Dies verwundert auch nicht, da der Landesherr bis ins hohe Alter in Oberstdorf zur Jagd ging und seit 1856 hier ein Jagdhaus besaß.
Als Ergänzung zu den Ausführungen Rattelmüllers wäre für Oberstdorf nur noch hinzuzufügen, daß über dem anfangs kragenlosen Hemd grüne Hosenträger getragen wurden. Auf dem Mittelstück waren zuerst nur drei Edelweiß (vgl. Bild S. 212), zeitweise auch eine Alpenrose zwischen zwei Edelweiß eingestickt. Später wurden auch die Träger bestickt. Ein bayrisches Rautenmuster auf dem Steg oder eine Krawatte waren bei den Einheimischen nie üblich. Der „Stöpsel” wurde ab 1860 niedriger und machte einem Jägerhut Platz, welchen der Huaterer Schätz vom Tegernsee heute noch neben dem Stöpsel als Modell „Jagerloisl” führt. Als Hutschmuck diente eine Spielhahnfeder, ein einfach gebundener kleiner Gemsbart oder die noch ältere Kokarde, das Gemsrädle.
Der Adlerflaum kam erst kurz vor der Vereinsgründung auf und hielt sich bis über den 1. Weltkrieg (vgl. Bild S. 212).
Nun wollen wir uns das Schuhwerk noch anschauen. Die „Grobgenähten” oder „Griffschuhe”, d. h. Bundschuhe, welche mittels Kappennägeln und am Absatz mit einem dreizackigen Eisen beschlagen waren, werden in der Fachsprache als „Jägerschuhe” bezeichnet (vgl. Bild S. 214 oben). Dazu gab es Ledergamaschen, die durch Haken an drei Ösen am Absatz befestigt wurden. Zum Binden konnten die Schuhbänder seitlich durch zwei Öffnungen gezogen werden. Diese Kombination ergab die sog. „Griffschüehbössle”. „Bossen” im heutigen Sinn eines hohen Bergschuhs gibt es erst seit den 30er Jahren dieses Jahrhunderts.
Die Griffschuhe sind keine Importware aus Oberbayern. Schon die Tatsache, daß Schuhnägel seit der Errichtung von Schmelzöfen im Allgäu (in Oberstdorf seit 1760 Hornsteinscher Schmelzofen am Faltenbach) hergestellt wurden, deutet auf ein frühes Vorkommen genagelter Schuhe hin. Vorläufer dürften dabei die „Gaisarholtsche”, d. h. Gaishirtenholzschuhe sein, die auch schon mit Nägeln beschlagen waren (vgl. Bild S. 214 unten).
Wie aus zuverlässiger Quelle zu erfahren war, hat der Schuhmacher Joachim Schratt (Schüechtarmändle, wohnhaft Hs.Nr. 121, heute Nebelhornstraße 16) vor 1850, also bevor Prinz Luitpold nach Oberstdorf kam, Griffschuhe hergestellt. Er vererbte diese Kunst seinem Sohn Ludwig Schratt weiter. Aus dem Tagebuch des Fuhrhalters Engelbert Blattner entnehmen wir, daß Blattner am 22. September 1889 eben diesen Ludwig mit dem Fuhrwerk nach Linderhof fahren mußte. Prinzregent Luitpold ließ sich dort von Schratt Griffschuhe anmessen. Dies ist wiederum ein Beweis dafür, daß diese Art Schuhe für Bergheuer und Jäger bei uns gemacht wurden. Wären sie von Oberbayern durch den Regenten eingeführt worden, hätte dieser bestimmt einen geeigneten Schuhmacher im Tegernseer Gebiet konsultiert.
Auch der Sohn Ludwigs, wiederum ein Joachim Schratt, der bereits Gründungsmitglied des hiesigen Volkstrachtenvereins war, hat wiederholt Kundschaft aus dem Königshaus gehabt, wie z. B. Prinz Albrecht von Bayern, den Neffen der Herzogin von Urach. Er verarbeitete die Schuhnägel von den Nagelschmieden von Wechs, Bruck bei Hindelang und Ludwig Vogler (Nennar) aus Oberstdorf.
