Siedlungsentwicklung und Baugeschichte in Oberstdorf und Umgebung (Teil 5)

von Mathias Kappeler & Franz Vogler am 01.12.1988

Das Wohnen des Oberen Allgäus

Das Flurküchenhaus

Tritt man in ein altes Oberallgäuer Bauernhaus durch die Haustüre ein, so steht man bei einfacheren Häusern in der Regel schon in der Küche oder man befindet sich in einem kleinen abgetrennten Flur vor der Küche. Die Stube kann von diesem Flur oder der Flurküche durch die Stubentür betreten werden; das Gaden - als elterliches Schlafzimmer - ist nur von der Stube und von einer kleinen Türe in der hinteren Küche aus zugänglich. Diese Grundrißform nennt man Flurküchenhaus, wobei dieser Grundriß bei einfachen Häusern vom Tirol (dort Eckflurhaus genannt) über das südliche Allgäu, Vorarlberg und die Nordostschweiz bis ins Wallis zu finden ist. Im Oberallgäu, in Vorarlberg und Teilen der Nordostschweiz ist dieser einfache Grundriß sogar vorherrschend (s. Abb. Nr. 1).

Teil 5 Siedlungsentwicklung - Heft 14

Abbildung Nr. 1

Die Firstrichtung spielt bei diesen Häusern keine Rolle, meistens liegt die Flurküche quer zum First des Hauses. Speziell in Oberstdorf gibt es jedoch viele Häuser mit einer Flurküche längs zum First.

Man könnte nun meinen, dieser einfache Grundriß wäre schon seit Jahrhunderten unverändert üblich und könnte sogar eine Art Urform des Bauernhauses darstellen. Das Flurküchenhaus ist jedoch in dieser Form bereits das Endprodukt einer langen Entwicklungsgeschichte. Diese Entwicklungsgeschichte reicht von den Frühzeiten der mitteleuropäischen Bauernkulturen über die Zeit der Kelten, der Römer, die Völkerwanderungszeit bis ins Mittelalter und ist trotz ihres riesigen Zeitraums keineswegs geklärt. Dies liegt vor allem an den wenigen auswertbaren Grabungsfunden; Holzhäuser lassen naturgemäß weit weniger Spuren übrig als römische Gutshäuser und Villen aus Stein.

Wie die Menschen im Allgäu nach der Landnahme der Alemannen und im Mittelalter gewohnt haben, darüber lassen sich nur Vermutungen anstellen. Die ältesten Beschreibungen von Wohnhäusern der bäuerlichen Bevölkerung findet man in den frühen Gesetzesbüchern der Bayern und Alemannen aus dem 8. Jahrhundert, in der sog. Lex Baiuvariorum und der Lex Alemannorum. Diese Gesetzestexte befassen sich u.a. auch mit den Gebäuden, den Räumen und der Konstruktion der damaligen Bauernhäuser. So läßt sich insbesondere aus der Lex Baiuvariorum auf einen Ständerbau schließen, da ausdrücklich von Pfosten, dem First und der „firstsul” = Firstsäule die Rede ist. Genauere Angaben über die innere Raumaufteilung sind jedoch nicht enthalten. Es ist heute auch ungemein schwierig, die damaligen Bezeichnungen zu übersetzen. So ist z.B. in der Lex Alemannorum eine „stupa” genannt, von der nach Expertenmeinung feststeht, daß es keine Stube im heutigen Sinne war; eine genauere Festlegung, was damit gemeint sein könnte - eine Badstube oder etwa ein Webraum -, ist heute auch nach langwierigster Forschung noch nicht möglich. Sicher ist, daß die rauchlose, geheizte Stube - das Kernstück unserer heutigen Wohnkultur - erst seit dem Hochmittelalter Einzug in die Häuser der Bürger und Bauern fand.

Die Angaben über die Konstruktion der Bauernhäuser in den alten Gesetzesbüchern der Baiern und Alemannen lassen sich sicherlich nicht verallgemeinern, insbesondere im Alpenraum war damals neben dem Ständerbau der Blockbau mit Sicherheit ebenfalls bekannt. Ausführlicher über konstruktive Details soll jedoch erst in einem der nächsten Hefte berichtet werden.

Theorien zur Entwicklung des Flurküchenhauses

Die gängigste Vorstellung der Volkskundler zur Entwicklung des Flurküchenhauses geht davon aus, daß in ein ursprüngliches Einraumgebäude mit mittiger Feuerstelle eine Stubenkammer hineingestellt wurde. Der Stubenofen wurde mit einem Kuppelofen (= „Luimofe”) ausgerüstet, der von der Flurküche aus beheizt wurde. Die Stube war daraufhin - zumindest was den Rauch des Stubenofens betraf - rauchfrei (s. Abb. Nr. 2).

