Die Breitachstraße

von Eugen Thomma am 01.12.2016

Wer im 19. Jahrhundert, von Sonthofen kommend, auf der Distriktsstraße in Richtung Oberstdorf unterwegs war und nach Tiefenbach wollte, tat gut daran schon in der Ortsmitte von Fischen diese „Hauptstraße” zu verlassen. Es war keine Hauptstraße im heutigen Sinne, nein, es war ein Schotterpfad. Die eisenbereiften Räder der Pferdewagen hatten tiefe Rillen in die Fahrbahn eingegraben. Bei anhaltendem Regenwetter und in der Schneeschmelze liefen diese „Laisa” (Wagen- oder Schlittenspuren) voll Wasser und bildeten, zusammen mit den ebenfalls vollgelaufenen Schlaglöcher, eine wahre Seenlandschaft. Ein bestallter Wegmacher, zuständig zur „Pflege” für einige Kilometer Weges, zog mit seinem Pickel quer zur Fahrbahn Rinnen und leitete so das Wasser in die angrenzenden Wiesen und Äcker. Mit dem Wasser floss der feinkörnige Sand, zusammen mit den Lehmbestandteilen und den reichlichen Hinterlassenschaften der Zugtiere, in die Äcker und Grünflächen. Die Anrainer nahmen diesen zusätzlichen Dünger gerne in ihren Grundstücken auf. Zurück auf der Trasse blieb vielerorts der grobe Kies und bildete eine Rumpelstrecke. Es bedurfte schon eines gesunden Magens, um nach dem Essen auf einem einfachen Pferdewagen diese „Piste” zu befahren. Sogar in den gefederten Kutschen und (bespannten) Postomnibussen wurden die Fahrgäste ganz schön durchgeschüttelt.

Ab der Ortsmitte von Fischen führte der Weg nach Tiefenbach über Obermaiselstein und Ried und durch die Felsenenge des Hirschsprunges. Öffnete sich danach das Trockental, dann erreichte man den weit zerstreut liegenden Weiler Räppele (das heutige Dorfzentrum) der Gemeinde Tiefenbach. Es war dies über Jahrhunderte der bequemste Weg dieses Dorf zwischen den Bergen zu erreichen.

Wer von Oberstdorf aus in den heutigen Ortsteil wollte, der konnte als kürzeste Strecke den Fußweg über Reute und das Wasenmoos hin zum Breitachsteg wählen. Mit einem Fuhrwerk hieß es jedoch auf der Distriktsstraße, etwa 200 Meter hinter der Breitachbrücke, den steilen Anstieg hinauf nach Wasach zu nehmen. Die schlechte Beschaffenheit des Fahrweges und seine Steilheit waren für Fuhrmann und Zugtier anstrengend. Hatte das Gespann glücklich die Höhe von Wasach erreicht, ging es zur Kirche und von dort zum Ortsteil Räppele noch steiler hinunter als der Anstieg gewesen war.

Um ein Bild von den damaligen Größenverhältnissen der Orte zu geben, seien hier einige Ergebnisse der Volkszählung von 1885 eingefügt. So wurden für die 4.156,533 ha große Landgemeinde Tiefenbach folgende Zahlen ermittelt: In 94 Wohngebäuden lebten in den 15 Dörfern, Weilern und Einöden 454 ständige Bewohner. Der Viehbestand wies 15 Pferde, 581 Stück Rindvieh, 70 Schafe, 73 Schweine und 67 Ziegen aus (zum Vergleich die damaligen Einwohnerzahlen der umliegenden Gemeinden: Balderschwang 153, Bolsterlang 630, Fischen 987, Obermaiselstein 450 und Oberstdorf 1.813).

Breitachstraße - Heft 69

Die Distriktsstraße am nördlichen Ortseingang von Fischen, als sich noch aller Verkehr durch die engen Gassen des Ortes wand (um 1900).

Breitachstraße - Heft 69

Die Zufahrt von Fischen nach Tiefenbach führte durch das damals beschauliche Bergbauerndorf Obermaiselstein (vor 1900)

Breitachstraße - Heft 69

Beängstigend nahe rücken die Felswände des „Hirschsprung” an die Fahrbahn heran. Der Sage nach soll ein von einem Luchs verfolgter Hirsch den Sprung über den Abgrund gewagt haben

Breitachstraße - Heft 69

Von der „Katzensteig” aus der Weiler Räppele mit der „Alpenrose” in der Bildmitte, dahinter die Straße hinauf zur Kirche und nach Wasach (1899)

Breitachstraße - Heft 69

An der Pfarrkirch St. Barbara und dem Pfarrhof vorbei führt der Weg von Wasach kommend hinunter nach Räppele und zu den andern Ortsteilen.

