Oberstdorfer helfen Afrika

von Hans Kuhn, Franz Bickel am 01.12.1993

Vorwort der Redaktion:

Seit nahezu 30 Jahren unterstützen engagierte Oberstdorfer mit Rat und Tat verschiedene Missionsprojekte, vorwiegend in den afrikanischen Ländern Tanzania und Senegal. Die beiden folgenden Beiträge schildern dieses Engagement und geben lebendige Eindrücke wieder von der Situation in den genannten Ländern.

Von einer Sammlung, die LUMEPA heißt
von Hans Kuhn

Der Freundeskreis von P. Dionys Lindenmaier findet in größeren Zeitabständen immer wieder Erwähnung. Meist erfolgt dies im Zusammenhang mit »LUMEPA«, einer Altmaterialsammlung, oder in den letzten sieben Jahren auch mit dem Dorffest. Von Zeit zu Zeit folgen dann Berichte aus der Mission. Die Anfänge reichen weit zurück, und wie fast immer ist es schwierig, eben diesen Anfängen nachzugehen. Trotzdem wird hier der Versuch unternommen, in Abrissen eine Entwicklung zu schildern, die sich einfach aus dem Gedanken ,,zu helfen” über drei Jahrzehnte entwickelt hat.

Man schreibt das Jahr 1962. In der Pfarrei St. Johann Baptist sind die bestehenden Jugendgruppen im »Johannisheim« nur sehr dürftig untergebracht. Geld für Renovierungen, Vergrößern etc. hat der Herr Pfarrer wirklich nicht. Der aufkeimende Wohlstand bewegt sich noch in bescheidenen Grenzen. Im Spätherbst machen sich die Buben und Mädchen auf, alte Lumpen, Schrott und Papier zu sammeln und an einen Händler zu verkaufen. Drei Oberstdorfer Baugeschäfte unterstützen die Idee spontan. Einen Samstag lang leihen sie Lkw mit Fahrer kostenfrei. Die Begeisterung wächst. Es findet sich ein Händler aus der Memminger Gegend, der bereit ist, alles aufzukaufen. Der Barerlös beträgt pauschal 2.000,- DM. Mit diesem Geld werden ein neuer Fußboden und Malerarbeiten im Saal des Johannisheims bezahlt. Nun ist ein Anfang gemacht, und die Motivation zum Weitermachen stellt sich mit dem ersten Erfolg ein.

In den Folgejahren wird in sechs Sammelbezirken getrennt (Lumpen - Metall - Papier) eingesammelt. Das Eisen wird nicht mehr waggonverladen, sondern sortiert und vom »Wölfle« mit Lkw abgefahren. Weil Messing und Kupfer mehr bringen, werden am Bahnhofsgelände „drei Pioniere” aufgestellt und mit „Metallern” besetzt. In den drei Folgejahren verbessert sich die Einnahme auf nahezu 3.000,- DM. Aus dem Erlös von 1964 erhält erstmals ein Bischof aus Kerala/Südindien eine Missionsspende. Nach und nach ermöglichen wir zwei Jungen die Schulausbildung, zwei Familien bekommen ein neues Haus. Das wiederholt sich . . . dann will der Bischof eine Kathedrale. Dafür sind wir nicht mehr zuständig. Der Bischof stirbt, die Korrespondenz erlischt. Ende der sechziger Jahre sind die Erlöse auf immerhin 5.000,- DM und darüber gestiegen, und ebenso hoch belaufen sich die letzten Überweisungen nach Indien (1967: 5.000,- DM und 1968: 5.500, - DM).

Inzwischen hat sich eine ganz neue Lage ergeben. Im Herbst 1967 wird unser Alex Lindenmaier zum Priester geweiht bei den Missionsbenediktinern in St. Ottilien. Er erhält den Klosternamen P. Dionys. Seine Aussendung in die Afrika-Mission geschieht 1970 nach Tanzania. Der junge Kaplan kommt in eine Busch-Pfarrei auf dem Maconde-Plateau im Süden, nahe der Grenze zu Mozambique. Sein Chef, ein Pfarrer, ist ein älterer, krankheitsgeplagter Schweizer Missionar, mürrisch und wortkarg. Man sagt: „Niemand kann mit ihm auskommen!” Dem jungen Neuling gelingt es aber, und die beiden werden Freunde.