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Abbildung Nr. 2

Eine Erklärung für die Entwicklung des Flurküchenhauses.

Für die Flurküche war früher teilweise der Begriff „Hüs = Haus” gebräuchlich. Dies wird von den Volkskundlern als Hinweis gesehen, daß die Flurküche der übriggebliebene Rest des Einraum-Hauses ist. Für diese Vorstellung könnte weiters sprechen, daß auch im Oberallgäu Bauernhäuser bekannt sind, bei denen ausschließlich Stube und Gaden im Blockbau errichtet sind, die Flurküche und das gesamte Obergeschoß dagegen im urtümlichen anmutenden Ständerbau. Auch könnte für diese Vorstellung die gemeinsame Fage der Feuerstellen in der Mitte des Hauses an einem gemeinsamen Kamin sprechen. Jedoch läßt sich schon bei heute noch stehenden Häusern nachweisen, daß es früher mehrere Feuerstellen an verschiedenen Orten im Hause gab.

Wie stellt sich nun die Wohnkultur des Oberallgäuer Bauernhauses in seinen ältesten Exemplaren dar, wie wurde die Wohnkultur von den frühen Volkskundlern beschrieben? Nach einigen kurzen Aufsätzen aus der Zeit um die Jahrhundertwende über das Oberallgäuer Bauernhaus stammt die erste ausführliche Beschreibung erst aus dem Jahr 1916 von August Ullrich in der traditionsreichen Reihe des „Allgäuer Geschichtsfreundes”. Ullrich befaßte sich ausführlich mit den verschiedenen Allgäuer Bauernhäusern, und er hatte zur damaligen Zeit weit mehr Allgäuer Bauernhäuser in fast noch ursprünglichem Zustand gesehen und besucht, als dies uns heute noch möglich ist.

Die Schilderung Ullrichs über das Innere eines Oberallgäuer Wohnhauses ist so farbig und treffend, daß wir sie auch unseren Lesern nicht vorenthalten möchten und deshalb ausführlich wiedergeben:

Das „Haus ” (= Flurküche) diente nicht nur als Hausgang, sondern es war auch der Aufbewahrungsort für alle möglichen Geräte, Werkzeuge und Geschirre.

Wo Käse gemacht wurde, befand sich im „Haus" das „Fuirloch”, über dem an einem beweglichen hölzernen Arm, dem „Galge”, der Käsekessel hing; der „Spanntisch ” (zum Zusammenspannen der Käsemasse zu einem runden Laib durch einen Reif), die „Käspreß ” und der „Rührkübel ” sowie alle sonstigen zur Käserei nötigen Geräte standen dort oder hingen an der Decke und an den Wänden.

Wenn man vom „Haus” aus die Stube betrat, befand man sich darin, gewöhnlich rechts an der Türwand, die große „Leuchte ”, der offene Herd, und links in der Ecke der massige, vom „Haus” aus heizbare, mit Lehm gemauerte, weißgetünchte Ofen. Der auf hohen Steinfüßen oder auf einem offenen Unterbau stehende, im unteren Teil viereckige, nach oben mit einer flachen, halbrunden Kuppel abschließende Ofen war auch als Backofen eingerichtet. An einer Seite des Ofens stand die „Gautsche” (oberländisch „Gütsche ”), das mit einem Stroh-, Laub- oder „Helben ’’-(Spreu-)Sack und mit Kopfpolster ausgestattete und besonders in dem langen Allgäuer Winterfleißig benützte Faulbett, an der anderen Seite der Ofebank. Um den Ofen zogen sich, an der Zimmerdecke aufgehängt oder in den Wänden und an einem eigenen, freistehenden Pfosten befestigt, die „Ofenstangen” zum Trocknen von nassen Kleidern und Wäsche. Auf der „Leuchte” in der Stube wurde gekocht und darauf ständig das eiserne „Pfanneg’stell” und der große eiserne oder bronzene „Hafe ” mit drei Füßen. Der Rauch wurde durch einen Rauchhut aufgefangen und in den Kamin geleitet und auf dem gesimsartigen Rand des Rauchhutes fanden Geschirr und Kochgeräte ihren Platz. Pfannen usw. lagen auf dem Ofen oder steckten an der Stubendecke und hier oder an der Wand hing auch das „Pfannebreat”.

