Siedlungsentwicklung und Baugeschichte in Oberstdorf und Umgebung (Teil 8)

von Mathias Kappeler & Franz Vogler am 01.12.1990

Holzbautechniken

Der Ständerbau

Im Ständerbau werden die Lasten des Gebäudes über stehende Säulen auf das Fundament übertragen. Die zwischen den Säulen liegenden Wände werden mit den verschiedensten Holzkonstruktionen ausgefacht.

Im Ostallgäu und im Unterallgäu war dies die vorherrschende Konstruktionsart, im Oberallgäu ist der Ständerbau - mit Ausnahme des Fachwerks - schon seit dem 17. Jahrhundert außer Gebrauch gekommen.

Sehr beliebt war vor dem 17. Jhdt. die sogenannte Spundwand. Hier wurde der Raum zwischen den Ständern und Riegeln abwechselnd mit breiten Läden und stehenden Säulen ausgefacht (s. Abb. Nr. 1).

Diese Konstruktionsform wird von Volkstumsforschern gerne den Alemannen zugeschrieben, sie ist jedoch teilweise auch in romanisch besiedelten Gebieten üblich. Ursache für ihre Anwendung dürfte der gegenüber dem Blockbau wesentlich verringerte Holzverbrauch sein. Die Läden sind nur etwa 5 cm stark, deshalb haben diese Wände auch eine sehr schlechte Wärmedämmung.

Die Spundwand war schon vor Einführung der durch Wasserkraft angetriebenen Gattersägen einfach auszuführen, da die kurzen Ladenstumpen durch Spalten von ca. 1,8 m langen Stämmen einfach herzustellen waren. Die gespaltenen Läden wurden anschließend glatt behauen.

Die Spundwand wurde im Oberallgäu niemals für die Stubenwände angewandt, jedoch gab es alte Häuser, bei denen außer der Stube und dem Gaden alle Wände in einer Ständerbau-Konstruktion ausgeführt waren. An keiner Außenwand an alten Oberstdorfer Bauernhäusern sieht man heute noch eine offene Spundwand. Wegen der schlechten Isolation wurden die Spundwände in neuerer Zeit in der Regel alle verputzt, verschindelt oder auch ganz abgebrochen.

Bei Zwischenwänden innerhalb von Gebäuden wurden zur Ausfachung der Ständerwände auch stehende tafelartige Läden mit Nut und Feder benutzt.

Nach Einführung der durch Wasserkraft betriebenen Gattersägen konnten dann längere Läden und Bretter einfach hergestellt werden; statt der stehenden Läden wurden zur Ausfachung der Ständerwand nun liegende Läden mit Nut und Feder verwandt (= Bohlenständerwand, s. Abb. Nr. 2).

Teilweise gibt es auch Ständerwände, bei denen die Spundwand später durch eine Ausfachung aus liegenden Balken ersetzt wurde, so z.B. beim „Bärtesar" (Schrofengasse Hs. Nr. 4). Dort sind beim oberen Stockwerk die Säulen der Ständerwand noch offen zu sehen, die Büge wurden jedoch nach Einfügen der dickeren Balkenausfachung entfernt. Diese 12 -14 cm starke Bohlenständerwand ist konstruktiv dem Blockbau ebenbürtig, sie wurde deshalb noch bis ins 19. Jahrhundert auch bei Neubauten im Oberallgäu vereinzelt angewandt (s. Abb. Nr. 3).

Das Fachwerk

Im Oberallgäu wurden die ehemals vielfach für den Küchenteil verwendeten Spundwände und Bohlenständerwände meist durch das Fachwerk ersetzt.

Das Fachwerk gehört konstruktiv ebenfalls zum Ständerbau, jedoch sind beim Oberallgäuer Fachwerk in der Regel keine angeblatteten Büge verwendet worden, sondern es wird meist durch wanddicke Streben, Andreaskreuze oder andere Zierstreben ausgesteift. Das Fachwerk ist im Oberallgäu in der Regel durch Bruchsteinmauern ausgefacht, Lehmausfachungen sind bei den heute bestehenden Gebäuden nicht bekannt.

Meist wurde die Fachwerkwand wegen ihrer schlechten Wärmedämmung nur für die Flurküche, den „Solar" und den Giebel angewandt (s. Abb. Nr. 4), in seltenen Fällen wurde das ganze obere Stockwerk im Fachwerk erstellt (s. Abb. Nr. 5 u. 6), manchmal auch nur der Giebel (s. Abb. Nr. 7).

Der Ständerbau hat im Allgäu eine lange Tradition. In Cambodunum, dem kelto- romanischen Kempten, wurden bei der Grabung 1953 Reste von Holzbauten freigelegt, die als reiner Ständerbau rekonstruiert werden konnten. Der Ständerbau in Cambodunum war mit Lehm ausgefacht (Fachwerk). Die Wände wurden, wie bei den Allgäuer Spundwänden und Bohlenständerwänden, durch angeblattete Kopfbänder ausgesteift (s. Abb. Nr. 8).

Die Aussteifung der im Ständerbau konstruierten Gebäude wurde im Oberallgäu sehr primitiv ausgeführt, oft diente ein einziger Bug zur Aussteifung einer ganzen Wand. Die Wände haben sich deshalb häufig in eine schiefe Lage verschoben.

Während im Oberallgäu die Holzbautechnik des Ständerbaus wohl wegen dieser konstruktiven Probleme gegenüber dem Blockbau völlig in den Hintergrund trat, wurde der Ständerbau im Ostallgäu zu hoher technischer Perfektion weiterentwickelt.

Bildernachweis:

Abbildung Nr. 1: Zeichnung Mathias Kappeler
Abbildung Nr. 2: entnommen aus: Max Gschwend, Schweizer Bauernhäuser, Verlag Paul Haupt. Bern. Abbildungen Nr. 3, 5, 6, 7: Mathias Kappeler
Abbildung Nr. 4: entnommen aus: Werner Krämer, Cambodunumforschungen, 1953 - 1. Die Ausgrabung von Holzhäusern zwischen der 1. und 2. Querstraße, Verlag Michael Lassleben. Kallmünz/OPF 1957.

Teil 8 Siedlungsentwicklung - Heft 17

Abbildung Nr. 1a
Die Spundwand

Teil 8 Siedlungsentwicklung - Heft 17

Abbildung Nr. 1b
Die Bauteile der Spundwand

Teil 8 Siedlungsentwicklung - Heft 17

Abbildung Nr. 2
Bohlenständerwand

Teil 8 Siedlungsentwicklung - Heft 17

Abbildung Nr. 3
Bohlenständerwand in
Unterthalhofen

Teil 8 Siedlungsentwicklung - Heft 17

Abbildung Nr. 4
Haus Huber (erbaut 1675)
Südseite

Teil 8 Siedlungsentwicklung - Heft 17

Abbildung Nr. 5
Fachwerkbau in Rubi,
erbaut 1702

Teil 8 Siedlungsentwicklung - Heft 17

Abbildung Nr. 6
Fachwerk des 17. Jahrhunderts,
in Altstätten

Teil 8 Siedlungsentwicklung - Heft 17

Abbildung Nr. 7
Fachwerkgiebel in Rubi,
erbaut 1776/77

Teil 8 Siedlungsentwicklung - Heft 17

Abbildung Nr. 8
Rekonstruktion eines
Holzhauses im römischen
Cambodunum

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