Als am 2. August 1888 die „Münchner Localbahn Aktiengesellschaft” die private Eisenbahnlinie Sonthofen – Oberstdorf eröffnete, wurden die Güter für Tiefenbach in Fischen umgeschlagen. Zwischen Fischen und Oberstdorf erhielt auch der Ort Langenwang einen Bahnhof. Diese Station lag nun Tiefenbach wesentlich näher als Fischen, aber ... die Anhöhe von Wasach erschwerte den Transport von Waren aller Art.

Eine bequeme Verbindung mit geringen Steigungen und Gefällen wollte man zur Distriktsstraße hin haben, das war schon viele Jahrzehnte der Wunsch der Tiefenbacher gewesen. Entlang des Flusslaufes der Breitach wäre das wohl möglich, aber dazu müsste das Flußbett an verschiedenen Stellen eingeengt und am „Kitzeloh” der Felsriegel abgesprengt werden. Zudem müsste für eine solche Verbindung ja auch Grund und Boden erworben werden. Grunderwerb und Herstellung der Uferverbauung und Fahrbahn, da war man sich einig, waren schwierig und würden viel Zeit erfordern und noch viel, viel, schwieriger war die Finanzierung der Maßnahme.

Aber der Ruf nach einer solchen Verbindung in Richtung Oberstdorf wurde, auch im Hinblick auf die steigende Zahl von Gästen des Schwefelbades Tiefenbach, immer lauter.

Die Verantwortlichen der Gemeinde loteten im Vorfeld nicht nur die finanziellen Möglichkeiten aus, sondern sie ließen sich auch fachlich vom „Amtstechniker” des Bezirkes Sonthofen (Anm.: dem heutigen Kreisbaumeister) beraten. Am 5. September 1897 sollte im Rahmen einer „Gemeindeversammlung [heute Bürgerversammlung] der Wille des Volkes” erfragt werden. Die Gemeindeväter hatten alle ihre 56 stimmberechtigten Mitbürger geladen, um den mehrheitlichen Willen der, später auch zahlenden, Dorfgenossen zu erfragen. Soll die „Breitachstraße” gebaut werden oder soll es bei den alten Wegeverbindungen bleiben, so lautete die Kernfrage. 38 Bürger, die ihrem Steueraufkommen nach über 73 Stimmanteile verfügten, folgten dem Aufruf und erschienen zur Abstimmung.

Im Protokoll heißt es:

„ [...] nach eingehendem Referat des Herrn Amtstechnikers Schneider und eingehender Berathung beschlossen was folgt:

1)
2) der Ausführung des oben genannten Projekts stimmen bei unter der
Bedingung, daß vom Distrikte ein Zuschuß von 5000 – 6000 M gewährt

3) von Kgl. Regierung zur Deckung der Baulast der Local-Malz-Aufschlag

4) zugesagt und

5) von Sr. Durchlaucht dem Fürsten von Wolfsegg ein Zuschuß durch das
Kgl. Bezirksamt erbeten werde, welcher in dem durch die Steuersumme zur Pflicht gemachten Beitrag nicht einbegriffen ist. Auch erbeten wir einen Zuschuß

6) des aus Central und Kreisfond [...]

7)
Von den Anwesenden stimmten 20 (mit 54 Stimmanteilen) für den Bau der Straße, 18 Bürger (mit 19 Stimmanteilen) votierten dagegen. Die Stimmanteile richteten sich nach dem Steueraufkommen des einzelnen Dorfgenossen. Förster Franz Hohenadl, der die Interessen SD des Fürsten Waldburg zu vertreten hatte, konnte gleich 18 Stimmen in die Waagschale der Befürworter werfen. Um auf „Nummero Sicher” zu gehen, ließ der Bürgermeister alle Wähler in den jeweiligen Rubriken „dafür” oder „dagegen” unterschreiben. An den Namenszügen sieht man schon, dass viele mit der Sense oder der Axt besser umzugehen verstanden als mit der gespitzten Feder. Das Protokoll über Sitzung und Beschluss unterzeichneten Bürgermeister Ludwig Vogler für die Gemeinde sowie Förster Franz Hohenadl und der Badbesitzer Georg Schmidt als Zeugen für die Bürgerschaft.