Kleineres Geschirr war in einer kleinen Truhe, dem „Leuchtetrüchle ”, untergebracht. Ein in der Leuchteaufmauerung ausgesparter, gewölbter Raum nahm das Brennholz auf, und daneben stand die „Gsodstande ”, ein Kübel, in welchem mit heißem Spülwasser oder heißer Molke das ,, Gsod ” (Häcksel zum Viehfutter) angebrüht wurde und so lange stehen blieb, bis es gärte und meist auch Schimmelpilze ansetzte.

An der Leuchte war ein eiserner Haken oder eine Öse angebracht, in welche der Kienspan gesteckt wurde, welcher die Stube zu beleuchten hatte, und daher wird auch der Name „Leuchte” für den Herd stammen. Noch Ende des achtzehnten und Anfang des neunzehnten Jahrhunderts war die Unschlittkerze im Bauernhaus ein Luxus.

Die übrige, von alters her gleichgebliebene Einrichtung der Stube bestand in Bänken, die den ganzen beiden Fensterseiten entlang zogen, und wo diese den Winkel bildeten, stand der Tisch. In der Tischecke war quer über der Wandecke das Kruzifix aufgehängt, hinter welchem der „Palme” (der zu Ostern geweihte Palmen) steckte. Außer diesem „Geweihten ” schützten jedes Allgäuer Bauernhaus vor bösen Einflüssen die über jeder Tür mit geweihter Kreide angeschriebenen Buchstaben K. M. B. An der Wand gegen den „ Gade ” stand das „Käschtle ”, in welchem die Bäuerin ihr Näh- und Flickzeug, „Schoßen” (Schürzen) und was sie sonst zur Eland haben mußte, „pfebte” und der Bauer seine „Schrifta” und in späterer Zeit auch den „Kalendar” verwahrte. In einem auf dem „Käschtle” stehenden Aufsatz mit Gittertürchen wurde die Milch in Schüsseln aufgestellt, wenn der Viehstand nur so viel ergab, als im eigenen Haus verbraucht wurde. Die Milchschüsseln wurden, durch Holzspäne - „Landern ” - getrennt und getragen, in Reihen übereinandergestellt und davon zu jeder Mahlzeit genommen. Was nicht als süße Milch oder „Schlotter ” (gestockte, saure Milch) verzehrt wurde, wurde abgerahmt, der Rahm verbuttert und der aus der abgerahmten, geronnenen Milch sich ausscheidende Käsestoff- der „Zieger” wurde zum Brot gegessen, verkocht oder verkauft.

Schon im achtzehnten Jahrhundert waren im Allgäu auf dem Lande die Schwarzwälderuhren allgemein verbreitet. Eine oder meistens zwei solcher Uhren standen in hohen Kästen in die Wand eingelassen neben dem Türgerüst der „ Gadetür ”. Einige Holzstühle und besonders „Gunggeln” (Kunkeln) - in späterer Zeit Spinnräder - und Garnhaspeln vervollständigten die Einrichtung der Stube.

Der Phantasie muß es überlassen bleiben, es sich auszumalen, wie es in einer solchen, von einer Anzahl Menschen bewohnten, rauch- und rußgeschwärzten, mit Gärungs- und anderen Gasen erfüllten Stube gewesen sein mag. Tisch und Stubenboden wurden zwar von altersher im Allgäu peinlich sauber gehalten und weiß gefegt, aber für Lüftung der Stuben wurde wenig gesorgt und von den kleinen Fenstern wurde höchstens einmal der kleine „Schieber ” geöffnet, mit dem eine der einzelnen, etwa 18 : 22 Zentimeter großen Glasscheiben eines jeden Fensterflügels verschoben werden konnte.

Der Zustand, daß die Stube als Koch- und Wohnraum diente, dauerte teilweise bis weit in das neunzehnte Jahrhundert hinein, und erst dann wurde allmählich die „Leuchte ” in das „Haus ” verlegt und dieses als Küche eingerichtet. In der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts kamen dann die sogenannten „Kunstherde ” (mit geschlossener Feuerung und Rauchzügen) auf und verdrängten nach und nach die offenen Herde ganz.

