Oberstdorf vor 100 Jahren

von Ingrid Weitenauer am 01.06.1993

1892

Januar

  • Die silbernen Zwanzigpfennigstücke werden aus dem Verkehr gezogen.
  • Am 5. des Monats wird im Walsertal Landtagsabgeordneter Jodok Anton Fritz als Vorsteher gewählt, und die Gemeindeverwaltung Mittelberg ist wieder in richtigen Händen.
  • Von dem Maler Karl Dinser (Dünßer) in Oberstdorf wird zur Zeit die Totenkapelle auf dem Friedhof dortselbst prächtig neu restauriert.
  • Die Eisenbahn bemüht sich um eine bessere Anschlußverbindung zwischen Ulm - Kempten - Sonthofen nach Oberstdorf.
  • Herr cand. jur. Ernst Enzensperger aus Sonthofen berichtet in der Mittwochsitzung der Alpenvereinssektion München über das Obere Illertal und die Trettachspitze.
  • Am 27. 1. verstarb Frau Herzogin Ludovika Wilhelmine von Bayern (»Frau Herzogin Max«).

Februar

  • Wie verlautet, wird auch heuer wieder, und zwar gegen Ende der Fastnacht, von einem unterhaltungslustigen Völklein ein Theaterspiel aufgeführt, und zwar der „Der Trompeter von Säckingen”. Die Aufführungen finden Ende Februar statt.
  • Verursacht durch heftige Schneefälle, sind zwischen Riezlern und Mittelberg mehrere Grundlawinen und Schneebretter abgegangen, bei denen eine Sennhütte und zwei Heustadel weggerissen wurden. Eine dieser Lawinen riß ein Wohnhaus ganz und die Stallung teilweise weg. Rettungsmannschaften haben die Bewohner des Hauses aus ihrer mißlichen Lage befreit. Diese wurden ohne Verletzungen gerettet.

März

  • Tiefenbach: Im vergangenen Jahr wurde der Opferstock in der Pfarrkirche durch Langfinger heimgesucht; das zeigte sich bei der Öffnung und Entleerung desselben. Es fanden sich nämlich im Opferstock vier Bleiplättchen, an schwarzen Fäden befestigt und mit Vogelleim bestrichen. Für die Zukunft wird ein Hindernis eingebaut.

April

  • Das neue Arbeiterschutzgesetz tritt in Kraft.
  • In München findet das Schlußfest des Lehrkurses für bayerische Gebirgsführer statt. Teilnehmer aus Oberstdorf sind:

Moritz Math - Preis: Aneroid (Luftdruckanzeiger);
Franz Braxmair - Preis: Eispickel;
Karl Brutscher - Preis: Feldflasche;
Luitpold Zobel - Preis: Feldflasche und Eierbecher.

  • Außerdem erhalten alle Führer das Verbandsmaterial von »Dr. Seydel’s« sowie Kartenmaterial ihres Gebietes. Der Wert der Preise beträgt über 470 Mark.
  • In Oberstdorf sind binnen der letzten sieben Wochen die ein gemeinschaftliches Hauswesen führenden drei Geschwister Übelhör verstorben.
  • In mehreren Berichten ist über die Sonntagsruhe zu lesen, zum Teil auch mit Erläuterungen aus den Bestimmungen der neuen Gewerbeordnung.

Mai

  • Bei der Sommermilchversteigerung in Oberstdorf wurde folgendes Angebot gemacht: Schlappold 88 Mk per 1.0001, Gerstruber Alpe 88 Mk, Seealpe 81 Mk. Warmatsgund 84 Mk, Dietersbach 80 Mk, Söller 85 Mk und Breitengehren 76 Mk. Diese Angebote sind noch nicht ratifiziert. Es dürften kaum mehr als 90 Mk erreicht werden.
  • Zur Zeit wird die Villa des Fürsten von Fugger in Oberstdorf gebaut.
  • Der hiesige Verschönerungsverein bemüht sich, unsere Gegend bequem zugänglich zu machen. Dies beweist u.a. der in Bau befindliche Weg vom Faltenbach- Wasserfall zur Vorderen Seealpe.
  • Es wird mitgeteilt, daß diesen Sommer noch eine Telefonverbindung mit dem Nebelhornhaus eröffnet wird und die Gemeinde Oberstdorf wegen Einführung des elektrischen Fichtes mit einer bedeutenden Firma in Verbindung steht.
  • Es erfolgt die touristische Erstbesteigung des Hohen Lichtes (2.678 m) durch einen Münchner mit Bergführernestor Johann Baptist Schraudolph aus Einödsbach.
  • Der Verschönerungsverein leistet an Wegen und Stegen gute Arbeit (Verbesserung der Dummelsmoosbrücke, am Freibergseeweg und dem bekannten Fußweg am Schlechten zum Walserschänzle). Durch die Betonierung ist nunmehr der Wasserzufluß zu unserem Moorbad vollständig geregelt.

