1809 – Oberallgäuer Geiseln auf dem Weg nach Bouillon (Teil 2)

von Franz Josef Gapp am 01.06.2016

Verfasst nach dem Tagebuch von Anton Math, übertragen und bearbeitet von Dr. Thaddäus Steiner

Auf 36 Stunden war die Restdauer der Fahrt nach Bouillon veranschlagt, aber wieder gewannen die Geiseln hauptsächlich schlechte Eindrücke von Frankreich, fühlten sich finanziell ausgebeutet und als Menschen missachtet.

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sehr Teur zehrten.
Den 16ten fuhren wir wieder bis Donville;
Den 17ten fuhren wir bis Estäin ein kleines Städtlein, dort fanden wir gute und auch schöne Leute, wo wir noch selten gesehen haben. Meistentheils fanden wir zwar viele, aber gar schlechte Kornfelder, die mehr einer Wüsteneÿ gliethen, und dabeÿ auch selten einen schönen Menschen antrafen.

Den 18ten fuhren wir wieder weitter bis auf Sedan: dort hatten wir wieder viel Kum er und Aengsten auszustehen, man führte uns lang in der Stadt herum, von einem Platz auf den Anderen, zuletzt gar in die Zittadelle, von dort wieder in die Stadt, auf einen andern Platz, endlich wurden wir in die Würthshäuser eingelegt, auf den Abend dürften wir auch spazieren gehen. In dieser Stadt sind kaiserliche Gefangene gewessen, deren wir von Metz bis hierher dreÿhundert

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angetroffen haben; wir fanden auch alda eine Kirchen, welche an Zierathen den unsrigen in Deutschland ähnlich war; sonst sahen die mehresten Erbärmlich aus. Die Sitten der Einwohner sind auch daß nämliche an den Sontägen sahen wir wenige der Kirchen zu laufen, wohl aber viele auf den Feldern allerhand arbeiten, als nemlich Kornschneiden, mähen, Korn, und Mistführen, Erdäpfel graben, mit einem Wort, sie thaten diejenige Arbeit, mit welcher sie sich am Werchtage auch beschäftigten, es werden auch in Sedan die feinsten Tücher gemacht, und ist deswegen sehr berühmt. Alhier wurden wir wieder als Tiroller fürchterlich Verspottet und verhönt, so gar die Jungen knaben auf der gassen warfen uns noch sogar mit Koth und Steine, und sagten man solte uns umbringen.

Den 19ten fuhren wir wieder von Sedan ab, und hatten wir nur 3 Stund

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Wegs zu machen, aber durch lauter Wüste und Rauche Felder, ja über lauter unfruchtbahre Berge, bis wir endlich auf das Schloß Bouillon kamen, das Städtlein ligt in einem engen und tiefen thalle, an einem Fluß Maßme genant, wir wurden vor dem Städtlein in eine kothige Gassen hingestellt, auf einer Seite an dem Städtlein ist auf einem hochen Felsen ein altes Schloß, welches ein Fürcherliches Aussehen hatte, es war eine kleine Festung wo man izt die Stadtsgefangene verwahret, es ist ein Zweites Spandau, oder Aschberg: Wir müßten da eine kleine [im Original gestrichen] Weil stille halten, wir merkten zwar wohl, das dieses fürchterliche Gebäude für unsere Wohnung bestimet währe, und da wir öfters traurig gegen das Schloß hinauf sahen, so wurde uns allen schwer, sich des Weinens zu enthalten; obwohl unter uns viele starkmüthige, und von einem rechten Karackter Mäner wahren. Allein, die mehresten hatten allbereit kein Geld mehr, womit wir uns nähren sollten, dan bis her hatten

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wir kein andere Verpflegung, in ganz Frankreich erhalten, als ein schwarzes Brod, welches die wenigsten essen konten, um nicht krank zu werden. Man betrachte wie traurig unser Schicksall für uns wahre; wir sachen vor unsern Augen eine fürchterliche Wohnung.

Geiseln - Heft 68

„... und da wir öfters traurig gegen das Schloß hinaufsahen, so wurde uns allen schwer, sich des Weinens zu enthalten; ...”

Geiseln - Heft 68

Das Entstehungsjahr der Burg Bouillon ist unbekannt. Ausgebaut wurde die Anlage zwischen 1050 bis 1067.

Geiseln - Heft 68

Zu einer Festung umgebaut wurde die Burg im 17. Jh. und gehört seit 1830 zum Königreich Belgien.