Auch unser Lumepa-Einkommen entwickelt sich gut. In den siebziger Jahren steigen sie von 6.000,- DM bis auf 20.000,- DM an. Zuerst läßt Dionys mit unserem Geld eine Zisterne bauen, er kann eine Maismühle kaufen, dann braucht der Katechet (Religionslehrer) ein Haus für seine Familie und die kleine Kirche ein neues Dach. Und immer wieder und allerorts, Wasser ist das Wichtigste, zum Leben und auch zum Bauen. Gern schicken wir unsere Spenden.

P. Dionys kommt nach St. Francis in die Hafenstadt Lindi als Pfarrer. Der ersten Pfarrei »Kitangali« bleiben wir treu. P. Phillipp aus Uznach/St. Gallen ist jetzt dort. Er baut eine Haushaltungsschule, doch an jeder Außenstelle der Pfarrei zuerst die Zisterne, den wichtigen Wassertank, sonst geht gar nichts. Wir schenken jetzt einen Traktor, damit transportiert er „alles”, Baumaterial und die Leute dazu. Mitte der achtziger Jahre erfüllt sich P. Phillipp einen Herzenswunsch: Eine neue Kirche aus Stein, mit Turm und einem richtigen Dach. Aus der Oberstdorfer Pfarrei kommt die Glocke.

Anfang der achtziger Jahre hat P. Dionys in Lindi 19 Außenposten. Ganz klar, er braucht einen Jeep. Pfarrhof und Kirche sind in einem jämmerlichen Zustand. Unser Freundeskreis ist längst der Jugend entwachsen; 16 Ehemalige sind noch dabei. Sie halten weiter zusammen und auch Verbindung zu Freunden und Gönnern. 1981 besuchen sieben Freunde den Pater zum ersten Mal. Für den baufälligen Pfarrhof will er keine Hilfe, er hat ja schon unseren Landrover, Marke Leyland. In dem 7-Sitzer befinden sich auf Fahrten selten unter 15 Personen. Für seine baufällige Kirche akzeptiert er die Statik, die ihm von Freund Hans Jäger angefertigt wird. Am wichtigsten erscheint ihm eine Unterkunft für Mädchen, die das Gymnasium besuchen. Wenn diese von auswärts eine Bleibe bei Verwandten oder Bekannten finden müssen, werden sie meist mißbraucht. Ja, dank der jährlichen Sammlung kann er das nötige Geld haben.

P. Dionys’ Tage in Lindi sind gezählt. Er wird in die Abtei Ndanda versetzt. Dort ist er zunächst der Pfarrer des Ortes Ndanda (15.000 Einwohner) und Superior des Klosters.

In den Jahren 1980 bis 1983 stagnieren die Sammlungserlöse, ja gehen zurück auf 14.000,- DM. Es folgen noch drei fette Jahre 1984, 1985 und 1986, immer über 22.000,- DM, um dann einem großen Einbruch zu weichen. Heute ist es sehr schwierig, trotz Zuschuß des Abfall-Zweckverbandes, ein Ergebnis knapp über 10.000,- DM zu erreichen. Seit 1992 ist die Lumepa zur »LUPA« geschrumpft, denn die Schrotthändler fordern eine Abfuhrgebühr, wo sie früher bezahlten.

Da stellte sich die Frage nach dem Weitermachen. Die Entwicklung war erkennbar, und so begann die Suche nach neuen Möglichkeiten. Sie boten sich im »Dorffest«, das aus dem »Kirchstraßen-Fest« hervorgegangen war. So versucht sich der Freundeskreis im Bewirten und hat nach der Kirchstraße nun im Pfarrhofgarten eine feste Bleibe gefunden. Die Bedürfnisse für die Mission haben ja nicht abgenommen.

