Abbildung Nr. 1 - 4
Eckverbände
Holzbautechniken
Der Blockbau
Das Oberallgäu, das Kleine Walsertal und die benachbarten Täler im Vorarlberg und im Tirol gehören zu den klassischen Gebieten des Blockbaus. Der Blockbau wurde zwar bei uns nicht bis zur künstlerischen Blüte weiterentwickelt, wie z.B. in manchen Schweizer Regionen, jedoch haben die Oberallgäuer und Walser Zimmerleute beim Blockbau zumindest handwerklich eine große Perfektion erreicht. Der Blockbau erlebt zur Zeit erfreulicherweise eine Renaissance, und manche Bauherren wollen diese gesunde Holzbauweise heute wieder anwenden. Deshalb möchten wir diesem Thema etwas breiteren Raum widmen.
Die Wand im Blockbau
Die älteste zimmermannsmäßige Blockbautechnik bei unseren Wohnhäusern ist wohl der vollständig verkämmte Eckverband (s. Abb. 1), der im Oberallgäu in der Regel jedoch nur für die obersten Balkenkränze unter dem Dach angewandt wurde. Im Lechtal, seinen Seitentälern und im Tannberg ist dieser Eckverband noch realtiv häufig zu finden, er ist in weiten Teilen der Schweiz und Tirols sogar vorherrschend.
Im Gemeindegebiet von Oberstdorf gibt es nur wenige Häuser, die ausschließlich mit diesem Eckverband „gestrickt” wurden. Beim „Seewegs Hiesle” im Traufberg ist die vollständige Verkämmung noch offen zu sehen, bei der Wirtschaft in Einödsbach wurden die Vorköpfe später abgesägt und beim Anwesen Steurer (Oberstdorf, Rankgasse 13) sind die herausragenden Vorköpfe heute noch unter dem Verputz erkennbar.
Eine Weiterentwicklung ist der abgesetzt verkämmte Eckverband (s. Abb. 2). Dieser Eckverband ist im Vorarlberg häufig zu finden. Er war im 16. und 17. Jh. im Oberallgäu typisch für die Zimmerleute des Kleinwalsertales. In der Gemeinde Oberstdorf sind Häuser mit dieser Blockbautechnik in Gerstruben, Einödsbach und auf der Gaisalpe zu finden; die Erbauer dieser Häuser waren Walser. Im Allgäu wird dieser Verband auch „Kopfstrick” genannt.
Auffällig an den Walser Blockbauten ist außerdem, daß die Stämme unter Ausnutzung der vollen Querschnittshöhe extrem „waldrecht” behauen wurden, d.h. war der Stamm „gähspitz” (=konisch), so war die „Flecke” (=Wandbalken) ebenfalls in der Querschnittshöhe konisch. Manchmal findet man bei Walser Häusern einzelne Balken im Wandgefüge bis zu einer Balkenhöhe von 80 cm bei einer Wandstärke von ca. 12 cm! Die Walser im Kleinwalsertal und in Gerstruben haben außerdem innerhalb der Blockwände die Balken öfter mit einem Zapfenstoß (Verschlitzung) gestoßen. Dies findet man sonst bei Oberallgäuer Häusern nie.
Die Oberallgäuer Zimmerleute haben in der Regel beim Blockbau keine verkämmten Eckverbände ausgeführt, sondern sie haben verblattete und verzinkte Eckverbände (s. Abb. 3 und 4) ohne überstehende Vorköpfe bevorzugt.
Die ältesten Blockbauten der Oberallgäuer Zimmerleute sind verblattet (s. Abb. 3) und mit einer Verdübelung im Eckverband gesichert. Eine Verzinkung - durch schräg nach innen verjüngte Zinken - läßt sich bei den ältesten Blockbauten des Oberallgäus noch nicht feststellen. Zum Ende des 16. Jahrhunderts wurde die Fläche des Blattes schräger gestellt, womit auf die Verdübelung im Eckverband verzichtet werden konnte; dadurch entstand die sog. Verzinkung.
Etwa ab dem Dreißigjährigen Krieg wurde an der Innenseite der Verzinkung eine Vernutung angeordnet, die einen winddichten Verband garantierte (s. Abb. 4). Diese Vernutung wird auch „Schloß” genannt. Nur ein Haus mit diesem Eckverband wird deshalb im Oberallgäu als „geschlossenes” Haus bezeichnet. Wegen der unübertroffen kraftschlüssigen und winddichten Qualitäten dieses Verbandes werden auch heute noch die handwerklich perfekten Blockbauten in dieser Art und Weise hergestellt. In Oberstdorf hat der Zimmermeister Alois Schraudolf einige Gebäude in den letzten Jahren in dieser traditionellen Technik erstellt. Der Aufwand für den „geschlossenen” Verband ist relativ groß, an einem Tag können, einschließlich aller Nebenarbeiten, max. ca. 3 bis 4 Balkenkränze eines normalen Wohnhauses gezimmert werden; das Behauen der Balken ist dabei nicht mit eingerechnet.
Die Zinken werden ohne Schablone am Balken angerissen. Hierzu wird der neue Balken auf den zuletzt gefertigten Verband aufgelegt, dann werden mit Wasserwaage (senkrechter Riß) und Zirkel (liegender Riß) die Maße auf den daraufliegenden Balken übertragen; der Winkel der nächsten Verzinkung kann dann wieder frei gewählt werden (s. Abb. 5). Das eigentliche „Schloß” wird auch heute noch mit dem sog. „Milprigele” angerissen, das ist ein genau 20 mm starker Holzstab.
