Die Ankunft von Königin Wilhelmine der Niederlande am 4. Februar 1930 im Bahnhof Oberstdorf.
Der Erste Weltkrieg sowie die anschließenden Inflationsjahre brachten Einbußen durch den Rückgang der Kurgäste in Oberstdorf. Auch die damals herrschende Kohlenknappheit behinderte den Bahnbetrieb. Im Jahre 1921 veränderte sich die Lokomotiven-Remise. Der angebaute Wagenschuppen wurde abgebrochen. Es entstanden eine größere Werkstätte, ein Magazin und ein Aufenthaltsraum. Baumeister Huber führte im selben Jahr die Kanalisierung der Bahnhofstraße durch. 1923 weilten rund 32.000 Kurgäste in Oberstdorf. 1926 konnte der Gepäckraum durch einen Umbau vergrößert werden. Auf der Nordseite des Bahnhofs entstand zwischen der Lokomotiven-Remise und dem Bahnhofsgebäude ein Neubau, das Magazin.
Großes Aufsehen erregte am 4. Februar 1930 die Ankunft von Königin Wilhelmine der Niederlande mit ihrem Gefolge. Die Königin reiste im eigenen Salonwagen.
Ebenfalls 1930 begann der Neubau einer Lokomotivenhalle. Damit hatte die bisherige Lokomotiven-Remise ausgedient und wurde abgebrochen. Im selben Jahr erfolgte die Erneuerung der Breitachbrücke. 1932 entstand das neue Oberstdorfer Postamt am Bahnhofsplatz. Die bisher von der Post im Bahnhofsgebäude genutzten Räume wurden dadurch frei. In einen Teil zog das Oberstdorfer Verkehrsamt ein. Auch die Fahrpreise wurden verbilligt, so daß eine Fahrt von Oberstdorf nach Sonthofen statt 1,20 RM nur noch 1,10 RM kostete. Die bisherige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h auf der Strecke Sonthofen - Oberstdorf konnte auf 40 km/h erhöht werden. Im Jahre 1934 beförderte die L.A.G. auf der Strecke Sonthofen - Oberstdorf 506.070 Personen und 31.457 Tonnen Güter.
Die kürzeste Fahrtdauer nach Oberstdorf betrug: von Berlin 13 1/2, von Hamburg 17, von Dresden 13 1/4, von Nürnberg 5 1/4, von Köln 14 1/2, von Frankfurt/M. 10 1/2, von Stuttgart 5, von Breslau 17 1/2 und von München 3 Stunden. Im selben Jahr enstand eine neue Güterhalle. Bei Rangierarbeiten im Bahnhof entgleisten zwei Wagen. Dadurch mußten die Fahrgäste der folgenden Züge bereits vor dem Bahnhof, im Steinach, aussteigen. Auch ein Mittenbahnsteig entstand im Jahre 1934.
1937 konnte erneut die Fahrgeschwindigkeit erhöht werden, diesmal von 40 km/h auf 50 km/h. Im selben Jahr beförderte die L.A.G. auf der Strecke Sonthofen - Oberstdorf 780.293 Personen und 49.148 Tonnen Güter. In Oberstdorf waren im gleichen Jahr 79.869 Kurgäste gemeldet. Im Winterfahrplan 1937/38, verkehrten sonntags 15, werktags 14 Zugpaare, darunter 4 Zugpaare mit Kurswagen Ulm - Oberstdorf sowie je ein Zugpaar mit Kurswagen München - Oberstdorf und Berlin - Oberstdorf. Ein weiteres Zugpaar Dortmund - Oberstdorf führte sogar Schlafwagen. Die Fahrzeit von Immenstadt nach Oberstdorf betrug 50, von Sonthofen nach Oberstdorf 30 Minuten. Im Jahre 1938 wurde das Bahnhofsgebäude umgebaut. Es entstand eine Überdachung am südlichen Ausgang.
