Aus dem Jahresbericht der Alpenvereins-Sektion Allgäu - Kempten wird u. a. folgendes berichtet: Die Zahl der Mitglieder beträgt 289. Die Kemptner Hütte besuchten 405, die Rappenseehütte 151 Personen. Die Haupttätigkeit der Sektion galt den Wegebauten auf folgenden Strecken: Großer Krottenkopf - Mädelegabel - Mädelejoch - Fürschießersattel - Märzle - Rauheck - Gutenalpe - Hornbachjoch.
Bei der abgehaltenen Weideverpachtungs-Versammlung werden folgende Kuhweiden (jeweils 1 Kuh) um folgende Preise zur Sommernutzung überlassen: Sennalpe Söller 34 - 37 1/2 Mark, außerdem hat je eine Kuhweide noch 12 Mark Unkosten und 2 Handtagwerk zu leisten; die Sennalpe Schlappold 38 - 40 Mark, Unkosten entstehen wie bei Söller; die Sennalpe Warmatsgund 12 - 14 Mark, die Unkosten sind etwas größer als bei Söller und Schlappold.
Bei der Futterversteigerung im Hause des verstorbenen Franz Titscher ergeben sich folgende Heupreise p. Zentner: Frühheu 4,30 Mark, Ohmaden 4,60 Mark, Soppen 4 Mark, Wiesheu geringerer Qualität 2,50 Mark, Streue 2,25 Mark.
Februar
Anfang Februar werden im Freibergsee 5.000 junge Gangfische, die in der Lindauer Fischaufzucht-Anstalt ausgebrütet worden sind, eingesetzt. Der rührige Verschönerungsverein setzte sich wegen der Abgabe der Fischchen mit der Fischaufzucht-Anstalt ins Benehmen. Die Fischchen wurden mit dem Frühzug in einer Transportkanne durch Fischmeister Hindelang bis Oberstdorf gebracht. Von da erfolgt die Übernahme durch zwei Träger. Im schier knietiefen Schnee führt der Weg auf die Höhe des Höllenberges und von da direkt zum See. Eine Hälfte der Fische wird im See eingesetzt, die andere Hälfte beim Einfluß des Baches.
Mitte Februar feiert Papst Leo XIII. sein 50jähriges Bischofsjubiläum. Zur Feier dieses außerordentlich denkwürdigen Tages werden am Vorabend eine Partie Bergfeuer brennen. Mit Glockengeläut und Andachten wird dieser Tag zusätzlich gefeiert.
Der Verschönerungsverein läßt für den Freibergsee 5 Gondeln bauen. Ein erfahrener Lindauer Schiffsbauer fertigt die Gondeln an Ort und Stelle an.
März
In den verflossenen Monaten übten unsere Bewohner den Schlittschuh- und Schneeschuhsport ebenso fleißig wie das Bergsteigen. Es wurden Schneeschuhtouren zur Walserschanze, nach Einödsbach, zum Freibergsee und zum Stuibenfall unternommen. Ein hiesiger Kaufmann bestieg, selbst bei ungünstigen Schneeverhältnissen, namhafte Gipfel.
April
Die Bevölkerungsanzeige der Pfarrei Oberstdorf im 1. Quartal 1893 lautet: Geburten 13, Eheschließungen 2, Todesfälle 7.
Bei der letzten Futterversteigerung werden je Zentner folgende Preise erzielt: Frühheu 4 Mark, Ohmaden 4,30 Mark, Bergheu 3,10 Mark, Wiesheu 2,30 Mark, Streue 2,20 Mark.
Mai
Bei der Versteigerung der Sommermilch in Oberstdorf belaufen sich die Angebote bei nahezu sämtlichen Alpen auf ca. 100 Mark per 1.000 Liter. Das höchste Gebot erreicht 105 Mark.
Auf Ersuchen gibt der allseits wohlbekannte Wanderlehrer Engeler in der Kohlerschen Wirtschaft Kurse über die Jungviehzucht und die praktische Verwendung von Stall- und Kunstdünger. Er veranlaßt nach Beendigung dieser Kurse nahezu 40 Bürger der hiesigen Gemeinde zum Eintritt in den Milchwirtschaftlichen Verein.
Juni
Baronin Louise v. Chelminski, München, ersteigt führerlos den Gipfel der Trettachspitze. Die Erstbesteigung des Gipfels durch eine Frau erfolgte durch Viktoria Vogler, geb. Jochum, aus Ringang bei Oberstdorf.
