Die Bergstation der Nebelhornbahn mit dem Edmund-Probst-Haus um 1958.
Die Einhundertjahrfeier des Verschönerungsvereins fiel in eine Zeit gewaltiger Oberstdorfer Investitionen, die dem Tourismus neuen Auftrieb geben sollten. Der Bau des Brandungsbades durch die Gemeinde und des Großen Kursaales durch die Kur AG veränderte das Zentrum des Marktes und verbesserte das Angebot für die Oberstdorfer Gäste.
Daß der Verschönerungsverein bei der Kapitalerhöhung der Kur AG für den Erhalt seiner 25%igen Beteiligung insgesamt 385.900 DM aufgewendet hatte, sollte sich in den nächsten Jahren als sehr gefährlich für den Bestand des Vereins erweisen.
Vorläufig jedoch konnte der Verein weiter seine Ausgaben aus der Dividende der Nebelhornbahn bestreiten. Es wurden weiterhin Bänke an den Oberstdorfer Wanderwegen aufgestellt, die Wegekolonne der Kurverwaltung wurde nachhaltig unterstützt, die Begrüßungstafel an der Sonthofener Straße und zwei Relieftafeln im Ort errichtet. Der Sauberkeit der Wanderwege und des Ortsbildes galt die Aktion „Sei kein Dreckspatz”.
Ende der 60er Jahre waren die Bemühungen der Nebelhornbahn, die geplante neue Fellhornbahn zu bauen, gescheitert. Gemeinsam mit der späteren Aktiengesellschaft für Industrie und Verkehr (AGIV) errichteten die Gebrüder Schaefer die im Jahre 1973 eröffnete Großkabinenbahn zum Fellhorn. Bereits 1971 hatte die Mitgliederversammlung den Vorstand ermächtigt, alle notwendigen Schritte zu unternehmen, die eine Kapitalerhöhung und damit einen Neubau der Nebelhornbahn möglich machen würden. Dabei war zuerst der Verkauf der Aktienmehrheit an die Gemeinde vorgesehen. Da dieser Plan aber an der schon damals mangelnden Finanzkraft der Gemeinde scheiterte, konnte im Jahr 1975 dann bei nur zwei Enthaltungen folgender Beschluß gefaßt werden:
„Die Mitgliederversammlung des Verschönerungsvereins Oberstdorf billigt die in der Hauptversammlung der Nebelhombahn AG vorgesehene Kapitalerhöhung von 2,475 Millionen um 990.000 auf 3,465 Millionen und ist damit einverstanden, daß die über eine Schachtelbeteiligung an der Nebelhombahn AG dem Verein zustehenden Bezugsrechte an die Bayerische Vereinsbank zum Preis von ca. 635.000 abgegeben werden.”
Damit hatte der Verschönerungsverein im Interesse der weiteren Verbesserung des Angebotes im Oberstdorfer Tourismus auf seine Mehrheit an der Nebelhornbahn verzichtet. Er behielt aber noch die Sperrminorität von 25 % der Anteile. Weitere 25 % hielten jeweils die Bayerische Vereinsbank und die Gebrüder Schaefer. Gemeinsam konnten Günther Grüner, Vorstand der Bayerischen Vereinsbank, Peter Schaefer und Vorsitzender Fritz Geiger im Aufsichtsrat mit dem Vorstand Franz Bäuerlein Planung und Bau der neuen Nebelhornbahn angehen. ln Anwesenheit des Bayerischen Wirtschaftsministers Anton Jaumann konnte die neue Nebelhornbahn nach nur 5 Monaten Stillstand am 9. Juni 1977 eingeweiht werden.
Nachdem das Finanzamt bereits 1972 erste Zweifel an der Gemeinnützigkeit des Vereins angemeldet hatte, eskalierte diese Frage während der nächsten Jahre und gipfelte im Januar 1976 mit dem rückwirkenden Entzug der Gemeinnützigkeit ab 1970. Die Begründung war die fehlende Übereinstimmung der Geschäftsführung mit der Satzung, hauptsächlich wegen der Kapitalerhöhung der Kur AG, die nicht mit dem Finanzamt abgestimmt war. Für den Verein bedeutete dies eine Steuerschuld bis 1976 von rund 500.000 DM, eine Schuld, die das Ende des Verschönerungsvereins bedeutet hätte.
