Siedlungsentwicklung und Baugeschichte in Oberstdorf und Umgebung (Teil 1)

von Mathias Kappeler & Franz Vogler am 01.12.1986

Zusammengetragen und aufgezeichnet aus Interesse an der Materie. Der Anlaß zu dieser Artikelreihe war ein Teilbereich der Diplomarbeit (von Franz Vogler) am Lehrstuhl für Entwerfen und Bauen auf dem Lande, o. Prof. Dr. Ing. H. Gebhard, an der Technischen Universität München im Jahre 1974, mit der Aufgabenstellung: Fotografische und zeichnerische Analyse von Oberstdorf, von Straßenzügen, Einzelobjekten und Details.

Bei Gesprächen haben die Verfasser gemeinsame Interessenlagen und Überschneidungen festgestellt und möchten dieses Material einer interessierten Leserschaft in einer Reihe von Beiträgen vorstellen.

Die umfangreiche Materialsammlung von Mathias Kappeler zu diesem Thema wurde für diese Serie mit eingebracht.

Teil 1 Siedlungsentwicklung - Heft 10

Höhenlinien:
Abstand normal - 20 m
im Ortsbereich - 5 m

M 1: 25 000

Oberstdorf in seiner naturräumiichen Lage
 oder warum die Siedlung genau hier entstanden ist.

Bei der Mühlenbrücke endet der felsige Höhenzug Dienersberg - Hoffmannsruhe. Hier hatte die bis dahin im engen Tal fließende Trettach zum ersten Mal die Möglichkeit auszuufern. An dieser Stelle liegt ihr Flußbett ca. 25 m höher als der Lauf der Stillach im Bereich der Schlechten- bzw. Walserbrücke, woraus sich auf die Strecke von etwa 2.000 m ein Gefälle von 1,25 % errechnen läßt.

Dieses Ausufern des Flusses hat im Laufe der Zeit einen sogenannten Schwemmkegel gebildet (kegelförmige Aufschüttung von Geschiebematerial, s. a. Eintragung von 5-m-Höhenlinien in der Kartenskizze).

Die noch heute am südlichen Ortsrand erkennbaren, leicht nach Süden geneigten Flächen des Schwemmkegels in Verbindung mit dem nahen Wasserlauf, welcher auf der Scheitellinie (Fallinie) als kleiner, leicht zähmbarer Bach - der spätere Dorfbach - in Richtung Nordwesten der Stillach zustrebte, dürften bei der Suche nach neuen, geeigneten Siedlungsplätzen den Ausschlag für diesen Ort gegeben haben.

Die Flächen waren groß genug, der Boden fruchtbar (Schwemm- und Murkegel sind älteste Standorte mit landwirtschaftlicher Nutzung; vgl. oberer Vinschgau) und das Wasser reichlich, so daß sich eine größere Anzahl von Menschen hier niederlassen konnte.

Die Hauptwassermenge der Trettach wird nach und nach immer mehr in nördliche Richtung gedrängt worden sein. Im „Windschatten” des oben genannten Felsriegels (Hoffmannsruhe) dürfte ein trockener und relativ ebener Bereich bestanden haben, der sich vom Schwemmkegel nach Süden bis zu den Lorettokapellen und vom Hangfuß der Hoffmannsruhe bis etwa zur heutigen Meyersoygasse im Westen erstreckte (s. Kartenskizze horizontale Schraffur, Überschwemmungsgebiet schräge Schraffur).

Der erwähnte Bachlauf mit seinen vielfältigen Funktionen stellte die Lebensader der neuen Ansiedlung dar: der Dorfbach. Er ermöglichte die Entnahme von Trinkwasser für Mensch und Vieh (später lag die Trinkwasserleitung - Deichel der größeren Lebensdauer wegen im Wasser des Dorfbaches; s. a. „Alt-Oberstdorf’ S. 7 ff.), von Feuerlöschwasser und die Ableitung von Schmutzwasser.

Entlang dieser Lebensader haben sich die ersten Gruppen angesiedelt. Die Kleinteiligkeit der Grundstücke und die Stellung der Häuser zueinander, wie sie im Urkataster von 1819 noch ablesbar sind (häufige Erbteilung über einen langen Zeitraum), lassen in den Bereichen der heutigen Kirch- und Pfarrstraße sowie Frohmarkt, Rankgasse, Rechbergstraße und auch der oberen Oststraße die Standorte der ältesten Bauten vermuten. Neu hinzukommende Bebauungen waren sinnvollerweise immer entlang des Dorfbaches anzusiedeln und zwar jeweils in möglichst kurzer Entfernung. Als Folge hiervon läßt sich die eindeutige Längenausdehnung des Dorfes in Ost-West-Richtung erklären. Als Verbindungswege der Häuser untereinander wird als erstes die vordere Gasse (heute Ost-, Weststraße) und später die hintere Gasse (Nebelhorn-, Walserstraße) enstanden sein. Notwendige Querverbindungen zwischen vorderer und hinterer Gasse ließen so ein Wegenetz entstehen, welches heute als Leitersystem bezeichnet wird.

