Schicksalswege des Oberstdorfer Weihnachtsbildes und seiner ehemaligen Besitzerin

von Marie Luise Althaus am 01.12.1993

Als ich vor einiger Zeit mit meiner Firmgruppe die Oberstdorfer Pfarrkirche besichtigte, fiel den Kindern ein Gemälde, die Geburt Jesu darstellend, auf. Etwas versteckt und von den meisten von uns wenig beachtet, ist das frühklassizistische Werk an der Westfront unserer Kirche, in der Nähe des Weihwasserbeckens angebracht.

Den Mittelpunkt des stimmungsvollen, hochformatigen Bildes (144 cm x 75 cm, Öl/LW) bildet das Jesuskind mit der Mutter Maria, das in sehr hellen, lichten Farben, auf einem Bündel Stroh liegend, dargestellt wird. Ein Abglanz dieses Lichtes fällt auf die Gesichter des HL Joseph und der umstehenden Personen, meist Hirten, die dadurch schemenhaft aus dem Dunkel hervortreten. Ein »Zunehmender Mond« wird durch eine Öffnung am nächtlichen Himmel sichtbar. Über allem schwebt der Engel mit der frohen Botschaft, während auf der oberen Bildhälfte Gottvater mit der Taube in den warmen Goldtönen des Himmels erscheint, umgeben von Engeln.

Der Maler

Von Pfarrer Rottach erfuhren wir, daß das Werk von Anton Raphael Mengs stammt. Mengs, 1728 im böhmischen Aussig (Usti) an der Elbe geboren, war Hofmaler der Könige von Polen, Neapel und Spanien, von Päpsten, geistlichen und weltlichen Fürsten und anderen hochgestellten Persönlichkeiten. Er genoß internationalen Ruhm und war mit Aufträgen reich bedacht. Mengs gilt als wichtigster Repräsentant des erneuerten barocken Klassizismus im Bereich der europäischen Malerei, der jedoch noch keineswegs als revolutionär zu bezeichnen ist. Wie sehr ihn die Zeitgenossen als Überwinder des Barocks und Erneuerer der Kunst feierten, geht am deutlichsten aus Winckelmanns Bekenntnis hervor.

Die »Geschichte der Kunst des Altertums« ist ihm gewidmet. Im vierten Kapitel heißt es über ihn: „Er ist als ein Phönix gleichsam aus der Asche des ersten Raffaels erweckt worden, um der Welt in der Kunst die Schönheit zu lehren und den höchsten Flug menschlicher Kräfte in derselben zu erreichen.” Das berühmteste Werk des Künstlers ist das Deckenfresko des »Parnasses« in der Villa Albani in Rom von 1760/61. A. R. Mengs ging es jedoch nicht allein um Schönheit in der Nachahmung berühmter Muster, sondern vor allem um die Zusammenstimmung und Harmonie des Ganzen. Er pflegte deshalb seine Werke singend und pfeifend anzufertigen, indem er z. B. für eine »Geburt Christi« eine bestimmte Sonate von Corelli wiederholte. Er verfertigte also ein Gemälde im musikalischen Stil und läßt somit erkennen, daß in ihm - wohl zum letzten Mal in der europäischen Malerei - die sog. »Moduslehre« lebendig war.

Weihnachtsbild - Heft 23

Anton Raphael Mengs,
Selbstbildnis.
Bonn, Privatbesitz;
Foto: Steinhoff.

Sein Auftrag

Das Oberstdorfer Bild »Die Heilige Nacht« entstand 1751 im Auftrag des sächsischen Kurfürsten Friedrich August II., auch bekannt unter dem Namen August III. als polnischer König (Sohn von August d. Starken). Mengs malte es 23jährig als einen von drei Vorschlägen für das Hochaltarbild der neuen Katholischen Hofkirche in Dresden, bevor er nach Rom ging. Die beiden anderen Vorschläge waren ein Pfingstwunder und eine Himmelfahrt Christi. Ein kleiner Bozzetto (Tonmodell) des Pfingstwunders befindet sich heute in der Eremitage in St. Petersburg.