Die Diskussion über Verantwortung und Verfahrensweise in dieser Angelegenheit führte dann im Mai 1976 zur Wahl einer neuen Vorstandschaft. Nach schwierigen Verhandlungen den ganzen Sommer über gelang es dem neuen Vorsitzenden Gustl Stempfle mit seinem Stellvertreter Dr. Paul Dreher und Kassier Otto Baumgartner bei einem letzten Gespräch mit dem Staatssekretär im Bayerischen Finanzministerium, Alfred Mayer, daß dieser Entzug der Gemeinnützigkeit zurückgenommen wurde, ein Erfolg, der die Rettung des Vereins bedeutete. Nicht vergessen werden darf an dieser Stelle auch die Hilfe des Hindelanger Landtagsabgeordneten Georg Scholl.
Um jedoch die Gemeinnützigkeit zu erhalten, waren eine Satzungsänderung und eine Neuausrichtung der Arbeit des Vereins unumgänglich. Das Aufstellen von Bänken, die Unterstützung der Wegekolonne, überhaupt alles, was als direkte Förderung des Fremdenverkehrs bezeichnet werden konnte, hatte zu unterbleiben.
1977 wurde eine neue Satzung beschlossen. Seither dient der Vereinszweck der Pflege und Erhaltung
a) der noch verbliebenen Naturlandschaft in der Umgebung von Oberstdorf, wobei insbesondere die drohende Verkarstung der Berge unter Mithilfe der einheimischen Landwirtschaft aufgehalten werden soll;
b) der Geschichte, der Mundart, des Brauchtums und der natürlich gewachsenen Bausubstanz Alt-Oberstdorfs als des kulturellen Erbes seiner Bürger.
Damit hatte die lange Tradition der unmittelbaren Fremdenverkehrsförderung durch den Verein auf staatlichen Druck ein Ende gefunden. In der Folgezeit gelang es jedoch dem Verein, auch mit dem neuen Vereinszweck bleibende Werte zu schaffen.
Waren es anfänglich Reparaturen an kleinen Bauwerken wie Feldkreuzen, Marterln und Brunnen, so wurden 1979 um rd. 35.000 DM alle Kreuzwegstationen nach Loretto komplett restauriert und mit Bildtafeln von Otto Sieber ausgestattet. Die Wendelinskapelle im Gschlief erhielt 1982 eine Drainage, das Dach wurde neu gedeckt und die Kapelle komplett restauriert.
Durch einen Zuschuß von 50 % zu den Materialkosten konnte erreicht werden, daß eine Reihe von Schinden wieder mit einem Landerndach versehen wurde. Anfang der 80er Jahre begannen einige junge, engagierte Oberstdorfer damit, die Tradition der „Berghoibat” wieder aufleben zu lassen. Diese wichtige, der Verkarstung am besten entgegen wirkende Arbeit wurde vom Verein mit 10 DM pro Zentner Bergheu unterstützt. Speziell im Trettachtal konnten damit schöne Erfolge erzielt werden.
Auch die Unterstützung des Heimatmuseums bei seiner wichtigen Aufgabe, die Geschichte unserer Heimat lebendig und anschaulich zu erhalten, war und ist dem Verein ein großes Anliegen. 1986 wurden von Vorstandsmitglied Meinhard Kling alle bekannten Werke des Oberstdorfer Künstlers Josef Anton Fischer fotografiert. Seither hängen die Reproduktionen in einem Künstlerzimmer des Museums. Zwei Gästebücher des Hotels »Luitpold« aus den Jahren 1919 bis 1939 konnte der Verein kaufen und dem Museum zur Verfügung stellen. Immer wieder wurde bei Baumaßnahmen des Museums auch finanzielle Hilfe geleistet.
1986 konnte ein einmaliges Vorhaben zu Ende gebracht werden: 9 Fotografen haben auf fast 7.000 Fotos alle Gebäude, inklusive aller Alphütten, in Oberstdorf festgehalten. Diese unschätzbare Momentaufnahme des gesamten Ortes ist in einem Banksafe gelagert und wird sicher einmal Grundlage für einen weiteren Bildband über Oberstdorf sein.
