Burgkirche St Michael in Schöllang - Eine neu renovierte Kapelle mit großer geschichtlicher Vergangenheit

von Ferry Speigl am 01.06.1986

Sie gilt als kirchliches Kleinod, die Michaels-Kirche „uffem Burck”, „uff dem Burck” oder „uffem Burg”, südwestlich von Schöllang, in ca. einer halben Gehstunde erreichbar, auf dem höchsten Punkt (892 m) eines bewaldeten Höhenrückens, der steil in das obere Illertal abfällt, bei Kurgästen und Einheimischen gleichermaßen beliebt. Treffend beschreibt Anny Vorholzer aus Reichenbach die Schöllanger Burg:

Burgkirche Schöllang - Heft 9

Hat die Dichterin recht, wenn sie spricht: „Wo einst von trutzigen Turmeszinnen die Ritter zogen zur Fehde aus; und später trauliche Glockenklänge die Gläubigen rief zum Gotteshaus . . .”? War die Schöllanger Burgkirche wirklich einmal eine echte Burg mit Rittern und Burgfräulein?

Daß diese isolierte, steile Berghöhe oberhalb der Iller, von drei hohen Seiten umschlossen, mit einer weiten Rundsicht ins flache Land sich für eine befestigte Anlage oder Burg direkt anbietet, ist sicher verständlich. Vielleicht stimmt es, daß „schon die Römer diese herrliche Höhenlage gekannt und mit einer festen Aussichtswarte versehen haben” (s. Heimat, 1. Jahrgang 1930, S. 76). Als die alten Alemannen in das obere Illertal einwanderten, haben sie die Schöllanger Burghöhe als ihren heidnischen Opferberg erwählt, wo sie (6. - 7. Jahrhundert) jedes Jahr beim Herbst-Thing oder dem Erntefest und bei den Sonnwendfeiern dem Kriegshelfer Ziu Opferhuldigungen erwiesen. Dies meint auch Merkt, wenn er schreibt: „Die Schöllanger oder Schelch-Wanger Burg war nie Burg, sondern wohl keltisches Höhenheiligtum, weshalb die christlichen Missionare dort ihre Kirche erbauten” (Merkt S. 69).

Schon in den ersten überlieferten Quellen wird von einer Burg gesprochen. Bietet sich diese Höhe nicht direkt an, hier eine Burg zu bauen, um sich in unruhigen Zeiten gegen feindliche Nachstellungen zu wehren und sich innerhalb der festen Mauern zu verbergen? Als erster Burgherr soll Heinrich von Schöllang (1320) dort gelebt und mit den benachbarten Burgherren von Reichenbach, Burgegg und Hinnang zur Jagd gegangen sein. Sein erbberechtigter Besitznachfolger soll Märk von Schöllang gewesen sein (s. Heimat, 1. Jahrgang 1930, S. 77). Dann könnte es sein, wie in den Burgbüchern nachzulesen ist (Merkt S. 68), daß es überraschend oft vorkam, daß aus der Burg eine Kirche geworden ist. Zum Teil wurde die Burgkapelle aus religiösen Gründen erhalten oder dann später anstelle der Burg wegen ihrer beherrschenden Lage eine Kirche erbaut und der Burgplatz als Friedhof verwendet. In vielen Orten im Allgäu wie in Heimenkirch, Irsee, Legau, Ruderatshofen wurde anstelle der Burg eine Pfarrkirche erbaut. Dies trifft z. B. auch für Bühl am Alpsee zu, wo am Platze der Burg eine Kapelle steht.

Oder hat Heimatpfleger Dr. Eberl recht, daß „die vorgeschichtlichen Befestigungsanlagen dort auf eine rätische Fliehburg schließen lassen ...” (zitiert nach Zirkel: Geschichte des Marktes Oberstdorf, Teil 2, S. 221). Solche Allgäuer Fliehburgen oder Bauernfliehburgen als Zufluchtsorte für die Bevölkerung waren durchaus üblich (s. Merkt S. 69 ff).

Baumann hält es Für möglich, „daß die Weihe einer Kirche in einer entlegenen Wildnis des Alpgaues, welche von den Umwohnern selbst vor längerer Zeit erbaut und wegen ihrer Unnahbarkeit bisher von keinem Bischof geweiht worden war, durch den Augsburger Bischof Ulrich (923 - 973) die Schöllanger Burgkirche betrifft” (Baumann, Bd. I, S. 396, zitiert nach Zirkel: Geschichte des Marktes Oberstdorf, Teil 2, S. 222).