Für die Dresdner Hofkirche aber, die in den Jahren 1739 - 54 nach den Plänen des bekannten italienischen Baumeisters Gaetano Chiaveri erbaut worden war, wurde das Himmelfahrtsbild ausgewählt. Anton Raphael Mengs fertigte das Ölgemälde auf 9,30 m x 4,50 m großer Leinwand an. Er hat das Werk 1752 in Rom begonnen und 1765 in Madrid vollendet. Es kam mit dem Schiff über Hamburg elbaufwärts nach Dresden, wo es von den Zeitgenossen mit nahezu enthusiastischer Begeisterung aufgenommen wurde. Der prachtvolle Rokokorahmen ist eine Arbeit von Joseph Deibel. Im unteren Teil des Rahmens ist zentral eine Kartusche mit dem Namenszug des Stifters „A.R.3” (August Rex III.) angebracht, umgeben von der Ordenskette des »Goldenen Vlieses«. Bild und Rahmen waren im 2. Weltkrieg ausgelagert und sind so dem Bombenangriff vom 13./14. Februar 1945 entgangen und befinden sich heute in der wieder aufgebauten Hofkirche.

Anton Raphael Mengs starb im Alter von 51 Jahren in Rom, auf der Höhe seines Ruhms.

Die ehemalige Besitzerin

Pfarrer Rottach erklärte uns abschließend, daß man nicht wisse, wie der Vorschlag für das Dresdner Altarbild nach Oberstdorf gekommen sei. Diese Auskunft weckte in mir die Erinnerung an eine gut gekleidete adelige Frau, die mit ihrer Hofdame und dem Airedaleterrier »Tommy« in der Freibergstraße wohnte. Ich kannte sie vom täglichen Schulweg her als »Hoheit«. Von ihr wußte ich, daß sie das Weihnachtsbild an die Oberstdorfer Pfarrgemeinde veräußert hatte.

Wer war diese Frau und warum lebte sie in Oberstdorf?

Ihr Sterbebild, das in einigen Oberstdorfer Familien noch immer sorgfältig aufbewahrt wird, gab mir näheren Aufschluß: Es weist die zierliche, kleine Dame mit der rauchigen Stimme und der unverkennbaren Habsburger Nase aus als

Isabelle Marie Kaiserliche Prinzessin und
Erzherzogin von Österreich
Kgl. Prinzessin von Ungarn.

In Oberstdorf ist sie unter dem Namen „Gräfin Friedeck” bekannt.

Weihnachtsbild - Heft 23

Erzherzogin Isabelle Marie
oder Gräfin Friedeck.
Foto: privat.

Weihnachtsbild - Heft 23

»Die Heilige Nacht« (1751)
von Anton Raphael Mengs,

in der Pfarrkirche St. Johann Baptist in Oberstdorf. Alternative für das Hochaltarbild der
Dresdner Hofkirche.
Foto: Schnell & Steiner, München.

"Meine Familie ist mit dem Kaiser verwandt."

Der Vater:

Die Nachforschungen nach ihrer Herkunft führten mich nach Preßburg, ins heutige tschechische Bratislava, wo ihr Vater, Erzherzog Friedrich (1856 - 1936), kommandierender General des 5. Korps war. Friedrich, der sich bei seinen Landsleuten einer „guten Nachrede” erfreute, war bereits 15jährig Leutnant bei den Tiroler Kaiserjägern. Während des 1. Weltkrieges avancierte er zwar zum Feldmarschall, doch lag seine Stärke auf ganz anderer Ebene. Friedrich war in erster Linie Wirtschaftskapitän. Er kannte sich sowohl im Berg- und Hüttenwesen als auch in der Milchwirtschaft und im Weinbau aus. Die Technischen Hochschulen von Wien, Prag, Brünn und Lemberg verliehen ihm Ehrendoktorate. Daß er zudem gelernter Tischler war, bestätigte seine große praktische Begabung.

