Früchte der Roßkastanie
Vorkommen und Beschreibung:
Der prächtige Baum, auch Pferdekastanie, Gichtbaum, Saukastanie, Kastangel genannt, stammt aus den östlichen Balkanländern und ist heute in ganz Europa verbreitet. Die Gattung der Aesculusarten setzt sich aus 20 Unterarten zusammen, darunter befindet sich auch die bei uns öfter anzutreffende, rotblühende Kastanie (Aesculus carnea). Man begegnet der Roßkastanie in fast jedem Park, auf Dorfplätzen, an Waldlichtungen, und was wäre ein Biergarten ohne das Dach der mächtigen Äste, welche die Sonne abhalten und den Regen wie ein Schirm an der Peripherie ableiten.
Den bis zu dreißig Meter hohen Baum erkennt jeder an den Blättern, die sich in fünf bis sieben breite Finger aufspalten. Im Frühjahr erfreuen wir uns an den weißen Blüten, die in aufrechten Rispen wie Kerzen im Baum stehen. Bei genauerer Betrachtung fällt auf, daß die weißen Blüten einmal ein gelbes, ein anderes Mal ein rotes Saftmal am Grunde der langen Staubgefäße tragen. Man weiß heute, daß nur die gelben »Flecken« Nektar produzieren und somit für die Insekten interessant sind. Nach der Bestäubung verfärben sie sich nach rot und liefern keinen Nektar mehr und werden damit auch nicht mehr von den Bienen und Hummeln besucht.
Die Früchte bilden sich in dicken, kugeligen, mit weichen Stacheln versehenen Kapseln, die sich zur Reifezeit in zwei bis drei Teile öffnen und ein bis drei Samen - die braun glänzenden Kastanien - freisetzen, die noch heute als Futter für Wild, Pferde, Schafe und Schweine Verwendung finden. Für den Menschen ist die Kastanie ungenießbar, der bittere Geschmack hält schon vom Verzehr ab, der ansonsten zu Magen- und Darmstörungen führt. Im Gegensatz dazu sei die Edelkastanie erwähnt, deren Früchte die eßbaren Maronen sind. Stammpflanze ist die Castanea vesca, die in die Familie der Fagaceae gehört.
Trotz der scheinbar weiten Verbreitung der Roßkastanie ist sie ein gefährdeter Baum, denn die so robust erscheinende Art ist sehr empfindlich gegen Salz im Boden und gegen Umweltgifte aller Art. Ein früher Laubabwurf deutet auf derartige Zivilisationseinflüsse hin.
Anwendung und Heilwirkung:
Wegbereiter für die heutige therapeutische Bedeutung war die Homöopathie mit Arzneien aus der Rinde und den geschälten Samen. 1720 empfahl zum Beispiel die Pariser Akademie die Rinde der Roßkastanie als Ersatz für die damals nur schwer zu beschaffende Chinarinde (Malaria), aber erst am Ende des 19. Jahrhunderts beschrieb ein französischer Arzt die erfolgreiche Behandlung von Hämorrhoiden mit einer aus den Samen hergestellten Tinktur.
Heute haben standardisierte Präparate einen festen Platz in der Medizin. Man kennt die Inhaltsstoffe - hauptsächlich das Saponin Aescin, ein Cumarinderivat Aesculin und verschiedene Flavone. Sie verhindern den Austritt von »Wasser« aus den Gefäßen ins Gewebe, wirken wasserausschwemmend aus den Beinen. Durch diesen günstigen Einfluß auf die Ödembildung und die Verbesserung des Venendrucks haben diese Präparate einen festen Platz in der heutigen Venenbehandlung.
Die Anwendung erfolgt sowohl innerlich in Form von Tropfen oder Dragees sowie äußerlich in Gel-, Creme- und Salbenform gegen Blutergüsse, Prellungen, Verstauchungen, Krampfadern, Thrombosen, Hämorrhoiden, venöse Durchblutungsstörungen und Sportverletzungen.
Quellen:
R. F. Weiss, Lehrbuch der Phytotherapie, 5. Auflage 1982 H. Laux, E. Tode, Heilpflanzen, Umschau Verlag 1990