Wenden wir uns nun sicheren Quellen zu: Im Jahre 1351 ist in der Verkaufsurkunde der Rettenberger Herrschaft an die Gebrüder von Heimenhofen der Kirchsatz zur Burg Schöllang erwähnt (1477 verkaufte Jörg von Heimenhofen das Kirchenlehen an das Hochstift Augsburg, Bischof Peter von Augsburg).

Das sogenannte Schöllanger Kalendarium, ein Pergamentband von 64 Seiten im Pfarrarchiv in Schöllang, enthält außer dem Kalendarium, wovon es seinen Namen hat, Aufzeichnungen über Jahrtags- und Almosenstiftungen von 1380 bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts - darunter auch Vermerke über die „Altarzinser” oder „St.- Michaels-Leute”, die im Todesfall zugunsten ihrer Kirche eine Abgabe für genossene Nutzungs- und Schutzrechte entrichten mußten. Dieses Schöllanger Kalendarium wurde von dem Lehrer und späteren Schulrat Heinrich Zirkel im März 1935 übersetzt und neu herausgegeben. Durch dieses Kalendarium haben wir etwas Einblick in die Bedeutung der Burgkirche und der Pfarrei.

Burgkirche Schöllang - Heft 9

Als erster Pfarrer wird „Hans Switzlin sälig” in einer Notiz seines Nachfolgers (Bercktold Haberstock 1430 - 1440) als „Kirchherr uff Burg” erwähnt. Am 14. Dezember 1430 stiftete er einen ewigen Jahrtag (Zirkel: Schöllanger Kalendarium, 1930, S. 20, 21). Nach einem Visitationsbericht von 1539 wurde die Michael, Barbara, Dorothea und allen Engeln geweihte Burgkirche wohl noch in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts neu erbaut. Nach dem Jahre 1520 ließ der damalige Pfarrer Konrad Vogler auch den Widemen (heute Widdum, Bauernhof am Fuße des Berges) und den Pfarrhof erneuern, als das Haus neuer Grundschwellen bedurfte, ebenso eines neuen Ofens und der unteren Stube. Auf seine Kosten ließ er Mängel am Stadel erneuern sowie auch ein „Weiherlein” und einen Fischbehälter errichten (heute noch erhalten).

Burgkirche Schöllang - Heft 9

Im Jahre 1579 erhielt die Burgkirche Schöllang eine klangvolle neue Glocke, die ihr vom Augsburger Bischof Marquard von Berg gestiftet wurde, nachdem an Pfingsten ein Blitz den Dachstuhl, den Turm und drei Glocken vernichtete. Diese Glocke wurde von Hans Frei zu Kempten, der aus Hinnang gebürtig war, gegossen und in dem eigens hierfür aus Holz erbauten „Glockenhaus” aufbewahrt. Diese wohl älteste Glocke des oberen Allgäus, der Muttergottes geweiht, war bis 1804 die eherne Künderin auf dem Burgfriedhof. Ihr heller und wundervoller Klang soll der Sage nach bis Kempten zu hören gewesen sein. Allerdings fürchtete man bei Kriegszeiten den Feind dadurch heranzulocken und so schlug man in die Glocke viele Nägel, so daß ihr Klang dumpfer wurde und nicht mehr so weit gehört werden konnte. 1979 stand die Pfarrei Schöllang ganz im Zeichen des Feierns des 400jährigen Jubiläums dieser Marienglocke. 1630 und 1642 ist der Pfarrhof abgebrannt, was in einem Schenkungsbrief bestätigt ist.

1728 wurde in der Burgkirche der „christliche Gruß” vom damaligen Pfarrer Johann Doser von Maria Rain besonders empfohlen. Derselbe ließ in den Jahren 1731 bis 1735 anstelle der Frauenkapelle in Schöllang eine neue Kirche erbauen.

Am 31. Januar 1805 ließ man die große Glocke (26 Zentner schwer) von der Burgkirche nach Schöllang führen, nachdem im Jahre 1804 die Frauenkirche zur Pfarrkirche erhoben wurde. So war also die Burgkirche bis zu diesem Jahr immer noch die Pfarrkirche, vor allem weil auch die Bewohner von Rubi und Reichenbach sich stark dafür einsetzten. Der „Sonntagsgottesdienst” wurde das ganze 18. Jahrhundert noch gefeiert mit Ausnahme der Wintermonate, wo die Frauenkirche von Schöllang hierfür mehr geeignet war. So hat erst im Jahre 1804 nach über 500 Jahren die Burgkirche ihre einstige Bedeutung verloren.