Mit dem Tod seines Adoptivvaters, Erzherzog Albrechts, im Jahre 1895, wurde Friedrich mit einem Schlag unermeßlich reich. Zu den ererbten Besitzungen gehörten das Herzogtum Teschen, die Herrschaften Bellye und Ungarisch-Altenburg, die Allodialgüter (Privatvermögen fürstlicher Familien) Saybusch, Seelowitz und Friedek, die heute in der ehemaligen Tschechoslowakei bzw. in Ungarn liegen.

Die Mutter:

Ihre Mutter, Isabella von Croy-Dülmen (1856 - 1931), aus hochkarätigem Adelsgeschlecht, stammte aus Westfalen. Es heißt, sie sei eine jener angeheirateten Erzherzoginnen gewesen, die ihre Männer an geistigen Qualitäten merklich überragten. Isabella, wegen ihrer Beleibtheit von ihren Zeitgenossen auch spöttisch „Busabella” genannt, war voll persönlichen und politischen Ehrgeizes.

Der 1878 geschlossenen Ehe mit Erzherzog Friedrich entsprossen 9 Kinder: 8 Töchter und ganz zuletzt der ersehnte Sohn und Erbe, Albrecht.

Isabelle Marie Theresia Eugenie, nach ihrer Mutter benannt, erblickte als 7. Mädchen am 17. November 1888 in Preßburg das Licht der Welt. Hier verbrachte sie vermutlich auch ihre Kinderjahre. Isabelle Marie erhielt, wie ihre Schwestern, auf Wunsch des Vaters eine pseudomilitärische Erziehung, die ihr Wesen prägte. Ihr Auftreten war selbstsicher, militärisch exakt und strahlte eine schlichte Noblesse aus. Die Erzherzogin war zwar etwas verschlossen, ließ jedoch hintergründigen Humor durchblicken. Ihre körperliche Ertüchtigung erhielten die jungen Mädchen u . a. auf dem Tennisplatz von Schloß Halbthurn am Neusiedler See. Halbthurn, eines der schönsten Barockschlösser Österreichs, damals wie heute berühmt wegen seiner Weine, diente Isabelle Maries Familie zeitweise als Wohnsitz.

Ausgerechnet auf diesem Tennisplatz nun hatte sich 1898 ein Skandal im Erzhaus angebahnt: Die goldene Taschenuhr des Thronfolgers Franz Ferdinand, der schon mehrere Wochenenden zu Besuch auf Halbthurn weilte, war dort gefunden worden. Was lag für die stolze Hausherrin und Mutter Isabella näher, als zu glauben, Franz Ferdinand habe sich in eine ihrer Töchter verliebt, von denen drei schon im heiratsfähigen Alter waren. Ihre Enttäuschung war jedoch groß, als sich herausstellte, daß das Porträt im Uhrdeckel keine der Erzherzoginnen zeigte, sondern ihre Hofdame Sofie Chotek, die die Tochter eines unbedeutenden österreichischen Berufsdiplomaten aus Prag war. Isabella war empört und jagte Sofie wie ein Dienstmädchen, das sich mit dem Hausherrn eingelassen hatte, aus dem Haus. Dies war umso peinlicher, da der Thronfolger sich zu seiner Liebe bekannte und Sofie trotz aller Widerstände des Kaisers Franz-Joseph I. heiratete. Erzherzog Friedrichs Familie jedoch brachte dieser Vorfall noch jahrelange Konflikte mit dem Kaiserhaus ein. - (Das Thronfolgerpaar Sofie und Franz Ferdinand wurde 1914 in Sarajevo von serbischen Aufständischen ermordet. Die Tat löste den 1. Weltkrieg aus und leitete gleichzeitig den Untergang der riesigen Donaumonarchie ein.)