Die Fremdenliste Nr. 1 verzeichnet eine Fremdenfrequenz von insgesamt 423 Personen in 254 Partien.
Erich König ersteigt den Vorderen Rieffenkopf von Gruben aus, direkt über die Oytalschneide, und steigt über die furchtbaren Steilwände ganz gerade ins Oytal ab, und zwar ohne Seil und Steigeisen.
Ende Juni wird die Telefonverbindung Oberstdorf - Nebelhornhaus dem öffentlichen Verkehr übergeben.
Juli
Die Fremdenliste Nr. 2 verzeichnet eine Fremdenfrequenz von insgesamt 840 Personen in 506 Partien.
Anfang Juli erfolgt die Eröffnung des neuerbauten Verbindungsweges vom Nebelhornhaus über die rote Tenne zum Prinz-Luitpold-Haus.
Am 9. Juli stirbt der älteste Einwohner von Oberstdorf und Umgebung im Alter von 90 Jahren, Herr Josef Besler.
August
Leopold Köberle versteigert die Sennalpe Schrattenwang.
Vor einigen Tagen ist in der Rappenseehütte eingebrochen und die Kasse ihres Inhalts beraubt worden. Die Täter können nicht gefaßt werden.
Die Fremdenliste Nr. 5 weist insgesamt 3.345 Personen in 1.812 Partien auf. Wie es in der Fremdenliste weiter heißt, scheint man sich an verschiedenen Orten die Aufgabe gestellt zu haben, die Fremden vom Besuche unseres Kurortes dadurch abzuhalten, daß man ihnen den Glauben beibringt, unser Kurort sei fortwährend überfüllt. Es seien jedoch gegenwärtig bis 400 Betten frei. Oberstdorf verfügt im gesamten über 1.500 Betten.
Anfang August ist Ludwig Matt unweit des Ufers des Freibergsees beim Schwimmen ertrunken.
Auf vielseitiges Verlangen erfolgt Ende August eine nochmalige Aufführung des »Wilde-Männle-Tanzes« im Oytal.
September
Die Fremdenliste Nr. 11 weist 4.470 Personen in 2.487 Partien auf.
Anfang September kommt Seine Kgl. Hoheit der Prinzregent nach Oberstdorf zur Jagd. Als Jagdgäste sind Akademiedirektor a. D. Dr. Friedrich August v. Kaulbach und Universitätsprofessor Dr. Angerer geladen.
Marie Huber aus Reichenbach bei Schöllang stürzt Mitte September in nächster Nähe der Käseralpe im sogenannten Brunnenheuet ab.
Oktober
Beim Michaelimarkt war der Handel durchschnittlich flau. Folgende Preise sind erzielt worden: für Kühe leichteren und mittleren Schlages 148 - 160 Mark, Rinder 234 - 250 Mark, tragende Kalbeln und Jährlinge 137 Mark.
Der Besitzer der Mechanischen Weberei Blaichach, Herr Heinrich Gyr, will in Oberstdorf eine Weberei mit 300 Webstühlen bauen. Es sollen 180 Arbeiter beschäftigt werden. Das Gebäude kommt im sogenannten Bannholz auf Gemeindegrund an der Trettach, deren Wasser die Triebkraft liefert, zu stehen. Mit dem Bau wird schon in den nächsten Wochen begonnen.
November
Gemeinderatswahlen in Oberstdorf. Bürgermeister: Ludwig Vogler; Beigeordneter: Johann Huber; Bevollmächtigte: Alois Kappeler, Alois Huber, Franz Geißler, Fritz Gschwender, Leo Becherer, Melchior Jaus, David Berktold, Johann Huber, Max Jäger, Josef Anton Vogler, Luwig Jäger und Franz Schratt.
Seine Kgl. Hoheit Prinz Luitpold hat dem Oberstdorfer Pfarrer Alois Heinle gebührenfrei den Titel und Rang eines Kgl. Geistlichen Rates verliehen.
Gemeinderatswahlen in Schöllang. Bürgermeister: Jakob Socher; Beigeordneter: Joseph Stoß; Bevollmächtigte: Josef Huber, Wendelin Mößmang, Ferdinand Bihler, Franz Schratt, Joseph Vogler, Michael Schratt, Ludwig Blähle und Joseph Hindelang.
Dezember
Am 26. Dezember führt der Turnverein Oberstdorf seine alljährliche Christbaumfeier mit Verlosung durch.