Wan wir nach Hause denckten, so sahen wir, daß wir bereits einen Marsch von sechzig [im Original gestrichen] von Ein hundert und sechzig Stunden gemacht hatten, täglich, ja stündlich quelten uns noch die Sorgen für unsre Famillien zu hauße, wir sahen für uns keinen Retter und kein Hilfe; stillschweigend mit diesen Gedanken führte man uns durch einen krumen weg hinauf gegen die Feste, als wir nun zu den Wachen kamen an das Thor, so mußten wir alda Halt machen, bis uns dasselbige geöffnet wurde, da führte man uns 136 Schritte durch einen unterirdischen Weeg, dieses machte uns neues Entsetzen. Der Officier welcher uns hieher Transportierte, sache unsere Traurigkeit an, er könnte sich nicht mehr enthalten, und weinte selber über uns, und wir selber weinten mit ihm: Wer wollte uns trö-

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sten, daß wir nicht weinen sollten, er ware es aber bereits nicht Vermögend uns zu stillen, ja er selber machte uns schwer, da er noch die Thränen in den Augen hatte, wir kamen endlich auf einen schmalen Hof, und für eine schlechte Kasserne hingestelt, un in die dortige Zimer zu Zechen. Man vertheilt, die Zimer waren alle schlecht und übelriechend, auch äusserst ungesund, unsere Speise besteht in nichts, als was wir uns noch durch unser weniges Gelt kauften, es wurde uns nicht mehr einmal Brod gereicht.

Zu trinken hatten wir meistens Regenwaßer, aus einer Cisterne. In diesem alten Gebäude, sind viele unterirdische Gänge und Wohnungen; wir fanden auch einige Gefangnen hier, auch ein par Printzen die an der Verschwörung beÿm Morau Antheil hatten. Ein gewisser Bruder von Trier aus einem Kloster ist auch schon zweÿ Jahre und fünf Monat hier gefangen, dieser

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Bruder besuchte uns den ersten Tag, und uns auf zumuntern suchte, es wurde aber bald eine Wacht aufgestelt, daß er hernach nicht mehr mit uns sprechen könte, weil sonst niemand gegenwärtig war, der mit uns teutsch sprechen könte. Der Festungs-Komandant liese uns durch einen Dollmetsch sagen: Er habe gar nichts um unser Ankunpft gewust, mithin auch keinen Befehl, wie, und auf was Arth er sich gegen uns zu verhalten habe, bis er vom Ministerium aus Paris davon unterrichtet werde, unter dessen müssen er uns, weil wir durch Militärische Escorte hieher Transportiert worden, durch die Wachen gut Verwahren.

Schröckbar ist jede Seite, wo wir hinsehen, wir werden weit schlechter behandelt als Kriegsgefangene, denen doch ihr Brod und Sold gereicht wird, wo wir hingegen gar nichts erhalten, auch so scharpf Verwacht als wie die größten Uibelthäter; wir könten hierin nichts machen, als unser Elend er-

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dulten, und uns ganz dem Schicksall überlassen. Es wären in dem hiesigen Städtlein Leute, deren unser Schicksalle zu Herzen gieng; aber auch diese könten uns nichts helfen, den man läst keine von ihnen, nicht einmal zu uns herauf, und alles was wir Essen oder Trinken wolten, so müßten wir es von dem Margedenter auf der Festung haben und theur bezahlen. Unsre Wohnungen sind erhöcht, und gegen der aufgehenden Sone gericht, wo wir stündlich gegen unsrem Vatterland sehen und an unsre Famillien stehts gedenken, nach welcher unser Herz noch Blutet: Als ich dieses alles betrachtete, so überfielle mich eine rechte Mattigkeit, den mein Arm beÿm Schreiben wurde mir gelähmt, und meine Feder wurde stum .

Den 20ten dieß waren wir in unsern Wohnungen mit der Hauswirthschaft beschäftiget, den es ware der Befehl, das jedes Landgericht müßte für sich selbst kochen und Häfen aus der Stadt entlehnen, wo wir aber auch dafür bezahlen müßten, wir müßten sogar Schüseln, Löfel, und die Bäßen zum fürben, und allaes was wir wolten, so gar

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auch die Liechter in alle Zimer um unser Gelt kaufen, das Holz und Fleisch welches gegeben wurde, könten wir nattürlich nicht bezahlen, weil es uns an gelt fehlte.