Der Kunstsammler

Im Zuge der Erbfolge übersiedelte Erzherzog Friedrich mit seiner Familie nach Wien ins Albrecht-Palais. Das war im Jahre 1905. Als passionierter Kunstmäzen ließ er dort die ererbte graphische Sammlung Albertina erweitern. Er kaufte vor allem Dürer, Holbein, Rembrandt, Fra Bartolomeo, Waldmüller, Monet, Menzel, Delacroix. Nach Auskunft der Mengs-Expertin Dr. Steffi Roettgen befanden sich in der Sammlung auch Mengs-Bilder, die teilweise aus dem Besitz des Prinzen Albert v. Sachsen-Teschen, dem Gründer der Albertina, stammten. Unser Weihnachtsbild gehörte zu den Exponaten.

Ein Mann für Isabelle Marie

Kurz vor Ausbruch des 1. Weltkrieges hatte die Familie dann auch für Isabelle Marie einen passenden Ehemann ausgesucht. Die Hochzeit mit dem acht Jahre älteren Prinzen Georg v. Bayern, aus der Linie Luitpold, fand 1912 in Schönbrunn statt. (Georg war ein Sohn der Sissi-Tochter Gisela v. Österreich und Prinz Leopolds v. Bayern.)

Das Paar trennte sich bereits während der Flitterwochen in freundschaftlichem Einvernehmen. Nach nicht ganz einem Jahr wurde die Ehe annulliert, wegen Nichtvollzugs.

Georg studierte Theologie und wurde im März 1921 im Kloster Ettal zum Priester geweiht. Im Mai 1943 ist er als promovierter Jurist, Päpstlicher Pronotar und Domherr in Rom verstorben.

Isabelle Marie blieb unverheiratet.

2. Teil

Die Zeit nach dem 1. Weltkrieg

Nach dem Zusammenbruch des Habsburgerreiches und nach den daraus resultierenden Enteignungen verwaltete Erzherzog Friedrich die Reste seines Vermögens. Er hielt sich mit seiner Familie auf den ungarischen Gütern auf und spekulierte zeitweise mit dem Gedanken, seinen Sohn Albrecht zum König von Ungarn zu lancieren. Zuletzt lebte die Familie in dem hübschen Städtchen Ungarisch-Altenburg (Mosonmagyarövär) an der Leitha, nur 15 km von der österreichischen Grenze entfernt. Isabelle Maries Eltern sind in der dortigen Pfarrkirche beigesetzt worden, weil eine Überführung in die Wiener Kapuzinergruft in den 30er Jahren nicht möglich war.

Wahlheimat Oberstdorf, »inkognito«

Isabelle Marie selbst kam 1922 unter dem Inkognito-Namen Gräfin Friedeck nach Oberstdorf. Wie mir einer ihrer Neffen, Freiherr Paul Waldbott-Bassenheim in Halbthurn, bestätigte, wurde dieser Name auch von seinem Großvater, Erzherzog Friedrich, auf Auslandsreisen verwendet. Er stammt von der kleinen Stadt Friedeck an der mährisch-schlesischen Grenze her, das sich nun Frydek-Mistek nennt.

In der Blumengasse, bm Seppl(ar)

Am 31. Juli 1922 zog Gräfin Friedeck, zusammen mit ihrer Freundin und Hofdame, Prinzessin Begnina Reuß, in das Anwesen der Fürstin Reuß, Nr. 283, heute Blumengasse 6. Die aus Stonsdorf in Schlesien gebürtige Begnina hatte die Gräfin während des 1. Weltkrieges kennengelernt. Die Wahl des Wohnsitzes erklärt sich wohl daraus, daß Oberstdorf bereits ein bekannter Kurort war, in dem die bessere Gesellschaft verkehrte, wahrscheinlich aber auch wegen der verwandtschaftlichen Beziehung zum Hause Wittelsbach.