Juni

  • Am 12. 6. verstarb der älteste Bergführer Oberstdorfs, Herr Alexander Köcheler.
  • Bei der Eisenbahn erfolgt die Einführung von Rückfahrkarten. Diese haben eine Gültigkeit von 10 Tagen.
  • In den Tagen vor dem 15. 6. wurden mehrere Partien auf das Nebelhorn unternommen. Am 14. 6. ist mit Führer Franz Braxmair von hier die Trettachspitze von Herrn Stud. Alfred Swaine aus Straßburg glücklich bestiegen worden.
  • Der Urlaub des Präsidenten der Reichsratskammer, Fürst von Fugger, ist beendet. Dieser ist wieder abgereist.
  • Am Sonntag, 26. 6., will Führer Johann Baptist Schraudolph in Einödsbach bei günstiger Witterung die 300. Besteigung der Mädelegabel seit 1875 durchführen. Der Aufstieg erfolgt am Samstag zum Waltenbergerhaus, am Sonntag zur Spitze.
  • Die Fremdenliste Nr. 3, die am 26. 6. abschließt, weist 720 Kurgäste und Touristen in 371 Partien auf.

Juli

  • Am 1. 7. war ein großes Unwetter. In Rubi und Reichenbach schwoll der Seebachabfluß des Gaisalpsees derart an, daß er bei Reichenbach Felder verwüstete und die Straße oberhalb der Ernstschen Säge auf ungefähr 300 Meter unterspülte. Die Wasserleitung zur Neidhartschen Hammerschmiede, ein Obstgarten und ein Stadel wurden weggerissen.
  • Am 10. 7. fand im Oythale ein großes Waldfest mit »Wilde-Männles-Tanz« statt. Veranstalter war der Verschönerungs verein.
  • Am 18. 7. wurde die Besteigung des Nebelhorns durch schwere Unwetter mit Schneefall erschwert.
  • Am 25. 7. wurde in Oberstdorf ein Meteor gesehen, der sich in Richtung Süden nach Norden bewegte. Er war nur ein paar Sekunden zu sehen.
  • Die Fremdenliste, die am 23. 7. abschließt, weist 1.759 Personen auf. Oberstdorf hat in diesem Jahr nahezu 400 Kurgäste mehr zu verzeichnen als voriges Jahr zur gleichen Zeit.
  • Das Nebelhorn wurde vom 17. bis 23. 7. von 72 Personen bestiegen; dies ist ein Gesamtbesuch von 432 Personen.

August

  • In einer Augustausgabe erfolgt eine ausführliche Beschreibung des »Wilde-Männles-Tanzes«. U.a. wird erwähnt, daß 1811 die Bewohner von Oberstdorf diesen Tanz vor dem Churfürsten von Trier, Clemens Wenzeslaus, aufgeführt haben. In den Jahren 1818 oder 1820 sollen diese »Wilde Männle« auch Aufführungen in Lindau, Konstanz und in der Schweiz veranstaltet haben.
  • Die Fremdenliste Nr. 8 bis zum 6. 8. schließt mit einem Gesamtbesuch von 2.749 Personen. Dies sind 502 Personen mehr als im Vorjahr.
  • Die Zahl der Nebelhornhaus-Touristen betrug in der vergangenen Woche 159 und während der heurigen Saison bisher 872 Personen.
  • Am 11.8. unternahm die Alpenvereinssektion Allgäu - Immenstadt einen Ausflug nach Einödsbach zur Ehrung anläßlich der 300. Besteigung der Mädelegabel durch Bergführer Johann Baptist Schraudolph. Durch Vorstand Edmund Probst wurde als Ehrengeschenk eine stattliche Zinnkanne mit alpinen Verzierungen überreicht. Herr Schraudolph ist 66 Jahre alt.
  • Der Bau des kleinen Aussichtsturmes am Freibergsee ist fertig.
  • Die Fremdenliste Nr. 10 weist bis zum 17. 8. 3.501 Kurgäste aus.
  • Vom 8. bis 14. 8. bestiegen 208 Personen das Nebelhorn, im gesamten sind dies bisher 1.080 Personen.
  • Im August war eine große Hitze (Sonne 55° Celsius, Schatten 34° Celsius). Während der Mittagszeit wurde auf freien Feldern nicht gearbeitet.

