Toni Köcheler jun.
Von allen Seiten ertönen heute Klagen über untergegangenes und untergehendes Volksleben, vor allem bei den Bräuchen und Sitten der bäuerlichen Bevölkerung. Deshalb versuche ich etwas zu Papier zu bringen, was vor 50 und mehr Jahren noch seine überlieferte Geltung gehabt hat, heute leider nur noch von wenigen beachtet und hochgehalten wird. Alles, was der Bauer und der Handwerker früher im Leben Wichtiges zu verrichten hatte, deuteten ihnen viele Zeichen: aus der Mondlaufbahn, den Tierkreiszeichen und der Sonne mit ihren Planeten.
Niemand ist in seiner Arbeit so vom Wetter abhängig wie der Bauer. Es ist deshalb verständlich, daß er seit Jahrhunderten den Ablauf des Wetters, der Tage, der Zeichen des Himmels genau beobachtete und sich daraus seine Vorhersagen und Zeichenwerte bildete.
Viele hielten sich an die überlieferten Regeln der Vorfahren, sie wußten aber keine Ursache dieser Gebräuche anzugeben, außer der, daß diese der Vater, der Großvater und Urgroßvater auch schon so verwendet hatten, eben seit urdenklichen Zeiten. Die tiefere Bedeutung kannten sie so wenig wie der Städter oder die heutige Generation, die darüber nur zum Lachen geneigt ist. Man denkt heute aufgeschlossener über andere Ideale und Einflüsse als über Werte der Mondzeichen. Die neue Generation ist nicht mehr so bodenständig, wie es früher fast Bedingung war.
Seit es Schriftzeichen gibt, wurden viele Regeln aufgeschrieben und weitergegeben. So wurde es auch in unserer Gegend dem Landmann leicht gemacht; denn seit 1692 gibt es im Oberallgäu den allseits beliebten und früher lebensnotwendigen Kempter Kalender, den „Neuen Schreibkalender auf das Jahr nach der gnadenrei chen Geburt unseres HErrn JEsu CHristi“.
Dieser Kempter Kalender fehlte in keinem Bauernhause. Er vermittelte und ver wöhnte den Bauern mit all dem Wissenswerten über Mondzeichen, Tierkreise, Wet terregeln und Lostage.
Bevor es diesen Kalender gab, druckte man schon kleine Büchlein, sogenannte Merkkalender. Hier wurden in Versen die Wetterregeln, die Heiligentage, die Tierkreisbedeutungen festgehalten. Als Beispiele seien genannt: „Schrein die Frösch vor Markustag, kommt Eis und Schnee als nächste Plag“, „Vor Urbanstag den Flachs gesät, auch Hanf im vollen Mond gerät.“ Man bediente sich regelmäßig solcher Verse; denn diese waren für den einfachen Bewohner leichter zu merken.
Viele dieser Voraussagen sind auf die Namenstage der Heiligen gesetzt. Man sprach früher nie von einem 23. April, hier hieß es „Jörgetag“ (Georg), oder von „Michele“ und meinte den 29. September, „z’ Martine“ war am 11. November, „Käthrinetag“ am 25. November, um nur einige zu nennen. Als übliche Zeitangabe sprach man „voar“ oder „noch Michele“ oder „so um Käthrine“.
Es richtete sich die Zeitrechnung der Bauern früher auch nach besonderen Festtagen, Lostagen, Viehscheide oder Märkten. Als Beispiel sei angeführt: „Das macht man nach Ostern“, „nochem Scheid“, „noch vor der Gallekirbe“ oder „im Vollmond nach Lichtmeß“ oder „im ersten übergehnde Mond nach Jörgetag“ usw.
Unter den astralen Einflüssen ist die Wirkung des Mondes am auffälligsten. Ich erinnere hier nur an Ebbe und Flut, an das Auftreten von Mondsüchtigkeit etc. Über die Wichtigkeit des Mondeinflusses waren sich der Landmann und der Gärtner längst im klaren, wie uns die vielen gesammelten Regeln in den ältesten astrologischen Schriften beweisen.
Was hat es mit dem Einfluß des Mondes nun auf sich? Das Bauernjahr unterscheidet die verschiedensten Mondgänge und -phasen.