In der Blumengasse entstand denn auch die freundschaftliche Verbindung zur Nachbarsfamilie Hans Haneberg, deren Kinder Marga, Jochei und Rosemarie tägliche Gäste im Hause ihrer Taufpatin wurden. Für sie sind die weihnachtliche Bescherung und das österliche Eiersuchen bei den „Hoheiten” zum unvergessenen Ereignis geworden. Marga erinnert sich, daß der Erzherzog auch auf Besuch zu seiner Tochter kam. Er brachte dann immer den ganzen Troß an Bediensteten, einschließlich Leibjäger, mit. Aus diesem Anlaß wurden in den umliegenden Häusern Zimmer gemietet und die Betten mit königlicher Wäsche bezogen. Es kam auch vor, daß eine ganze Stube ausgeräumt wurde, um sie im Garten aufzubauen. Die Tafel wurde festlich gedeckt, um die müde Ausflugsgesellschaft bei ihrer Heimkunft mit köstlichen Speisen zu erfreuen. An solchen Tagen pflegte Friedrich, der stets mit „Kaiserliche Hoheit” angeredet werden mußte, schon früh um 6 Uhr aufzustehen. Er ging dann ums Haus und rief mit lauter Stimme: „Aufstehn, faules Pack!”

Umzug in ein neues Haus

1927 wurde das Haus in der Blumengasse an Emma Gutermann verkauft. Die Damen zogen in die Freibergstraße 24 in ein neu erbautes Haus, welches Gräfin Friedeck von Hans Haneberg erworben hatte (später Molineus-Heim). Es ging ihnen gut. Sie hatten eine Reihe Angestellter, u. a. auch einen Chauffeur. Maria Kennerknecht, aus der Schrofengasse, stand als Haushälterin und Köchin in ihren Diensten.

Auch hier, in der Freibergstraße, war Friedrich noch öfters Gast. Für die Schulkinder war dies immer ein großes Ereignis. Der Großgrundbesitzer kam nämlich mit dem eigenen Flugzeug aus der Pußta. Er landete sozusagen direkt vor der Haustür auf »Fronze Ludwige Äckar« (Nähe Hotel Alpenhof). Während seines Aufenthaltes beschäftigte sich der als äußerst bescheiden und leger beschriebene Herr gerne mit Holzhacken, das er meisterlich beherrschte.

Emigranten aus dem Zarenreich

Zum engeren Freundeskreis der Hoheiten zählten u. a. der zum persönlichen Schutz des Zaren bestellte Oberst Anatol Mordvinoff und seine Frau Olga. Sie waren auf ihrer Flucht aus Rußland 1923, über Braunlage kommend, ebenfalls im Kurort Oberstdorf untergekommen (Beslerhaus). Ihre Armut war so groß, daß sie gezwungen waren, die „Markschprissel” in der Oberstdorfer Flur als Brennholz zu sammeln.

Weiter kannten die Damen den russischen Zahnarzt Silin und seine Frau aus dem Sonnenhäusl in der Fuggerstraße. Von letzteren weiß Marga eine köstliche Anekdote zu erzählen: Die Prinzessinnen und das Zahnarztehepaar setzten sich gelegentlich karitativ ein. Eines Sonntags machten sie sich auf nach Tiefenbach, um nach Nandes Weiler, der im Armenhaus in der Pfaffenoy lebte, zu sehen. Dieser war Junggeselle und ernährte sich von Katzen. Man nannte ihn deshalb „Katzenandes”. Kurz, die vier Samariter wollten ihn waschen und die verwahrloste Behausung in Ordnung bringen. Nandes fühlte sich jedoch wohl und war zufrieden mit seinem Dasein. Das Unternehmen endete kläglich. Erschöpft und voller Flöhe kehrten die Wohltäter nach Hause zurück. Sie sollen nie mehr wieder in der Pfaffenoy gesehen worden sein!