Die Finanzierung sollte außerhalb des normalen Gemeindehaushaltes in einer eigenen Rechnungslegung durch Umlagen erfolgen. Zuschüsse sollten beim Distrikt (heute Landkreis) und bei der Kreisregierung (heute Bezirk) beantragt und auch SD Fürst Waldburg um eine Spende angegangen werden. Die in Augsburg sitzende „Versicherungsanstalt Schwaben” hatte nach informativen Vorverhandlungen ein Darlehen von 36.000 Mark zu 3 1/2 Prozent Zinsen und 1/2 Prozent Tilgung in Aussicht gestellt, das je nach Baufortschritt in Anspruch genommen werden sollte. Die Kuratelbehörde sollte die Genehmigung für die Erhebung eines „Malzaufschlages” (eine zweckgebundene Biersteuer) erteilen. Wer künftig dem „edlen Gerstensaft” reichlich zuspricht, spart seinen weniger bierdurstigen Dorfgenossen Geld. Die Einkünfte aus dem Malzaufschlag sollten in den Topf eingebracht und die noch fehlende Summe durch Umlagen nach obigem Muster von den Dorfgenossen bezahlt werden.

Natürlich suchte die Ortsgemeinde Tiefenbach nach Verbündeten zum Tragen der finanziellen Last. Die Gemeinde Fischen, über deren Bereich ja ein Stück der neuen Straße führen sollte, könnte ein solcher sein, so dachten zumindest die Tiefenbacher und wandten sich um Schützenhilfe an das kgl. Bezirksamt. Wie die Fischinger Nachbarn die Sache sahen, sagt ein Beschluss der dortigen Gemeindeverwaltung:

„Betreff: Unterhaltspflicht deß neuen Wegebaues von Breitachbrücke bis Tiefenbach

Laut Auftrag vom kgl. Bezirksamte Sonthofen resp. des königl. Forstamts- Asseser Hörber in Fischen wurde auf Vorladung die Gmeindeverwaltung Fischen auf Sonntag den 27. März 1898 im Wohnhause deß Bürgermeisters eine Sitzung anberaumt, wo sämmtliche erschienen sind. Es wurde dann in nebenstehenden Betreff folgendes zur Berathung gezogen und erörderd: Nach laut Protokoll vom 21. März 1898 Nr. 73/II wurde vom königl. Forstamts-Asesser in Fischen in Vertretung deß kgl. Forstamtes Burgberg verlangt! Ob die Gemeinde Fischen sich zu der Neubaustraße von Breitachbrücke bis zur Tiefenbacher Grenze zirka 700 Meter länge die Unterhaltung dieser Kunststraße an den öffentlichen Verkehr zur Unterhaltung übernehmen würde!

Hiezu wird folgendes erwidert:

Die ganze Neubaustrecke wird von der Gemeinde Obertiefenbach hergestellt, in der Flur Tiefenbach, wie auch in der Flur Fischen. Die Gemeinde Fischen kann sich vorderhand für eine Unterhaltspflicht zu dem öffentlichen Verkehrsvorschriften nicht heranlassen weil

1. die Straße von der Gemeinde Tiefenbach gänzlich und vollständig hergestellt werden muß.

2. Würde sich das auf das Gesuch der Gemeinde Tiefenbach erstrecken, ob es ihr erwünscht wäre oder nicht! weil ja dieselbe, die ganze Strecke deß Baues übernommen hat.

Da die Gmeinde Fischen schon ohnehin mit 2 Verbindungswegen bzw. Strecken a Fischen – Tiefenbach über Hirschsprung und b mit Langenwang – Tiefenbach (Wasachweg) beteiligt ist. Wie auch noch sonstige Verbindungswege u.s.w. zu unterhalten hat.

So sieht sich die Gemeindeverwaltung veranlaßt, diesem Ansuchen nicht entsprechen zu können; wenn nicht eine gänzliche oder theilweise Befreiung von der Unterhalstpflicht deß Wasachweges eintreten würde; in dem sich die Gemeinde nicht für verpflichtet erachtet 2 – 3 Wege in ein und dieselbe Gemeinde zu unterhalten.