Einer weiteren Quelle zufolge hat ein anderer Oberstdorfer Schuhmacher, nämlich Franz Schratt (heute Schuh-Schratt), zusammen mit seinem Zeitgenossen, dem Adlerkönig Leo Dorn (1836 - 1915), ein eigenes System von Griffschuhen entwickelt, welches den Gemsfuß als Vorbild genommen hat. Die Schuhnägel dazu lieferte der Hintersteiner Nagelschmied Haas. Zum Platteln hat man allerdings den unbeschlagenen Bundschuh verwendet.
Was die Frauentracht angeht, so scheint sie aus Teilen der ortsansässigen Tracht in gleichzeitiger Anlehnung an die Miesbacher Trachtenbewegung entstanden zu sein. Wilhelm Math schreibt: „Nach Angaben von Karl Schedler sen., gest. 1932, 76 Jahre, wurde die Miedertracht von Nazle Ludwig (Ludwig Gschwender, Kaufmann) um 1890 hergebracht. Er hatte dann die Stoffe in seinem Laden feil.”
Übernommen wurde mit großer Wahrscheinlichkeit das schwarze Samtleibchen ohne Latz von der hiesigen Werktagstracht (vgl. BildS. 208 und S. 211). Es wurde mit einem Latz ausgestattet und nach bayrischer Art mit einer Panzerkette von unten nach oben kreuzweise an Silberhaken geschlossen. Nun wurden auch verzierte Haken verwendet, die außen auf das Mieder aufgenäht wurden. Von der Münchner Kellnerinnentracht des Biedermeier wurde die Sitte, Taleran der Miederkette zu befestigen, übernommen. Bei den Münzen handelte es sich ursprünglich wohl um Erinnerungsstücke und Geschenke.
Am schwarzen Mieder war ein hellgrauer, an der Taille angereihter, knöchellanger Rock befestigt. Darüber wurde eine grüne Seidenschürze getragen, die anfangs noch vorne gebunden wurde. Bei der einfachen Silberkette, die um den Leib gewunden wurde, könnte es sich um die alte Briskette handeln.
Alt ist mit Sicherheit die Bluse, die später am Ärmel etwas abgeändert wurde (vgl. Titelbild). Sie besitzt noch den degenerierten Goller in Form eines aufgenähten Spitzenkragens. Statt des schwarzen Schälkles hatte man sich ein zum grauen Rock passendes, kleidsames Tuch-Schälkle zugelegt. Dazu trug man schwarze Strümpfe, auch an Festtagen. Als Schuhe dienten zuerst noch Lederbössle (Schnürstiefelchen), obwohl es natürlich damals schon Bundschuhe für Damen gab.
Der grüne Hut, anfangs auch mit Spielhahnfeder und Edelweiß geschmückt, stammt aus dem Tegernseer Gebiet. Das bayrische Schultertuch mit Fransen, als Einstecktuch getragen, fand in Oberstdorf keinen Einlaß.
Aus dem Jahre 1891 stammt eine der ersten Photographien der neuen Tracht. Sie zeigt Treiber des Regenten und einige Frauen im „Mieder”. Das Bild entstand anläßlich einer Fahrt nach München zu Prinzregent Luitpolds 70. Geburtstag am 12. März (vgl. Bild S. 210).
Um die Jahrhundertwende wurde auf Initiative der beiden Landshuter Karl Richter, Brauereibesitzer „Zur Sonne” und Anton Merz, Hirschwirt, auch in Oberstdorf die Gründung eines Trachtenvereins angeregt. In den Aufzeichnungen von Wilhelm Math lesen wir:
„Am 28. April 1901 fand die Gründungsversammlung statt, auf welcher die Statuten festgelegt wurden unter dem Namen:
Verein zur Erhaltung der Volkstracht.
Die 16 Mann der Musikgesellschaft ,,D’ Oberillertaler” sowie 74 Mitglieder bildeten den Grundstock des Vereins.
Vorsitzender: Johann Huber (Martes Hannes, Hs.Nr. 19)
Schriftführer: Karl Geiger (Tierarzt)