Am 1. August 1938 begann die Überleitung (Verstaatlichung) der L.A.G. auf die „Deutsche Reichsbahn”. Diese war am 31. Dezember 1938 abgeschlossen. Der Fahrpreis von Kempten nach Oberstdorf betrug damals 1,80 RM. Der beginnende 2. Weltkrieg belastete auch unseren Bahnhof sehr stark. Für die zum Kriegsdienst eingezogenen Eisenbahner verrichteten dienstverpflichtete Frauen den Dienst. Nach dem Krieg, im Jahre 1949, enstand die „Deutsche Bundesbahn”. Am 1. April 1951 wurde das Bahnbetriebswerk Oberstdorf, das sich aus der Lokomotiven-Remise der L.A.G.-Zeit entwickelt hatte, aufgelöst und als Außenstelle dem Kemptener Bahnbetriebswerk angegliedert. 1951 verzeichnete Oberstdorf 39.870 Kurgäste. Erwähnenswert dürften auch die „Touropa-Sonderzüge” sein, die anfangs der 50er Jahre nach Oberstdorf zu laufen begannen. Damals war Freitag immer der „Touropa- Tag” und damit Gästewechsel in Oberstdorf.
1953 begann man die bisher von der Breitachbrücke, rechts am Dellenberg vorbei, über den Bereich der heutigen Alpgaustraße, in einer Rechtskurve in den Bahnhof führende Strecke in den Bereich der heutigen Bannholzstraße zu verlegen. Im Zuge dieses Umbaus erhielt Oberstdorf sein erstes Stellwerk, damals das modernste Stellwerk Schwabens. Es stand am Ende des zweiten Bahnsteigs. Am 1. Juli 1953 fuhr der erste Zug über die neue Strecke in den Oberstdorfer Bahnhof ein. Aus diesem Anlaß fand im Sitzungssaal des Rathauses eine Feier statt.
1956 wurde die 3. Wagenklasse, die es allerdings schon damals nur noch vereinzelt gab, aufgehoben. Ab 1961 kamen zusehends mehr Dieselloks nach Oberstdorf (Typ V 100). Die Zeit der Dampflokomotiven begann abzulaufen. Dies machte die Erstellung von zwei Kesselhäusern für die Vorheizung der Züge notwendig. Im Jahre 1962 erhielt der Bahnübergang Rubinger Straße eine Blinklichtanlage, die im Jahre 1985 durch zusätzliche Gehwegschranken ergänzt wurde. 1962/63 erfolgte wiederum ein größerer Umbau des Bahnhofsgebäudes. Unter Abbruch des im Jahre 1914 für die Post entstandenen Anbaus sowie der 1938 erbauten Überdachung konnte hier ein Gebäudeteil mit Bahnhofshalle und Restaurant entstehen. Das übrige Bahnhofsgebäude wurde im Grundriß abgeändert. Am 4. Dezember 1963 wurde der umgebaute Bahnhof feierlich eingeweiht. Im selben Jahr weilten 118.535 Kurgäste in Oberstdorf.
Im Jahre 1964 waren 58 Bedienstete beim Oberstdorfer Bahnhof beschäftigt. Im selben Jahr tauchten die ersten Wendezüge auf. 1965 erhielt die 1930 erbaute Lokomotivenhalle eine Erweiterung. In einem Anbau entstanden Übernachtungsräume für auswärtiges Lokomotiv- und Zugpersonal. Im Jahre 1966 verkehrten durchschnittlich 36 Züge pro Tag. Um die Diesellokomotiven auftanken zu können, wurde im Jahre 1967 eine Tankanlage errichtet. 1970 fuhr die letzte fahrplanmäßige Dampflokomotive nach Oberstdorf. Am 1. Mai 1971 wurde die Bundesbahn-Direktion Augsburg, zu der bisher unsere Strecke gehörte, aufgelöst und ihr Bereich der Bundesbahn-Direktion München angegliedert. Im Jahre 1974 verkehrten durchschnittlich 42 Züge täglich. Am 15. November 1978 ging die Anlage zur elektrischen Zugsvorheizung in Betrieb. Sie löste die beiden 1961 entstandenen Kesselhäuser ab.
Die im Jahre 1979 gebaute Oberstdorfer Ostumgehung wurde mit einer Blinklichtanlage ausgerüstet. Am 13. Januar 1981 brach die Lokomotivenhalle unter der großen Schneelast zusammen. Der Schaden hielt sich jedoch in Grenzen, weil ihr Abbruch im Rahmen des bevorstehenden Umbaus der Gleisanlagen bereits geplant war. Heute steht hier der Optimarkt. Am 28. September 1981 wurde in der Fahrkartenausgabe die Datenstation für den modernisierten Fahrkartenverkauf in Betrieb genommen. Im Mai 1982 begann abermals ein Umbau des gesamten Bahnhofs. Bei diesem Umbau enstanden ein neues Stellwerk- und Übernachtungsgebäude, neue Bahnsteige mit Überdachungen an den Bahnsteigen 2 und 3 sowie ein Teil des Querbahnsteigs und auch eine neue Gleisanlage. Das neue Stellwerk konnte vom 3. bis 5. September 1983 in Betrieb genommen werden.