1985 und 1993 folgen weitere Besuche der Freunde bei P. Dionys. Er war ein Jahr in England zum Studium. Seine Aufgabe ist es heute, einheimischen Ordensnachwuchs auszubilden. Nahe der Abtei hat er auf dem „Ursberg” mit den Novizen ein Haus bezogen.

Aus der Fülle der Eindrücke sollen nur einige durch diesen Bericht anklingen:

Besuch im Hospital in Ndanda

Das 300-Betten-Haus ist mit 600 Patienten belegt, die Angehörigen nicht mitgezählt, die mitkommen und in den Zwischenhöfen kochen. Dazu kommen täglich 1.000 bis 1.100 ambulante Patienten zur Behandlung. Es wird vom Orden geführt, die Medikamente werden verabreicht und nicht verschoben wie in den staatlichen Häusern. Ärzte und Schwestern arbeiten bis zur Grenze ihrer Kräfte. Sr. Desideria führt uns zum Eingang von Saal 6: 24 Betten - 121 Kinder! Sie liegen auf, unter, zwischen, hinter und vor den Betten, dazwischen die Muttis, Omas, oft mit einem Geschwisterchen auf dem Arm. Ein Ärzteteam ist bei der Visite. Ruhige Untersuchung. Anordnung, ein tröstendes, ermunterndes Wort . . . mehr als 200 hoffende, erwartungsvolle Augen sind auf die weißen Gestalten gerichtet. Wir »harten Männer« werden weich. Ich sehe Tränen auf einem Gesicht, ein anderes wendet sich schnell ab. Spontan wechseln 1.000,- DM den Besitzer. Einer der Freunde verkleinert kurzentschlossen seine Reisekasse. Privatinitiative. Wie könnten wir sonst schon helfen? Eine Lumepa-Spende ist diesem Ort sicher.

„Wenn ich Devisen bekomme, kann ich zuverlässig Verbände und Medizin besorgen”, haucht Sr. Desideria eher verlegen und fährt fort, „manchmal gebe ich das letzte Pflaster oder die letzte Spritze aus und weiß nicht, wie es weitergeht. Dann kommt ein Paket mit dem Flugzeug oder eine Kiste mit dem Schiff nach Mtwara [das ist der nächste Hafen, ca. 30 km entfernt], und es geht weiter. Der liebe Gott hat mir immer weiter geholfen, auch wenn ich manchmal keine Zeit zum Beten gefunden habe.” Einer von uns murmelt mit belegter Stimme: „Deine Arbeit ist doch Gebet.”

6 km von Ndanda entfernt liegt die Leprastation mit 600 bis 800 Patienten. Manchmal kommen Hilfesuchende Hunderte von Kilometer zu Fuß hierher. Besonders aus dem unruhigen Mozambique schlagen sich die Menschen tagelang durch Busch und Urwald, nur um zu überleben. In Daressalam, der Hauptstadt, treffen wir Dr. Kroiß mit seiner Familie. Er hat seine Praxis in Memmingen verlassen und arbeitet im Tumorzentrum, um krebskranke Kinder zu heilen.

Safari zum Njassa-See

Es dämmert, als wir Uwemba erreichen. Dort ist ein Priorat der Missionsbenediktiner. Der Ort liegt 2.100 m hoch. Die umliegenden Felder steigen bis 2.500 m an. Es wächst alles, was angebaut wird, fast wie daheim. Der Ort ist um diese Abendzeit kühl: 11 °C. Freundlich empfängt uns der Prior. Br. Wendelin aus der Schweiz läßt es sich nicht nehmen, Dionys’ verstaubten Landrover zu waschen, obwohl er seit dem Morgengrauen die riesige Landwirtschaft mit seinen Helfern umgetrieben hat . . . Ja, er hat über Radio-Call von uns gehört, sagt der Prior, und er weiß, daß wir zum Njassa-See wollen.

Dort liegt Lumbila, eine ehemalige Station, die jetzt in afrikanischer Hand ist. Eine kleine Pfarrei mit zwei afrikanischen Priestern, die haben schon Platz für uns. Er selbst will uns hinführen und erklärt: „Wir brauchen drei Tage.” Auf die erschrockene Frage, wie weit das entfernt ist, antwortet er lächelnd: „So 130 km, aber 110 km können wir fahren, da baue ich gerade eine Straße, die letzten 20 km müssen wir laufen, über den Berg und dann hinab zum See. Einen Tag brauchen wir hin, einen Tag müssen wir ruhen und einen Tag zurück.” Als wir wenig später beim Essen sitzen, wissen wir nicht, was uns erwartet.