Weitere Daten:

  • 1837 die beiden kleinen Glocken stammen von Beck aus Augsburg
  • 1876 das Pfarr-Widem-Haus wird zum Abbruch für 532 Mark versteigert
  • 1882 Renovierung des Hauptaltars auf der Burgkirche durch Constantin Eß aus Schöllang
  • 1896 Renovierung der Seitenaltäre
  • 1903 ein Chorgitter für 275 Mark wird angebracht
  • 1907 Kauf eines Kreuzweges

Im Oberallgäuer Heimatblatt, 1. Jahrgang 1930, Nr. 116, S. 89 steht:

Burgkirche Schöllang - Heft 9

Als ein Tag des Dankes und der Freude sind die Feierlichkeiten zum Abschluß der Sanierungsmaßnahmen auf der Schöllanger Burgkapelle in die Annalen der Pfarrei Schöllang mit ihren Filialen Rubi, Reichenbach und Au-Thalhofen eingegangen.

1969 wurden die Baumaßnahmen mit der Neubeschindelung des Daches begonnen, dann mit der Renovierung der Friedhofsmauer fortgesetzt und im Jahre 1985 mit der gesamten Innenrenovierung dieses kirchlichen Kleinods abgeschlossen. Als äußerst schwierig gestalteten sich dann die Sanierungsmaßnahmen des Innenraumes, da die Mauern sehr feucht waren und trockengelegt werden mußten. Auch die drei Altarbilder, letztmals 1896 neu renoviert, wurden ausgebessert. Sie geben, neben der schlichten Bretterdecke mit stilisierten Blüten, Ranken und Blättern, die Gott sei Dank renoviert und nicht total erneuert wurde, dem stimmungsvollen Raum ihr Gepräge.

Besonders liebenswert sicherlich das Madonnenbild am linken Seitenaltar, das den Johannesknaben zeigt, wie er den Fuß des Jesuskindes erfaßt, um ihn im Schlaf zu wecken, jedoch Maria ihn mit erhobenem Zeigefinger ermahnt. Im Auszug die Büßerin M. Magdalena. Rechts ist der heilige Josef dargestellt, im Auszug der Franziskaner Antonius von Padua mit dem Jesuskind im Arm. Am Hochaltar ist das um etwa 1680 entstandene Bild mit dem realistisch geschilderten Höllensturz, Darstellung mit dem Erzengel Michael als dem Kirchenpatron. Für dieses alte Altarbild wurden vom Landrichter Krumm in Sonthofen sowie von Münchener Interessenten hohe Kaufpreise geboten. Daraus schloß man auf den großen Kunstwert dieses Bildes, und so wurde dasselbe 1840 zeitweise im Hochaltar der Schöllanger Pfarrkirche aufbewahrt. Im Auszug ist die heilige Familie zu sehen.

Burgkirche Schöllang - Heft 9

Die gesamten Innenrenovierungskosten verschlangen einen Betrag von ca. 455.000 DM, der zum größten Teil durch Eigenmittel und Spenden der Pfarreiangehörigen aus allen Ortsteilen, aber auch durch erhebliche Zuschüsse der bischöflichen Finanzkammer, der Marktgemeinde Oberstdorf, der Gemeinde Fischen, dem Landkreis Oberallgäu, dem Bezirk Schwaben, dem Landesamt für Denkmalpflege und der bayerischen Landesstiftung finanziert wurde.

Der Chronist im Oberallgäuer Heimatblatt schreibt 1930:

Burgkirche Schöllang - Heft 9

Verwendete Literatur:

Petzet M.: Die Kunstdenkmäler von Schwaben, Band VIII, Landkreis Oberallgäu, Oldenbourg Verlag, München 1964. Schnell W.: Schöllang im Allgäu, Schnell-Kunstführer Nr. 1042, München 1982, 2. Auflage.

Zirkel H.: Geschichte des Marktes Oberstdorf, Band I und II, Oberstdorf 1978 und 1974.

Zirkel H.: Das Schöllanger Kalendarium, Oberallgäuer Quellen zur Familien- und Heimatforschung, Oberstdorf 1935. Mai P.: St. Michael in Bayern, Schnell und Steiner, München 1979, 2. überarbeitete Auflage.

Heimat, Oberallgäuer Heimatblätter, Beilage zum Allgäuer Anzeigeblatt, 1. Jahrgang 1930 und 2. Jahrgang 1931. Merkt O.: Burgen, Schanzen und Galgen im Allgäu: Das kleine Allgäuer Burgenbuch, Kösel, Kempten, 1951.

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