Oberlehrer Zirkel schreibt in seinem Heimatkundeheft 14: „Was wir vom Mond erzählen, das sind dürftige Reste eines in germanischen Landen einst gepflegten Volksglaubens, nur noch Trümmer eines großen Gebäudes. Vieles, wohl das meiste ist untergegangen. Mehr und mehr schwindet altes Volksgut dahin. Nur der Bauer hält noch vereinzelt, aber zäh am Glauben fest, der Mond übe gewisse unerklärl che Einflüsse aus.“
Die Lichtgestalten oder Phasen des Mondes hängen von seiner Stellung gegen die Erde und die Sonne ab. Steht der Mond zwischen Erde und Sonne, so ist Neumond (Konjunktion), steht die Erde zwischen Sonne und Mond, so ist Vollmond (Opposition), steht der Mond in einem Winkel von 90 Grad zu Erde und Sonne, so ist erstes oder letztes Viertel (Quadratur).
Bauer und Handwerker unterscheiden aber noch zwischen dem "übergehenden" und dem "untergehenden" Mond; in vielen Kalendern als nach oben oder nach unten zeigende Mondsichel dargestellt.
Beim untergehenden Mond (Mond abwärts) steht der Mond im höchsten Stand, also in der Nordwende. Beim übergehenden Mond (Mond aufwärts) hat er seinen tiefsten Stand, und es heißt, der Mond ist in Südwende. Was dazwischen liegt, nennt man den Mond im Himmels - Äquator.
Dazu schreibt Zirkel: „Erst zwei in liebenswürdiger Weise von der Universitäts- Sternwarte München erteilte Auskünfte lösten das Rätsel des über- und untergehen den Mondes. Wir schicken gleich voraus, daß hier weder ein Zusammenhang mit den Mondphasen noch mit den Mondknoten besteht; letztere sind bekanntlich die Kreuzungspunkte der Mondbahn mit der scheinbaren Sonnenbahn (Ekliptik), wo bei Sonnen- und Mondfinsternisse entstehen können.“
Hat der Mond seinen tiefsten Punkt (1) erreicht und bewegt er sich nunmehr - unabhängig von seiner Phase - über den Äquator hinweg zu Punkt 2, so sagt der Bauer, wir haben „übergehenden Mond“ (Mond aufwärts): der Mond geht von Punkt 1 zu Punkt 2 über den Äquator. Den Weg vom jeweils höchsten Punkt der Mondbahn (2) zum tiefsten (3) bezeichnet er als „untergehenden Mond“ (Mond abwärts): Der Mond geht unter den Himmelsäquator.
Zu beachten ist auf alle Fälle, daß sich die Begriffe vom abnehmenden und zuneh menden Mond mit den Werten des „übergehnde“ und „ündrgehnde“ Mond nicht decken.
Außer den Mondphasen und -stellungen beachtet der Bauer auch noch Konstella tionen von Erdnähe und Erdferne, welche ebenfalls eine große Beeinflussung aller Geschehen um den Mond bringen.
Im Tiroler Bauernkalender von 1854 wurde folgende Aussage entdeckt:
Der Mondeinfluß im allgemeinen ist allein nicht die beherrschende Kraft, wenn es
auch so erscheinen mag. Hierzu spielen die sogenannten „Himmelszeichen“, die
Tierkreiszeichen eine große und mit entscheidende Rolle. Umgekehrt sind die Tierkreis-
zeichen ohne die Mondphasen kaum zu erkennen. Der Einfluß ist in allen Berichten und Überlieferungen, auch wissenschaft-
lich, zusammenhängend dargestellt.
Bei den Mondabläufen, den Tierkreiszeichen und Aspekten muß man auch noch die Zusammenhänge mit den Lichtern und Planeten erwähnen. Ohne diese Phasen und Stellungen zu kennen und in Zusammenhänge zu bringen mit den Aspekten, den Lichtern und Planeten, wäre kaum eine Berechnung der Mondabläufe möglich gewesen. Doch wozu sollen wir uns darüber den Kopf zerbrechen, in den gebräuchlichen Kalendern sind all diese Dinge heute noch sehr gut beschrieben und jeder, der daran Interesse hat, kann sich seine Konstellationen selbst errechnen.