Fischen den 27. März 1898

Die Gemeindeverwaltung
Keller Bürgermeister
Schöll Beigeordneter
Joseph Köberle
Franz Speiser
Ferdinand Ziller”

Der kgl. Bezirksamtmann in Sonthofen hatte sich also des Forstamtes bedient, um die Meinung der Fischinger Gemeindeverwaltung (Anm.: heute Gemeinderat) zu hören.

Um das unbequeme Schreiben schnellstmöglich wieder los zu werden und sicher noch mehr um ja keine Arbeitszeit zu versäumen, lud der Bürgermeister seine Herren auf Sonntag zu sich in die Wohnstube ein. Die Reaktion der Fischinger Räte war völlig verständlich, denn die geplante Straße diente fast ausschließlich Tiefenbacher Interessen. Mit der neuen Straße wurde auf Fischinger Seite weder ein Haus noch nennenswerter land- oder forstwirtschaftlicher Grund erschlossen.

Dass so ein Projekt nicht im ersten Anlauf über die Bühne geht ist verständlich, daher traf man sich am 22. Mai 1898 wieder und bestätigte die im Jahr zuvor gefassten Beschlüsse. Jetzt lagen auch die Gesamtkosten vor, 56.000 Mark sollte die neue „Breitachstraße” kosten. Trotz dieser Riesensumme gab es beim Votum nur noch fünf Gegenstimmen. Der Versammlung lag jetzt auch der Schuldentilgungsplan vor, demzufolge erst in 62 Jahren, also 1960, die letzte Mark getilgt sein sollte (wie hätten die Tiefenbacher Bürger damals auch wissen können, dass sich in diesem Zeitraum zwei Weltkriege und zwei Währungsreformen abspielen werden).

Die neue Straße wurde in Angriff genommen und teilweise das Bett der Breitach eingeengt. Eine Verbauung des linken Flussufers durch das staatliche Flussbauamt war dazu zwingend notwendig. In der Ortsgemeindeversammlung vom 17. Februar 1901 erklärten sich die Genossen gegenüber dem kgl. Bezirksamt einstimmig bereit ein Viertel der entstehenden Kosten zu übernehmen. Der Bezirk und der Kreis schossen einiges zum Straßenbau bei, so dass die Last für die Ortsgemeinde Tiefenbach nicht so drückend war.

Die Straße war zwar schon gebaut, aber erst im Sommer 1902 erfolgte die notarielle Verbriefung des Grunderwerbes. Es würde zu weit führen hier auf die jeweiligen Zahlungen der folgenden Jahre einzugehen. Doch ist interessant, was damals als Stundenlohn bezahlt wurde. In der Sitzung vom 8. Dezember 1902 erhöhte der Ortsauschuss das „Stundengeld” bei Arbeiten für die Gemeinde von 25 auf 30 Pfennige.

Breitachstraße - Heft 69

Straße, Gebüsch und der Jungwald stehen am linken Flußufer auf dem Gelände, das beim Straßenbau durch Verbauungen der Breitach abgerungen wurde (1925)

Die neue Straße weckte bei einer Reihe von Leuten den Wunsch, noch näher zu einer Eisenbahnstation zu kommen. Die Gemeindeväter haben mit der Localbahn-Aktiengesellschaft Gespräche geführt und in der Sitzung von 4. Oktober 1903 darüber berichtet:

„Der Bürgermeister trägt vor: Auf ein von der Gemeinde an die General- Direktion der Localbahnaktiengesellschaft eingereichtes Gesuch um Errichtung einer Haltestelle Tiefenbach, wurde der Gemeinde in Aussicht gestellt, wenn sich die Gemeinde bereit erklärt, sämmtlich dadurch entstehenden Kosten von etwa 1000 M zu übernehmen. Die Haltestelle käme auf die Oberstdorfer Seite [Anm.: rechts der Breitach]. [...]“ Diese Auskunft erschreckte die Antragsteller anscheinend so, dass damit die Sache erledigt war und nie wieder in den Protokollen eine Eisenbahn-Haltestelle Tiefenbach auftauchte.

Festgehalten ist auch, dass die Gemeinde im Jahre 1904 von der Witwe Johanna Eß und deren Kindern Juliana und Johannes einen „Felsen” kaufte. An der Engstelle des „Kitzeloh” im Bachtel erwarb die Gemeinde das vorstehende Felseneck, welches „nach Bedürfnis abgesprengt wird zur Breitachstraßenunterhaltung” und bezahlte dafür 801 Mark. Da gab es nach jeder Sprengung Arbeit für die „Kiesschläger”, die mit ihren großen Steinschlägeln die Felsstücke zertrümmerten und so „Straßenkies” schufen. Rundkies und Sand zum Auffüllen der Schotterstrecke wurde aus dem Flusslauf der Breitach gewonnen.