Vor dem zeitlich nicht sicher feststellbaren Aufkommen der über Dach geführten Kamine war der Rauchabzug der Leuchte durch einen sogenannten „ Wickelkamin ” nur in den Sohler des Obergeschosses geleitet und der Rauch mußte sich von dem deckenlosen Sohler und der nach letzterem offenen Bolledörre aus durch die Ritzen des Daches den Ausweg suchen. Die Herstellung des „ Wickelkamins ” erfolgte in der Weise, daß die durchbrochene Stubenwand und -decke und der einbezogene Teil der Sohlerwand mit Holzbissen (Pflöckchen) beschlagen und mit Lehm beworfen wurde. An dem so beworfenen Wandstück auf dem Sohler wurden in eingebohrten Löchern halbkreisförmig gebogene Ruten und Zweige befestigt, verflochten und ebenfalls mit Lehm beworfen. Dieser halbrunde Kaminschlauch wurde nun auf etwa halbe Höhe der Sohlerwand geführt. Zu dem Lehmbewurf wurden langes Strohhäcksel und Lehm zusammengeknetet. Solche „Wickelkamine” waren vereinzelt noch in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts zu sehen, durften aber aus feuerpolizeilichen Gründen nicht mehr benutzt werden.

Die „obere Stube”, wenn sie nicht als „Stühle” für die in der „Leutum” (Austrag) lebenden alten Eltern oder als „Winkel” für winkelberechtigte Geschwister in Anspruch genommen war, hatte in der Regel keine Feuerungsanlagen, in diesem Falle aber war sie wie die Wohnstube mit einem großen Lehmofen und mit einer kleinen „Leuchte ”, in der Regel neben dem Ofen, versehen.

Der „Sohler”, auf dem vielfach auch der Kornkasten stand, mußte, wenn die Oberstube nicht frei war, die „Truchen” aufnehmen, in welchen die Braut ihre Aussteuer an Leinwand und „Häß ” (Kleider) brachte und ebenso die „Käschte ”, in welchen das „Festtagshäß” der ganzen Familie aufbewahrt wurde.

Die Beschreibung Ullrichs mutet teilweise wie ein Bericht aus längst vergangenen Jahrhunderten an, und doch hat man in den Bauernhäusern noch zum Ende des 19. Jahrhunderts zum Teil so gelebt. Niemand erinnert sich heute an einen offenen Herd in der Stube und doch findet man fast bei allen alten Häusern in Oberstdorf beim Abriß oder bei der Renovierung der Stube die Reste der Leuchte und die Ankerlöcher für den ehemaligen Wickelkamin. Diese Leuchte war in viel kleinerer Form auch in Südwestdeutschland bekannt, dort hatte sie jedoch weniger die Funktion eines Herdes, sondern mehr die Funktion der Beleuchtung der Stube.

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Abbildung Nr. 3

Große Leuchte und Ofen, Haus Nr. 9, „bei Stehles Mathäs” in Gopprechts.

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Abbildung Nr. 4

Oberstdorf, Rechbergstraße 8, „Marzellars Hisle” (abgebrochen).

Ansicht vom Süden (Rekonstruktion) und Grundriß - Ml : 100.

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Abbildung Nr. 5

Die alte Ostwand des "Marzellars Hisle"

An den Bügen sieht man, daß die Küche erst später an das vordere Haus angebaut wurde.

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Abbildung Nr. 6

Wäre die Küche bereits ursprünglich vorhanden gewesen, hätte man die Aussteifung der Säule mit einem Bug so ausgeführt wie an der Südfront.

Die Oberallgäuer Leuchte war in den ursprünglichen Exemplaren ein großer Herd in der Stube, der in der Regel separat zum Ofen an einer Wand stand und meistens einen eigenen Kamin hatte. Erst später wurden kleinere Leuchten direkt am Stubenofen üblich. Ullrich zeigt in seinem Artikel auch ein Foto einer damals noch bestehenden Leuchte, das wir ebenfalls wiedergeben möchten (s. Abb. Nr. 3).

Bei einigen Oberstdorfer Bauernhäusern muß sogar angenommen werden, daß die Flurküche als Raum ursprünglich überhaupt nicht vorhanden war. So war z.B. beim abgebrochenen „Marzellars Hisle” in der Rechbergstraße erkennbar, daß die Flurküche erst später vom Schopf abgetrennt und an die Stube und das Gaden angebaut wurde. Im ursprünglichen Zustand dürfte das Haus einen ähnlichen Grundriß gehabt haben wie die alten ober schwäbischen Mittertennenhäuser, d.h. der Zugang zu den Wohnräumen erfolgte einfach über den zwischen Wohn- und Wirtschaftsgebäude liegenden Schopf, der zugleich Flur für die Wohnräume und Tenne war (siehe Abb. 4, 5, 6).