Der Aufbruch beginnt am nächsten Morgen um 6.00 Uhr. Es wird gerade Tag (+ 7 °C!). Wenige Minuten dauert das in der Nähe des Äquators. Wir besteigen zwei Landrover, den vom Prior und von Dionys. Zunächst Erdweg, gehobelt, typisch rote Farbe. Links und rechts bestellte Felder und Ziegelhäuser von afrikanischen Familien. Die Ziegel formen die Leute selbst und lassen sie an der Sonne trocknen. Ein Bauer kommt links mit Ochsen, vierspännig, er transportiert das Holz für den Dachstuhl, indem er die Teile einfach am Boden ziehen läßt. Der Prior meint: „Die Leute hier sind die fleißigsten im ganzen Land. 60 Männer arbeiten an meiner Straße und verdienen damit ihr Auskommen. 200 Shilling ist der übliche Taglohn. Ich gebe ihnen 300 (1,20 DM), da kommen sie gern.” Schnell überschlagen wir, daß er ca. 1.800,- DM monatlich für seinen Bautrupp ausgeben muß, aber das behalten wir für uns.

Langsam verengt sich die Straße zu einem Weg. Um uns liegen riesige Weiten. Tal um Tal, Hügel um Hügel. Wir sind 2.500 m hoch. Die Besiedlung haben wir hinter uns gelassen. Es gibt außer diesem Pfad weder Weg noch Steg. P. Thiemo, der Prior, sitzt am Steuer. Noch brettelt er mit 80 km/h über Berg und Tal. Dann wird es hoch und steil. Jetzt geht’s langsam. Wir erreichen einen Tümpel, glasklar und kalt, wie der Hölltobel bei Gerstruben, die Wegarbeiter haben dort einen Laubverschlag als Lager. Warme Glut glimmt an der Kochstelle, sonst ist der Ort verlassen. Langsam tasten die Autos weiter, entlang dem Berg ist die Steilseite von Hand mit Pickel abgetragen, bis sechs Meter hoch. Wir stoßen auf die kleine Raupe, von der P. Thiemo schon eine ganze Weile schwärmt. Aber sie steht still, die Kette ist abgesprungen. Drei junge Burschen arbeiten mit Hacke und Schaufel. Ein paar Freunde versuchen die Kette wieder aufzulegen. Alles bleibt vergeblich, als wir feststellen, daß kein Tropfen Hydrauliköl mehr vorhanden ist. Kurzum, ein Mann wird uns begleiten und das Benötigte von Lumbila über Nacht herauftragen.

Von da an ist der Weg schon eher verwegen. Kurven, eng wie ein Nadelöhr und steil wie der Bogen eines Kirmes-Loopings. P. Dionys übergibt das Steuer seinem Bruder Werner. Auf der Talseite fällt der Berg nach dem Wegrand unmittelbar, fast senkrecht, in die Tiefe. Prior Thiemo strahlt Zuversicht; bald werden wir seine Arbeiter erreichen, von da aus geht es zu Fuß weiter. Wir würden schon sehen, wenn das Geld nicht ausgeht, könnte die Straße bis Weihnachten fertig sein. Wir schauen uns an. Das können wir schlichtweg nicht glauben. Gut, wir erreichen den Punkt, wo kein Rover mehr weiter kann. Arbeiter nehmen unsere Last auf. Auf zwei Wegen und in zwei Gruppen erreichen wir den See nach ca. 2 1/2 bzw. 4 1/2 Stunden. Es ist dunkel, als die letzten ankommen.