Der Komandant sorgte auf eine Art für uns, und sagte; er wolle sechen, das darfür gesorgt werde, so lang bis wir bezahlen könten jederman bekomt entlich alle Tag ein Pfündlein Fleisch, daß Brod darzu kauften wir, indeme wir alle etliche Tag keines mehr empfangen haten, so lang wir Geld hatten, damit wir doch auch wieder warme Speißen bekomten, den es sind etliche unter uns schon kräncklich einige hatten zweÿ, andere dreÿ Täg keine warme Speißen mehr genossen, auch noch zum Glück für uns, ist der Festungskomandant ein guter Man.

Den 21ten sind wir in der alten Lage, nur das der Mezger [im Original durchstrichen] wir izt die Einrichtung hatten, daß wir täglich eine warme Suppen und Fleisch zu essen hatten. Auf den Abend komt der Komandant und sagte: daß der Mezger für das Fleisch uns nicht mehr borgen wolle, der Komandant gabe uns aus Mitleiden, aus seinem gelde acht Loisdor, damit wir den Mezger bezahlen, und weiter leben könten,

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obwohl es auf soviehl Man nicht lange hinausreicht, auch [im Original gestrichen] diesen Abend wurde auch von unsren Leuten eine Bittschrift verfast, und nach Pariß geschickt, der Verfasser ist H[err] Petter Feÿrle von Feldkirch.

Den 22ten ware für uns nichts neues Vorgefallen.

Den 23ten und 24ten hareten wir noch mit Ungewißheit auf Glück und Unglück, es wurde auch unsere Lage von Tag zu Tag schlimer, und trauriger, indem das Geld beÿ uns allbereith völlig verschwunden ist. Nun läst uns der Comandant eine neue Ordre ansagen, wie das von Metz Bericht gekomen wäre, daß jederman von uns das Brod wieder bekomen soll, und täglich 3 Su in gelt: Dieß ware für uns ein neuer Schröcken, dan mit diesem Solde wäre sehr hart zu leben.

Den 25ten ist wieder alles im alten.

Den 26ten liese der Komandant aus jedem Landgericht den Chef zu sich komen, alwo ein jeder von unserer [im Original gestrichen] seiner Manschaft eines jeden man es Stand und Karakter angeben müßte. Weitters hatte sich diesen Monath nichts Neues mit uns in Bouillon

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ereignet, als daß man uns den lezten Tag des Monaths daß erste mahl, von 2 bis 4 Uhr Nachmittags für die Festung hinaus gelassen hatte, auf die Promenade um frische Luft zu schöpfen, wo wir dan auch Bieren, Haselnuß, und dergleichen was kaufen konten. Dieß geschache nun seither alle Tag. Den 5ten bekamen wir daß erste mahl wieder unser Komisbrod.

Den 7ten und 8ten harreten wir noch in Ungewißheit, und von keiner seite her hatten wir noch keinen Bericht, wir wußten noch nicht daß mindeste, wie sich unser Schicksal enden werde; schmachteden noch imer in der Traurigsten Laage. Wan man öfters in dem Schloß herum zugehen pflegt, besonders an Son und Feÿertagen, so finde ich hier unser Leben, zum Thail recht komisch, in dem einten Zimer Bettet man, und wieder in einem andern wird die Teutsche Messe gesungen und also dergleichen kan man allerhand sechen, man trifft auch Lachende und traurige Gesichter an.

Vom 8ten ereignete sich mit uns Gefangenen in Bouillon nichts sonderheitliches, als daß sich den 13ten zwischen uns eine kleine Streitigkeit empörte, nämlich der Comandant verlangt von uns für den Festungsmargedenter ein Attestattum, daß er uns habe redlich und ehrlich gehalten, Ursach dessen ware weil die Bürger in der Stadt gegen den Comandant

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Eifersüchtig waren, und gegen ihn mit Klagen aufgetretten waren, daß er uns nicht in die Stadt einquartieren läst, und uns in der Festung gleichsam zwingt, alle Lebensmittel so theur zu kaufen, die Bürger in der Stadt hätten an uns auch geren etwas geld gewonnen, sie waren aber uns so viel wir sahen sehr gut, wir glaubten, dan das wir dem Festungs Comandanten seÿn begehren willfahren sollten, um ihm ein Zeugnis ausstellen, auf die Art, damit es uns, und denen Bürgern in der Stadt nicht zum Nachtheil seÿe, der Herr Andreas Raab von Imenstadt sezte dan folgendes Zeugnis auf. –

Endes unterzeichnete Reprehsentanten der Vorarlbergischen Gaißeln geben dem Nollewaux auf den Schloße Bouillon daß Zeugniß, das benanter nicht nur als ein rechtschafener ehrlicher Man von uns gehalten wird, sondern auch so viel wir wissen, und Einsicht haaben können, von ihm die Lebensmittel, um einen ordnetlichen Preiß erhalten haben, seit unserm hierseÿn bis auf heutigen Tag willfahren wir mit diesem Zeugniß seinem

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ansuchen, welches geschehen auf dem Schloß Bouillon den 10ten 8br 1809 Die Schäf von jedem Landgericht haben sich sodan ̄ unterzeichent.

