Stammbaum von Martin Schwegerlin
Auch Schwegerlin (geb.1627 / gest.1702), den der Volksmund "Türkemarte", später den "Schwedemarte" nannte
1. Die Lebensdaten
Am 8. Oktober 1627 wurde dem Ulrich Schwegerlin und seiner Frau Anna Finklin ein zweites Kind geboren, dem sie den Namen Martin gaben.
Im Jahre 1628 erlagen der ersten Pestwelle auf dem Jauchen die meisten Personen, aber auch im Dorf selber schon viele dieser unheilvollen Krankheit. Martin Schwegerle war kaum fünf Jahre alt, als seine Mutter verstarb. Im Oktober 1635 starben sein älterer Bruder Johannes und der Vater Ulrich wie noch fast 800 Oberstdorfer den Pesttod.
Von den direkten Verwandten lebte nur noch der Großvater Alexander Schwegerlin, ein geachteter Mann, in Urkunden mit dem Zusatz „des Gerichts” genannt. Dies bedeutete, daß er dem drei- bis fünfköpfigen Gerichtsausschuß angehörte. Diese Personen wurden auch Eidgenossen genannt. Pfarrer Johannes Frey nannte Alexander Schwegerlin liebevoll „Xander”.
Am 2. Januar 1650 heiratete Martin Schwegerle die ledige Maria Jegerin von Oberstdorf. Am 2. Februar 1657 starb der Großvater Alexander im greisen Alter von 94 Jahren, am 24. Januar 1702 folgte Martin Schwegerle im Alter von 75 Jahren. Seine Lebensgeschichte, dazu einige Sagen oder Vermutungen haben aus diesem Mann einen der bekanntesten seiner Zeit gemacht. Viele Oberstdorf kennen heute noch seinen Namen und seine Geschichte.
2. Der denkwürdigste Tag im Leben des »Türkemarte«
Lassen wir die Schöllanger Chronik berichten:
„Am 12. August 1647 haben die Schweden zu Oberstdorf die untere Viehherde weggetrieben. Es sind 18 Mann gewesen.
Am 13. August 1647 ist ein Türk oder schwedischer Offizier durch den Osch gegen die Wallfahrt Maria Loretto geritten. Begegnet ihm ein Bauer mit Namen Martin Schwegerle mit einem Fuder Holz. Der Türk sagt, er soll das schöne Ross ausspannen. Der Bauer setzt es aus, der türkische Schwed legt seinen Sattel darauf und sitzt auf. Der Bauer, nicht faul, nimmt das Sillscheit von seinem Wagen, schlägt den Türken hinunter, stellt den Wagen samt dem Holz darauf, lässt ihn cripieren darunter bis nach Untergang der Sonne. In des Türken Sattel ist viel Geld gewesen. Der Bauer ist reich geworden. Sein Geschlecht wird heutzutag - sein Sohn nähmlich - Türken-Martin-Nazele genannt.”
Die Fakten aus heutiger Sicht
Der Tathergang wurde erst nach ca. 50 Jahren aufgeschrieben. In der Steuer- und Grundbeschreibung des Jahres 1637 finden wir auf der Seite 82:
Ulrich Schwegerlins sohn Martin hat:
1 Haus mit Krautgarten und Beindele zu 80 fl.
5 Viertelsaat Feld zu Appach
1 Krautgarten in der Alpgasse.
Schwegerle hatte auch 1647 keine eigene Holzmark, und aus den Gemeindewaldungen wurde mit großer Wahrscheinlichkeit im Sommer kein Holz geführt. Der naheliegende Grund war nun sein Äckerle mit 5 Viertelsaat bei »Appach«.
Zur Tatzeit führte aufgrund dieser Erkenntnisse Schwegerle also kein Holz, sondern ein Fuder Ohmaden von seinem Acker bei »Appach«. Dies erscheint auch viel einfacher, einen Toten in einem Fuder Ohmaden zu verstecken. Bis nach Sonnenuntergang wird Schwegerle bestimmt nicht bei der Appachkapelle stehen geblieben sein. Er ist wohl mit seinem Fuder heimgefahren.