Der folgende Morgen läßt uns den See erkennen: 400 km Länge und bis zu 50 km Breite umfaßt seine gewaltige Größe. Die Menschen auf unserer Seite sind mit Fahrzeugen nicht erreichbar, leben wie in der Steinzeit. Sie fertigen Ton- oder Lehmgefäße und brennen sie in der Holzkohleglut. Im Einbaum stehend, fischen sie im See, selbst bei hohem Wellengang. Hier sind keine Straßen, selbst die Schulkinder kommen im Einbaum. Ja, es ist traumhaft schön dort, und sicher werden Reisebuch-Autoren einst von dort ausführlicher berichten. Wir kehren am dritten Tag wohlbehalten zurück. Voll Bewunderung und Dankbarkeit für einen Prior, der diese »Straße ins Nichts« als sein Lebenswerk sieht. Bürgerlich heißt er Benedikt Biechele und stammt aus Germering, das hat er uns noch verraten, der Pater Thiemo. Bewegt nehmen wir Abschied vom Pionier der Livingstone-Berge - benannt nach dem britischen Forscher -, nicht ohne ihm den Bauarbeiterlohn für drei Monate dazulassen. Das wiederum bewegt auch ihn, den Ordensmann, der unser Freund geworden ist.

Seit mehr als 30 Jahren achtet unser Freundeskreis darauf, daß seine Spenden ungeschmälert ankommen und gezielt eingesetzt werden. Es waren bisher ca. 500.000,- DM, und keine Mark war umsonst. Nach der Flutkatastrophe um Ndanda halfen wir einer naheliegenden Pfarrei, wo Häuser und Felder eines ganzen Dorfes weggerissen und überschwemmt waren.

Durch Vermittlung des Abtes konnten wir dafür sorgen, daß die Häuser an anderer Stelle errichtet und neue Felder angelegt wurden. Dann wurde Saatgut gekauft. Im Folgejahr wurde die zerstörte Straße wieder hergestellt.

Die Bewirtung im Pfarrgarten, jeweils am Tag des allgemeinen Dorffestes, hat den finanziellen Spielraum deutlich erweitert. So fließen in den letzten fünf Jahren schon jeweils 30.000,- bis 40.000,- DM in die Missionsarbeit. Letzte Anschaffung: Ein neuer Geländewagen von Mercedes für P. Dionys. Damit können er und sein Team, die afrikanischen Ordensanwärter, hinaus in den Busch, auch an schwer zugängliche Orte, überall hin, wo Menschen Hilfe brauchen.

Hinter der »Lumepa« stehen unerkannt sehr viele Menschen in Oberstdorf. Darum der Name Freundeskreis, weil weder Konfession noch sozialer Stand für ein Engagement ausschlaggebend sind. Allein die Motivation, dabei zu helfen, genügt. Auch Rückschläge sind erfolgt. Als 1988 während der Lumepasammlung der 14jährige Frank Sisnowsky tödlich verunglückte, schien zuerst das »Aus« fast unausweichlich. Seine Eltern haben in einzigartiger Weise menschliche Größe gezeigt: „Unser Sohn wollte in seiner Verantwortung helfen. Wir möchten in seinem Andenken nicht, daß die Sammlung nicht mehr weitergeführt wird.”

Die Weiterführung fiel schwer. Die große Anzahl der freiwilligen Helfer fiel glatt aus. Es kam auf jeden einzelnen an, der eine oder andere, von Anfang an dabei, fühlte bis zum Abend des Sammeltages auch die Last der Jahre. Trotzdem, die Sammlung kam nicht zum Erliegen. Sollten wir die Hoffnung unserer afrikanischen Freunde enttäuschen? Nein, der Rhythmus ihrer Trommeln, der Klang ihrer Stimmen sollen froh machen, sie und uns.