Die Gräfin als Sportlerin

Vor allem Gräfin Friedeck frönte auch in Oberstdorf ihrem Lieblingssport, dem Tennisspiel, den sie schon in jungen Jahren erlernt hatte. Wahrscheinlich hat sie auch noch auf dem alten Platz bei der Volksschule gespielt. Später war sie oftmals auf dem 1927/28 neu erbauten Tennisplatz an der Fuggerstraße anzutreffen. Zu ihren Clubkameraden, um nur einige des Teams zu nennen, zählten Toni Merz, Frau v. Bayer und ihr Sohn Bubi, Gräfin Gutenhof, Graf Schönborn, die Ehepaare Schallhammer und Knöckel, Frau Windrath, Vater und Sohn Curry, Rektor Henkel, Sofie Ogger, Mariele Brutscher, Almut Metzger, Lise Schedler, Ludolf v. Alvensleben. Sofie Ogger, deren Partnerin Gräfin Friedeck häufig war, erinnert sich: „Obwohl die Frau fast 20 Jahre älter war als ich, war sie noch eine ausgezeichnete Tennisspielerin mit gutem, festem Schlag.”

Nach dem 2. Weltkrieg

Anfang der 50er Jahre verkaufte Isabelle Marie das Haus in der Freibergstraße und baute ein kleineres in der Freibergstraße 16. Offenbar waren die finanziellen Einkünfte nun sehr begrenzt, so daß die Prinzessinnen gezwungen waren, wertvolle Einzelstücke aus ihrem Familienbesitz zu verkaufen. Sie konnten sich auch nur noch ihre Haushälterin, Frau Kennerknecht, leisten. Der Wagen war schon lange veräußert. Beide besaßen jedoch Fahrräder, welches aber nur die hochgewachsene, schlanke Prinzessin Reuß zum Radeln benützte. Gräfin Friedeck nahm es als Stütze, denn sie hatte später ein Hüftleiden und hat es immer nur geschoben. Ich kann mich noch entsinnen, daß die beiden manchmal in den späten Nachmittagsstunden mit ihren Fahrrädern zu uns ins Cafe kamen. Gräfin Friedeck liebte das Gespräch mit meinem Vater sehr, er kannte durch seinen Einsatz im 2. Weltkrieg ihre Heimat recht gut. Außerdem hat er sie immer zu einer Tasse handgefilterten Maxwell-Kaffee eingeladen.

Dieser war damals nur im Schwarzhandel zu bekommen, und ,,man konnte ihn trinken”, wie sie stets feststellte.

Die lustige und sehr kinderliebe Prinzessin Reuß veranstaltete unterdessen mit uns Kindern Geschicklichkeitsrennen im Cafe-Garten.

Weihnachtsbild - Heft 23

Gräfin Friedeck (li.) und Prinzessin Reuß mit dem Nachbarskind Hedwig Bolkart
vor dem Haus Freibergstr. 16.

Foto: Max Bolkart.

Verkauf des Weihnachtsbildes an die Pfarrgemeinde

Anlaß dazu gab der 70. Geburtstag des Geistl. Rats Josef Rupp am 2. Juli 1954, wohl aber auch der Wunsch der Oberstdorfer, den beiden geachteten Damen aus ihren Geldnöten zu helfen. Die Kaufsumme wurde aus Spendengeldem aufgebracht. Das Geburtstagsgeschenk war mit der Bedingung verknüpft, daß es in der Oberstdorfer Pfarrgemeinde verbleiben muß.

Wie schon erwähnt, stammt das Ölbild aus der Albertinischen Sammlung in Wien. Die Sammlung Erzherzog Friedrichs wurde vom 8. - 10. Februar 1933 beim Auktionshaus Kende in Wien versteigert. Von dieser Versteigerung gibt es einen Katalog. Anscheinend verblieben einige Exponate im Besitz der Familie. Tatsächlich war unser »Mengs« ein Erbstück Isabelle Maries, das nach dem Zusammenbruch unter schwierigsten Umständen aus den östlichen Gebieten, wahrscheinlich aus Ungarn, gerettet werden konnte.