Damit sind wir bei einer Aufgabe angelangt, die der Verschönerungsverein auch in schwierigen Zeiten fortführt. 1978 war der Verein erstmals verlegerisch tätig, als er den Gedichtband von Hans Seeweg »Muettr-Schbroch a schine Schbroch« herausbrachte. Ein herausragendes Ereignis war 1980 die Veröffentlichung des Bildbandes »Alt-Oberstdorf«, vorgestellt bei der Mitgliederversammlung. Hier war es gelungen, ein einmaliges Dokument Oberstdorfer Vergangenheit zu schaffen und eine Reihe von Bildern vor dem Vergessen zu retten.
Große Anerkennung durften die Autoren Anton Berktold, Leo Huber und Hans Kappeler entgegennehmen. In kurzer Zeit war die Auflage von 2.000 Exemplaren verkauft, und 1995 mit dem 500jährigen Jubiläum der Markterhebung Oberstdorfs war dann der richtige Zeitpunkt zur Neuauflage dieses Buches gekommen.
Nach nunmehr 15 Jahren muß als fast noch wichtiger eingestuft werden der Beginn der Schriftenreihe »Unser Oberstdorf« im Jahr 1982. Mit dieser Halbjahresschrift des Verschönerungsvereins hat Oberstdorf eine Publikation, in der viele kompetente Autoren alle wichtigen Themen der Oberstdorfer Heimatgeschichte und Heimatkunde behandeln können.
Die hohe Qualität von Inhalt und Aufmachung der Hefte wird immer wieder gelobt. Garanten für diese hohe Qualität waren die Schriftleiter der Hefte, von 1982 bis 1992 Dr. Kurt Eberhard und seither Xaver Frommknecht, aber auch die große Zahl von engagierten Autoren, die immer wieder interessante Themen behandeln. Auch Helmut von Bischoffshausen von der Druckerei Hofmann widmet sich der Gestaltung der Hefte mit großer Sachkenntnis. Daß diese Hefte durch einen möglichst niedrigen Verkaufspreis weite Verbreitung in Oberstdorf finden, ist ein besonders Anliegen des Vereins, weshalb jedes Heft mit etwa 3 DM bezuschußt wird.
Betrachtet man in der Rückschau die letzten 25 Jahre, so kann man sagen, daß es dem Verschönerungsverein sehr gut gelungen ist, was Karl Hofmann in seinem Festvortrag zum 100jährigen geradezu prophetisch gesagt hat:
„Darum gilt es für den Verein, sich auch jetzt wieder neu zu orientieren und sich auch um den Begriff Erhaltung zu kümmern, um die Erhaltung dessen, was unser wertvollstes Kapital ausmacht: Ruhe- und Erholungsraum, Ursprünglichkeit der Landschaft mit ihren Bergen und Tälern, Wiesen und Wäldern, Seen und Bächen, und die Pflege all der Kulturgüter, die aus dieser Landschaft geworden sind: Musik, Gesang, Tanz, bäuerliches Volkstum, Tracht usw. .. Auf alle Fälle geht es heute darum, die wirklichen Werte unserer Heimat zu erkennen und für deren Erhaltung zu streiten.”
Spricht man über 125 Jahre Verschönerungsverein, so spricht man auch über 125 Jahre Entwicklung des Fremdenverkehrs in Oberstdorf. Der Verschönerungsverein hat seit der Satzungsänderung 1977 zwar keine direkte Rolle im Fremdenverkehrsgeschehen mehr spielen können, sein Vermögen ist aber nach wie vor in Fremdenverkehrseinrichtungen investiert.
Dieses Vermögen besteht aus vier Anteilen an der Breitachklamm Genossenschaft und jeweils 25 % der Aktien an der Kur- und Verkehrsbetriebe AG und der Nebelhornbahn AG. Das Geschehen in den beiden Aktiengesellschaften hat nachhaltige Auswirkungen auf den Verein, da er seine Ausgaben in erster Linie aus den Dividenden der Beteiligungen bestreiten muß.