Handeni, Bantus und Maasai (auch Massai)

Die Station am Rande der Maasai-Steppe ist gering besetzt. P. Odilo Hüppi, O.S.B., ein Schweizer um die 80, und Sr. Karin Kraus, Nonne, Tierärztin, Künstlerin. Es gibt kein Wasser hier, doch konnte Odilo vor 18 Jahren siedeln. Die nahe Stadt Handeni, zu 99 Prozent islamisch, hatte nämlich keinen Einwand: „Hier wächst sowieso nichts.” Heute sind es sechs Tanks (Zisternen) a 60.000 Liter - zwei sollen noch kommen -, die das Pfarrhaus, das Labor, den Kindergarten, die Haushaltungsschule, 12 Wohnhäuser von Bantu-Familien und acht Kralbauten der Maasai-Oase mit Wasser versorgen. Auf den Ländereien befindet sich eine Orangerie; Ananas, Kakao, Papaya, Tomaten, Manioka, Kaffee und Tee und fast alle afrikanischen Früchte gedeihen hier. Bantus und Maasai treffen sich hier in Frieden und Freundschaft. Sie bilden eine lebendige Gemeinschaft, obwohl die Maasai, seit Jahrtausenden Nomaden, nur sporadisch vorbeikommen. Bis aus 500 km Entfernung kommen sie aus der ungeheueren Weite der Maasai-Steppe.

Afrika - Heft 23

Zu Gast bei den Maasai.
P. Dionys und Sr. Katrin (Tierärztin)
mit Maasai beim Festessen.

Afrika - Heft 23

Eine Zisterne entsteht.

Der Pater und die Schwester erwirkten die Erlaubnis, daß wir draußen in der Steppe einen Kral besuchen dürfen. In der Dunkelheit brechen wir auf, fahren die Straße entlang. Nach wenigen Minuten biegen wir auf einen schmalen Pfad ab. Fledermäuse huschen durch das Licht unserer Scheinwerfer. Nach einiger Zeit wird der Busch immer dichter, bis er sich plötzlich wieder lichtet. Einige Bantu-Hütten stehen einsam im Dunkeln. Die Bewohner werden noch schlafen. Am Horizont zeigt sich Morgenröte. Mit dem zunehmenden Licht wird eine weitgeschwungene Hügellandschaft sichtbar. Büsche und Bäume sind im Dunst versteckt, nur einzelne kahle Äste ragen gespenstisch in den Morgenhimmel. Wie auf Befehl hebt sich der Dunst, bleibt kurze Zeit über dem Busch stehen . . . verschwindet. Der Himmel ist bewölkt.

Im fahlen Morgenlicht erreichen wir den Kral. Von unseren Begleitern werden wir Marcus vorgestellt, einem hochgewachsenen Mann um die Vierzig. Wir erfahren, daß Stefan, der Besitzer, auswärts ist. Seine Schwester Monika kommt herbei und begrüßt uns freundlich. Ein Maasaijunge ist in der Nacht 25 km zu Fuß hergelaufen, um unseren Besuch anzukündigen. Dann dürfen wir den Kral betreten. Ein knappes Dutzend Lehmhütten, strohgedeckt, stehen am Rande, innerhalb eines Dornenverhaus, der kreisförmig den Kral nach außen abschließt und schützt. Rechts neben dem Eingang befindet sich ein kleiner, ungedeckter Pferch mit Ziegen und Schafen, ca. 50 Stück.

Im hinteren Halbkreis, vor den Hütten, lagern etwa 150 bis 160 Rinder eng beisammen. Dazwischen bewegen sich Maasai-Frauen mit Kürbisflaschen. Stehend gebeugt, den Kopf an die Flanke der Kuh gelehnt, melken sie mit einer Hand zielsicher in den engen Hals der Kürbisflasche.

Allmählich gesellen sich einige »Morrani« (junge Männer, Krieger) zu uns. Einer nimmt mich bei der Hand und führt mich ins Innere der Lehmhütte. Ich muß mich tief bücken. Drinnen ist es stockdunkel. Ich fühle, es sind Menschen da, aber meine Augen erkennen nur eine Glut zwischen drei Feldsteinen, die Kochstelle. Jetzt erglimmt ein Öl- oder Talglicht. In seinem schwachen Schein sehe ich rechts drei Frauen und links drei Männer sitzen. Letztere sind Alex und Paulo, die uns herbrachten, und mein Morrani. Die Gegenüber sind die Mutter des Besitzers Stefan und zwei seiner Schwestern. Leider verstehe ich kein Wort des Ki-Mai-Dialektes. So müssen Gesten, Zeichen und Mimik die mündliche Unterhaltung ersetzen.