Den 14ten wurde uns eine neue Botschaft bekant gemacht, die uns viele Freude machte, nemlich daß der Friede zwischen Oesterreich und Franckreich unterzeichnet seÿe, und unsre Erlössung seÿe nache wo wir mit Freuden entgegensehen.

Den 19ten hareten wir noch imer in Banger Erwarthung nach unserer Erlössung, aber alles ware noch im alten. – Vor – dem 17ten wurde uns daß erste mahl in einem Zimer von unsren Wohnungen ein Hl. Messe gelessen, der Priester ware ehemals als Emigrant, auch in Teutschland, und scheint ein eifriger Priester zu seÿn, ich selbst habe der Messe beÿgewohnt.

Am 19ten dieß wurde auch wieder eine neue schrift auf Paris an Kaiser Napoleon abgeschickt, die auch vom H[errn] Petter Feurle von Feldkirch gemacht worden ist.

Schreiben an Seine Majestät des Kaÿsers von Franckreich

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Euer Majestät!

Am 21ten August d:J: wurden wir 153 Deputierte des Landes Vorarlberg zur Anhörung der Allgemeinen Anestie nach Lindau eingeladen, aber stadt dieser wurden wir aldort vom Divihsion General Herr Graf Boumont in dero allerhöchsten nahmen als Geiseln erklärt und musten Augenblicklich ohne Geld, ohne Kleidung über Strasburg, Metz, und Sedan unter Millitarischer Bedekung nach Bouillon Verreißen, wo wir aller Bürgerfreÿheit entrissen ganz eingespert sind, und so dem Herzen unserer bedrängten Famillien entrissen.

Wir santen den 21ten Febr eine dringende Vorstellung seiner Exelenz dem Herrn Minister der General-Pollizeÿ des Reichs zu Paris ein, worin wir unser betrübte Laage lebhaftest schilderten, erhielten aber bis heute weder Antwort, weder die angeflehte unterstützung, schon über Vier Wochen schmachteten wir auf

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dieser Feste, und sachen entweder Vatterländischer oder Ministerieller Unterstützung entgegen, genossen inzwischen aber unsere Subsistenz nur durch Credit, allein auch dieser fängt nun stark zu schwanken an, weil wir aus dem Vatterlande, weder Briefe noch Remihsen erhalten könten. Von der traurigsten Nothwendigkeit getrungen erlauben wir uns die tröstliche Zuflucht zu der unbegränzten Grosmuth, Milde, und Menschenfreundlichkeit, welche die Laufbahn, E: M: stets zieren, gegenwärtige angelegneste Bitte mit Vollester Ehrfurcht und nachstechendem zu begründen.

1tens Wir sind fast lauter Famillien Vätter, die zum grösten Nachtheile ihre Würhtschaften, und Gewerben von Hause abwesend sein mußten, unser weniges Geld, das wir nur auf Lindau berechneten, wurde durch die lange Reiße so erschöpft daß wir

2tens beÿ unsrem Eintritt in Bouillon schon Credit suchen musten, unsere Kleidungen sind durch die lange Reise, stetem unwetter und Gebrauch

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3tens fast gänzlich zu grunde gerichtet, auch haben wir
4tens vielle bedagte krüpelhafte, und krankelde Leüte beÿ uns – – da beÿ ein getrettenem Friede E: M: das Begnadigungs-Wort unsrer Erlössung, und zurückkehren Aussprechen werden, so müssen wir mit Grund fürchten, das uns die allenfallige

5tens Vatterländischen Remihsen verfehlen könten, in dem man sich zu Hause glaubt, daß wir auf der zurückreiße begriefen seÿn.

Bouillon Den 19ten 8bris 1809.
Im namen der Vorarlbergischen
Geißeln

Den 20ten wurden wir durch einen Kaufman von Sedan mit einer neuen Nachricht erfreut, mit der Nachricht; das nicht nur der Friede bestättiget worden, sondern die Tracktaten des selben geben, das Tirol samt Vorarlberg dem Teutschen Kaÿser zugefallen seÿe.

