gewärtigen, ob man uns in die Zuchthäußer, oder sonst in ein gefängniß werfe, man quartierte uns endlich in die Würthshäußer ein.
Die Dom kirche ware auserordentlich schön, und künstlich gebaut; inwendig aber sahen wir eine sehr schlechte Zierade, so daß fast nichts, als die leere Wände zu sechen, so findt man es aber fast an den mehresten Orten in Franckreich. Es wurde auf unsre Reiße wieder weiter bestimet, nemlich auf “Bouillon":[Stadt in der Region Wallonien, Provinz Luxembourg, zu Belgien gehörend seit1830] welches noch 36 Stund entfernet war.
Den 14ten Morgens nach dem wir wieder schwarzes Brod bekomen haben, so fuhren wir mit unserer neuen Escorte, in Gottesnamen weiter, und kamen selben Tag wieder in ein schlechtes Dorf namens Schandlis, wir müßten aus Mangel der Gasthäuser in Baurenhäuser verlegt werden, und um unser Geld gaben, was wir bedürftig waren.
Den 15ten kamen wir wieder auf ein Städtlein zu übernachten, Namens “Ettain":[Tschaikner:Etain] und auch wieder [... sehr Teur zehrten.]
Fortsetzung folgt