Die Breitachstraße war für die Tiefenbacher Gemeindeverwaltung in den folgenden Jahrzehnten ein Dauerbrenner. Brachte doch die kühne Begehbarmachung der Breitachklamm einen erheblich verstärkten Verkehr. So betrachteten die Tiefenbacher die Breitachstraße als „ihre” Straße und schickten sich an, eine Art Maut für deren Benutzung zu kassieren. Im Protokoll vom 22. Mai 1905 finden wir folgenden Eintrag:

„Klagestellung gegen Alois Filser, Bäckermeister in Langenwang wegen Weigerung des jährlich von ihm zu leistenden Betrages zur Breitachunterhaltungskasse [...]

Nachdem sich der Bäckermeister Alois Filser aus Langenwang, Gd. Fischen, trotz des mit der Gemeinde Tiefenbach eingegangenen Vertrages, daß er solange er Brot nach Tiefenbach liefere, zu der Breitachstraße einen jährlichen Beitrag von 20 M leiste, weigerte, seiner Verpflichtung nachzukommen u. auch für das Jahr 1904 trotz Aufforderung keinen Beitrag leistete, ist derselbe durch die Gemeinde zur Zahlung des rückständigen Betrages nochmals unter der Bedeutung aufzufordern, daß bei Nichtbezahlung sofort gerichtlich gegen ihn eingeklagt werde [...]“

Die für 1906 neu gewählte Gemeindeverwaltung sah ihre rechtliche Position nicht mehr so sicher und hat sich mit Filser außergerichtlich verglichen und so konnte der „Langewangar Beck” sein Brot weiterhin unbehelligt über die Breitachstraße liefern.

Breitachstraße - Heft 69

Mit der gemeindeeigenen „Kiesquetsche” wird grobes Steinmaterial zu Kies für den Straßenbau gebrochen

Die neue Verbindung zur Distriktsstraße hin ließ die Nutzung der alten Hauptzufahrt von Fischen über Obermaiselstein auf ein Minimum zurückgehen. Mit der neuen Straße lehnte sich Tiefenbach immer mehr an Oberstdorf an, zumal jetzt zweimal täglich eine Karriolpost von der Alpenrose zum Bahnhof Oberstdorf fuhr und der Ort auch postalisch Oberstdorf zugeordnet wurde.

Sorgen bereiteten den Verantwortlichen die moderne Technik, das Automobil. Weil man an dem Tag Allerheiligen 1907 keine Arbeit versäumte, trafen sich die Gemeindeoberen und fassten folgenden Beschluss:

„Der Gemeindeauschuß erläßt hiermit auf Grund des Art. 2 Ziff. 6 des Pol.Str.G.B [Polizeistrafgesetzbuch] folgende ortspolizeiliche Verkehrsvorschriften:

Das Fahren mit Kraftfahrzeugen jeder Art auf Gemeindewegen von der Alpenrose No. 32 1/2 in Tiefenbach bis zur Breitachbrücke auf der neuen Straße der Breitach entlang, sowie von der Breitachbrücke auf der selben Straße nach Tiefenbach ist verboten.

Dasselbe Verbot gilt auch auf den Gemeindewegen Alpenrose No. 32 1/2 bis Wirtschaft Rohrmoos HsNo. 72 der Gemeinde Tiefenbach.
Ausgenommen von diesem Verbot sind Ärzte für Fahrten zu Berufszwecken. Übertretungen werden mit Geld bis zu 60 M oder mit Haft bis zu 2 Wochen bestraft.

Zur Bestätigung Rietzler, Bürgermeister”

Über viele Jahrzehnte hatte die Breitachstraße nur eine wassergebundene Kiesdecke. Spurrillen und Schlaglöcher wurden vom Wegmacher aufgefüllt und zum Großteil beim nächsten großen Regen wieder ausgespült. Von Zeit zu Zeit wurde ein Teilstück der Straße mit einer neuen Kiesdecke überzogen. Bei der Aufbereitung des Straßenkies kam die gute alte Kiesquetsche, die schon beim Bau der Straße im Einsatz war, wieder zu Ehren. Im Jahre 1935 verlegte ein Erdrutsch die gesamte Fahrbahn. Im Rahmen des Hand- und Spanndienstes haben die Bürger auch dieses Problem gemeistert.