Die ebenen Anbauflächen erforderten wesentlich geringeren Arbeitseinsatz im Vergleich zu den oft steilen Hängen der älteren Siedlungen in den Hochtälern (Gerstruben, Traufberg), wo die Erträge durch Wegschwemmen des Humus arg gefährdet sein konnten.

Der ungebändigte Lauf der Trettach im Osten stellte aber immer wieder bei Hochwasser zur Zeit der Schneeschmelze für die Fluren nördlich des Dorfes eine große Gefahr dar, ebenso wie die Stillach für die Viehweiden im Ried und in der Meyersoy und die tiefergelegenen Bereiche im Westen, die nur im gemeinschaftlichen Einsatz durch Uferschutzbauten allmählich gebannt werden konnte (vgl. „Alt-Oberstdorf’, S. 11 ff). Mit der Zähmung der Trettach einhergehend haben sich die Siedler deren Wasserkraft in Form von Mühlen und später Sägewerken u. ä. zunutze gemacht.

Die beschriebene naturräumliche Lage begrenzte aber auch die Anzahl der Anwesen der Siedlung. Mit ca. 1.400 Einwohnern im Ortsbereich von Oberstdorf (ohne Filialorte) um das Jahr 1800 mußten die vorhandenen landwirtschaftlich nutzbaren Flächen bereits bis zum äußersten belastet werden. Der Ort hatte damit den natürlichen Gegebenheiten entsprechend seine maximale Bevölkerungszahl erreicht.

(Fortsetzung folgt)

Kontakt

Verschönerungsverein Oberstdorf e.V.
1. Vorsitzender
Peter Titzler
Brunnackerweg 5
87561 Oberstdorf
DEUTSCHLAND
Tel. +49 8322 6759

Der Verein

Unser gemeinnütziger Verein unterstützt und fördert den Erhalt und Pflege von Landschaft, Umwelt, Geschichte, Mundart und Brauchtum in Oberstdorf. Mehr

Unser Oberstdorf

Seit Februar 1982 werden die Hefte der Reihe "Unser Oberstdorf" zweimal im Jahr vom Verschönerungsverein Oberstdorf herausgegeben und brachten seit dem ersten Erscheinen einen wirklichen Schub für die Heimatforschung. Mehr

Wir verwenden Cookies
Wir und unsere Partner verwenden Cookies und vergleichbare Technologien, um unsere Webseite optimal zu gestalten und fortlaufend zu verbessern. Dabei können personenbezogene Daten wie Browserinformationen erfasst und analysiert werden. Durch Klicken auf „Alle akzeptieren“ stimmen Sie der Verwendung zu. Durch Klicken auf „Einstellungen“ können Sie eine individuelle Auswahl treffen und erteilte Einwilligungen für die Zukunft widerrufen. Weitere Informationen erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Einstellungen  ·  Datenschutzerklärung  ·  Impressum
zurück
Cookie-Einstellungen
Cookies die für den Betrieb der Webseite unbedingt notwendig sind. weitere Details
Website
Verwendungszweck:

Unbedingt erforderliche Cookies gewährleisten Funktionen, ohne die Sie unsere Webseite nicht wie vorgesehen nutzen können. Das Cookie »TraminoCartSession« dient zur Speicherung des Warenkorbs und der Gefällt-mir Angaben auf dieser Website. Das Cookie »TraminoSession« dient zur Speicherung einer Usersitzung, falls eine vorhanden ist. Das Cookie »Consent« dient zur Speicherung Ihrer Entscheidung hinsichtlich der Verwendung der Cookies. Diese Cookies werden von Verschönerungsverein Oberstdorf auf Basis des eingestezten Redaktionssystems angeboten. Die Cookies werden bis zu 1 Jahr gespeichert.

Cookies die wir benötigen um den Aufenthalt auf unserer Seite noch besser zugestalten. weitere Details
Google Analytics
Verwendungszweck:

Cookies von Google für die Generierung statischer Daten zur Analyse des Website-Verhaltens.

Anbieter: Google LLC (Vereinigte Staaten von Amerika)

Verwendete Technologien: Cookies

verwendete Cookies: ga, _gat, gid, _ga, _gat, _gid,

Ablaufzeit: Die Cookies werden bis zu 730 Tage gespeichert.

Datenschutzhinweise: https://policies.google.com/privacy?fg=1

Externe Videodienste
Verwendungszweck:

Cookies die benötigt werden um YouTube Videos auf der Webseite zu integrieren und vom Benutzer abgespielt werden können.
Anbieter: Google LLC
Verwendte Technologien: Cookies
Ablaufzeit: Die Cookies werden bis zu 179 Tage gespeichert.
Datenschutzerklärung: https://policies.google.com/privacy?hl=de&gl=de

Cookies die benötigt werden um Vimeo Videos auf der Webseite zu integrieren und vom Benutzer abgespielt werden können.
Anbieter: Vimeo LLC
Verwendte Technologien: Cookies
Ablaufzeit: Die Cookies werden bis zu 1 Jahr gespeichert.

Datenschutzerklärung: https://vimeo.com/privacy