Zwergholunder - Sambucus Ebulus
Vorkommen:
Der schwarze Holunder aus der Familie der Geißblattgewächse - auch Holler, Holder, Flieder, Eiderbaum, Husholder oder Schwarzholder genannt - ist in ganz Europa heimisch. Neben dem schwarzen Holunder gibt es noch die zwei anderen des Traubenholunders (S. racemosa) und des Zwergholunders oder Attichs (S. ebulus), welche beide typische Wildpflanzen sind.
Während der schwarze Holunder als Kulturbegleiter häufig in Gärten, Wildsträucherhecken und überall in den Dörfern an Hütten gelehnt anzutreffen ist, findet man den Zwergholunder oder Attich an Schuttplätzen, Weg- und Waldrändern. Der Traubenholunder dagegen ist eine typische Art der montanen Buchwälder.
Pflanzenbeschreibung:
Der schwarze Holunder wächst als Strauch oder Baum von drei bis zehn Meter Höhe. Die Rinde ist an jungen Ästen grün und voller Lentizellen, später wird sie grau-braun und rissig. Ein bekanntes Merkmal ist das weiße Mark in den jungen Zweigen. Als Kinder fertigten wir daraus Pusterohre, denn das Mark läßt sich leicht herausstoßen, und als „Munition” dienten die noch unreifen, grünen Beeren.
Die Laubblätter stehen gegenständig, unpaarig gefiedert, mattgrün und am Rande gezähnt. Die in Trugdolden angeordneten Blüten, bis zu zwanzig Zentimeter Durchmesser, mit je fünf Kelch-, Krön- und Staubblättern, sind klein, gelblich-weiß und haben einen intensiven Geruch. Die Blütezeit ist im Juni/Juli, die Früchte sind kleine schwarze Beeren. Der Duft der Blüten ist besonders an warmen, feuchten Sommerabenden intensiv süßlich, faulig, was seine Bedeutung darin hat, damit die Blüten durch die im Wald so nützlichen Aasfliegen befruchtet werden.
Der nur als Strauch wachsende Traubenholunder (S. racemosa) ist besonders durch seinen im Herbst auffälligen roten, kegeligen und aufrechten Fruchtstand gekennzeichnet.
Der Zwergholunder (Attich) schließlich ist eine Staude, die jedes Jahr bis zu zwei Meter lange Stengel treibt. Diese tragen kreuzständige, bis zu vierzig Zentimeter lang werdende, unpaarig gefiederte Blätter und eine endständige große Trugdolde. Die Farbe der Blüten ist mehr rötlich-weiß, der Fruchtstand besteht wie beim schwarzen Holunder aus glänzend schwarzvioletten Beeren, bleibt aber aufrecht.
Geschichte und Verwendung
Der schwarze Holunder ist eine der wenigen Pflanzen, die seit der frühesten Antike bekannt sind und noch heute Verwendung finden. Die Völker der Jungsteinzeit aßen die Beeren, und auch die alten Griechen kannten die therapeutischen Eigenschaften der Blüten und Früchte. Dazu kam die Vorstellung, daß im Holunder „gute Geister” innewohnen. Die Germanen glaubten sogar daran, daß Freya, die Beschützerin von Haus und Hof, sich den Busch zum Wohnsitz auserwählt hatte. Schon deshalb war es Sitte, einen Holunderbusch in die nächste Nähe des Hauses zu pflanzen. Auch wenn heute kaum jemandem diese damalige Denkweise bewußt ist, stehen wohl aus einer gewissen Tradition heraus in vielen Bauerngärten Holunderbäume. Und dort, wo der „Fortschritt” noch nicht alles überdeckt hat, wird auch geerntet: im Sommer die Blüten, im Herbst die Beeren, wobei das Heilkräftige mit dem Wohlschmeckenden verbunden wird.
Medizinische Verwendung finden heute ausschließlich die Blüten des schwarzen Holunders (Flores Sambuci). Sie enthalten ätherische Öle, Rutin, Quercetin, Pflanzenschleime und Gerbstoffe. Abgekocht bilden sie ein hervorragendes schweißtreibendes Mittel bei Erkältungen und fieberhaften Zuständen. In manchen Gegenden Deutschlands ist der Name Flieder für den Holunder gebräuchlich. Wenn dann von Fliedertee oder Fliederbeeren gesprochen wird, muß man wissen, daß es sich dabei nicht um den echten Flieder (Syringia vulgaris) handelt, den bekannten Zierstrauch !
Zu empfehlen für einen Teeaufguß ist eine Mischung mit Lindenblüten: je ein Eßlöffel Holunder- und Lindenblüten mit einem halben Liter heißem Wasser überbrühen, zehn Minuten ziehen lassen und heiß trinken. Kaum noch medizinische Verwendung findet die Wurzel des Zwergholunders (Attich) als Radix Ebuli, allenfalls in Teemischungen gegen Harnleiden.
Die heute wieder vermehrte Nutzung im Haus vor allem in Süddeutschland betrifft sowohl die Blüten wie die reifen Früchte. Die Blütendolden, in Bierteig gebacken, ergeben die schmackhaften »Holderküchle«. Ein sehr angenehmes Konzentrat für ein erfrischendes Sommergetränk bereitet man, indem die Blütendolden drei Tage mit heißem Zuckersirup ausgezogen und anschließend mit Zitronensaft und Weinsteinsäure versetzt werden. Die gekochten und passierten Früchte, deren Mus reich an Vitamin C ist, ergeben Gelees, Marmeladen und Saft. Auch als »Fliedersuppe« mit Grießklößchen mag es manchem noch bekannt sein, wie dem „Preußen- Autor” aus der Kindheit.
Zum Schluß noch einige Anmerkungen zur Verträglichkeit der drei Holunderarten:
1. Schwarzer Holunder (S. nigra)
Die Blätter und die unreifen Früchte enthalten ein cyanogenes Glykosid, das zu schwachen Vergiftungen führen kann. Ein ätherisches Öl der unreifen Früchte kann Erbrechen und Durchfall erzeugen.
2. Traubenholunder (S. racemosa)
wird als der „giftigste” bezeichnet. Er ist zu erkennen an den roten Beeren und dem ripsigen Blütenstand. Unverträglichkeitserscheinungen nach dem Genuß der reifen Beeren sind Bauchkrämpfe und Durchfall.
3. Zwergholunder oder Attich (S. ebulus)
galt bisher als sehr giftig. Die weitverbreitete Kenntnis der Giftigkeit, zu der auch in der älteren Literatur angeführte „Todesfälle” beigetragen haben, lassen sich nach den umfangreichen Erfahrungen der Vergiftungszentralen und nach den Untersuchungen der Biochemiker bisher nicht bestätigen. Das früher angegebene Alkaloid Sambucin konnte bei neueren Untersuchungen nicht aufgefunden werden. Die Samen wie die unreifen Früchte enthalten wie die beiden o. a. Arten einen harzartigen Stoff, der stark schleimhautreizend wirkt - daher Vorsicht! Auf Verwechslung mit schwarzem Holunder achten. Schwarzer Holunder ist ein Baum von 2 bis 10 Meter, hat hängende Trauben, Attich ist eine Staude bis zu 2 Meter Höhe, die Traube ist endständig und stehend!
Quellen:
R. F. Weiss, Lehrbuch der Phytotherapie, 5. Auflage 1982 A. Schmidlmayer, Lexikon der Pflanzen, Verlag M. Pawlak P. Schauenberg, F. Paris, Heilpflanzen, BLV-Verlag 1970