Höhenlinien:
Abstand normal - 20 m
im Ortsbereich - 5 m
M 1: 25 000
Zusammengetragen und aufgezeichnet aus Interesse an der Materie. Der Anlaß zu dieser Artikelreihe war ein Teilbereich der Diplomarbeit (von Franz Vogler) am Lehrstuhl für Entwerfen und Bauen auf dem Lande, o. Prof. Dr. Ing. H. Gebhard, an der Technischen Universität München im Jahre 1974, mit der Aufgabenstellung: Fotografische und zeichnerische Analyse von Oberstdorf, von Straßenzügen, Einzelobjekten und Details.
Bei Gesprächen haben die Verfasser gemeinsame Interessenlagen und Überschneidungen festgestellt und möchten dieses Material einer interessierten Leserschaft in einer Reihe von Beiträgen vorstellen.
Die umfangreiche Materialsammlung von Mathias Kappeler zu diesem Thema wurde für diese Serie mit eingebracht.
Oberstdorf in seiner naturräumiichen Lage oder warum die Siedlung genau hier entstanden ist.
Bei der Mühlenbrücke endet der felsige Höhenzug Dienersberg - Hoffmannsruhe. Hier hatte die bis dahin im engen Tal fließende Trettach zum ersten Mal die Möglichkeit auszuufern. An dieser Stelle liegt ihr Flußbett ca. 25 m höher als der Lauf der Stillach im Bereich der Schlechten- bzw. Walserbrücke, woraus sich auf die Strecke von etwa 2.000 m ein Gefälle von 1,25 % errechnen läßt.
Dieses Ausufern des Flusses hat im Laufe der Zeit einen sogenannten Schwemmkegel gebildet (kegelförmige Aufschüttung von Geschiebematerial, s. a. Eintragung von 5-m-Höhenlinien in der Kartenskizze).
Die noch heute am südlichen Ortsrand erkennbaren, leicht nach Süden geneigten Flächen des Schwemmkegels in Verbindung mit dem nahen Wasserlauf, welcher auf der Scheitellinie (Fallinie) als kleiner, leicht zähmbarer Bach - der spätere Dorfbach - in Richtung Nordwesten der Stillach zustrebte, dürften bei der Suche nach neuen, geeigneten Siedlungsplätzen den Ausschlag für diesen Ort gegeben haben.
Die Flächen waren groß genug, der Boden fruchtbar (Schwemm- und Murkegel sind älteste Standorte mit landwirtschaftlicher Nutzung; vgl. oberer Vinschgau) und das Wasser reichlich, so daß sich eine größere Anzahl von Menschen hier niederlassen konnte.
Die Hauptwassermenge der Trettach wird nach und nach immer mehr in nördliche Richtung gedrängt worden sein. Im „Windschatten” des oben genannten Felsriegels (Hoffmannsruhe) dürfte ein trockener und relativ ebener Bereich bestanden haben, der sich vom Schwemmkegel nach Süden bis zu den Lorettokapellen und vom Hangfuß der Hoffmannsruhe bis etwa zur heutigen Meyersoygasse im Westen erstreckte (s. Kartenskizze horizontale Schraffur, Überschwemmungsgebiet schräge Schraffur).
Der erwähnte Bachlauf mit seinen vielfältigen Funktionen stellte die Lebensader der neuen Ansiedlung dar: der Dorfbach. Er ermöglichte die Entnahme von Trinkwasser für Mensch und Vieh (später lag die Trinkwasserleitung - Deichel der größeren Lebensdauer wegen im Wasser des Dorfbaches; s. a. „Alt-Oberstdorf’ S. 7 ff.), von Feuerlöschwasser und die Ableitung von Schmutzwasser.
Entlang dieser Lebensader haben sich die ersten Gruppen angesiedelt. Die Kleinteiligkeit der Grundstücke und die Stellung der Häuser zueinander, wie sie im Urkataster von 1819 noch ablesbar sind (häufige Erbteilung über einen langen Zeitraum), lassen in den Bereichen der heutigen Kirch- und Pfarrstraße sowie Frohmarkt, Rankgasse, Rechbergstraße und auch der oberen Oststraße die Standorte der ältesten Bauten vermuten. Neu hinzukommende Bebauungen waren sinnvollerweise immer entlang des Dorfbaches anzusiedeln und zwar jeweils in möglichst kurzer Entfernung. Als Folge hiervon läßt sich die eindeutige Längenausdehnung des Dorfes in Ost-West-Richtung erklären. Als Verbindungswege der Häuser untereinander wird als erstes die vordere Gasse (heute Ost-, Weststraße) und später die hintere Gasse (Nebelhorn-, Walserstraße) enstanden sein. Notwendige Querverbindungen zwischen vorderer und hinterer Gasse ließen so ein Wegenetz entstehen, welches heute als Leitersystem bezeichnet wird.
Die ebenen Anbauflächen erforderten wesentlich geringeren Arbeitseinsatz im Vergleich zu den oft steilen Hängen der älteren Siedlungen in den Hochtälern (Gerstruben, Traufberg), wo die Erträge durch Wegschwemmen des Humus arg gefährdet sein konnten.
Der ungebändigte Lauf der Trettach im Osten stellte aber immer wieder bei Hochwasser zur Zeit der Schneeschmelze für die Fluren nördlich des Dorfes eine große Gefahr dar, ebenso wie die Stillach für die Viehweiden im Ried und in der Meyersoy und die tiefergelegenen Bereiche im Westen, die nur im gemeinschaftlichen Einsatz durch Uferschutzbauten allmählich gebannt werden konnte (vgl. „Alt-Oberstdorf’, S. 11 ff). Mit der Zähmung der Trettach einhergehend haben sich die Siedler deren Wasserkraft in Form von Mühlen und später Sägewerken u. ä. zunutze gemacht.
Die beschriebene naturräumliche Lage begrenzte aber auch die Anzahl der Anwesen der Siedlung. Mit ca. 1.400 Einwohnern im Ortsbereich von Oberstdorf (ohne Filialorte) um das Jahr 1800 mußten die vorhandenen landwirtschaftlich nutzbaren Flächen bereits bis zum äußersten belastet werden. Der Ort hatte damit den natürlichen Gegebenheiten entsprechend seine maximale Bevölkerungszahl erreicht.
(Fortsetzung folgt)