Bevor ich mich versehe, werde ich erneut an der Hand genommen. Mein Morrani führt mich wieder ans Tageslicht. Er hat seinen Speer mitgenommen und zeigt in perfekter Gewandtheit seine Anwendung. Es gibt keine räuberischen Überfälle mehr auf andere Sippen, um Frauen und Vieh zu erbeuten. Es geht nur noch um den Schutz der Herde vor wilden Tieren.

Zwei Morrani haben jetzt ein Rind gepackt, es mit einem Ruck niedergeworfen, sofort kommt ein dritter hinzu. Seine Finger ertasten geschickt die Halsschlagader. Mit der anderen Hand stößt er eine Art Injektionsnadel hinein, im Rhythmus des Herzschlages entquillt Blut. Davon sowie von der Milch und dem Fleisch ihrer Tiere ernähren sich die Maasai. Der harte Kot der Rinder nährt das Feuer.

Was wir von diesem Volk durch den Dolmetscher erfahren, fasziniert uns überaus. Ihre Tiere litten unter Seuchen, davon wurden auch die Menschen krank. Sr. Karin lebte zwei Jahre unter ihnen, wusch sich wie sie mit dem Urin der Rinder, aber der Tierärztin gelang es, die Seuche einzudämmen, Herden zu sanieren. In dem Maß, wie ihr das gelang, ging es auch den Menschen besser. Unter den Stämmen der Maasai hat sie einen Namen, den fast alle kennen: ,,Enki press = die gute Botschaft bringt”.

Zurückgekehrt erfahren wir von P. Odilo und Sr. Karin, daß die Maasai seit Urzeiten an einen Gott glauben. Sie nennen ihn ,,Len Kai = der mich anschaut”. In unserem Sinn sind sie Analphabeten, doch ihre Stammeskleidung, der Schmuck der Frauen (Teil der Kleidung) sagen in Farben und ihrer Anordnung alles aus, was ihr Zusammenleben erfordert. Die wohlgebildeten, intelligenten, stolzen Nomaden werden von ihren Landsleuten oftmals verachtet. Sympathie steigt in uns auf.

Auch in unserer bayerischen Heimat gehen angeblich »die Uhren anders«. Sr. Karin hat die Maasai lange intensiv studiert. Unseren Glauben hat sie in den Farben der Maasai gemalt, in Bildern einen Katechismus des Neuen und Alten Testamentes. Offenbar hat P. Odilo die treffenden Worte dazu gefunden. In seiner Predigt während der Sonntagsmesse herrschte aufmerksame Stille. Nie vorher habe ich Menschen verschiedener Rassen mit solcher Hingabe zuhören sehen. Sr. Karins Bild schmückte den Altarraum. Die Worte des Predigers konnte ich nicht verstehen, aber sie waren von einer solchen den Zuhörern hingewendeten Wärme, die auch mich aufhorchen ließ.

Vieles haben wir bis zum Abschied von den beiden erfahren und noch mehr gesehen. Wir saßen mit Bantus und Maasai zu Tisch. Die Fülle aller Eindrücke aber zu schildern würde diesen Bericht sprengen. P. Odilo und Sr. Karin haben beim Orden und bei der Abtei viele Schulden. 80.000,- DM brauchen sie jährlich für Medikamente. Die Schwester hat die Maasai gelehrt, selbst Seuchen zu erkennen und zu behandeln. Schwierige Diagnosen stellt sie im Labor, aber hinausgehen und anwenden hat sie den Maasai übertragen. P. Odilo braucht noch zwei Tanks zu je 25.000,- DM, dann hat er seine Pfarrei so hergerichtet, daß sie sich selber erhalten kann, auch wenn ein afrikanischer Priester nachfolgt. Sein Herzenswunsch an P. Dionys: ,,Ich warte sehnsüchtig auf einen Ordenspriester aus deiner Hand.”

Damit der Freundeskreis von P. Dionys weitermachen kann und »LUMEPA« im weitesten Sinn weiterlebt, sind Kontakte zu den ,,großen Ministranten” entstanden. Mit großer Freude kann man spüren, daß die jungen Männer, meist zwischen 16 und 20 Jahren, das fortführen wollen, was vor über 30 Jahren begann.