Verdübelt werden die Balken mit Hartholzdübel im Abstand von ca. 1,5 m. Diese Dübel werden heute aus Buche oder Eiche hergestellt und in ein von oben in die übereinanderliegenden Balken gebohrtes Loch eingeschlagen. Früher wurden die Dübel aus Mehlbeerbaum oder Haselnuß gefertigt. Beim Aufsetzen eines neuen Balkens auf die Wand mußte der vorgebohrte Balken mit einer „Haie” in die Dübel des darunterliegenden Balkens geschlagen werden. Diese „Haie” ist ein Holzklotz mit zwei senkrecht stehenden Stangen; der Zimmermann balancierte mit der Haie auf der Wand und stampfte gleichzeitig beim Schlag mit beiden Beinen auf den Balken.
Ein großer Nachteil des Blockbaus ist das enorme „Setzen” des Bauwerks durch das „Schwiene” ( = Schwinden) des Holzes quer zur Faser. Für ein Stockwerk rechnet man mit einem Setzmaß von bis zu 10 cm (ca. 5 %) vom „grünen” Holz bis zum ausgetrockneten Zustand. Diese „Setzluft” muß bei allen senkrechten Säulen, die in die Holzwand eingefügt sind, berücksichtigt werden.
Die Fugendichtung wurde früher mit Moos hergestellt, die Balken wurden hierzu an der Auflagefläche leicht hohl behauen. Die Tätigkeit des Abdichtens wird deshalb in unserer Mundart als „miese” bezeichnet. Heute werden als Dichtprofile meist Federn aus Hartholz eingenutet.
Die Wände im Blockbau wurden nach 1600 auch künstlerisch gestaltet. So zieren manche Gesimse an Blockbauten im Oberen Allgäu die beliebten Zahnschnittfriese. Wir geben hier als Beispiel das Foto eines einfachen Frieses an einem Haus in Winkel bei Sonthofen wieder (s. Abb. 6).
Kunstvoll gestaltet wurden auch die Pfettenvorköpfe der Blockbauten. Zu Anfang des 17. Jahrhunderts waren in der Schweiz, im Vorarlberg, im Allgäu und auch im äußersten Westen Tirols die „Pferdekopf”-Pfetten groß in Mode. Diese elegante Pfettenform gotischen Ursprungs stellt einen stilisierten Pferdekopf dar. Die Nase des Kopfes ist heute meist abgeschlagen und abgewittert (s. Abb. 7).
Später, zum Ende des 17. Jhs. und im 18. Jh., nahmen die Pfettenvorköpfe mehr barocke Formen an, die bei den einfachen Allgäuer Blockbauten jedoch eher aufgesetzt wirken (s. Abb. 8 „Rollenköpfe”). Bei alten Türen und Fenstern sind noch ganz vereinzelt die „Eselsrücken” zu sehen (s. Abb. 9), die jedoch meist späteren Tür- und Fenstervergrößerungen zum Opfer fielen.
Die Decke im Blockbau
Die Decken im Blockbau wurden als ca. 8 bis 10 cm starke „Läden” ( = Dielen) mit Nut und Feder in eine umlaufende Nut in der Wand eingelassen. Die letzten zwei Läden waren konisch, wobei der letzte Laden als „Trieblade” in die Decke eingeschlagen wurde. Die Decke konnte so bis zum Abklingen des Schwindprozesses im dichten Fugenschluß gehalten werden. Man bezeichnet diese Art von Decken auch als „gespannte” Decken. Den Schlitz für den „Trieblade” sieht man heute noch in der Außenwand unverputzter Häuser.
Im 15. Jh. wurden solche Decken noch ohne Nut und Feder durch aneinandergelegte „Läden” hergestellt (s. Abb. 10), doch schon seit dem 16. Jh. wurde die Fugendichtung über Nut und Feder allgemein gebräuchlich (s. Abb. 11)
Durch abwechselndes Anordnen eines dickeren Tragbalkens und eines schwächeren Ladens wurden die Decken an der Untersicht profiliert (s. Abb. 12) und auch künstlerisch gestaltet (s. Abb. 13 und 14). Im ehemaligen Haus Nr. 55 (heute Rechbergstraße Nr. 1) in Oberstdorf ist noch eine schöne gotische Stubendecke aus dem 16. Jh. erhalten, die heute ein leider wenig beachtetes Dasein in einem Ladengeschäft fristet. In diese Stubendecke sind 16 kreisförmige Ornamente mit unterschiedlichen gotischen Motiven eingeschnitzt; die stärker ausgebildeten Tragbalken enden am Rand der Decke in lanzenförmigen Ornamenten. An der nördlichen Wand ist noch die halbkreisförmige Öffnung für den ehemaligen Wickelkamin des Stubenherdes erkennbar.
Insgesamt hielt der nüchterne Allgäuer nicht viel von der „Kunst am Bau”. Die Allgäuer Häuser halten in dieser Beziehung keinen Vergleich mit den Vorarlberger und Schweizer Blockbauten stand.
Leider werden die wenigen Vorbilder bei den noch bestehenden alten Bauten zu wenig beachtet, es gäbe sonst nicht die häufigen Geschmacksverirrungen an manchen „künstlerisch” gestalteten Neubauten.
Fortsetzung folgt