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was diese nachricht in unsren Herzen, für eine Freude gemacht hat, das bin ich nicht im stande zu beschreiben, man sache die Gemüther, und Angesichter beÿ allen so Fröhlich; und heiter, als wen man Ihnen nicht nur ihre Freÿheit angesagt hätte, ja ihre Freude wäre nicht größer, wan ihnen daß ganze Land zugesagt worden wäre. –

Den 22ten als einem Sontag wurde uns [im Original gestrichen]

Auf den Abend wurden wieder etliche Gläßer ausgelehrt, auf die gesundheit des Kaÿsers Franz, den es wurde beÿ dem Margedenter, wer noch Geld hatte manches Gläsel gelehrt, theils um die Langweiligen Stunden in unserer Gefangenschaft zu vergessen, oder wan wieder eine Freudige Post anlangte.

Auch am 4ten dieß, nemlich an des Kaÿser Franzen seinem Namens Feste, hatten wir so in der Stille gefeÿrt, ich mußte mich selbst Verwundern, wie unsere ganze Gesellschaft nachdem die erfreuliche Berichte angekomen

24. Blatt links
waren, so geschwind wieder alles in gutter Harmonie, und Einigkeit ware, ich erfahre jzt wohl das die kleine Streittigkeiten mehresten theils unter uns daher rührten, nemlich beÿ uns hatten viele starkes Heimweh, und viele Traurige Stunden, vermög unser schlechten Behandlung, und dabeÿ ohne zu wissen, wie lang unsere harte Gefangenschafft daurte, müßten wir ohne Geld und ohne mindeste Unterstützung schmachten, daß macht freÿlich manchem, der sich selbst nicht besonders aufmuntern kan, niedergeschlagen, bestürzt und unwillig. – Aber Gott sey gedanckt [im Original gestrichen] Dank gesagt, die Sone fängt an heitterer für uns aufzugehen: – und alle sind wieder durch ein ander Freundschäftlich und einig! Es komt auch wieder einigen Geld und Briefe von Hause, den ohne Geld ist unser Schicksal noch drückender.

Den 22ten als am Sontag wurde uns um

24. Blatt rechts
7 Uhr wieder die hl. Messe gelesen, nach der Messe geht jeder wieder in seÿn Zimer, um 10 Uhr müßten wir alle Tag uns in dem Hof stellen, und wurden dort von einem Schandarm abgezehlt; vielle von uns könten aus abgang des Geldes keinen Wein Trincken, den dieser kostete die Maß 32 Su oder unsrig Geld 48 Kr, und alles sonst nothwendige, was wir haben müssen ist sehr theur.

Den 25ten oct kame aus Schwaben der Handels Her Rupert Kuhn von Kißlegg ein Schwager zum Herrn Andreas Raab von Imenstadt, zu uns auf die Festung Bouillon, um zu sechen, wie es um seinen Schwager und allenübrigen stehe. Dieser Herr besuchte alle von uns bewohnte Zimer, er hatte grosses Mittleiden mit uns, und weinte bitterlich über unser Schicksal, er tröstete uns aber zugleich mit deme, das der Frieden zwischen Franckreich und Oestreich eingetretten allso müsse unsre Erlössung nache, und die Verhaftung könne schier unmöglich von einer langen Dauer mehr seÿn.

25. Blatt links
nach Reichswehrung gerechnet per 178 fl 523/8 Kr wo für die Sume die Sonenbergische Geiseln dem Herrn Kuhn eine schriftliche Bekantniß seÿnes Darleichens ausstelten, und zur Befridigung dessen haben sich folgente eigenhändig unterzeichnet, als der Herr Joseph Egger alter Landaman von Frastanz. Joh. Joseph Schedler von Bludenz, Joh: Jos: Batlog alter ortsvorsteher von Bürsch, Fideli Spalt alt Vorstehen von Nüziders und Michael Ant: Duelli alt Vorsteher von During. Der alte Posthalter Herr Jos: Waibel von Hochen Embs aus dem landgericht Dornbieren hatte von dem Kaiser Napollion die Gnade erhalten, das er von der Vorarlbergischen Geiselsgefangenschaft erlediget, und also nacher Hause zurückkehren möge, all wo derselbe auch am nemlichen Tag mit dem Herrn Kuhn von uns abgereist ist Den 21ten V: M: liessen aus allen Landgerichten die mit Namen gemelte, und schon längstens ge-