Am 1. Oktober 1984 wurde der Bahnhof Oberstdorf verwaltungsmäßig dem Bahnhof Immenstadt angegliedert, die Oberstdorfer Zugbegleiter zum Bahnhof Kempten Hbf versetzt. Das im Jahre 1961 entstandene Kesselhaus I, für die Vorheizung der Züge im Bahnhofsbereich, wurde im Zuge des Bahnhofsumbaus im November 1984 abgebrochen. Im selben Jahr verkehrten durchschnittlich 45 Züge pro Tag.
Beim Ausrangieren des eingefahrenen Schnellzugs von Münster, am 15. Januar 1985, kam dieser nicht rechtzeitig vor dem Prellbock zum Halten und landete mitsamt der Rangierlok auf der Straße am Bannholz. Es entstand zum Glück nur Sachschaden.
Ab dem Sommerfahrplan 1986 wurde der Oberstdorfer Bahnhof „Ferienzielbahnhof’. Neben acht weiteren „Ferienzielbahnhöfen” in Schwaben werden hier die mit der Bahn anreisenden Kurgäste bereits am Bahnhof von Betreuern der Kurverwaltung in Empfang genommen. Damit besteht ein nahtloser Übergang zwischen Bahnfahrt und Quartierbezug am Urlaubsort.
Unter dem Motto „Straße und Schiene feiern gemeinsam” fand die Einweihung des modernisierten Bahnhofs sowie der Oberstdorfer Ostumgehung statt. Bei dieser Feier am 31. Oktober 1986 hielten 1. Bürgermeister Eduard Geyer, Staatssekretär Alfred Bayer vom Bundesverkehrsministerium, Vizepräsident Dr. Franz Kainzinger von der Bundesbahndirektion München, Ministerialrat Hanns-Martin Jespen vom bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr sowie Landrat Hubert Rabini im Bahnhof Ansprachen.
Am 15. Januar 1987 entgleisten beim ausfahrenden Eilzug nach München zwei Wagen. Es entstand hoher Sachschaden.
Im vergangenen Sommer konnte nun das hundertjährige Jubiläum der Bahnlinie Sonthofen - Oberstdorf gefeiert werden. Hierzu hatte der Modelleisenbahn-Club Oberallgäu e.V. ein riesiges Programm vorbereitet. Am Freitag, dem 15. Juli 1988, fanden Sonderzugfahrten nach Lindau statt. Viel beachtet und fotografiert verkehrten am Samstag und Sonntag, dem 16. und 17. Juli, die mit der Dampflok 23 105 des Nürnberger Verkehrsmuseums bespannten Jubiläumszüge auf unserer Strecke. In Oberstdorf, Fischen und Sonthofen waren an diesen beiden Tagen Bahnhofsfeste. Eine Ausstellung historischer und moderner Eisenbahnfahrzeuge, unter anderem der Original Rheingoldzug vom Jahre 1926, im Sonthofer Güterbahnhof, fand reges Interesse. In der Sonthofer Güterhalle wurden Modelleisenbahnen gezeigt. Das Oberstdorfer Heimatmuseum beteiligte sich mit einer Sonderausstellung an diesem Eisenbahn-Jubiläum. Trotz des nicht gerade guten Wetters konnte an diesem Wochenende der hundertste Geburtstag unserer Bahnlinie würdig gefeiert werden.
Die nun folgende Zusammenstellung nennt die Betriebsleiter, die zur Zeit der L. A.G. die Strecke Sonthofen - Oberstdorf leiteten sowie die Oberstdorfer Bahnhofsvorstände (soweit bekannt) vom Beginn unserer Bahnlinie bis heute.