September

  • Von Anfang bis Mitte September kommt der Prinzregent nach Oberstdorf zur Hochgebirgsjagd. Anschließend wird er bis Ende des Monats das Jagdschloß in Hinterstein beziehen.
  • Verursacht durch die große Hitze, ist in Hamburg und Umgebung eine Choleraepidemie ausgebrochen. Es wird laufend darüber berichtet. Die Epidemie fordert zahlreiche Tote.
  • Anfang September wütet ein kolossaler Waldbrand in Mittelberg beim Übergang über den Gentschelpaß.
  • Infolge des rauhen Wetters und des Schneefalls mußten die Hirten der höheren Galtalpen mit ihrem Vieh ins Tal ziehen.
  • Die Sektion Allgäu - Immenstadt erhält vom Alpenverein den Betrag von 1.400 Mark für den Wegebau Nebelhorn - Himmeleck.
  • Der Generaldirektor der kgl. Posten und Telegraphen, Herr von Schwamberger, befindet sich zur Zeit in Oberstdorf auf Urlaub.
  • Am 15. 9. kauften die Herren Friedrich Denzler, Frz. Josef Frömmlet, Weinhändler, und H. Böck, Zimmermeister, sämtliche von Kempten, den Gesamtbesitz des zur Ortsgemeinde Gerstruben bei Oberstdorf gehörenden Privat- und Gemeindeeigentums. Der Kaufvertrag ist in Sonthofen notariell abgeschlossen worden. Bei der Verbriefung waren 27 Beteiligte anwesend.

Oktober

  • Die Fremdenliste weist im gesamten 4.765 Personen aus.

November

  • Am 20. 11. ist eine feierliche Glockenweihe im Hohen Dome zu Augsburg. Zwei dieser Glocken sind für Tiefenbach bei Oberstdorf bestimmt.
  • Auf einer Sitzung des Landrates werden Sicherungsbauten und die Anlegung von Waldkulturen zur Verhinderung jäher Überschwemmungen im Oberen Illertal beschlossen.

Dezember

  • Die Sicherungsbauten an den gefahrvollen Wildbächen des Oberen Allgäus schreiten immer mehr voran.
    Die nunmehrige Besitzerin des Gasthofes »Zum Mohren«, Frau Bischofsröder, hat ihren großen Hund (Deutsche Dogge) an Fürst von Fugger um 1.000 Mark verkauft.
  • In einer der folgenden Ausgaben kam ein „Widerruf” der Anzeige über den Verkauf des Hundes an Fürst von Fugger. Es hieß: „Er bezahlte einen hohen Preis für den Hund, nicht aber 1.000 Mark.”
  • Im Dezember wurde die Alpe »Blattners Gindle« von dem Besitzer Thaddäus Blattner an seine kgl. Hoheit den Prinzregenten Luitpold verkauft.
  • Am 18. 12. verbrannte eine Holzhauerhütte, dem Michael Huber von Tiefenbach gehörend, samt den zurückgelassenen Sachen der Holzhauer.

Quelle: »Allgäuer Anzeigeblatt«, Jahrgang 1892.

Kontakt

Verschönerungsverein Oberstdorf e.V.
1. Vorsitzender
Peter Titzler
Brunnackerweg 5
87561 Oberstdorf
DEUTSCHLAND
Tel. +49 8322 6759

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Seit Februar 1982 werden die Hefte der Reihe "Unser Oberstdorf" zweimal im Jahr vom Verschönerungsverein Oberstdorf herausgegeben und brachten seit dem ersten Erscheinen einen wirklichen Schub für die Heimatforschung. Mehr

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