Probleme bereitete gelegentlich der Winterdienst. So kam es, dass noch in den 30er Jahren Tiefenbach bei starkem Schneefall über Tage von Oberstdorf abgeschnitten war. In den schneefreien Monaten überwachte und pflegte Markus Vogler als Wegmacher die Strecke von der Breitachbrücke bis zur Klammwirtschaft. Neben der kleinen Landwirtschaft war diese Wegmacherstelle für den Vater von acht Kindern eine kleine aber sichere Einkommensquelle. Viele Tage stand der Mann im Bachbett der Breitach und hat Schaufel für Schaufel Bachgeschiebe auf ein Gittersieb geworfen und so Sand und Kies „greadet”. Mit Pferdefuhrwerken wurden Sand und Straßenkies jeweils auf die Fahrbahn herangefahren und von Markus Vogler mit seinem selbstgebauten Schubkarren verfahren und letztlich verteilt. Selbst seine schulpflichtigen Kinder mussten dem Vater bei der Arbeit helfen, „Roßbolla” von der Straße werfen und Gräben ziehen als Wasserablauf. So konnte sich sein Sohn erinnern.

Breitachstraße - Heft 69

Vor seinem Haus in der Schwande, nahe der Breitachstraße, stellt sich der Wegmacher Markus Vogler mit Frau und vier seiner acht Kinder dem Fotografen. Während der Hang damals (ca. 1928) noch frei war, ist das Gelände heute fast gänzlich bewaldet.

Vor etwa 30 Jahren hat ein Felssturz am „Kitzeloh” die Breitach aufgestaut. Die Straße war davon nicht betroffen, weil das Gestein an der gegenüber liegenden Felswand abgebrochen war. Mit ewas Phantasie kann man sich vorstellen, wie es einst ausgesehen haben muss, als der Felsriegel noch geschlossen war und dahinter sich über die heutige Ebene der „Oyb” ein See erstreckte.

Längst ist die Breitachstraße zur Kreisstraße aufgewertet. Gerade im vergangenen Jahr hat der Landkreis die Straße kanalisiert, verbreitert, im Kurvenbereich mit Leitplanken gesichert und mit einem Asphaltbelag versehen. Der Felsen am „Kitzeloh” ist soweit abgesprengt, dass selbst dort ein Begegnungsverkehr von zwei Schwerlastzügen problemlos ist. Ein durchgehender Fuß- und Radweg sorgt auch für die Sicherheit der „schwächeren Verkehrsteilnehmer”.

Tausende von Fahrzeugen fahren nun jährlich über die Breitachstraße hin zum Naturwunder Breitachklamm. Nicht weniger Autotouristen nutzen die Panoramastrecke durch die Hörnergemeinden, um sich an der Schönheit der Oberallgäuer Landschaft zu erfreuen. Tiefenbach wird vom öffentlichen Personennahverkehr bedient. Die Linienbusse des Regionalverkehr Allgäu (RVA) verbinden den Ortsteil mit dem Hauptort Oberstdorf und mit der Kreisstadt Sonthofen.

Breitachstraße - Heft 69

Zweimal täglich verkehrt eine Karriolpost zwischen dem Bahnhof Oberstdorf und der „Alpenrose” in Tiefenbach.

Im Bilde von links die Posthalterin Mathilde Kurzwart, Postillon Ludwig Vogler und die Postboten Urban Schädler und Wilhelm Dornach, zusammen mit einem Kurgast (um 1938)

Breitachstraße - Heft 69

Nur einspurig ist der Verkehr am „Kitzeloh” noch in den 70er Jahren. Heute ist die Engstelle und damit das Sorgenkind der Straßenbauer aus rund 100 Jahren beseitigt.

Breitachstraße - Heft 69

Der Zwingsteg in der Breitachklamm

Wer denkt heute, wenn er das landschaftlich schöne Flusstal der Breitach befährt, an die Nöte der Altvorderen? Die Breitachstraße, die den Vorfahren der heutigen Tiefenbacher so viele Sorgen bereitet und solche finanziellen Opfer abverlangt hat, ist heute der Lebensnerv des ganzen Ortes.

Breitachstraße - Heft 69

Um 1900

In die alte Distriktsstraße von Sonthofen nach Oberstdorf mündete die neugebaute Breitachstraße an der Breitachbrücke ein.

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