Interessant war hierzu auch die Renovierung der Stube in der Rankgasse 3 (Kappeler) vor einigen Jahren. Dieses Haus ist heute ein reines Flurküchenhaus mit giebelseitigem Eingang, bestand jedoch früher offensichtlich nur aus Stube (Kochstube) und Gaden. Die später im Fachwerk errichtete Flurküche scheint im ursprünglichen Zustand nur eine offene Laube gewesen zu sein, da die zur Küche zeigende Stubenwand sonnengebräunt war. Sowohl die Fundamentierung als auch der sauber ausgeführte Eckverband am Stubeneck zur Küche weisen auf das ursprüngliche Fehlen eines geschlossenen Küchenraumes hin. Die Stubenwände selbst waren unter dem heutigen Täfer tiefschwarz verrußt, wobei der Ruß nur an den Stellen fehlte, wo man durch ständigen Gebrauch die Wand immer wieder sauberfegte, so z.B. an der Rückseite der ehemals umlaufenden Stubenbank. Die starke Verrußung könnte auch vom nachgewiesenen zeitweiligen Gebrauch als Backstube kommen.

In der Stube war noch klar erkennbar, wo der große Kochherd stand. Mehrere Reihen Ankerlöcher für den Wickelkamin zeugten davon, daß dieser im Laufe der Jahrhunderte auch mehrmals völlig neu errichtet wurde (s. Abb. Nr. 7).

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Abbildung Nr. 7

Das Oberallgäuer Haus erinnert in seiner ursprünglichen Form mit Kochstube an die Rauchstubenhäuser der Ostalpen, jedoch wurde bei diesen teilweise sogar noch der Stubenofen von der Stube aus beheizt. Der ehemals übliche Kochherd in der Stube und die in manchen alten Häusern ursprünglich fehlende Flurküche passen nun - zumindest für den Bereich des Oberen Allgäus - gar nicht zu der eingangs geschilderten Theorie zur Entwicklung des Flurküchenhauses aus einem Einraum-Wohnhaus.

In der Schweiz dagegen sind in der umfangreichen Literatur über Bauernhäuser keine Hinweise über Kochherde in Stuben zu finden. Es wird eben mehrere Wege zu der außerordentlich raumsparenden und praktischen Anlage des Flurküchenhauses gegeben haben. Für das Obere Allgäu müssen wir jedenfalls davon ausgehen, daß die Stube als zentraler Wohnraum anfangs viele Funktionen in sich vereinte.

Das Gaden scheint ursprünglich auch zur Stube gehört zu haben. Beim schon erwähnten Haus Nr. 3 in der Rankgasse war die Wand zwischen Stube und Gaden nur ansatzweise in die Außenwand des Hauses eingestrickt, die „Anfaßsäule” der Gadentüre lag direkt an der Außenwand, die alte Türöffnung war unter der Wandverkleidung noch sichtbar. Die lichte Höhe dieser Türe betrug nur ca. 1,26 m(!).

Im Kleinwalsertal wurde das Gaden dagegen nicht durch Unterteilung (Division) der Stube gewonnen, sondern durch Anfügen (Addition) eines neuen Blockbauwürfels, dies ist an den sog. „Klebsäulen” zwischen Stubenblock und Gaden von außen heute noch meist gut erkennbar. Die Oberallgäuer Leuchte hat man auch im Kleinwalsertal gekannt, wogegen sie in der Urheimat der Walser, dem Wallis völlig unbekannt ist. Nachgewiesen ist jedoch, daß die Walser aus ihrer Urheimat in die neuen Kolonien oft nur wenig an Wohnkultur mit übernommen haben, sondern sich meist bald nach den dortigen Gepflogenheiten richteten. So wohnten z.B. die Walser südlich des Monte Rosa (z.B. in Alagna) entsprechend dem Brauch es französisch-sprachigen Aostatales mit dem Vieh in einem Raum zusammen; ein Zustand, der im benachbarten Wallis undenkbar wäre. Dies ist ein guter Beleg dafür, wie selten Bauweise und Wohnen an die Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe gebunden ist. Oft sind es lokale und regionale Gepflogenheiten, die eine Hauslandschaft prägen.

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Abbildung Nr. 8

Jungsteinzeitlicher Wohnbau. Federseemoor (nach R. Schmid, Jungsteinzeit-Siedlung, Augsburg 1930)

Zum Abschluß dieses Kapitels soll ein Wohnhaus-Grundriß aus der Jungsteinzeit belegen, daß es schon damals einfache Wohnhäuser gab, die mit mehreren Feuerstellen ausgerüstet waren. Dieser Grundriß stammt aus den bekannten Ausgrabungen im Federseemoor in Oberschwaben. Allerdings sind bei diesem Beispiel Wohnraum und Küchenraum bereits getrennt. Es gibt jedoch auch Beispiele aus dieser Zeit mit einräumigen Wohnbauten (s. Abb. Nr. 8).

Fortsetzung folgt

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