Die 1954 durchgeführte Restaurierung durch den in Oberstdorf ansässigen Maler Prof. Ohmert läßt den Schluß zu, daß das Bild auf dem Fluchtweg beschädigt worden war. Auch der Rahmen stammt von 1954, an dessen unterem Rand ein Schild mit der Inschrift »Die Heilige Nacht - Raphael Mengs 1728 - 1779« angebracht ist. Deutlich erkennt man die Vorgabe des Originalrahmens von Deibel für die Hofkirche in Dresden, was wiederum die Echtheit der Alternative bestätigt.

Abschied

Am 10. Mai 1960 zogen die Hoheiten, nachdem die Gräfin auch das Häuschen in der Freibergstraße 16 verkauft hatte, nach La Tour de Peilz am Genfer See in eine Mietwohnung. Beide waren starke Raucherinnen, und vor allem die Gräfin litt oft an Heiserkeit. Sie erhoffte sich im milden Klima der westlichen Schweiz Linderung für ihr Leiden.

Am Nikolaustag des Jahres 1973 verstarb Erzherzogin Isabelle Marie in La Tour de Peilz. Ihre letzte Reise führte sie durch halb Deutschland. In Anholt, wo der Rhein unser Land verläßt, hat sie bei ihrer ältesten Schwester Christine ihre Ruhestätte gefunden.

Neun Jahre später folgte ihr ihre Freundin und Hofdame Begnina. Sie starb 86jährig am 20. Dezember 1982 in Vevey in der Schweiz. Der Wunsch, ihre Freundin Marga möge ihr nach alter Oberstdorfer Sitte einmal „ins Grab zünden”, ging nicht in Erfüllung. Ihre Familie bestattete sie auf dem Friedhof des Klosters Arnsberg bei Frankurt am Main.

Mit dieser Nachricht endet die Geschichte zweier liebenswerter Menschen, die Glanz und Untergang der Monarchie miterlebt haben. Nur noch das innige Weihnachtsbild in unserer Kirche hält in uns das Andenken an seine vormalige Besitzerin wach, an die »Hoheit«, die aus der Weite Ungarns den Weg in die Geborgenheit des Oberstdorfer Tales gefunden hat, das ihr für 39 Jahre so etwas wie Heimat sein durfte.

Literatur:
Die Frauen der Habsburger - Hellmut Andics, Jugend und Volk, Wien 1985, Kapitel 11, S. 297 ff.
Die Habsburger, ein biographisches Lexikon - Brigitte Hamann, Piper, München 1988, S. 153 ff, S. 172 u. 173. Die Wittelsbacher - Adalbert Prinz v. Bayern, Prestel, München 1979, S. 367.

Briefe an Raimondo Ghelli u. Anton Maron v. Anton Raphael Mengs - Herausgeg. und kommentiert von Herbert von Einem. Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Vandenhoeck & Rupprecht, Göttingen 1973.

Persönlicher Briefverkehr mit Dr. Steffi Roettgen, München - Florenz (Mengs-Expertin).

Für die freundliche Unterstützung bei der Abfassung des gesamten Berichts danke ich den Damen:
Dr. Brigitte Hamann, Historikerin, Wien; Dr. Martha Schad, Historikerin, Augsburg; Anni Boikart, Marga Jäger, Maria Kirchschläger, Mariella Martens-Schallhammer, Frieda Math, Sofie Ogger, Johanna Schedler - alle Oberstdorf.

Den Herren:
Knoke von der Herzog v. Croyschen Verwaltung, Dülmen; Dr. Hans Puchta, Bayer. Hauptstaatsarchiv, München; Freiherr Paul Waldbott-Bassenheim, Halbthum; Dompfarrer Klemens Ullmann, Dresden; Detlef Wielland, Hirschegg; Roland Hiltensperger, Jörg Knöckel, Pfarrer Karl Rottach, Josef Zobel - alle Oberstdorf.
Repros: Hans Seeweg jr., Oberstdorf.

Kontakt

Verschönerungsverein Oberstdorf e.V.
1. Vorsitzender
Peter Titzler
Brunnackerweg 5
87561 Oberstdorf
DEUTSCHLAND
Tel. +49 8322 6759

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