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wählte Schäf, als Herr Andreas Raab von Imenstadt, Herr Anton Math vom L:g: Sonthofen, Herr Xaver Baldauf vom L:g: Weiller, Herr Ignaz v. Batz vom L:g: Bregenz, Herr Franz Joseph Rusch vom L:g: Dornbieren, Herr Matheus Luogner vom L:g: Feld-Kirch, Herr Joh: Jos: Schedler L:g: Sonenberg und H. Andreas Loretz vom L:g: Montafon, an den H. Landgerichts Assessor Joseph Hillar Dialler des L:g: Weiller, ein Schreiben ergehen lassen, und denselben recht bittlich ersucht, das er die Müche auf sich nehmen und den Herrn Grießer, sodan den H[errn] Doktor Riezler beÿde von Weiller, über unsre elende Lage in welcher wir uns samentliche Gaiseln befinden, ein ver- ständigen das selbe uns an gelt unterstützen möchten; nun erhielten wir den 17ten d:M:9bris von eben obgedachten H[errn] Dialler eine schriftliche Gegenantwort, worinen er uns meldete, daß ersten jene 155 Loidor welche wir in Straßburg auf genohmen, der Herr Stadler von Simerberg durch

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die Herren v. Halder zu Augspurg getilget haben. Zweÿtens, die jeztmalige Bedürniß betreffend, so haben Herr Jos: Ant: Grießer von Weiller, an den Herrn Mayer in St. Gallen eine Anweißung von circa 8000 Liber überschickt, damit derselbe uns diesen betrag in aller möglichsten bälde überliefern, wir erwarten allso, diese Menschenfreundliche Unterstützung alle Tage und wünschen, daß diesen Mildreichen welche ein so guttes, Menschengefühl hätten, der Allerhöchste ihr Wohlmeinendes Herz belohnen wolle. Wir bejamern, und bewundern zugleich, warum sich gemäß des schon längst eingetrettenen Frieden, für uns noch keine Erlösung äuseren, wo wir dieselbe mit der grösten Sehnsucht und mit Schmerzen erwarten

26. Blatt rechts
Den 27ten dieß Schrieb der Kaufherr [...?]in and von Sedan dem Herrn Andreas Raab einen Brief worin ermeldet, wir werden nächster Tagen vom Kaÿser Napolion 25000 Liber erhalten, und vermutlich auch unsere Entlassung, welches uns herzlich erfreute und auf welches wir sehnlichst warten.

Den 28ten dieß kame ein Schreiben von dem Joh: Jos: Burtscher von Schruns welcher mit noch einem Kameraden nemlich dem Joh: Jos: Batlog v. St. Bartolomeusberg In Wigg Krank zurückgeblieben, das ebendieser Batlog schon den 28ten gestorben seÿ, und er glaube wan es mit uns sollte noch länger dauren so werde er auch noch zu uns Transportiert werden.

Den 30ten dieß als am Fest des Heiligen Andreas, und am Namenstage mehrerer unsrigen Kameraden und besonders des Herrn Andreas Raab von Imenstadt wurde Solem begangen, und Gratulation abgestattet.

Im Dbris und bis den 23ten Jener 1810 hat sich nicht sonderheitliches Zugetragen als

27. Blatt links
wir den 22ten dieß eine Bittschrift an den Kaiser Napollion und auch eine an unsern König, welcher sich in Paris befindet abgeschickt haben:

Den 24ten dieß Abends um 6 Uhr brachte uns der Herr Festungs-Comandant die Erfreuliche Nachricht, das unsere Erlößung angekomen seÿe, und wir lengstens in 3 oder 4 Tagen abreißen könen.

27. Blatt rechts sowie 28. + 29. Blatt links und rechts leer

30. Blatt links

Landleute
Wer mit Vernunft bedenckt,
den Wechsel dieser Welt,
den wird kein Glück froh,
kein Unglück Traurig machen
Freunde meines Vatterlandes beherziget,
was diese Devise zu Euch sagt
fühlet mit mir – – was nur biedere
Herzen zu fühlen im Stande sind,
und bald – ja bald wird Euch der
Genius des Glückes in die Arme
Eurer bekümerten Famillien führen
Rührend geschrieben von Eurem Freund.

Rupert Kuhn von Kieslegg

30. Blatt rechts: Es beginnen die Listen der Personen aus ihren Landgerichten; angegeben werden dazu Alter, Heimatort und Beruf im Jahr 1809.

Geiseln - Heft 68
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