Das Wissen um die Bedeutung der Tierkreis- und Mondzeichen war in der ganzen Welt verbreitet, doch gerade die Abge-
schlossenheit der Gebirgstäler von der fernen Außenwelt hielt in früherer Zeit den Glauben an heidnische Gebräuche und besonders an unerklärbare Geschehnisse lebendig. Deshalb wurde den überlieferten Beobachtungen um die Wertigkeit der Mond- und Tierkreiszeichen uneingeschränkter Glaube geschenkt. Wenn auch heute viele über diese Zeichen lachen, so gehörten diese doch zu allen Zeiten zum Lebensinhalt und zum Ablauf aller Geschehnisse des Jahres.
Lonzars Käthring hot denn gseit: „Ma sott it ibr des lache, wo is schu menksmol schu reacht viel gnitzt hot.“
Die Tierkreiszeichen dürften heute allen bekannt sein, doch um der Vollständigkeit willen möchte ich diese kurz aufzeigen. Die zwölf Tierkreiszeichen beginnen mit dem Widder, es folgen Stier, Zwillinge, Krebs, Löwe, Jungfrau, Waage, Skorpion, Schütze, Steinbock, Wassermann und Fische.
Hier unterscheidet man wiederum das Temperament der einzelnen Zeichen.
Diese Tierkreiszeichen verteilen sich in die „Längsgrade“ zur Erde von 0 bis 360 Grad.
Bei der Auswertung der gesammelten Mond- und Zeichenregeln mußte ich feststellen, daß einige Tierkreis- und Mond-
bedeutungen nicht ganz übereinstimmen,
ja sogar verschieden ausgelegt wurden. Es soll aber alles bisher Aufgezeichnete und
Gesammelte so niedergeschrieben werden, wie es gelesen und geschrieben, gehört
und „vrzellt“ worden ist.
Es scheint auch, daß von Reiser und Biehler nicht immer genau unterschieden wurde zwischen Mondphasen und der Bewegung des Mondes zum Himmelsäquator, eine Verwechslung, die merkwürdigerweise gerade den sogenannten Gebilde ten viel häufiger unterläuft als dem einfachen Landmann. Als Entschuldigung läßt sich anführen, daß der Mond ja auch das Enfant terrible der Astronauten ist.
Zur Klarstellung sei noch erwähnt, daß der Neumond oftmals der „schwarze Mond“ genannt wurde, dies jedoch nur, weil es dem Kalender so entnommen ist, in dem der Neumond schwarz und der Vollmond rot gedruckt ist. Dies hat auch keinen Einfluß auf den roten oder schwarzen Planeten.
So beginnt man im Vollmond alles lieber, es bringt Glück und Kraft. Was von langer Dauer sein soll, beginne man, sobald sich der Mond im Zeichen Stier, Löwe oder Wassermann befindet. Zum Beginn kurzfristiger Unternehmungen wähle man Tage, an denen der Mond in Zwillinge, Jungfrau, Schütze oder Fische steht. Will man in einer Sache einen sofortigen Entscheid, so nehme man Tage, an denen der Mond im Widder, Krebs, Waage oder Steinbock steht. Bei Mond im Skorpion unternehme man nichts Neues.
Hier gibt es eine nochmalige Unterteilung der Himmelszeichen; man unterscheidet diese in „harte“ oder „weiche Zeichen“. Harte Zeichen sind im allgemeinen nicht gut; es sind Widder, Stier und Steinbock; dies doch wiederum nur in gewissen Zusammenhängen mit den Mondphasen. Im Mai ist der Stier rot und während dieser Zeit sehr gut, da beeile sich alles, diesen Zeitraum wohl zu nutzen. Weiche Zeichen sind Fisch, Wassermann und Jungfau. Krebs und Steinbock sind besonders beachtete Zeichen. Im Schützen soll man nie etwas unternehmen; denn er ist ein sehr schlechtes Zeichen in allem.
Der Zwilling wird für ein gutes Zeichen gehalten, da gerät alles wohl, auch der
Krebs, letzterer jedoch nur für Pflanzen, welche in den Boden hineinwachsen, wie
Rüben, Rettich und Randen. Im Schützen dagegen darf man nichts versetzen, da
verschie-
ßen alle Pflanzen, ebenso nicht im Steinbock, da wird alles starr und hart.
Zunehmender (wachsender) Mond:
Neumond:
Abnehmender Mond: (Der Mond ist im Schwing, d.h. im Schwinden).
(Fortsetzung folgt)