Während bei der Breitachklamm in all den Jahren nie eine Dividende ausgefallen ist, war die Entwicklung bei Nebelhornbahn AG und Kur AG sehr schwankend. Trotzdem war es dem Verein bis 1990 gelungen, seine Ausgaben unter den Einnahmen zu halten.
Das änderte sich, als in diesem Jahr das Kapital der Nebelhombahn AG um 435.000 DM auf 3,9 Mio. erhöht wurde. Diese Kapitalerhöhung diente der Finanzierung des Abwasserkanals vom Nebelhorngipfel und der neuen Kabinenbahn zum Gipfel.
Um bei einem Ausgabekurs von 240 DM seinen Anteil von 25 % zu halten, mußte der Verschönerungs verein 525.000 DM aufwenden. Dies war nur durch die Aufnahme eines Darlehens in Höhe von 300.000 DM möglich. Zwar konnte dieses Darlehen in der Zwischenzeit halbiert werden, der Verein ist aber seither gezwungen, seine Aktivitäten auf die Weiterführung der Halbjahresschrift »Unser Oberstdorf« zu beschränken, da sowohl bei der Nebelhornbahn AG wie bei der Kur- und Verkehrsbetriebe AG in den letzten Jahren keine Dividende ausgeschüttet werden konnte.
Grund dafür waren Investitionen in Millionenhöhe, die das Angebot beider Gesellschaften nachhaltig verbessert haben. Am Nebelhorn entstand eine neue Kabinenbahn zum Gipfel, eine Vierersesselbahn machte den Abbruch der alten Einersesselbahn und des Schlepplifts zum Koblat möglich, und die Bergstation mit dem Restaurant wurde komplett umgebaut. Am Söllereck hat die Kur AG mit dem Neubau einer kuppelbaren Sechserkabinenbahn einen gewaltigen Schritt zur Erhaltung und Verbesserung dieses für den Oberstdorfer Tourismus so wichtigen Ski- und Wandergebietes getan.
Einweihung der neuen Söllereckbahn am 19. September 1997 durch Finanz-Staatssekretär Alfons Zeller - v. /.: Franz Bäuerlein (Vorstand der Kur AG), Pfarrer Peter Guggenberger, Pfarrer Gerhard Schäfer, Arthur Doppelmayr (bauausführende Firma Doppelmayr), Bürgermeister Eduard Geyer, Landrat Gebhard Kaiser, Martin Geißler (2. Vorsitzender des Verschönerungsvereins),
Gustl Stempfle (1. Vorsitzender des Verschönerungsvereins), Wolfgang Bosch (Verband Deutscher Seilbahnen), sitzend - Carry Gross (Initiator und Erbauer der ersten Söllereckbahn).
Für den Verschönerungsverein bedeutet diese Situation zwar einen momentanen finanziellen Engpaß, sein Vermögen ist aber durch den erhöhten Wert seiner Beteiligungen in den letzten Jahren gestiegen. Gleichzeitig verbesserten die neuen Angebote die Attraktivität Oberstdorfs auf dem hartumkämpften Tourismusmarkt.
Der Zukunft kann der Verschönerungsverein beruhigt entgegensehen, aber er sollte sich nicht scheuen, neuen Anforderungen auch durch neue Konzepte gerecht zu werden. Vielleicht macht es die weitere Entwicklung notwendig, daß der Verein wieder eine aktivere Rolle übernimmt. Er sollte darauf vorbereitet sein, wenn es gilt, mit Weitblick die Weichen für eine gute Zukunft Oberstdorfs zu stellen.
Seinen Rückblick auf die 100jährige Vereinsgeschichte beendete Karl Hofmann damals mit einem Appell an alle Mitglieder:
„Der Verschönerungsverein Oberstdorf muß der Treuhänder des Dreiklangs Natur, Mensch und Kultur sein und bleiben. Er muß energisch Front machen, wo Fortschritt Zerstörung bedeutet, wo landschaftliche Kostbarkeiten auf dem Spiele stehen. Der Verschönerungsverein muß unser wertvollstes Kapital erhalten, die Ursprünglichkeit unserer Landschaft. Er muß die Kulturgüter pflegen, die aus dieser Landschaft gewachsen sind.”
Karl Hofmanns Worte sind eine Verpflichtung für zukünftige Generationen von Vereinsmitgliedern.