3. Das Vermögen des Hauptmanns Martin Schwegerle
Die Schöllanger Chronik wie auch der Volksmund behaupten, daß der »Türke- Marte« in der Satteltasche des Schweden viel Geld gefunden habe. Sogar von einer großzügigen Spende zum Bau der Wallfahrtskirche Maria Loretto berichten Chronisten und Sagen. Diese Vermutung muß so stehen gelassen werden.
Am 9. September 1650 ist anläßlich einer Huldigung der Bevölkerung des Hochstiftes Augsburg an ihren Bischof vermerkt, daß Martin Schwegerle zur Zeit ohne Hausbesitz sei. Vermutlich wohnte Schwegerle mit seiner Frau 1650 auf dem zweiten Hof des Michael Hueber, genannt der »Türgg«. Hueber hatte 1650 nämlich zwei Häuser. Sein Vater Johannes Hueber, der Bader, wurde im Jahre 1607 nach dem gescheiterten Bauernaufstand verhaftet und als Haupträdelsführer gezwungen, 10 Jahre in Ungarn gegen die Türken zu kämpfen. Hätte nun Martin Schwegerle 1647 in den Satteltaschen des Soldaten viel Geld gefunden, wäre er bestimmt schon 1650 als Hausbesitzer aufgeführt.
Von der Rache der anderen Schweden blieb Schwegerle wie auch der gesamte Ort nur verschont, weil diese Bande Hals über Kopf abziehen mußte und somit den genauen Vorgang bei »Appach« draußen nicht erfuhr.
Wenn zu berichten ist, daß Martin Schwegerle bis nach 1650 nicht vermögend war, so finden wir in den Grundbüchern des Jahres 1682 einen sehr umfangreichen Grundbesitz des inzwischen auch zum »Hauptmann«, also Bürgermeister, des Pfarrdorfes Oberstdorf gewählten »Schwede-Marte«. Hierzu ist noch zu bemerken, daß auch 50 Jahre nach der Pest der Ort noch nicht die gleiche Einwohnerzahl des Jahres 1632 erreicht hatte. In den Steuerbüchern des Jahres 1682 findet man eine ganze Anzahl von solchen Vermögensanhäufungen, deren Ursache wohl noch in der Neuverteilung der Besitzungen nach dem großen Sterben von 1635 zu suchen ist.
Wesentliche Teile der nun folgenden Besitzauflistung stammen aus dem Erbe von Großvater Alexander, Vater Ulrich und aus der Verwandtschaft der Ehefrau Maria Jegerin.
Insgesamt hatte Schwegerle im Jahre 1682
4 Häuser im Markt, davon 3 sehr große zu 150, 180 und 200 fl angeschlagen
im Wert;
204.5 Viertelsaat guten Acker im Ösch (= 25,56 Tagwerk bayer. Maß);
76 Laiten Heu wiesen (L. = altes Ertragsmaß, welches nicht die Fläche, sondern nur
den Ertrag berücksichtigt);
185.5 Weiden auf verschiedenen Oberstdorfer Alpen;
2 Rosse, 1 Roßjährling, 15 Kühe, 10 Geißen und 4 Schafe.
Außerdem besaß sein Sohn Ulrich noch:
1 Roß, 3 Kühe und 2 Winterlinge.
Sohn Gregor ist schon als Eigentümer von 3 eigenen Kühen erwähnt.
Da aber die Söhne ohne eigene Wohnstätten waren, ist anzunehmen, daß von den obengenannten 76 Laiten Heu der gesamte Schwegerle-Viehbestand von 4 Rossen, 21 Kühen, 2 Winterlingen und der genannten Anzahl von Geißen und Schafen gewintert wurde.