Wasser für den Senegal
von Franz Bickel

Dieses Ziel haben sich seit Jahren Allgäuer Handwerker und Privatleute gesetzt, um im Norden des Senegal, in der berüchtigten Sahelzone, auf den Dörfern Trinkwasser- und Bewässerungsbrunnen zu bauen. Außerdem wurde mit dem Bau von Solarkochern begonnen, um der Brennholzknappheit zu begegnen, welche gerade in dieser Region eine immer größere Herausforderung darstellt.

Begonnen hat dieses Projekt bereits im Jahre 1988, als ich im Senegal den Kaplan Joseph N’gor Mbaye, der bereits schon mehrere Male in Oberstdorf war, kennenlernte und von ihm das größte Problem im Senegal - nämlich die große Wasserknappheit - geschildert bekam. Im Februar 1992 wurde dann mit einigen Freunden und Berufskollegen der Verein »Hilfe für Afrika - Wasser für den Senegal e. V.« gegründet. Seitdem wurde im Allgäu aktiv die Werbetrommel gerührt, und es konnten viele Mitglieder, bisher ca. 60, gewonnen werden, um »Entwicklungshilfe« einmal anders, nämlich direkt vor Ort, zu leisten. In dem Missionspfarrer Raphael Wade aus Pout (ca. 70 km östlich von Dakar), der ebenfalls schon in Oberstdorf war, hat der Verein einen direkten Partner im Senegal gefunden. Er leitet dort verantwortlich die laufenden Projekte. Im Februar 1993 konnte mit dem Bau eines 25 m tiefen Brunnens begonnen werden, und eine Gruppe von vier Mann, welche gerade aus dem Senegal zurückkam, konnte stolz berichten, daß das Trinkwasser für das Dorf Ndjegen bereits sprudelt.
Weitere Brunnen sind zur Zeit im Bau, und als Weihnachtsgeschenk soll auch dort bald Wasser gefördert werden. Die Frauen mußten bisher das Wasser oft mehrere Kilometer weit herholen.

Afrika - Heft 23

1. Spatenstich zu einem neuen Trinkwasserbrunnen in einem Dorf,
ca. 70 km östlich von Dakar, Senegal.

Seit einem Jahr macht Pascal Sagna aus dem Senegal eine Lehre als Gas- und Wasserinstallateur bei einer Oberstdorfer Firma. Pascal soll nach seiner Rückkehr in den Senegal die Projekte, welche jetzt gebaut werden, betreuen und weitere verantwortlich mitbauen und auch Reparaturarbeiten vornehmen.

»Hilfe zur Selbsthilfe« - das ist die Devise des Vereins, um weiterhin in der Sahelzone aktiv den Brunnenbau zu fördern. Finanziert werden diese Projekte durch Mitgliedsbeiträge und Spenden. Die Vereinsmitglieder müssen ihre Reisekosten in den Senegal aus eigener Tasche bezahlen, damit die Spenden den Projekten in voller Höhe zugute kommen.

Wer sich ebenfalls engagieren möchte, kann sich an den Verein mit folgender Adresse wenden:

»Hilfe für Afrika - Wasser für den Senegal e. V.«
Birgsauer Straße 2, 87561 Oberstdorf, Telefon (0 83 22) 34 47.

Kontakt

Verschönerungsverein Oberstdorf e.V.
1. Vorsitzender
Peter Titzler
Brunnackerweg 5
87561 Oberstdorf
DEUTSCHLAND
Tel. +49 8322 6759

Der Verein

Unser gemeinnütziger Verein unterstützt und fördert den Erhalt und Pflege von Landschaft, Umwelt, Geschichte, Mundart und Brauchtum in Oberstdorf. Mehr

Unser Oberstdorf

Seit Februar 1982 werden die Hefte der Reihe "Unser Oberstdorf" zweimal im Jahr vom Verschönerungsverein Oberstdorf herausgegeben und brachten seit dem ersten Erscheinen einen wirklichen Schub für die Heimatforschung. Mehr

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