Betriebsleiter der L.A.G.-Strecke Sonthofen — Oberstdorf:
1888 — 1889 Bahnverwalter Friedrich Schiennert
1889 — 1890 Betriebsleiter Florian Heimhofer
1890 — 1893 Betriebsleiter Friedrich Schiennert
1893 — 1895 Betriebsleiter Joseph Kohlhofer
1895 — 1923 Betriebsleiter Heinrich Seifert
1923 — 1935 Betriebsleiter Joseph Hoffmann
1935 — 1939 Betriebsleiter Friedrich Feulner
Bahnhofsvorstände beim Bahnhof Oberstdorf:
— 1917 Stations Vorstand Robert Röthel
1917 — 1935 Stationsvorstand Johann Fuchs
1935 — 1955 Bahnhofsvorstand Friedrich Feulner
1955 — 1960 Bahnhofsvorstand Stefan Gebhard
1960 — 1962 Bahnhofs Vorstand Friedrich Bickel
1962 — 1974 Bahnhofsvorstand Johann Nieberle
1974 — 1975 Bahnhofsvorstand Max Obermaier
1975 — Bahnhofsvorstand Guido Allgayer
Dies war nun eine knappe Übersicht über die Entwicklung des Oberstdorfer Bahnhofs in den vergangenen hundert Jahren. Heute beschäftigt unser Bahnhof rund dreißig Personen. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit der Strecke Immenstadt - Oberstdorf wurde mittlerweile auf 80 km/h erhöht. Es verkehren rund 40 Züge pro Tag, darunter zwei Fern-Expreß-Zugpaare nach Hamburg und Dortmund sowie ein Schnellzugpaar nach Münster. Schnell- und Eilzüge nach Nürnberg, Augsburg, München und Ulm mit Kurswagen nach Berlin und Karlsruhe runden das Zugangebot ab. Auch zahlreiche Sonderzüge bringen in Saisonzeiten Gäste nach Oberstdorf. Die Fahrzeit zwischen Immenstadt und Oberstdorf beträgt etwa 30 Minuten. Als besonderer Kundendienst können beim Bahnhof Oberstdorf im Sommer Fahrräder und im Winter Langlaufskier gemietet werden. Für das Reisegepäck gibt es Haus- Haus-Zustellung.
Auch heute noch erfreut sich unsere Bahnlinie großer Beliebtheit. Immerhin reisen rund 40 % der Oberstdorfer Gäste mit der Bahn an. Wenn seit 1972 die Zwei-Millionen-Grenze bei den Übernachtungszahlen der Gäste in Oberstdorf überschritten wird, so ist dies ein Erfolg, der mit der Eröffnung der Bahnlinie begonnen hat. Wenn auch heutzutage die Eisenbahn wegen des stark gewachsenen Straßenverkehrs nicht mehr den Stellenwert besitzt wie früher, darf doch nicht vergessen werden, daß die Bahn in den vergangenen hundert Jahren ihren Teil zum Aufbau von Handel, Industrie und Wirtschaft im Oberallgäu sowie zur Entwicklung Oberstdorfs zum Spitzenferienort beigetragen hat. Gratulieren wir also unserer Bahnlinie und unserem Bahnhof zum hundertsten Geburtstag und wünschen, daß sie auch weiterhin ein wichtiges Rad im Verkehrswesen des Oberallgäus bleiben mögen.
Quellenverzeichnis
Akten: aus dem Verkehrsarchiv Nürnberg; aus dem Archiv der Martkgemeinde Oberstdorf; Unterlagen beim Bahnhof Oberstdorf und beim Bahnhof Füssen.
Bücher: Die Kgl. Bayerischen Staatsbahnen (Hugo Marggraf, 1894). Die Entwicklung der Lokalbahnen in Bayern (Fritz Lohmann, 1901). Die Privateisenbahnen in Bayern (Baurat Theodor Lechner, 1920). Geschichte des Marktes Oberstdorf (Heinrich Zirkel/Wemer Grundmann, Oberstdorf 1979). Lokalbahn A. G. (Dr. Hermann Bümheim,1974). Die Eisenbahn in Schwaben (Walther Zeitler/Helge Hufschläger, 1980).
Schriften: „Chronik der Freiwilligen Feuerwehr Oberstdorf’ (Eugen Thomma); „Chronik des TSV Oberstdorf’; „Unser Oberstdorf”; 25 Jahre L.A.G.; „Oberländer Erzähler”; „Oberallgäuer Erzähler”; Zeitungsausschnitte (vor allem „Allgäuer Anzeigeblatt”); „Oberstdorf und Umgebung”(Grieben 1934); „Das schöne Allgäu” 4/37 (M. Wiedemann).
Hinweise zu meinem Thema habe ich dankenswerterweise erhalten von Dienststellen der Deutschen Bundesbahn, dem Vermessungsamt Immenstadt, der Kurverwaltung Oberstdorf, ehemaligen Eisenbahnern, Privatpersonen.